36 Fragen an dich - Vicki Grant - E-Book
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Vicki Grant

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Beschreibung

Kann aus einem Experiment die große Liebe werden?

Hildy und Paul, beide 18, nehmen an einem psychologischen Experiment teil: die wissensdurstige, aber etwas chaotische Hildy aus Interesse und tausend anderen Gründen. Paul aus einem einzigen: weil er die Teilnahme bezahlt bekommt. Und so sitzen sich die beiden in einem kargen Universitäts-Raum gegenüber und stellen sich Fragen, die zwischen ihnen Liebe erzeugen sollen. Fragen, die zunächst scheinbar banal sind (»Wie sähe ein perfekter Tag für dich aus?«) und dann immer persönlicher werden (»Was ist deine schlimmste Erinnerung?«). Fragen, die Hildy im wahren Leben nie jemandem wie Paul stellen würde, dem gut aussehenden Typ, der sich für nichts und niemanden interessiert, am wenigsten für Hildy. Oder?

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Das Buch

Hildy und Paul, beide 18, nehmen an einem psychologischen Experiment teil: die wissensdurstige, aber etwas chaotische Hildy aus Interesse und tausend anderen Gründen. Paul aus einem einzigen: weil er die Teilnahme bezahlt bekommt. Und so sitzen sich die beiden in einem kargen Universitätsraum gegenüber und stellen sich Fragen, die zwischen ihnen Liebe erzeugen sollen. Fragen, die zunächst scheinbar banal sind (»Wie sähe ein perfekter Tag für dich aus?«) und dann immer persönlicher werden (»Was ist deine schlimmste Erinnerung?«). Fragen, die Hildy im wahren Leben nie jemandem wie Paul stellen würde, dem gut aussehenden Typ, der sich für nichts und niemand interessiert, am wenigsten für Hildy. Oder?

Als ein Fisch durch die Luft fliegt, droht das Experiment zu scheitern. Und plötzlich ist es Paul, der alles tut, damit Hildy wieder an den Tisch zurückkehrt. Und damit auch zu ihm …

»Voller Herz, Humor und dem einen oder anderen fliegenden Fisch – das reine Lesevergnügen! Wetten, dass jeder sich in dieses Buch verliebt?«       Rachel Bateman (Autorin »Glücksspuren im Sand«)

Die Autorin

Die kanadische Autorin Vicki Grant arbeitete zunächst in der Werbung und als preisgekrönte Drehbuchautorin, bevor sie ihre wahre Leidenschaft entdeckte: das Schreiben von Jugendbüchern. Ihre Romane wurden bereits mit zahlreichen Preisen ausgezeichnet. Die 36 Fragen, die sie zu diesem Roman inspiriert haben, gibt es wirklich – sie wurden vom New Yorker Universitätspsychologen Dr. Arthur Aron entwickelt. Vicki Grant lebt mit ihrer Familie in Halifax, Nova Scotia.

Aus dem kanadischen Englisch von

Astrid Finke

Die Originalausgabe erschien unter dem Titel 36 Questions That Changed My Mind About You bei Running Press Teens, Hachette Book Group, New York

Der Inhalt dieses E-Books ist urheberrechtlich geschützt und enthält technische Sicherungsmaßnahmen gegen unbefugte Nutzung. Die Entfernung dieser Sicherung sowie die Nutzung durch unbefugte Verarbeitung, Vervielfältigung, Verbreitung oder öffentliche Zugänglichmachung, insbesondere in elektronischer Form, ist untersagt und kann straf- und zivilrechtliche Sanktionen nach sich ziehen.

Sollte diese Publikation Links auf Webseiten Dritter enthalten, so übernehmen wir für deren Inhalte keine Haftung, da wir uns diese nicht zu eigen machen, sondern lediglich auf deren Stand zum Zeitpunkt der Erstveröffentlichung verweisen.

Copyright © 2017 by Victoria Grant

Copyright © der 36 Fragen: Arthur Aron, Edward Melinat, Elaine N. Aron, Robert Darrin Vallone, Renee J. Bator: »The Experimental Generation of Interpersonal Closeness: A Procedure and some Preliminary Findings«, in: Personality & Social Psychology Bulletin. Sage Publication 01.04.1997

Copyright © 2017 der deutschsprachigen Ausgabe by Wilhelm Heyne Verlag in der Verlagsgruppe Random House GmbH, Neumarkterstr. 28, 81673 München

Alle Rechte sind vorbehalten.

Die deutschen Rechte wurden vermittelt durch: Barbara Küper, Literarische Agentur

Redaktion: Martina Vogl

Umschlaggestaltung: Das Illustrat, München

Illustrationen im Text: Das Illustrat, München, nach der Vorlage von Kyle Metcalf

Satz: Leingärtner, Nabburg

ISBN: 978-3-641-22651-0 V002

Für @cheese_gypsy, @call_me_edwina, @thevirlbox

mit <3

Kapitel 1

Es wurde dreimal hastig geklopft, dann ging die Tür auf, und eine junge Frau stolperte herein, ganz außer Atem.

»Sorry. Entschuldigung, dass ich zu spät bin. Ich musste noch mit meinem Englischlehrer über mein Referat reden, und er war nicht in seinem Zimmer, und …«

Jeff wackelte mit dem Kopf, kein Problem.

»… als er dann endlich da war, hatte ich den Bus schon verpasst und musste in die Stadt zum –«

»Macht nichts. Ist überhaupt nicht schlimm. Haben Sie das Formular ausgefüllt?«

»Äh, ja. Moment.« Sie sah sich nach einem geeigneten Platz für den lebendigen Zierfisch um, den sie in einer kleinen, mit Wasser gefüllten Plastiktüte in der Hand hielt.

»Hier.« Er klopfte auf die Schreibtischecke.

»Danke.« Sie stellte den Fisch ab. »Bäh. Nass. Verzeihung.« Sie hob die Tüte hoch, wischte sie am Ärmel ihres großen grauen Secondhand-Mantels ab und legte sie wieder hin. »Dieser blöde Fisch. Es gibt nur einen Laden, in dem man den kriegt, und mein Bruder – Gabe. Er ist zwölf. Er hat … sorry. Das interessiert Sie gar nicht. Sie wollen das Formular.« Sie begann, in der großen Ledertasche zu wühlen, die sie schräg über der Brust trug. Eine zerlesene Ausgabe von Wiedersehen mit Brideshead fiel auf den Boden.

»Warum setzen Sie sich nicht?« Jeff deutete auf einen Plastikstuhl vor dem Schreibtisch. »Dann geht es vielleicht einfacher.«

Sie setzte sich, hob das Buch auf und suchte weiter. »Normalerweise bin ich nicht so unorganisiert. Ehrlich. Es ist nur. Was für ein Tag. Ich meine, Woche.«

»Es ist blau«, sagte er. »DIN A4 … Da ist es ja. Neben dem, äh, Portemonnaie.«

»Ach ja.« Sie verdrehte die Augen über sich selbst und reichte ihm das Formular. »Meinen Lebenslauf hab ich auch dabei.«

»Nicht nötig.« Er strich den Zettel glatt und überflog ihn schnell.

»Sicher? Ich hab nämlich einen kurzen Absatz geschrieben, dass ich unter Umständen Psychologie im Nebenfach studieren will, besonders in Bezug auf –«

»Nein, wirklich. Es sind keine Qualifikationen erforderlich.«

Während er ihr Formular durchlas, sah sie sich im Büro um. »Sie mögen Spielzeug«, sagte sie.

Ohne den Kopf zu heben, verbesserte er: »Action-Figuren.« Sie waren in den Regalen nach Genre, Seltenheit, Alter und einem schwer zu definierenden Zusatzfaktor sortiert: dem kleinen Kick, den ihm die richtig coolen gaben. Das war kein Spielzeug.

Er machte sich Notizen, dann sagte er. »Also, Hilda Sangster, Citadel High…«

Sie stöhnte.

Jetzt hob er den Kopf. »Stimmt was nicht?«

»Sorry. Das mit dem Hilda. Das hätte ich erklären sollen.«

Er sah noch einmal auf das Formular.

»Ich weiß, dass ich Hilda geschrieben habe, aber nur, weil da stand ›Vorname, Nachname‹, nicht ›Rufname‹, und ich dachte mir, Sie brauchen das für offizielle Zwecke, deshalb habe ich es, na ja, ordnungsgemäß ausgefüllt, obwohl ich den Namen nicht ausstehen kann. Er ist so, wie soll ich sagen, teutonisch oder so. Niemand nennt mich Hilda.«

»Und wie sollte ich Sie dann nennen?«

»Hildy.«

»Hil-dy, nicht Hil-da.«

»Klingt nicht groß anders, aber, mal ehrlich? Für mich? Riesenunterschied. Irgendwann lasse ich ihn ändern, also amtlich und alles, aber meine Oma lebt noch, und, na ja, Rücksicht auf Gefühle, Familientradition etc. etc.«

Sie musste bemerkt haben, dass sie zu viel redete. Sie lächelte verlegen und drückte den Rücken durch.

»Dann also Hildy. Ich sehe hier, Sie sind in der zwölften Klasse. Sie sind single?«

Sie lachte auf eine Art, die nur Ja bedeuten konnte.

»Und Sie sind, was? Achtzehn? Gut. Sie müssen nämlich eine Einverständniserklärung unterschreiben.«

»Klar. Kein Problem, aber … Ähm. Vielleicht sollte ich mich erst mal erkundigen, worum es geht? Ich meine, es gibt Grenzen dessen, was ich im Namen der Wissenschaft so alles tue.« Wieder lachte sie, aber sie wussten beide Bescheid.

»Auf jeden Fall. Gut. Mein Name ist Jeff. Ich bin Doktorand hier an der Uni. Vor Kurzem habe ich ein Forschungsstipendium erhalten zum Thema – tja, am besten kann man es als ›Beziehungsaufbau‹ beschreiben. Im Prinzip interessiere ich mich für die Frage, ob man Testpersonen wie Sie, zum Beispiel, dahingehend beeinflussen kann, dass sie eine enge persönliche Bindung zu einem anderen Teilnehmer entwickeln, die sich wiederum möglicherweise weiterentwickelt zu –«

»Entschuldigung. Ähm. Verstehe ich das richtig?« Sie schlang die Arme um ihre Tasche, als wäre sie ein Kleinkind, das getröstet werden musste. »Sie wollen rausfinden, ob man Menschen dazu bringen kann, sich zu mögen?«

Einer seiner Mundwinkel zuckte nach oben. »Nicht unbedingt dazu bringen.« Wenn er das gekonnt hätte, wäre er Milliardär. »Es geht uns nicht um Gehirnwäsche. Wir wollen nur testen, ob es möglich ist, eine persönliche Nähe, sagen wir mal, zu fördern, aus der sich letztlich mehr ergeben könnte.«

»Eine Freundschaft, meinen Sie?«

»Ja. Oder besser gesagt, eine Beziehung. Ich untersuche, wie Menschen intime Bindungen eingehen und ob dieser Prozess in irgendeiner Weise angestupst werden kann.«

»Liebe?«, fragte Hildy, als wäre es ein Vorwurf, »darum geht es hier?«

Er schrieb sich etwas auf. »Ja, potenziell, wobei –«

»Hat Max Ihnen meinen Namen gegeben?« Sie klang verärgert.

»Max? Nein. Welcher Max?«

»Xiu?«

»Was? Ich weiß gar nicht, was das ist.«

»Xiu Fraser?«

»Nein. Niemand hat mir Ihren Namen gegeben. Sie haben doch mich kontaktiert. Wissen Sie nicht mehr? Das hier ist nur eine psychologische Studie, um zu erforschen, ob Liebe –«

»Liebe!«, sagte sie wieder und sprang auf.

Wie sie es schaffte, sein Regal von der Wand zu reißen, war ihm ein Rätsel – so groß war sie nämlich gar nicht –, aber plötzlich flogen Action-Figuren um sie herum, als hätte es in einem Animationsfilm eine Explosion gegeben.

»O Gott. Nein. Entschuldigung«, sagte sie und drehte sich dabei um die eigene Achse, um zu sehen, was sie angerichtet hatte. Dabei schwang ihre Ledertasche herum und traf eine Lampe, die gegen ein anderes Regalbrett krachte, sodass es jetzt auch noch Superschurken hagelte.

Sie schlug sich die Hand vor den Mund und stieß die Art von Winseln aus, das Hunde machen, wenn sie nach draußen müssen.

Dann ging sie in die Hocke, hob mit beiden Händen Figuren auf und türmte sie auf seinen Schreibtisch.

»Tut mir leid«, sagte sie. »Ich hätte nicht kommen dürfen. Ich hätte mein Zimmer nicht verlassen dürfen. Im Ernst. So was passiert, wenn ich –«

»Es war doch nur ein Versehen.«

»Nein. Nein, nein, nein, nein.« Sie machte eine ausladende Geste durchs Zimmer. »Diese ganzen kleinen Körper überall? Das Chaos? Perfekte Metapher für mein Leben. Genau das. Mache ich. Ständig.«

Mit einem Märchenprinzen aus den 1930er-Jahren, den sie an den Füßen hielt und durch die Luft schwenkte, verlieh sie ihren Worten Nachdruck. Es war eine von Jeffs Lieblingsfiguren. Er hatte Angst, der Kopf könnte abfallen.

»Schon gut.« Er bemühte sich, entspannt zu klingen. »Ist ja kein Drama. Ich räume das wieder auf. Ehrlich. Ich hab da ein System. Bitte. Hören Sie auf.«

Er musste es mehrmals sagen, bis sie nickte, sich erneut entschuldigte und aufstand, besser gesagt es versuchte. Sie trat auf ihren Mantel und knallte mit der Stirn gegen die Schreibtischkante. Es musste wehgetan haben, aber mittlerweile hatte sie eine eigenartige Ruhe zurückgewonnen. Sie atmete laut durch die Nase ein, hob den Mantelsaum hoch, als wäre er Aschenputtels Ballkleid, und stand auf.

»Ähm. Entschuldigen Sie den kleinen Ausbruch … und das Chaos … und dass ich Ihnen die Zeit gestohlen habe und alles. Ich wusste nicht, worum es bei der Studie geht. Ich hätte mich nicht anmelden sollen.« Sie verzog den Mund zu einer Art Lächeln und verließ den Raum.

Jeff betrachtete die auf dem Boden verstreuten Action-Figuren. Er hatte momentan zu viel zu tun, um sie in der richtigen Ordnung wieder aufzustellen. Also legte er sie alle in einen Karton unter seinem Schreibtisch, wo er ihre winzigen Schreie nicht hören könnte.

Er dachte über Hildy nach.

Was zum Henker war da los? Fluchtreflex? Konfliktvermeidung? Irgendein komisches Religionsding?

Er setzte sich und überprüfte seine Notizen. Hatte er das alles vorhergesehen? Hatte er versehentlich etwas ausgelöst?

Im Rahmen der Studie hatte er eine kleine Nebenwette mit sich selbst laufen. Er war nicht hundertprozentig sicher, wie ethisch korrekt das war, aber es hielt das Ganze interessant. Und zwar machte er sich Notizen zu den Teilnehmern, vergab Wertungen nach einem Punktesystem und versuchte dann vorauszusagen, ob es zwischen zwei von ihnen funken würde, wenn er sie zusammen in einen Raum steckte.

Im Verlauf des Gesprächs hatte er ein paar Stichworte neben Hildys Namen geschrieben. Wie immer hatte er das spontan gemacht, denn er fand, wenn die Teilnehmer sich auf ihren ersten Eindruck verlassen mussten, sollte das auch für ihn gelten.

WW – AE

HIQ/HA

TG

FST

Womit gemeint war:

Weiß, weiblich – Akademikereltern

Hoher IQ/Hohe Ansprüche

Theatergruppe

Französisches Spruch-Tattoo

Bei Letzterem stellte er sich ein nebulöses Zitat von einem Philosophen aus dem achtzehnten Jahrhundert oder einem Nachkriegsregisseur in Schreibschrift auf ihrem Fußrücken vor.

(Damit zumindest lag er falsch. Ein nebulöses Zitat hätte Hildy zwar vielleicht zugesagt, aber sie hätte sich niemals tätowieren lassen. Sie hatte Angst vor Nadeln und, wichtiger noch, vor Dauerhaftigkeit. Sie betrachtete sich gern als noch im Puppenstadium ihres Daseins befindlich.)

Einen Zahlenwert festzulegen war der Teil, bei dem Jeff die größten Bedenken hatte. Die Skala reichte natürlich von eins bis zehn und beruhte natürlich auf körperlicher Attraktivität. Aber sie war nicht sexistisch gemeint. Er stufte die männlichen und die transsexuellen Teilnehmer ebenfalls ein.

Außerdem war er, redete er sich ein, nur realistisch. Das Äußere zählte nun mal, obwohl er ganz ehrlich nicht wusste, welches oder warum. Früher hatte er geglaubt, dass glutvolle Augen oder imposante Brüste oder breite Schultern immer punkten würden, aber so war es offenbar nicht. Es gab eine Menge Joker im Kartenspiel menschlicher Sexualität.

Bei Hildy fiel ihm die Wertung schwer. Sie war keine Schönheit – Augen zu klein, Mund zu groß –, aber er wusste, dass das für eine Teilmenge von Männern keine Rolle spielte. Da bekäme sie Extrapunkte für interessant. Durch den riesigen Wintermantel, den sie trug, konnte er ihre Statur nicht genau beurteilen. Durchschnittlich, würde er sagen. Vielleicht schmal bis durchschnittlich.

Bestnoten für ihre Haare allerdings. Sie waren lang und glänzend und mussten blond gewesen sein, als sie noch klein war. Die meisten Heteromänner standen total auf Haare, besonders auf diese zarten Strähnen, die sich aus geflochtenen Zöpfen lösten und Andeutungen hauchten, man wäre gerade aus dem Bett gekrochen.

Er gab ihr eine 7,5. Schade eigentlich, dachte er, dass sie nicht an der Studie teilnahm. Sie hätte eine interessante Ergänzung abgegeben.

Es klopfte. Er sah auf die Uhr. Etwas früh für den nächsten Teilnehmer.

»Herein.«

Hildy trat ein. Sie hielt den Märchenprinzen in der Hand.

»Den hab ich aus Versehen mitgenommen.« Sie verzog entschuldigend das Gesicht und legte ihn auf den Schreibtisch. »Ich hab es erst gemerkt, als ich schon unten war.«

»Sie haben aus Versehen einen Märchenprinzen mitgenommen.« Jeff zog die Augenbrauen hoch. »Was Freud wohl dazu gesagt hätte?«

Das war als Witz gemeint, aber Hildy sagte: »Ja, eben. Deshalb bin ich wieder hier. Ich meine, ich musste ja die Figur zurückbringen und den Fisch habe ich auch vergessen, es war also nicht der einzige Grund, nur –« Sie unterbrach sich. »Wissen Sie, ich bin nicht abergläubisch oder so, aber ich hab da unten kurz nachgedacht und, äh, also, wenn das Universum sich solche Mühe gibt, einem ein Zeichen zu senden, sollte man es vermutlich berücksichtigen.« Sie setzte sich wieder. »Darum möchte ich jetzt doch an der Studie teilnehmen. Ich meine, wenn Sie einverstanden sind.«

»Sind Sie sicher?«, fragte er.

»Ja. Na ja, so sicher ich mir überhaupt jemals bin.« Sie lächelte, und er notierte sich FB für Ferienlagerbetreuerin. Vor seinem geistigen Auge sah er Hildy kleinen Kindern gut zureden, sich immer anzustrengen und kein Spielverderber zu sein.

»Also. Würden Sie mir bitte noch mal das Experiment erklären? Ich verspreche auch, nicht wieder auszuflippen.«

Er zwang sich, nicht nach den noch intakten Regalen auf der anderen Zimmerseite zu schielen. »Super. Okay. Unsere Arbeit beruht auf einer Studie mit dem Titel ›The Experimental Generation of Interpersonal Closeness‹, zu Deutsch ›Die experimentelle Erzeugung zwischenmenschlicher Nähe‹. Entwickelt wurde sie in den Neunzigern von einem Psychologen namens Dr. Arthur Aron. Seine Ergebnisse waren damals nicht eindeutig, aber die Welt hat sich seitdem verändert. Wir fragen uns, inwiefern das digitale Zeitalter die Art und Weise, wie Intimität erlebt wird, beeinflusst hat oder auch nicht. Im Prinzip wollen wir untersuchen, wie junge Menschen, die mit zwölfhundert Online-›Freunden‹ aufgewachsen sind, auf ein intensives, persönliches, emotionales Gespräch reagieren. Klingt das interessant für Sie?«

»Was muss ich tun?« Das war noch kein echtes Ja.

»Nicht viel. Wir weisen Ihnen einen nach dem Zufallsprinzip ausgewählten Fremden als Partner zu – je nach Ihrer sexuellen Orientierung männlich oder weiblich – und geben Ihnen sechsunddreißig Fragen, die Sie einander stellen müssen. Es gibt keine richtigen oder falschen Antworten, keine guten oder schlechten. Unsere einzige Bitte ist, dass Sie so ehrlich wie möglich antworten.«

»Aha. Zufallsprinzip?«

»Was?«

»Sagten Sie, ›einen nach dem Zufallsprinzip ausgewählten Fremden‹?«

»Ja.«

»Das könnte also jeder sein?«

Er befürchtete einen weiteren Ausbruch. »Ja, schon, aber realistisch ist, dass es sich um einen anderen Schüler oder Studenten handelt und nicht um, sagen wir mal, um Drake oder einen der Jonas Brothers …«

»Oder einen Serienmörder?« Irgendwie ein Scherz, aber nicht so richtig.

»Höchst unwahrscheinlich. Außerdem wird die Studie hier an der Uni durchgeführt. Wir haben sämtliche relevanten Daten der Teilnehmer, aber Sie werden den echten Namen und die Adresse Ihres Partners nicht kennen.«

»Gut. Dann sollte das okay sein, denke ich.«

Sollte okay sein.

Er ging nicht darauf ein und warf noch einen Blick auf ihr Formular.

»Sie haben sich selbst als hetero bezeichnet. Dann bekommen Sie eine männliche Testperson ungefähr ihres Alters zugeteilt. Sie werden sich gegenseitig einfach Bob und Betty nennen. Wir bitten all unsere Teilnehmer, diese Namen zu benutzen. Wir haben sämtliche Vorkehrungen getroffen, um Ihre Privatsphäre und Ihre körperliche Unversehrtheit zu gewährleisten.«

Sie nickte, aber ihre Augen flackerten zu stark, um sie zu ignorieren.

»Sie sind noch nicht überzeugt«, sagte er.

»Doch, doch. Na ja. Zumindest, was die körperliche Unversehrtheit betrifft.«

»Aber nicht, was?«

Flatterige Hände. Achselzucken. Seufzen. »Das klingt jetzt wahrscheinlich albern.«

Er wartete.

»Aber was ist mit, also, emotionaler Unversehrtheit?«

»Soll heißen?«

Sie stieß hörbar Luft aus. »Weiß nicht. Alles Mögliche! Zurückweisung. Enttäuschung. Schrecklicher Liebeskummer. Ha, ha. Sie wissen schon. Das Übliche.«

»Ich würde sagen, so ist eben das Leben.« Nebenbei einer der Gründe, warum er schon immer Action-Figuren bevorzugt hatte.

»Ja. Ich weiß schon, aber. Ich meine, ich könnte mich da mit einem Wildfremden hinsetzen und die sechsunddreißig Fragen abhaken, und plötzlich bin ich rettungslos verknallt in einen, was weiß ich, Troll oder so.«

»Meines Wissens haben sich keine Trolle beworben.«

»Dumme Frage.«

Das hatte er nicht gesagt. Sie nestelte an den Knöpfen ihres Mantels, dann lachte sie unfroh.

»Ach, wem will ich hier was erzählen? Das eigentliche Problem wäre, wenn der Troll meine Gefühle nicht erwidern würde. Aber, wie Sie schon sagen, so ist eben das Leben. Oder zumindest mein Leben.« Sie schüttelte den Kopf. »Sorry. Bla, bla, bla. So bin ich immer, wenn ich gestresst bin. Bei mir ist einfach momentan bisschen viel los. Meine eigene Schuld natürlich. Kann die Klappe nicht halten. Betriebsblind. Kaputter sozialer Radar. So in der Art. Meine Freunde sagen mir immer, ich sollte – Ups. Sehen Sie? Bla, bla, bla. Sorry. Beachten Sie mich gar nicht.«

»Kein Druck«, sagte er und ging nicht weiter darauf ein.

Sie zog die Ärmel herunter und knautschte sie in ihre Fäuste. Ein paar Sekunden lang betrachtete sie den Plastik-Märchenprinzen, dann wandte sie sich wieder Jeff zu. »Okay. Ich mach’s. Ich sollte es machen.«

»Es gibt hier kein ›sollte‹. Wirklich. Ich möchte nicht, dass Sie teilnehmen, nur weil das Universum gesagt hat, Sie müssten.«

Das brachte sie zum Lachen. »Keine Sorge. Ich lasse mich von keinem fiesen alten Universum rumschubsen. Ich möchte mitmachen. Ganz im Ernst. Tief drinnen will ich, glaube ich, tatsächlich. ›Wer nicht wagt, der nicht gewinnt‹, stimmt’s?«

»Großartig.« Er sah ein letztes Mal auf ihre Anmeldung. »Hier ist so weit alles in Ordnung, wenn Sie also keine weiteren Fragen haben, müssten Sie nur noch die Einverständniserklärung unterschreiben.«

Er gab ihr einen Moment Zeit. Beim Lesen fuhr sie mit dem Finger jede Zeile nach, dann schrieb sie ihren Namen unten auf das Blatt.

»Okay. Mein Herz liegt in Ihren Händen!« Hildy lächelte, und ihre Augen verschwanden hinter dichten Wimpern. Ihre Zähne waren groß und gerade und weiß. Ihre Haut war makellos.

Er verbesserte ihre Wertung auf 7,75 und nahm das Formular.

»Also gut. Gehen Sie bitte in Zimmer 417, den Flur runter links. Nehmen Sie sich Kaffee. Auf dem Tisch liegt ein Stapel Karteikarten mit den Fragen, aber drehen Sie sie bitte erst um, wenn Sie anfangen. In Kürze schicken wir Ihnen einen Partner. Ich werde mich bemühen, die Trolle auszusortieren.«

Sie zog sich den Mantelkragen über den Mund und lachte wieder. Vielleicht war sie sogar eine glatte Acht.

»Und vergessen Sie den Fisch nicht. Sonst nimmt er es langsam persönlich.«

Kapitel 2

Der junge Mann kam herein, ohne anzuklopfen.

Jeff sah von seinem Laptop auf. »Und Sie sind?«

»Paul Bergin.« Kein Lächeln. Wenig Augenkontakt. Stimme kaum lauter als ein Murmeln.

»Sind Sie hier wegen der Studie über zwischenmenschliche Nähe?«

»Ich bin hier wegen der Studie, für die man vierzig Dollar kriegt. Ist das die?«

»Könnte sein. So viel bezahlen wir.«

»Dann wegen der.« Er holte ein säuberlich zum Quadrat gefaltetes blaues Blatt Papier aus der Jackentasche und reichte es Jeff. Seine Hände waren rot von der Kälte. »Wie lange dauert das Ganze?«

Jeff bedeutete ihm, sich zu setzen, aber das hatte er schon. »Unterschiedlich. Wahrscheinlich ein oder zwei Stunden, aber wir geben kein Zeitlimit vor, deshalb könnte es auch länger werden. Hängt von Ihnen ab.«

»Gibt’s dann Überstunden?« Jetzt grinste Paul, vielleicht dachte er sich, etwas Charme könnte sich in Form von Geld bezahlt machen.

»Leider nicht. Pauschale. Trotzdem interessiert?«

Paul sah sich um, als schätzte er den Straßenverkaufswert der diversen Action-Figuren in dem Metallregal auf der anderen Zimmerseite. »Warum nicht. Wann soll ich anfangen?«

»Ich gebe Ihnen nur noch ein paar Hintergrundinformationen über die Studie, dann kann es losgehen.«

»Wozu brauche ich Hintergrundinfo?« Er drehte eine kleine graue Kaugummirosine zwischen den Schneidezähnen.

»Ich dachte, es würde Sie interessieren.«

»Eigentlich nicht. In der Anzeige stand, ich muss nur ein paar Fragen beantworten.«

»Genau. Besser gesagt, Sie und Ihre Partnerin müssen einander sechsunddreißig Fragen stellen.«

»Ich habe keine Partnerin.«

»Wir suchen eine für Sie aus.«

»Muss ich mir die Fragen ausdenken?«

»Nein, die stehen schon auf Karteikarten. Sie müssen sich einfach nur möglichst große Mühe bei der Beantwortung geben.«

»Mehr nicht?«

»Sie unterschreiben eine Einverständniserklärung und füllen hinterher einen kurzen Bericht aus.« Jeff überflog Pauls Anmeldeformular. »Sind Sie Schüler oder Student?«

»Muss ich eins von beidem sein?«

»Nein.«

»Dann bin ich arbeitslos.«

»Sie sind achtzehn?«

»Fast neunzehn.«

»Hetero?«

»Was?«

»Nicht schwul.«

»Ja. Das hab ich angegeben.«

»Single?«

»Möglichst.«

»Okay. Dann unterschreiben Sie bitte hier und gehen Sie« – er sah in seine Notizen – »in Zimmer 417. Ihre Test-Partnerin sollte schon da sein.«

Paul hielt sich nicht damit auf, das Blatt durchzulesen. Er schrieb ordentlich seinen Namen auf die Linie, stand auf und war weg.

Jeff wartete, bis die Tür zu war, dann notierte er sich B.R.O. Aber damit meinte er »Bro« im Sinne von »Macker« (im Sinne von »Arschloch«). Dann schrieb er noch:

AS (Arbeiterschicht)

PN (Profilneurose, womit er ebenfalls »Arschloch« meinte)

BS (für »bauernschlau«, obwohl er nur ungern zugab, dass Paul überhaupt schlau sein könnte. Nichts hasste er mehr als großkotzige Männer).

Dann schrieb Jeff eine 9 auf.

Was kindisch war. Wenn er etwas über heterosexuelle weibliche Wesen wusste, dann, dass Paul bei den meisten eine satte 9,5 bekäme, wenn nicht sogar eine 10, obwohl seine Nase ganz offensichtlich schon einmal gebrochen war. Oder vielleicht genau deswegen. Nichts funktionierte so gut wie ein kleines Schild GEFAHR: ZUTRITT VERBOTEN, damit manche Frauen einem die Bude einrannten.

Paul hatte auch eine winzige Träne unter das rechte Auge tätowiert. Jeffs Meinung nach war das ein bisschen dick aufgetragen; wobei es auf seine Meinung natürlich nicht ankam.

Sondern auf die von Hildy.

Das brachte Jeff beinahe zum Lachen.

Hildy und Paul.

Das dürfte interessant werden.

Frage 1

PAUL: Hi.

PAUL: Hallo.

PAUL: Hallo-ho?

HILDY: Oh. Ach so.

PAUL: Alles klar bei dir?

HILDY: Äh, ja. Sorry.

PAUL: Du siehst aus, als hättest du ein Gespenst gesehen.

HILDY: Nein, nein. Ich hab nur gelesen und ganz die Zeit vergessen, und du hast mich irgendwie überrascht. Also, äh, hallo.

PAUL: Aha. Hi. Ich bin Paul.

HILDY: Du meinst Bob.

PAUL: Nein, ich meine Paul.

HILDY: (Lacht.) Das hab ich nicht gehört.

PAUL: Ich sagte Paul.

HILDY: Wir sollen den Namen des anderen nicht wissen.

PAUL: Das hat mir keiner gesagt.

HILDY: Echt? Mir wurde gesagt, wir sollen uns Bob und Betty nennen. Du weißt schon, wegen Privatsphäre und so.

PAUL: Von mir aus. Und wer darf Betty sein?

HILDY: Ha! Da ist was dran. Wie unheimlich PC von denen, dass sie –

PAUL: Was zum Henker ist mit diesem Stuhl los?

HILDY: Willst du tauschen? Mir macht es nichts aus. Ich kann –

PAUL: Damit du stattdessen auf dem Arsch landest? Nein. Ich lass es darauf ankommen.

HILDY: Sicher? Wir könnten bestimmt einen –

PAUL: Hast du vor, länger zu bleiben, oder was?

HILDY: Äh, ja. Warum?

PAUL: Dir muss doch heiß sein in dem Ding.

HILDY: Ach so. Genau. Mein Mantel. Eine meiner kleinen Marotten. Ich hab’s gern richtig warm. Macht meine Freunde wahnsinnig. Sie sagen immer, sie schwitzen schon vom Zuschauen. Stört dich doch nicht, oder? Ich kann ihn auch –

PAUL: Solange du mir nicht umkippst.

HILDY: Keine Angst. Ich werde mir alle Mühe geben, nicht, du weißt schon, in Ohnmacht zu sinken …

PAUL: Danke. Super. Können wir anfangen?

HILDY: Klar. Wie sollen wir vorgehen? Vielleicht liest einer von uns die Frage laut vor und der andere antwortet?

PAUL: Okay.

HILDY: Und dann wechseln wir?

PAUL: Okay.

HILDY: Fängst du an oder ich?

PAUL: Wie du willst.

HILDY: Oder, hey. Wir können ja eine Münze werfen.

PAUL: Mir ist das echt ziemlich egal. Mach du zuerst.

HILDY: Sicher?

PAUL: Ja. Können wir jetzt einfach mal anfangen?

HILDY: Klar. Sorry. Ich bin nervös. Du auch?

PAUL: Warum sollte ich?

HILDY: (Lacht.) So was macht mich immer nervös, obwohl Jeff ja gesagt hat, es gibt –

PAUL: Jeff?

HILDY: Der Psychologe. Er meinte – worüber lachst du?

PAUL:Psychologe. Der Typ ist ein alberner kleiner Student mit seinen putzigen Formularen und seinem nicht so richtig ironischen Fimmel für Happy-Meal-Spielzeug.

HILDY: Er ist Doktorand.

PAUL: Genau. Sag ich doch.

HILDY: Na ja, nicht so ganz.

PAUL: Mehr oder weniger.

HILDY: Jedenfalls meinte er, es gibt keine richtigen oder falschen Antworten, aber trotzdem. Da hängt viel dran. Weshalb ich wohl auch ein kleines bisschen, du weißt schon, aufgeregt bin.

PAUL: Ehrlich? Ist mir gar nicht aufgefallen. Wie wär’s, wenn du dir hinterher zu Hause ein paar Jägermeister eingießt? Ich fang jetzt einfach mal an. Frage 1: Wenn du unter allen Menschen auf der Welt jemanden auswählen dürftest, wen hättest du gern als Gast zum Essen?

HILDY: Nur einen? Mehr darf ich nicht?

PAUL: Nein.

HILDY: Das steht da?

PAUL: Da steht, scheiße, ich fasse es nicht, »jemanden auswählen dürftest«. Das heißt für mich nur einen.

HILDY: Das ist schwer. An sich möchte ich jemanden wie Jane Austen oder D. H. Lawrence oder Barack Obama nehmen, aber ganz ehrlich? In Gegenwart solcher Genialität wäre ich so ehrfürchtig, dass ich es wahrscheinlich nicht genießen könnte. Andererseits will ich meine einzige Einladung nicht an irgendeinen Normalo verschwenden …

PAUL: Also, wen nimmst du?

PAUL: Es geht nur um ein Essen.

PAUL: Wir reden hier nicht davon, mit jemandem zu schlafen.

HILDY: Sorry. Brauche ich zu lange?

PAUL: Ach was. Wie kommst du denn darauf?

HILDY: Ah, genau. Ich weiß. (Lacht.) Taylor Swift!

PAUL: Gut. Taylor Swift.

HILDY: Nein! Das war ein Witz. Irgendwie. Sie ist mein heimliches Laster, und ich finde ehrlich, dass sie nicht die Anerkennung bekommt, die sie verdient, aber wenn ich nur einen Menschen einladen darf, bin ich nicht sicher, ob ich sie nehmen würde … Am besten antwortest du zuerst. Ich muss ein bisschen darüber nachdenken.

PAUL: Von mir aus. Ich würde jemanden einladen, der kochen kann.

HILDY: (Lacht.)

PAUL: Frage 2.

HILDY: Nein. Im Ernst. Wen würdest du fragen?

PAUL: Jemanden, der kochen kann. Wenn er zu mir nach Hause kommt, sollte er besser kochen können, weil ich es schon mal nicht kann.

HILDY: Eigentlich ist das keine schlechte Antwort. Ich bin gar nicht auf die Idee gekommen, einen –

PAUL: Frage 2. Wärst du –

HILDY: Moment. Ich hab Frage 1 noch nicht beantwortet.

PAUL: Würde es dir dann was ausmachen, sie zu beantworten? Es sind noch fünfunddreißig übrig. In dem Tempo ist es das Geld nicht wert.

HILDY: Welches Geld?

PAUL: Die vierzig Dollar.

HILDY: Welche vierzig Dollar?

PAUL: Die vierzig Dollar, die man für die Studie kriegt.

HILDY: Wir werden bezahlt?

PAUL: Klar. Warum sollte man sonst mitmachen?

HILDY: Weiß ich nicht. Mir gefällt Psychologie, und ich fand es interessant, an einem Experiment teilzunehmen und –

PAUL: (Lacht.) Das nenn ich mal abwechslungsbedürftig.

HILDY: Weißt du, ich spreche das nur ungern an, aber du hast einen Ton am Leib, der mir nicht zusagt.

PAUL: Entschuldige, Mom.

HILDY: Da war er schon wieder.

PAUL: Können wir einfach weitermachen?

HILDY: Ja. Wenn du deinen Ton änderst.

PAUL: Du machst Witze.

PAUL: Das ist nicht dein Ernst.

PAUL: Na schön. Wie wäre es damit? Besser?

HILDY: Und deinen Gesichtsausdruck.

PAUL: Wer hat gesagt, dass du der Boss bist?

HILDY: Niemand. Aber ich bin gleichberechtigt, und ich fühle mich nicht verpflichtet, einen Partner zu akzeptieren, der sich weigert, mir gegenüber den nötigen Respekt zu zeigen.

PAUL: Unfassbar.

HILDY: Eigentlich nicht. Wenn du mal drüber nachdenkst, total vernünftig. Respekt ist das Kennzeichen einer zivilisierten Gesellschaft. Und ich wäre dir auch dankbar, wenn du dich mit dem Fluchen zurückhältst.

PAUL: Ich hab gar nicht geflucht.

HILDY: Nicht laut.

PAUL: Was denn? Kannst du jetzt von den Lippen ablesen?

HILDY: Genau. Als müsste ich ausgebildete Lippenleserin sein, um zu wissen, was du gerade gesagt hast.

PAUL: Hast du das noch nie gehört, oder so?

HILDY: Schon oft. Ich finde nur nicht, dass ich mir das, also, an den Kopf werfen lassen sollte.

PAUL: Können wir einfach wieder mit den blöden Fragen weitermachen?

HILDY: Ja. Klar. Wenn du respektvoll antwortest.

PAUL: Okay. Hier ist meine Stimme … Hier ist mein Gesicht.

HILDY: Wunderbar. Danke. Und weil du dir Gedanken um die Zeit machst, werde ich mich beeilen und einfach sagen, dass ich meinen Großvater zum Essen einlade. Ich bin ihm leider nie begegnet, und ich glaube, wenn ich ihn gekannt hätte, würde ich besser verstehen, was für ein Mensch mein Vater heute ist. Meine Hoffnung wäre, dass uns das helfen würde, einige unserer derzeitigen, na ja, Probleme zu klären.

Frage 2

PAUL: Ich stelle weiter die Fragen.

HILDY: Wahrscheinlich keine schlechte Idee. Ich neige dazu abzuschweifen. Zeitmanagement gehört, wie du vermutlich schon erraten hast, nicht zu meinen Stärken.

PAUL: Und es ist auch nicht die Antwort auf eine der Fragen.

HILDY: Da war er wieder, dieser Ton.

PAUL: An meinem Ton ist nichts auszusetzen.

HILDY: Verzeihung. Stimmt. Dieses Mal war es tatsächlich der Inhalt.

PAUL: Ach, jetzt hast du ein Problem mit der Wahrheit?

HILDY: Häufiges Missverständnis. Sogenannte Ehrlichkeit ist nicht immer die beste Taktik, besonders, wenn man sie als Ausrede benutzt, um gemein zu sein. Du hast keinen Grund, deine –

PAUL: Und das ist auch nicht die Antwort auf irgendeine Frage! Also, Frage 2: Wärst du gern berühmt? Wenn ja, wie?

HILDY: Ich antworte nur, weil ich mich für die Studie angemeldet habe und ich es deshalb als Ehrensache betrachte.

PAUL: Und ich antworte nur wegen dem Geld. Egal. Sag einfach was.

HILDY: Ich möchte was Bedeutendes mit meinem Leben anfangen, und da Ruhm ein nützliches Vehikel sein kann, wäre ich, ja, gern berühmt. Das klingt jetzt vielleicht verrückt und irrsinnig ehrgeizig und alles, aber ich fände es toll, wenn man sich an mich erinnert als den nächsten – was weiß ich – Nelson Mandela oder … Was ist so lustig?

PAUL: Du bist eins fünfundfünfzig, weiß und schleppst deine Bücher in einem Sechshundert-Dollar-Schulranzen von Coach rum. Du wirst nicht als der nächste Nelson Mandela in die Geschichte eingehen.

HILDY: Ich bin eins zweiundsechzig, und der »Schulranzen« war ein Geburtstagsgeschenk.

PAUL: Was? Von deinem Zellengenossen?

HILDY: Nein, von meinen Eltern.

PAUL: Genau das meinte ich. Du wirst nicht der nächste Nelson Mandela. Und du bist trotzdem weiß. Sehr weiß. Oder täusche ich mich da etwa auch? Hast du diese Michael-Jackson-Krankheit oder so? Und PS, du bist niemals eins zweiundsechzig.

HILDY: Doch, bin ich. Und hör auf, mit dem Kaugummi zu schmatzen.

PAUL: In den Stiefeln vielleicht. Barfuß reichst du mir nie und nimmer bis unter die Achsel.

HILDY: Ja, aber wie groß bist du? Eins fünfundachtzig?

PAUL: Hey. Auf was bist du denn drauf?

HILDY: Was heißt das?

PAUL: Ich bin eins zweiundachtzig, wenn ich jemanden beeindrucken will. Eins achtzig, wenn ich ehrlich bin.

HILDY: Wahrscheinlich muss ich nicht fragen, was es heute ist. Und, um aufs Thema zurückzukommen, die Frage lautet nicht: »Wirst du mal berühmt?«, sondern: »Wärst du gern berühmt, und wenn ja, wie?«. Und drei Mal darfst du raten: Das ist eben meine Antwort auf die Frage. Du bist dran.

PAUL: Okay. A) Ja und B) Extrem.

HILDY: Du nimmst die Fragen nicht ernst.

PAUL: Es hieß nicht, dass ich sie ernst nehmen muss. Es hieß, dass ich sie beantworten muss. Also ja, ich wäre gern berühmt. Und wie? Extrem, weil da das Geld ist. Das sind meine Antworten. Du bist nicht der Boss.

HILDY: So kindisch.

PAUL: Hey, hey! Wer hat jetzt Probleme mit seinem Ton? Und überhaupt, nur damit du es weißt, Leute, die mit einem Fisch in einer Plastiktüte rumlaufen und einen auf süß verpeilt machen, haben nicht das Recht, andere Leute kindisch zu nennen.

HILDY: Du weißt gar nichts über den Fisch oder warum ich ihn habe oder warum er mir wichtig ist.

PAUL: Und komischerweise ist es mir auch scheißegal.

HILDY: Ich wünschte nur, du wärst halb so ehrlich bei deinen Antworten wie bei deinen Kommentaren mir gegenüber.

PAUL: Wer hat noch mal gesagt »Drei Mal darfst du raten: Das ist eben meine Antwort auf die Frage«?

HILDY: Auch gut. Mach, wie du meinst. Ich mache, wie ich meine. So viel zum »Beziehungsaufbau«.

PAUL: Was?

HILDY: Nichts.

PAUL: Nächste Frage.

Frage 3

PAUL:Probst du manchmal vor einem Telefongespräch, was du sagen wirst? Wenn ja, warum?

HILDY: Natürlich.

PAUL: Natürlich? Ernsthaft? »Wie läuft’s? … Ja … Okay … Ciao.« Was gibt’s da zu proben?

HILDY: Ob du’s glaubst oder nicht, manche Menschen benutzen das Telefon für mehr als Pizza bestellen oder Drogendeals einfädeln. Manche Menschen führen echte Gespräche.

PAUL: Für die sie üben. Bin das nur ich oder ist das armselig?

PAUL: Oh. Jetzt sprichst du nicht mehr mit mir.

PAUL: So viel zur Ehrensache.

PAUL: Also gut. Ich beantworte die restlichen dreiunddreißig Fragen einfach allein, kassiere meine vierzig Dollar und steig in den nächsten Bus.

HILDY: Du willst mir also erzählen, dass du noch nie geübt hast, bevor du ein Mädchen angerufen und gefragt hast, ob es mit dir ausgeht.

PAUL: Genau. Das will ich sagen.

HILDY: Nie?

PAUL: Okay. Vielleicht nicht nie.

HILDY: Wusste ich’s doch.

PAUL: Vielleicht mal mit zwölf.

HILDY: Du hast mit zwölf angefangen, dich mit Mädchen zu treffen.

PAUL: Ja.

HILDY: Zwölf?

PAUL: Na gut. Dann eben elf … Was? Ich meine, wann hast du denn angefangen, dich mit Jungs zu treffen?

HILDY: Gehört das zu den Fragen?

PAUL: Oooh. Eins zu null für dich.

HILDY: Können wir den Quatsch einfach hinter uns bringen?

PAUL: Danke, lieber Gott! Ich dachte schon, du fragst nie.

Frage 4

PAUL:Wie sähe ein »perfekter« Tag für dich aus?

HILDY: Tja. Hmmm. Ich wäre irgendwo auf dem Land, das weiß ich. In einem alten Pub oder einem Cottage … irgendwas Geschichtsträchtiges. Idealerweise am Meer. Wäre nett, wenn es einen Platz am Fenster gäbe. Ich würde mich mit einem guten Buch und einem großen Latte macchiato in eine Decke kuscheln. Ach, und wenn schon perfekt, dann wäre der Latte in einer Schale wie in Frankreich, nicht in einer Tasse, was ihn streng genommen zu einem Café au Lait macht, aber egal. Ich hätte vielleicht ein paar Scones auf einem Tellerchen neben mir, falls mir nach was Süßem wäre. Dann würde ich wahrscheinlich den Großteil des Tages lesen, einen Strandspaziergang machen, mir vielleicht einen Grüntee-Smoothie kaufen oder, wenn ich mich dekadent fühle, einen … Du hörst nicht zu. Dir muss ja nicht gefallen, was ich sage, aber du kannst wenigstens aufhören zu malen und so tun, als würdest du zuhören.

PAUL: »… einen Spaziergang machen, mir vielleicht einen Grüntee-Smoothie kaufen oder, wenn ich mich dekadent fühle …« Ich muss dich nicht ansehen, um zuzuhören. Also erzähl weiter. Möchtest du noch was ergänzen? Eine heiße Yoga-Stunde? Bisschen tagebuchen? Vielleicht eine Mani-Pedi mit ein paar von deinen ABFs?

HILDY: Ich wusste, dass du dich über mich lustig machen würdest, aber ich habe Jeff versprochen, die Fragen ehrlich zu beantworten, also stört mich das nicht. Und ja, wahrscheinlich würde ich noch heißes Yoga machen, genau wie nachher, wenn ich endlich hier wegkann. Das ist hervorragend, um Anspannung abzubauen. Allerdings »tagebuche« ich nicht, hauptsächlich, weil das kein Verb ist. Genauso wenig gehört ABF zu meinem Vokabular, was, hätte ich gedacht, mittlerweile ziemlich klar sein sollte. Und jetzt hören wir uns doch mal deinen perfekten Tag an, ja? Oder erlebst du ihn gerade?

PAUL: (Lacht.) Der war gut. Okay. Ich würde spät aufstehen. Ich würde drei Egg McMuffins und einen großen Kaffee von Dunkin’ Donuts mit extra viel Dosenmilch frühstücken. Dann würde ich eine Weile Schlagzeug spielen. Wieder essen. Wieder schlafen. Wiederholen nach Bedarf.

HILDY: Ist das alles?

PAUL: Wahrscheinlich käme an irgendeiner Stelle auch ein Mädchen ins Spiel.

HILDY: Irgendeins?

PAUL: Wie putzig. Als wäre ich ein Tier. Ich habe Standards.

HILDY: Aber kein bestimmtes Mädchen?

PAUL: Hängt vom jeweiligen Tag ab, aber momentan nicht.

HILDY: Also nicht das Mädchen, dessen Hand du gerade zeichnest.

PAUL: Ich zeichne nicht.

HILDY: Und was ist das dann?

PAUL: Weiß ich nicht. Rumkritzeln.

HILDY: Ziemlich gut für Gekritzel.

PAUL: Na ja, »ziemlich gut« liegt wohl im Auge des Betrachters.

HILDY: Ach, komm. Kannst du wenigstens dabei ehrlich sein?

PAUL: Keine Ahnung, was du meinst.

HILDY: Ja, klar. Die alte Nummer? Als wäre ich zu blöd, um zu kapieren, was hier los ist.

PAUL: Ich komm immer noch nicht mit.

HILDY: Dann mal ganz langsam zum Mitschreiben für dich. Das ist kein Gekritzel. Das ist eine Zeichnung. Und zwar eine richtig gute. Und das weißt du auch.

PAUL: Ach ja?

HILDY: Ja.

PAUL: Danke, dass du es mir sagst.

HILDY: Hast du das noch nie gehört?

PAUL: Das hab ich nicht behauptet.

HILDY: Und wurde auch erwähnt, wie schnell du bist?

PAUL: Geschwindigkeit zählt nicht. Wir sind nicht bei den Montagsmalern.

HILDY: Zeichnest du viel?

PAUL: Kritzeln. Ja. Besser als Nägel kauen.

HILDY: Also ist das eine nervöse Angewohnheit.

PAUL: Es ist eine Angewohnheit. Ich habe schlimmere.

HILDY: Ach, erzähl doch!

PAUL: (Lacht.)

HILDY: Oder auch nicht.

PAUL: Das wäre besser. Verlass dich drauf.

HILDY: Okay. Von mir aus. Lassen wir das. Aber ich meine das ernst. Das ist mehr als »Kritzeln«. Es ist so realistisch. Wie die Finger gebeugt sind. Fast, als wäre die Hand lebendig.

HILDY: Das war ein Kompliment.

PAUL: Hab ich schon kapiert.

HILDY: Und was soll dann der Blick?

PAUL: Nichts.

HILDY: Wow. Ich möchte dich ja nicht erleben, wenn dich wirklich was nervt.

PAUL: Und ich möchte dich nicht erleben, wenn mal was wirklich aufregend ist. Es ist nur Gekritzel.

HILDY: Das sagst du so, aber Hände sind superschwer.

PAUL: Was? Du zeichnest auch?

HILDY: Nein. Eigentlich nicht. Ich hab’s versucht. Ich hatte eine Zeit lang Unterricht, aber –

PAUL: Unterricht? Man braucht keinen Unterricht. Man muss sich nur einen Bleistift schnappen und so lange zeichnen, bis man es kann. Das ist das Problem mit euch Kids vom South End, ihr –

HILDY: Du weißt doch gar nicht, ob ich aus dem South End bin.

PAUL: Bist du?

PAUL: Wusste ich’s doch. (Lacht.) Dir stehen die Kindermädchen und der Klavierunterricht quasi auf die Stirn geschrieben.

HILDY: Ton.

PAUL: Was denn? Ich hab meinen Ton geändert.

HILDY: Stimmt. Von streitlustig zu selbstgefällig. Wahnsinnsverbesserung.

PAUL: Aber Sarkasmus ist offenbar okay.

HILDY: Weißt du, einen mini-mini schönen Moment lang dachte ich, wir könnten ein normales Gespräch führen, aber jetzt bin ich mir nicht sicher, ob das je was wird. Ich kann dir nicht mal ein Kompliment machen, ohne dass du den nächsten Streit anfängst. Weißt du was? Das hier ist reine Zeitverschwendung. Ich gehe. Ich hab genug zu tun, und offen gestanden brauche ich deine Beleidigungen nicht.

PAUL: Hier. Ich biete dir meine Hand als Friedensgeste.

HILDY: (Lacht.) Sehr witzig.

PAUL: Nein. Nimm. Sie gehört dir.

HILDY: Ui. Danke … Du hättest es nicht so rausreißen sollen. Ich hätte gern das Ganze gehabt.

PAUL: Frauen. Gib ihnen den kleinen Finger, und sie wollen deinen ganzen Körper.

PAUL: Du wirst rot.

HILDY: Nein, stimmt nicht.

PAUL: Schon klar. Du bist einfach von Natur aus magenta.

PAUL: Was denn jetzt wieder? Wo willst du hin?

HILDY: Hab ich doch gesagt. Nach Hause.

PAUL: Jetzt mal ganz locker. Setz dich. Mann, du beschwerst dich über meine Reaktion, wenn du mir ein Kompliment machst. Wenigstens stürme ich nicht raus wie eine –

HILDY: Dass ich magentafarben bin, ist ein Kompliment?

PAUL: Ja, echt. Rosa ist deine Farbe.

HILDY: Genau. Sehr charmant. Das hier ist doch albern. Ich hab sowieso genug Probleme im Moment. Deine ständigen Sticheleien und –

PAUL: Setz dich hin.

HILDY: Ich lasse mir von dir nichts befehlen.

PAUL: Komm schon. »Ehrensache.« »Das Richtige tun.« Bla, bla, bla. Nelson Mandela würde nicht nach einem kleinen Krach gleich aufgeben.

HILDY: Du bist unglaublich.

PAUL: Vielen Dank! Also, setz dich.

HILDY: Nein. Warum? Du hast getan, was du konntest, um mich zu ärgern, und jetzt willst du plötzlich, dass ich bleibe? Wieso?

PAUL: Weil wir es fast geschafft haben! Nur noch zweiunddreißig Fragen.

PAUL: Du hast Jeff hoch und heilig versprochen, die zu beantworten.

PAUL: Für die Wissenschaft.

PAUL: So ist es brav.

HILDY: Halt die Klappe und lies die nächste Frage vor.

Frage 5

PAUL:Wann hast du zum letzten Mal vor dich hin gesungen? Und wann jemand anderem vorgesungen?

PAUL: Wow. Stimmungsumschwung. Warum grinst du auf einmal?

HILDY: Witzige Frage.

PAUL: Das ist witzig?

HILDY: Na ja. Nur, weil ich das oft mache. Nicht unbedingt absichtlich. Als ich klein war, hat meine Großmutter – also die Mutter meines Vaters, sie ist schon tot. Jedenfalls hat sie immer ein Lied darüber gesungen, dass der Krieg – der Zweite Weltkrieg – eines Tages vorbei ist und dann alles perfekt wird. Liebe. Lachen. Friede auf immer und ewig. Das ganze Drum und Dran eben. Immer, wenn ich mir Sorgen um was mache, kommt mir das Lied in den Kopf, und dann kommt es irgendwie aus meinem Mund. Ich merke fast nicht, dass ich es singe. Ist wohl so eine Art Selbstberuhigungs-Technik. Wahrscheinlich hab ich heute Morgen gesungen oder zumindest gesummt oder so.

PAUL: Worüber musst du dir denn Sorgen machen?

HILDY: Was soll das wieder heißen?

PAUL: Du hast einen Leder-Ranzen und Zeichenunterricht und Kaffee in, wie war das?, Schalen und –

HILDY: Entschuldige, wenn das unhöflich klingt, aber du hast ein unglaublich seichtes Verständnis von der menschlichen Psyche.

PAUL: