23,5 cm harte Arbeit - Michael Zühlke - E-Book

23,5 cm harte Arbeit E-Book

Michael Zühlke

3,9

Beschreibung

Er hatte 4888 Frauen. Im Alter von 20 Jahren stand Michael Zühlke zum ersten Mal bei einem Pornodreh vor der Kamera. Seine enorme Potenz, aber auch seine eindrucksvollen 23,5 Zentimeter machten ihn in der Branche und darüber hinaus bekannt. Bis heute hat er als Darsteller und Produzent an über 2300 Filmen mitgewirkt und wurde dafür mit zahlreichen Preisen ausgezeichnet. In seiner Autobiografie gewährt Michael Zühlke tiefe Einblicke in das deutsche Erotikgewerbe und berichtet von seinen verrücktesten, schlimmsten und heißesten Erlebnissen auf dem Filmset. Auch nach Drehschluss vergnügt sich der Pornodarsteller am liebsten mit Sex: als Gigolo, auf Gangbangs, im Swingerclub oder ganz privat im eigenen Bett. Das Leben als Pornostar hat nicht nur Höhepunkte: Viele von Zühlkes Liebesbeziehungen sind an seinem Beruf gescheitert, seinen Sohn sieht er nur selten, Freunde wandten sich ab. Offen und ehrlich berichtet Michael Zühlke alias Pornfighter Long John vom Glück und Leid, ein Sexsymbol zu sein.

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  Bibliografische Information der Deutschen Nationalbibliothek

Die Deutsche Nationalbibliothek verzeichnet diese Publikation in der Deutschen Nationalbibliografie. Detaillierte bibliografische Daten sind im Internet über http://dnb.d-nb.de abrufbar.  

Für Fragen und Anregungen:

[email protected]

1. Auflage 2012

© 2012 by riva Verlag, ein Imprint der Münchner Verlagsgruppe GmbH

Nymphenburger Straße 86

D-80636 München

Tel.: 089 651285-0

Fax: 089 652096  

Alle Rechte, insbesondere das Recht der Vervielfältigung und Verbreitung sowie der Übersetzung, vorbehalten. Kein Teil des Werkes darf in irgendeiner Form (durch Foto­kopie, Mikrofilm oder ein anderes Verfahren) ohne schriftliche Genehmigung des Verlages reproduziert oder unter Verwendung elektronischer Systeme gespeichert, verarbeitet, vervielfältigt oder verbreitet werden.  

Umschlaggestaltung und Layout: Maria Wittek

Umschlagabbildung und Bilder vom Covershooting im Bildteil: Harry Schnitger

Satz: Carsten Klein, München

Epub: Grafikstudio Foerster, Belgern  

ISBN Epub 978-3-86413-193-6  

Weitere Informationen zum Verlag finden sie unter

www.riva-verlag.de

  »Ich tue es wirklich nicht gern, aber einer muss es ja machen.«

Dieses Buch erzählt meine Geschichte so, wie ich sie erlebt habe. Alle Ereignisse, die ich darin beschreibe, haben wirklich so stattgefunden. Da ich aber niemandem schaden möchte, habe ich einen großen Teil der Namen durch Pseudonyme ersetzt und auch einige Details abgeändert.

Inhalt

Einführung: Das bin ich

Kapitel 1: Wirbelwind

Kapitel 2: Bösewicht

Kapitel 3: Wettkampf

Kapitel 4: Entdeckung

Kapitel 5: Mein erstes Mal

Kapitel 6: Allein unter Frauen

Kapitel 7: Scheidung

Kapitel 8: Sturm und Drang

Kapitel 9: Experimente

Kapitel 10: Long John

Kapitel 11: Der erste Dreh

Kapitel 12: Vorglühen

Kapitel 13: Anfängerfehler

Kapitel 14: Bis zur Betäubung

Kapitel 15: Ungewollt

Kapitel 16: Spaß

Kapitel 17: Nicht nur Spaß

Kapitel 18: Ernst

Kapitel 19: Der verlorene Sohn

Kapitel 20: Das Set

Kapitel 21: Die Gefühle

Kapitel 22: Bitches und Mauerblümchen

Kapitel 23: Hammer!

Kapitel 24: Höllenfeuer

Kapitel 25: Pionierarbeit

Kapitel 26: Gigolo 1

Kapitel 27: Sie sah es kommen

Kapitel 28: Vorgeführt

Kapitel 29: Vaterfigur

Kapitel 30: Gigolo 2

Kapitel 31: Besondere Umstände

Kapitel 32: Ekelmomente

Kapitel 33: Gigolo 3

Kapitel 34: Tausend

Kapitel 35: Der totale Sex

Kapitel 36: Wahre Liebe

Kapitel 37: Hochzeit

Kapitel 38: Erfüllung

Kapitel 39: Fickbrüderschaft 1

Kapitel 40: Wichser in Uniform

Kapitel 41: Risse

Kapitel 42: Fickbrüderschaft 2

Kapitel 43: Gesetzesbrecher

Kapitel 44: Lügen

Kapitel 45: Neid

Kapitel 46: Dicke Eier

Kapitel 47: Niederlage

Kapitel 48: Sieg

Kapitel 49: Enttäuschung

Kapitel 50: Geschäfte

Kapitel 51: C-Promi

Kapitel 52: Vorurteile

Kapitel 53: Einsamkeit

Danksagung

So ist er, der Long John

Das letzte Wort

Meine Leistungen und Rekorde

Der Autor

Bildteil

Einführung: Das bin ich

Ich möchte behaupten, ich bin der mit Abstand sexsüchtigste Mensch der Welt. Ja, ich leide unter krankhafter Sexsucht. Obschon: Tatsächlich leiden tue ich nicht darunter ...

Unbewusst und bewusst denke ich über 100 Mal am Tag an Sex. Ich nahm ­immer an, mit der Zeit würde es weniger werden, aber da habe ich mich ganz gewaltig getäuscht. Es gibt so viele Millionen Frauen auf dieser Welt, und mit meinen 35 Jahren hatte ich gerade mal 4400 von ihnen. Da sind also noch ein paar wenige, die ich unbedingt haben möchte. Denn ich liebe den Sex und brauche ihn wie die Luft zum Atmen.

Mit 13 Jahren habe ich das erste Mal onaniert und war sofort süchtig danach. Seit damals machte ich es mir mindestens ein bis zwei Mal täglich. Es gibt höchs­tens zwei oder drei Tage im Jahr, an denen ich darauf verzichtet habe.

Ganz schlimm wurde es mit 18, als ich meinen ersten Fick erlebte. Meine arme Freundin musste jeden Tag drei Mal herhalten – vor der Arbeit, nach der Arbeit und am Abend vor dem Einschlafen. Wenn ich mal nachts wach wurde, konnte ich nur wieder einschlafen, wenn ich sie kurz fickte. Selbst während meiner Lehre zum Maler und Lackierer trieb ich es nächtelang. Zum Glück hatte meine Freundin ­ebenso viel Bock wie ich. Einmal fickten wir das ganze Wochenende durch. Wobei die Wochenenden immer sehr verfickt waren. 20 Mal und mehr.

Fast alle Frauen, mit denen ich bereits geschlafen habe, hatten so einen wie mich noch nie – und auch danach nie wieder. Sie waren überrascht von der Vielfalt an möglichen Stellungen und Praktiken. Die meisten Männer bekommen sofort einen Schlaffen, sobald sie ihren Orgasmus hatten, und nichts geht mehr. Wenn ich gekommen bin, bleibt mein Schwanz immer hart. So etwas hatten die Frauen noch nie gesehen.

Ich für meinen Teil war bei einem Treffen mit einer Frau immer heilfroh, die erste Nummer rasch hinter mich gebracht zu haben, denn erst danach konnte ich das Ficken richtig genießen. Ich war und bin immer überreizt. Ich kann zwei, drei, vier, ja bis zu zehn Nummern hintereinander schieben, ohne dass mein Schwanz zusammenbricht. Für mich ist das ganz normal, aber ich weiß, die Normalität schaut anders aus. Meine Freunde sagen immer, dass ich als Kind in einen Viagra-Topf gefallen sein und so viel davon verschluckt haben muss, dass die Dosis für zwei Leben reicht.

Ich war meist so geil, dass ich nur dann Pornos drehen konnte, wenn ich mir vorher einen runterholte. Früher musste ich zu jedem Dreh eine Orgasmusstoppercreme mitnehmen, um mir die Eichel damit zu betäuben. Auch wenn nur ein Abspritzer am Ende der Szene verlangt war, wollte und konnte ich zu jeder Zeit noch einmal, zwei Mal oder drei Mal mehr abspritzen – und musste mich auch zwischen den Drehs entladen. Sobald der Dreh beendet und eigentlich alle Szenen im Kasten waren, ich deshalb zum finalen Abspritzer kommen sollte, bettelte ich, noch eine Stellung machen zu dürfen. Auch wenn wir bereits eine Stunde gedreht hatten, kam mir das wie zehn Minuten vor.

In den ersten fünf bis sechs Jahren als Pornodarsteller verfickte ich die komplette Gage, die ich zuvor fürs Drehen erhalten hatte. Ich ging auf Sexpartys und Gangbangs oder gab den Girls, mit denen ich zuvor gedreht hatte, meine Gage, um sie privat noch einmal ficken zu dürfen. Sehr oft ging ich in einen Puff. Mitt­lerweile kenne ich fast alle im Umkreis. Früher überzog ich sogar mein Konto und reizte den Dispokredit voll aus, nur um noch einmal zu ficken. Ich sagte mir immer und immer wieder: »Nur noch die eine, nur noch das eine Mal. Morgen könnte ich schon tot sein.«

Wenn mal kein Geld da war, ging ich in die Disco, um mit den Girls zu flirten. Schließlich wurde ich immer dreister und kam schnell auf den Punkt. Oder ich rief irgendeine Freundin an. Mein Handy war voll mit Nummern von Girls, mit denen ich ficken konnte. Zu meinem Glück gibt es heute größere Speicherkarten.

Es gab auch Drehtage, die mir wirklich alles abverlangten, sodass ich völlig erledigt vom Set kroch. Mit allerletzter Kraft schleppte ich mich ins Auto, um nach Hause zu fahren. Kaum aber sah ich am Straßenrand eine geile Schnecke, wollte mein Schwanz von ihr verschlungen werden. Halbtot zu Hause angekommen, läutete das Telefon und eines meiner Fickhäschen fragte: »Hast du Zeit?« Mein Schwanz wurde schon vom Telefonieren mit ihr hart. Natürlich willigte ich ein.

Ich will immer der Erste sein beim Ficken, und immer bin ich der Letzte. Auch komische Fantasien gehen mir ständig durch den Kopf: Irgendwann bin ich Millionär und verfüge über einen Harem. Oder ich lasse mich für ein paar Wochen in den Frauenknast einsperren und bin der Sexsklave aller. Oder ich lasse alle Frauen, mit denen ich schon mal Sex hatte, in einem Fußballstadion antreten, um es mit allen noch einmal zu treiben.

Ja, ich glaube, ich wurde geboren, um ein Ficker zu sein. Jeder hat eine Gabe, jeder hat ein Talent. Bereits heute schreiben Zeitungen Artikel mit Überschriften wie »Anstreicher jagt den Porno-Weltrekord«, »Leben voller Sex: 4000 Frauen im Bett« oder »Er kennt keine Tabus«.

Doch das reicht mir nicht. Ich werde von Tag zu Tag sexsüchtiger. Aber nicht nur ich, sondern auch die Frauen wollen immer mehr. Sie beginnen allmählich, ihre Sexualität offener auszuleben. Und ich werde jeder Einzelnen von ihnen gerne behilflich sein.

Kapitel 1

Wirbelwind

Der 10. November 1976. Viel zu früh am Morgen. Weshalb ich mir eigentlich noch etwas Zeit lassen wollte, doch die Ärzte waren dagegen. Nicht länger als nötig ­wollten sie im Kreißsaal der Berliner Charité herumstehen und noch viel weniger am nächsten Tag, um 11.11 Uhr, den Karnevalsbeginn verpassen ... Also legten sie meine Mutter an den Venentropf und leiteten die Geburt ein. Schon ein paar Stunden später, um 14.30 Uhr, kam ich zur Welt: nur 50 Zentimeter groß und 2,5 Kilo leicht, aber dafür umso lauter schreiend. Als wollte ich der Welt verkünden: Da bin ich, bääm!

Ich selbst kann mich natürlich nicht an meine Geburt erinnern. Es war meine Mutter, die mir viele Jahre später von diesem Tag erzählte und auch davon, dass sie und mein Vater ziemlich stolz auf mich waren. Mit meiner Geburt war ihr Fami­lienglück perfekt.

Zwar arbeiteten sie beide weiterhin im Schichtdienst, mein Vater als Gießer in einer Fabrik für Löschfahrzeuge, meine Mutter anfangs in einer Schuhfabrik, später in einer Großküche für Schulen und Kindergärten. Aber wann immer sich ihnen eine gemeinsame freie Minute bot, unternahmen sie mit mir Ausflüge an die Ostsee oder ins Erzgebirge. Wir besuchten Rummelplätze oder Weihnachtsmärkte, fuhren zum Schwimmen in Hallenbäder, besuchten Freunde oder meine Großeltern. Fast jeden Monat gab es Familienfeste, zu denen sich die komplette Verwandtschaft bei uns einfand.

Wir lebten in einem hübschen Häuschen am Rande von Luckenwalde, einer Kreisstadt etwa 50 Kilometer südlich von Berlin. Dort besaßen meine Eltern einen kleinen Hof mit Hühnerstall sowie einen Garten, in dem sich auch unser Plumps­klo befand. Im Winter fror ich mir auf der eisigen Schüssel regelmäßig den Hintern ab. Im Sommer stank es aus der Sickergrube fürchterlich nach Scheiße, und der enge Holzverschlag war voller Spinnen und Fliegen.

Doch davon abgesehen mochte ich unseren Garten und konnte mir nichts Schöneres vorstellen, als stundenlang über die Wiese und durch die Sträucher zu tollen. Ich war ein zappeliger Wirbelwind, den man am besten nicht aus den Augen ließ. Als meine Mutter tatsächlich einmal nicht auf mich achtgab – ich hatte gerade erst das Laufen gelernt –, erklomm ich eine bis zum Rand gefüllte Regentonne, in die ich prompt kopfüber hineinkippte.

Zum Glück trat meine Mutter in derselben Sekunde ans Fenster und sah gerade noch meine Füße herausragen, bevor auch diese im Wasser versanken. Voller Panik kam sie in den Garten gerannt und zerrte mich aus der Tonne.

»Mein Gott, Micha, was machst du? Fast wärst du ertrunken!«, rief sie erleichtert. »Kann ich dich denn gar nicht aus den Augen lassen?«

Nein, konnte sie nicht. Einige Zeit später erwischte sie mich dabei, wie ich in den Hühnerstall gekrochen war und dort munter alles mampfte, was ich zwischen die Finger bekam: Hühnereier ebenso wie Hühnerfutter – und Hühnerkacke.

In einem anderen unbeobachteten Moment knöpfte ich meine Windel auf und schmierte mit deren braunen Innereien wahre Wunderwerke an die Tapete. Mein Vater allerdings hegte große Zweifel an meinem Kunstverstand, den er mir sogleich mit einem saftigen Klaps zurechtrückte.

Als ich vier Jahre alt war, bekam ich ein rotes Tretauto mit einer Acht vorne drauf. Ich fuhr die Straße vor unserem Haus rauf und runter. Einmal kam ein sowjetischer Panzer um die Ecke, mit dem ich um die Wette fuhr. Wir lebten damals in der Nähe eines Truppenübungsplatzes. Nur einen Kilometer hinter unserem Haus befand sich eine regelrechte Mondlandschaft. Auf diesem Gelände gab es viele schöne Dinge zu entdecken. Ich schaute beispielsweise zu, wie 100 sowjetische Soldaten ein großes Loch gruben und anschließend alle ihre Notdurft verrichteten. Als sie weg waren, setzte ich noch einen kleinen Haufen dazu.

Aufregend fand ich auch, wenn die Panzer schossen und Bomben aus Flugzeugen auf die Erde krachten. Ich war immer am Rande dabei. Wenn die Männer in Uniform mich entdeckten, freuten sie sich. In dem Wald, der hinter unserem Haus lag, fanden sich viele leckere Blaubeeren. Die Soldaten halfen mir beim Sammeln und waren immer sehr nett. Ich bekam ein Abzeichen geschenkt, durfte eine Ka­laschnikow halten oder ab und an mal mit einem Panzer mitfahren.

Meine Eltern waren wohl ziemlich erleichtert, als sie mich endlich in den Kindergarten bringen konnten. Auch ich freute mich darauf, denn dort würde es, so versprach mir meine Mutter, viele Kinder zum Spielen, viel Abwechslung und noch viel mehr Spaß geben.

Doch schon nach wenigen Tagen verlor ich die Lust auf den Kindergarten. Wegen meiner lockigen Haare nannten mich die anderen Kinder ständig nur »die Kleine«. Ich hasste diese Hänseleien genauso wie die täglichen Bastelstunden. Still am Tisch sitzen, malen, schneiden, kneten – das war für einen hyperaktiven Jungen wie mich der blanke Horror.

Fast noch schlimmer aber war der tägliche Mittagsschlaf, zu dem die Erzieherinnen uns Kinder zwangen, egal ob wir müde waren oder nicht. Ich dagegen wollte lieber spielen. Als eine Betreuerin mich beim Herumalbern im Bett erwischte, musste ich zur Strafe neben meinem Bettchen stillstehen. Die anderen Kinder lagen unter ihren Decken, träumten friedlich vor sich hin. Nur ich ließ meinen Blick unruhig durch das Zimmer kreisen.

»Jetzt reicht’s!«, schimpfte die Erzieherin und befahl mir, die Augen zu schließen.

Ich hielt die Augen offen.

»Micha, mach die Augen zu!«, ermahnte sie mich.

Ich senkte die Lider, nur um sie gleich wieder zu heben. So ging es eine ganze Weile weiter. Augen zu. Augen auf. Bis mich irgendwann, ermüdet von dem Hin und Her, plötzlich doch der Schlaf übermannte. In diesem Moment kippte ich um und knallte mit meiner Schläfe gegen die Bettkante. Mit einer dicken Beule durfte ich mich dann wieder ins Bett legen. Diesmal war ich sogar froh darüber, weil mein Kopf fürchterlich schmerzte. Aber als meine Mutter mich am Abend abholte, beschloss ich, nie wieder in den Kindergarten zu gehen.

Ich sträubte mich jeden Morgen mit Händen und Füßen dagegen, sobald meine Mutter mich dafür bereitmachen wollte. Trieb ich es zu bunt, verpasste mir mein Vater kurzerhand einen Klaps auf den Po.

»Glaubst du, mir macht es Spaß, jeden Tag zur Arbeit zu gehen?«, maulte er.

Ich heulte, während er mich zum Kindergarten brachte. Was sollte ich dort? Ich fühlte mich nicht wohl. Ich fühlte mich wie ... abgeschoben.

Doch da die Arbeitszeiten meiner Eltern ständig zwischen Spät- und Frühschicht wechselten, blieb mir keine andere Wahl: Ich musste in den Kindergarten. Allerdings war ich jedes Mal froh, wenn meine Eltern mich am späten Nachmittag wieder abholen kamen.

Bis ich eines Abends – meine Mutter hatte Spätschicht – vergeblich auf meinen Vater wartete. Draußen war es bereits dunkel, die anderen Kinder alle von ihren Eltern abgeholt worden. Nur ich stand mutterseelenallein im Flur.

»Kommt dein Vater nicht?«, fragte die Erzieherin.

Traurig hob ich die Schultern. Wo war mein Vater? Weshalb ließ er mich hier alleine stehen? Er wusste doch, wie sehr ich den Ort hasste. Plötzlich fühlte ich mich erst recht ... verlassen. Und einsam.

Die Erzieherin spürte mein Leid, nahm mich an die Hand und brachte mich nach Hause. Von meinem Vater fehlte jede Spur. Wir warteten, bis meine Mutter von der Arbeit kam.

Ich lag schon im Bett, als mein Vater endlich heimkehrte. Am nächsten Morgen verlor er kein Wort über sein Versäumnis. Es sollte noch eine ganze Weile dauern, bis ich die Gründe für sein Fortbleiben begriff. Viele Monate, in denen er mich immer öfter abends im Kindergarten vergaß.

Kapitel 2

Bösewicht

Ich kann mich noch gut an meinen ersten Schultag erinnern: an die große Schultüte, die bis zum Rand gefüllt war mit Leckereien. An meinen Schulranzen, der nach frischem Leder roch. An die vielen bunten Hefte und Bücher, die ich in den Ranzen packte und voller Stolz zur Schule trug. Auch wenn ich etwas Angst verspürte vor dem Unterricht, den Lehrern und den anderen Kindern, vor dieser völlig neuen Welt, so war ich insgeheim dennoch überzeugt, dass von jetzt an alles besser werden würde. Besser als im Kindergarten allemal.

Doch gleich am ersten Tag, in der ersten Unterrichtsstunde, kam mir jegliche Hoffnung abhanden. Als ich mich in die Schulbank neben ein hübsches Mädchen setzen wollte, das mich nett angelächelt hatte, platzierte der Lehrer mich an einen anderen Tisch – ausgerechnet neben das dickste und hässlichste Mädchen der ganzen Klasse. Sie trug schmuddelige Klamotten und auf der Nase eine Hornbrille, deren dicke Gläser glatt als Lupen durchgegangen wären.

Ich weiß nicht mehr, wie das Mädchen hieß, wohl aber, dass ich es fortan nur »Lupe« nannte. Was ihr natürlich gar nicht gefiel, sodass sie mir zur Antwort ständig eine knallte. Ich konnte mich nicht einmal dagegen wehren, denn Lupe brachte mindestens das Doppelte von mir auf die Waage. Mit dem, was sie in den Pausen verdrückte, wurde es sogar immer mehr.

Ich dagegen kriegte kaum einen Bissen hinunter. Das Mittagessen in der Schule schmeckte fade, die Pausenbrote trocken, weswegen ich sie meist in den Abfall ent­sorgte. Oft knabberte ich nur an einem Stückchen Apfel und trank dazu etwas Milch.

Auch die Schule war kein Ort, an dem ich mich wohlfühlte, und mein Abscheu wuchs mit jedem Unterrichtstag. Wann immer ich das Klassenzimmer betrat, befiel mich Widerwillen. Sobald ich schreiben musste, sperrte sich alles in mir. Wurde ich zum Vorlesen aufgefordert, brach mir der Schweiß aus und ich bekam keine Luft mehr. Kein Wort drang über meine Lippen. Ich wollte lieber sterben.

Heute weiß ich, ich bin Legastheniker und habe eine starke Rechtschreib­schwäche. Aber ich bin mir ebenso bewusst, dass dies kein Grund ist, sich zu schämen. Es gibt viele Prominente, die wie ich darunter leiden – Tom Cruise zum Beispiel oder Tommy Hilfiger –, dafür aber mit anderen Talenten gesegnet sind.

Damals bewegten sich meine Schulnoten schon bald zwischen vier und fünf. Am Ende jedes Schuljahres war ich versetzungsgefährdet. Ich hasste die Schule.

Lieber wollte ich zu Hause bleiben, wo meine Mutter gerade erst verkündet hatte: »Micha, bald kriegst du ein Geschwisterchen.«

»Wenn du etwas Zucker aus dem Fenster streust, wird dir der Storch ein Brüderchen bringen«, sagte meine Mutter.

Der Gedanke an ein kleines Brüderchen entzückte mich, weswegen ich gleich am nächsten Tag eine ganze Zuckertüte aus dem Fenster warf. Wenige Wochen vor meinem siebten Geburtstag bekam ich tatsächlich einen Bruder.

Die erste Zeit mit ihm war toll. Ich trug ihn durch die Wohnung, von einem Sofa zum nächsten, küsste ihn mindestens 100 Mal am Tag. Jeden Samstag durften wir gemeinsam baden und wir hatten viel Spaß dabei. Eines Nachmittags, ich war inzwischen acht Jahre alt, pinkelte mein Bruder volle Möhre in die Badewanne.

»Du Drecksau!« Ich verpasste ihm eine Ohrfeige und er flennte lauthals los.

Unsere Mutter stürzte ins Badezimmer. »Was ist passiert?«

»Ich ... ich ...«, stotterte mein Bruder, »ich hab doch nur Pipi gemacht. Aber auf meiner Seite.«

Meine Mutter begann zu lachen. Ich stimmte in ihr Lachen ein. Wie gesagt, wir hatten viel Spaß. Zumindest am Anfang.

Später gab es immer weniger Grund zur Freude, und die Zuneigung, die ich für meinen Bruder empfunden hatte, erlosch. Denn wann immer sich die Gespräche um ihn drehten, schwärmte mein Vater: »Ist der Junge nicht süß? Ist der nicht toll? Er ist der Beste. Aus ihm wird mal ein ganz Großer.«

Während er über mich nur meinte: »Der Micha kann nichts!« Wenn er wieder einmal sauer auf mich war, ging er in mein Zimmer, zerriss meine Schulbücher, warf sie aus dem Fenster und maulte: »Du brauchst nicht lernen, aus dir wird sowieso nichts.«

Bei nahezu jeder Gelegenheit ließ er mich spüren, wie wenig er von mir hielt. Er gab meinem Bruder mehr Taschengeld. Wenn er Schokolade unter uns Jungs aufteilte, bekam mein Bruder das größere Stück – obwohl er Schokolade gar nicht mochte. Schon bald war ich nicht nur neidisch auf meinen Bruder, ich begann ihn zu hassen.

Eines Nachts stand ich auf, kletterte in dem Etagenbett, das ich mit ihm teilte, die Leiter nach oben, wo mein Bruder friedlich schlummerte. Voller Wut hämmerte ich ihm meine Faust auf den Kopf. Er schreckte aus dem Schlaf auf und weinte bitterlich. Als meine Mutter ins Zimmer gerannt kam, lag ich wieder in meinem Bett und tat so, als würde ich gerade erst aus einem tiefen Schlaf erwachen.

»Was ist denn los mit dir?«, sorgte sich meine Mutter.

Mein Bruder schluchzte bloß.

Ich rieb mir gähnend die Augen. »Der hat wohl was Schlimmes geträumt.«

Meine Mutter tröstete ihn. Ich lachte in mich hinein.

Mein Gefühl der Genugtuung währte nicht lange, denn natürlich blieb mein Bruder Papas Liebling. Für mich hatte mein Vater nur Verachtung übrig – und immer öfter Schläge. Mal, weil ich abends auf meinem Zimmer zu laut war, während mein Vater nebenan zu schlafen versuchte, da seine Schicht morgens um vier begann. Mal, weil ich auf dem Heimweg mit Schulfreunden trödelte und deshalb zu spät zum Mittagessen kam. Mal, weil ich beim Spielen im Garten die Zeit vergaß und nicht rechtzeitig zum Abendbrot erschien.

Ich vergaß sehr oft die Zeit, denn in jeder freien Minute verdrückte ich mich in mein Zimmer, wo ich meine Ruhe hatte. Ich verteilte meine Indianer- und Cowboyfiguren über die ganze Wiese und beschoss sie mit Gummis. Manchmal klaute ich aus dem Nähkästchen meiner Mutter einige Nadeln, die ich wie Indianerpfeile in die Cowboys bohrte. Natürlich pinselte ich die Figuren entsprechend rot an, denn wenn sie schon verletzt waren, sollten sie bitteschön auch bluten. Und während ich fröhlich pinselte, tropfte die Farbe auf mein Bett und auf den Teppich und spritzte zu allem Übel auch gegen die weißen Gardinen. Natürlich setzte es für dieses ­Malheur abermals Ohrfeigen. Diesmal langte mein Vater jedoch so heftig zu, dass ich von zu Hause fortlief.

Ich suchte Zuflucht auf einem großen Baum im Wald. Hier würde ich fortan wohnen, beschloss ich. Ich wollte nie wieder nach Hause, wo mich sowieso niemand liebte.

Nach ein paar Stunden wurde mir allerdings langweilig im Wald. Trotzdem traute ich mich nicht heim. Was tun? Kurzerhand suchte ich meine Großeltern auf und erzählte ihnen, was vorgefallen war. Meine Oma brachte mich nach Hause, wo sie meinem Vater ins Gewissen redete. Vergeblich.

Manchmal schlug er mich, weil meine Fingernägel dreckig waren oder weil ich im Haus keine Pantoffeln trug. Weil ich vergaß, die Tür zu schließen. Weil ich mein Mittagessen nicht aufgegessen hatte. Weil ich meine Haare nicht kämmte oder weil ich meine Zähne nicht lange genug putzte. Mein Vater fand immer einen Grund, mich zu verhauen, und irgendwann brauchte er nicht einmal mehr einen Grund dafür, um mich zu schlagen. Es genügte, wenn ich zufällig im Flur stand, und er holte mit der Hand aus, mit dem Gürtel oder mit anderen Gegenständen, mit denen er seinen Frust an mir auslassen konnte.

Aber Frust weshalb? Damals begriff ich es nicht. Heute weiß ich: Mein Vater war zutiefst unglücklich. Er hasste seine Arbeit, die ihn nicht befriedigte. Er war mit einer Frau verheiratet, die er nicht mehr liebte. Er hatte Kinder am Hals, die ihm eine Last geworden waren. Für ihn schien sein ganzes Leben verpfuscht. Der Alkohol, den er außerdem in sich hineinkippte, machte seine Situation nur noch schlimmer, jeden Monat ein bisschen mehr. Und jeden Monat verlor er ein bisschen mehr seine Hemmungen.

Längst lebte ich in ständiger Angst vor ihm. Nie wusste ich, wann mein Vater sich das nächste Mal an mir auslassen und wie schlimm es werden würde.

»Jetzt reicht’s«, mischte sich meine Mutter eines Abends ein, als mein Vater mich windelweich geprügelt hatte.

Sie zuckte zusammen, als er die Hand auch gegen sie richtete. An jenem Tag hielt er sich noch zurück. Später schlug er auch sie. Und meinen Bruder.

Irgendwann, da war ich zehn, waren seine Attacken zur Normalität geworden. Ich verspürte nicht einmal mehr Schmerzen. Sie waren mir egal, ja ich wollte so­gar, dass mein Vater noch heftiger zuschlug. So heftig, dass ich sterben würde. Ich dachte oft darüber nach, wie ich mein Leben denn wohl am besten würde beenden können. Ich fand keine Antwort.

Lesen Sie weiter in der vollständigen Ausgabe!

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