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Dieser Band enthält folgende Western: Die Blutnacht von Indian Wells (Pete Hackett) Er spuckte dem Teufel ins Maul (Pete Hackett) Ronicky Doone (David Manning) Buffalo Bill und der Häuptling: Western (Jay Desmond) McQuade konnte die Geräusche, die sich ihm von Norden näherten, sofort zuordnen. Es war das Rumpeln und Knarren eines Fuhrwerks, in das sich das dumpfe Pochen von Hufen mischte. Hin und wieder knallte eine Peitsche. Es klang wie ein Revolverschuss. Noch konnte der Texaner nicht sehen, wer auf ihn zukam. Der Weg führte um eine Anhöhe herum, deren Hänge mit spärlichem, halb verdorrtem Gras und Dornengestrüpp bewachsen waren. Die Sonne stand fast senkrecht über McQuade. Die Hitze war nahezu unerträglich, der Staub, den die Hufe des müden Pferdes in die flirrende Luft rissen, war heiß. Der Lärm wurde deutlicher. Und schließlich geriet das Fuhrwerk in das Blickfeld des Kopfgeldjägers. Es wurde von einem Pferd gezogen. Auf dem Bock saß ein Mann, der in einer Hand die langen Zügel, in der anderen die Peitsche hielt. Er hatte sich den braunen Hut weit in die Stirn gezogen, so dass McQuade von seinem Gesicht nur den unteren Teil sehen konnte. Sie trafen aufeinander. Der Mann auf dem Wagenbock stemmte sich gegen die Zügel, das Fuhrwerk kam zum Stehen, die Geräusche endeten. Lediglich das Pferd prustete unwillig.
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Seitenzahl: 404
Veröffentlichungsjahr: 2025
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4 Grandiose Western im Quartett Mai 2025
Copyright
Die Blutnacht von Indian Wells
Er spuckte dem Teufel ins Maul
Über den Autor
Ronicky Doone
Buffalo Bill und der Häuptling: Western
Dieser Band enthält folgende Western:
Die Blutnacht von Indian Wells (Pete Hackett)
Er spuckte dem Teufel ins Maul (Pete Hackett)
Ronicky Doone (David Manning)
Buffalo Bill und der Häuptling: Western (Jay Desmond)
McQuade konnte die Geräusche, die sich ihm von Norden näherten, sofort zuordnen. Es war das Rumpeln und Knarren eines Fuhrwerks, in das sich das dumpfe Pochen von Hufen mischte. Hin und wieder knallte eine Peitsche. Es klang wie ein Revolverschuss.
Noch konnte der Texaner nicht sehen, wer auf ihn zukam. Der Weg führte um eine Anhöhe herum, deren Hänge mit spärlichem, halb verdorrtem Gras und Dornengestrüpp bewachsen waren.
Die Sonne stand fast senkrecht über McQuade. Die Hitze war nahezu unerträglich, der Staub, den die Hufe des müden Pferdes in die flirrende Luft rissen, war heiß.
Der Lärm wurde deutlicher. Und schließlich geriet das Fuhrwerk in das Blickfeld des Kopfgeldjägers. Es wurde von einem Pferd gezogen. Auf dem Bock saß ein Mann, der in einer Hand die langen Zügel, in der anderen die Peitsche hielt. Er hatte sich den braunen Hut weit in die Stirn gezogen, so dass McQuade von seinem Gesicht nur den unteren Teil sehen konnte.
Sie trafen aufeinander. Der Mann auf dem Wagenbock stemmte sich gegen die Zügel, das Fuhrwerk kam zum Stehen, die Geräusche endeten. Lediglich das Pferd prustete unwillig.
Ein CassiopeiaPress Buch: CASSIOPEIAPRESS, UKSAK E-Books, Alfred Bekker, Alfred Bekker präsentiert, Casssiopeia-XXX-press, Alfredbooks, Uksak Sonder-Edition, Cassiopeiapress Extra Edition, Cassiopeiapress/AlfredBooks und BEKKERpublishing sind Imprints von
Alfred Bekker
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McQuade hatte das Pferd angehalten. Sein forschender, hellwacher Blick glitt über den Fluss und die Hügelrücken jenseits der Flusses hinweg, bohrte sich in die Einschnitte zwischen den Anhöhen und tastete das Strauchwerk ab, das hier überall wuchs. Jeder Sinn des Kopfgeldjägers war zum Zerreißen gespannt. Er hielt das Gewehr in der rechten Hand, es stand mit der Kolbenplatte auf seinem Oberschenkel.
Die Detonation war verklungen. Dem Klang des Schusses war McQuade gefolgt. Die Stille, die ihn jetzt umgab, war fast erdrückend. Sogar die Vögel im Ufergebüsch schwiegen. Totenstille …
Fast eine Minute lang lauschte McQuade. Er fühlte Unbehagen, denn er hatte das Gefühl, sich wie auf einem Präsentierteller anzubieten. In diesem Land war der Tod allgegenwärtig. Schließlich trieb er sein Pferd die Uferböschung hinunter und lenkte es in den Fluss. Das Tier schnaubte unwillig. In der Flussmitte reichte ihm das Wasser nicht einmal bis zum Bauch. Schließlich stampfte der Vierbeiner wieder aufs Trockene. McQuade hielt auf eine Hügellücke zu. Wenige Minuten später befand er sich zwischen den Hügelflanken, die sich steil nach oben schwangen. Felsen erhoben sich sporadisch aus dem Boden, an ihrer Basis wuchsen dornige Comas. Geröll lag auf den Abhängen, es gab aber auch Inseln gleißendes Sandes und Flächen mit verdorrtem Gras.
Die Kerbe endete, vor dem Blick des Kopfgeldjägers dehnte sich eine Ebene, auf der eine Herde Longhorns weidete. Ein Bach, der nahezu ausgetrocknet war, teilte die Weide. Und am Rande dieses Rinnsales lag ein Mann. Sein Pferd stand neben ihm und witterte in McQuades Richtung. Der Texaner hatte angehalten. Noch einmal schweifte sein sichernder Blick in die Umgebung, dann ruckte er im Sattel. »Hüh!« Das Pferd stampfte in die Ebene. Einige der Rinder hoben die Köpfe mit den ausladenden Hörnern und beobachteten neugierig den Reiter. Ein Stier brüllte, eine Kuh muhte.
Der Mann neben dem Bach lag auf dem Bauch und rührte sich nicht. Sein brauner Hut lag einen Schritt neben ihm. Er hatte einen Revolvergurt umgeschnallt, der Sechsschüsser steckte im Holster. Ein Blick zum Pferd zeigte dem Kopfgeldjäger, dass das Gewehr des Mannes im Scabbard steckte.
McQuade stieß die Henry Rifle in den Scabbard und saß ab, beugte sich über den Reglosen und drehte ihn auf den Rücken. Er hatte eine Kugel in die Brust bekommen. Dort, wo er gelegen hatte, war das Gras rot von seinem Blut. Seine Augen waren halb geschlossen. Der Kopfgeldjäger fühlte den Puls des Mannes. »Tot«, murmelte er und musterte das Gesicht des Leichnams. Er schätzte den Toten auf Mitte dreißig.
McQuade eiste seinen Blick von den erstarrten Zügen los und ging zu dem Pferd hin, das den Kopf in den Nacken warf und wieherte und dann vor dem Mann zurückwich. »Nur ruhig, mein Freund«, murmelte der Texaner, seine Hand schoss nach vorn, er erwischte das Kopfgeschirr und das Tier blieb prustend stehen. McQuade schaute sich das Brandzeichen an. Ein Querbalken, auf dem ein S saß. »Bar-S«, murmelte der Texaner. Er stapfte zu einem der Longhorns in der Nähe hin. Das Rind trug ebenfalls den Bar-S-Brand. Der Tote schien zu der Ranch zu gehören.
McQuade kehrte zu dem Pferd des Getöteten zurück, führte es zu der reglosen Gestalt hin und wuchtete diese quer über den Rücken des Tieres. Damit der Leichnam nicht herunterrutschen konnte, band er ihn am Sattel fest, dann stieg McQuade auf sein Pferd, schnappte sich den langen Zügel des anderen Tieres und ritt an.
Nach etwa einer halben Stunde stieß der Kopfgeldjäger auf einen steinigen Weg, der von Norden nach Südosten führte. Kurze Zeit war er unschlüssig, in welche Richtung er dem Weg folgen sollte, dann wandte er sich nach Südosten. Der Weg schlängelte sich zwischen den Hügeln hindurch, führte über Bodenwellen und durch Senken und als McQuade wieder einmal auf den Kamm einer Bodenerhebung ritt, sah er vor sich, am Ende einer weitläufigen Ebene, die Gebäude einer Ranch. Dahinter war ein lang gezogener Buschgürtel zu sehen. Der Kopfgeldjäger vermutete, dass er einen Creek säumte.
Das Pferd trug den Texaner über die grasige Ebene, und auch hier standen Longhorns mit dem Bar-S-Brand. Das Tier mit dem Toten trottete daneben her. Langsam rückten die Gebäude näher. Schließlich ritt McQuade zwischen zwei Schuppen hindurch auf den Ranchhof. Einige Hühner pickten auf der Suche nach Fressbarem in den Staub. In einem Stangencorral standen ein Dutzend Pferde. Gerade kam ein Mann aus einer Scheune. Er trug einen Ballen Heu. Jetzt hielt er ruckartig an, starrte dem Reiter entgegen, ließ das Heu fallen und setzte sich in Bewegung.
McQuade parierte das Pferd. Das Tier mit dem Toten hielt von selbst an. Der Kopfgeldjäger legte die Hände übereinander auf das Sattelhorn.
Der Mann, der näher kam, hatte nur Augen für die schlaffe Gestalt quer über dem Pferderücken. Er trat an sie heran, in seinen Augen wob das Entsetzen. Seine Mundwinkel zuckten. Fahrig strich er sich mit der rechten Hand über die Augen, als wollte er das Bild, das sich ihm bot, wegwischen. Dann entrang es sich ihm abgehackt und mit brüchiger Stimme: »Gütiger Gott, das ist Adam – Adam Seymour, mein Boss. Ist er … Ist er tot?«
Jetzt hatte sich der Blick des Mannes an McQuades Gesicht verkrallt. Zum Entsetzen hatte sich Fassungslosigkeit gesellt.
»So tot, wie ein Mann nur sein kann, der eine Kugel mitten ins Herz bekommen hat«, knurrte McQuade. »Er lag neben einem Bach, eine Reitstunde von hier. Ich hörte einen Schuss und bin dem Klang gefolgt.«
»Heiliger Rauch«, flüsterte der Cowboy ergriffen. »Daran wird June ganz sicher zerbrechen. Sie …«
Ein gellender Aufschrei voll innerer Not ließ den Mann abbrechen. McQuades Kopf zuckte herum. Unter der Tür des Ranchhauses stand eine Frau, die rechte Hand auf die Brust gepresst, mit der Linken sich an den Türstock stützend. Sie wankte …
*
June Seymours Tränen waren versiegt. Ihre Augen waren gerötet. Blicklos starrte sie vor sich hin. Für sie war eine Welt zusammengebrochen. Alles in ihr schien abgestorben zu sein. Auf ihrem Schoß saß der achtjährige Toby. Sein Vater war tot – ein niederträchtiger Meuchelmörder hatte seinem Leben ein jähes und brutales Ende bereitet.
McQuade verspürte Mitleid. Aber er konnte nichts tun, um den seelischen Schmerz, Trauer und Verzweiflung und die Schwermut der Frau und des Jungen zu lindern. Irgendwelche Bekenntnisse der Anteilnahme hätten nichts sagend und banal geklungen.
Der Cowboy stand an der Wand neben dem kleinen, unverglasten Fenster, durch das in schräger Bahn das Sonnenlicht fiel und ein gelbes Viereck auf den Fußboden zeichnete. In seinem Gesicht arbeitete es, sein ständiges Zwinkern war Zeichen seiner Nervosität. Ununterbrochen strich er sich mit Daumen und Zeigefinger über das Kinn.
Nur das leise, monotone Ticken des Regulators an der Wand war zu vernehmen. Ohne die Uhr wäre bei McQuade der Eindruck entstanden, dass die Zeit still stand. Er räusperte sich und sagte dumpf: »Sie müssen Anzeige erstatten, Ma'am. Sicher gibt es in der Nähe eine Stadt, in der ein Sheriff seinen Sitz hat.«
Die Frau schaute den Kopfgeldjäger an wie eine Erwachende. Es war, als lauschte sie seinen Worten hinterher. Ihre Haare waren blond, sie hatte sie hochgesteckt. Ihr Gesicht bestach nicht so sehr durch seine Ebenmäßigkeit, sondern mehr durch seine Fraulichkeit. In ihren blauen Augen schien jedwedes Leben erloschen zu sein.
Der Cowboy enthob June Seymour einer Antwort, indem er sagte: »In Indian Wells gibt es einen Sheriff. Aber ich glaube nicht, dass June in der Lage ist, in den Ort zu fahren, um Anzeige zu erstatten.«
»Dann musst du in die Stadt reiten«, versetzte McQuade. »Bring den Sheriff her, ich werde ihn zu dem Platz führen, an dem ich deinen Boss fand.«
Der Cowboy spitzte die Lippen, dachte kurz nach, und erwiderte: »Ich lasse June nicht gern allein hier auf der Ranch. Derjenige, der Adam aus dem Hinterhalt erschoss, hatte sicher einen Grund. Und ich schließe nicht aus, dass er auch auf die Ranch kommt, um …«
Er brach ab.
McQuade presste sekundenlang die Lippen zusammen, dann nickte er und sagte: »In Ordnung, ich reite nach Indian Wells. Wie heißt der Sheriff?«
»Jesse Ballard.«
McQuade stemmte sich am Tisch in die Höhe. »Arbeiten außer dir noch weitere Männer für die Bar-S?«
»Ja, zwei. Sie sind draußen auf der Westweide.«
»Wie komme ich nach Indian Wells?«
Der Cowboy beschrieb McQuade den Weg. Der Kopfgeldjäger nahm sein Gewehr, das er an den Tisch gelehnt hatte, legte es sich auf die Schulter und verließ das Haus. Er hatte sein Pferd beim Tränketrog angebunden. Mit ein paar Handgriffen leinte er es los. Geschmeidig saß er auf, versenkte die Henrygun im Sattelschuh und zerrte das Tier um die linke Hand, um ihm sogleich den Kopf freizugeben. »Lauf!« McQuade ruckte im Sattel.
Eine Stunde später, es war um die Mitte des Nachmittags, erreichte er den Ort. Die breite, staubige Main Street lag im Sonnenglast. Zwischen den Häusern ballte sich die Hitze. Vier Kinder spielten in einer Gassenmündung. Ein Mann schritt am Fahrbahnrand entlang. Auf dem Vorbau des Store stand ein glatzköpfiger Mann und rauchte. Am Holm vor dem Saloon war ein Rotfuchs angebunden. Das Tier ließ den Kopf hängen und peitschte mit dem Schweif nach den blutsaugenden Bremsen an seinen Flanken.
Der Ort vermittelte Ruhe, Frieden und Beschaulichkeit.
McQuade parierte das Pferd und schaute sich um. Als er das Sheriff's Office erspähte, trieb er das Tier wieder an und lenkte es zum Hitchrack vor dem flachen Gebäude, in dem auch das Jail untergebracht war. Er ließ sich aus dem Sattel gleiten, schlang den langen Zügel um den Querbalken, dann stieg er die vier Stufen zum Vorbau hinauf und betrat gleich darauf das Büro.
Ein hochgewachsener, hagerer Mann mit einem grauen Schnurrbart und dünnen, grauen Haaren, an dessen linker Brustseite ein Stern befestigt war, stand mit verschränkten Armen am Fenster, hatte sich aber der Tür zugewandt und sagte: »Ich habe Sie kommen sehen, Fremder. Sie und Ihr Gaul sind verstaubt und verschwitzt und Sie scheinen nicht gerade einen Spazierritt hinter sich zu haben. Was führt sie zu mir?«
»Ein Mord, Sheriff, ein feiger, hinterhältiger Mord an einem Mann namens Adam Seymour, dem Besitzer der Bar-S-Ranch.«
Der Gesetzeshüter starrte McQuade an, als hätte dieser etwas vollkommen Unsinniges von sich gegeben. Dann aber schlichen sich Bestürzung und Fassungslosigkeit in seinen Blick, scharf stieß er die Luft durch die Nase aus, und er sagte grollend: »Sagen Sie das noch einmal, Mister. Seymour ist tot – er wurde ermordet?«
McQuade nickte. »Ich fand ihn, nachdem ich dem Klang eines Schusses gefolgt bin. Ich habe ihn auf die Ranch gebracht. Hatte Seymour einen Feind?«
Ohne auf die Frage des Kopfgeldjägers einzugehen knurrte der Sheriff: »Wie hat es June aufgenommen?«
»Sie wird möglicherweise daran zerbrechen. Und auch der Junge wird viele, viele Jahre benötigen, um darüber hinwegzukommen. Aber das kann ich nur vermuten. – Ich bringe Sie zu der Stelle, an der ich Seymour fand, Sheriff. Vielleicht stoßen Sie auf eine Spur, die zum Mörder führt.«
Jesse Ballard ging hinter den Schreibtisch und ließ sich auf seinen Stuhl fallen. Mit den Augen eines Bussards fixierte er McQuade. Er versuchte ihn einzuschätzen, ihn zu erforschen, sich ein Bild von ihm zu machen. Plötzlich sprangen seine Lippen auseinander: »Seit etwa zwei Wochen weilt in dieser Stadt ein Mann Namens Shannon. Er ist mit einer Wanderherde in diesen Landstrich gekommen. Es handelt sich um etwa zweitausend Rinder. Sie stehen zwei Meilen westlich von Indian Wells. Gehören Sie zu Shannon?«
McQuade schüttelte den Kopf. »Nein. Ich komme von Safford herauf und reite auf der Spur eines Mannes namens Cole Perrigo. Er hat bei einem Pferdediebstahl zwei Männer erschossen, sein Kopf ist fünfhundert Dollar wert.«
Der Raubvogelblick des Sheriffs wurde stechend, er starrte McQuade an, als wollte er dessen geheimste Gedanken ergründen, nagte sekundenlang an seiner Unterlippe und knurrte: »Ich sehe keinen Stern an Ihnen.«
»Ich trage auch keinen«, versetzte McQuade.
»Dann jagen Sie Perrigo der Prämie wegen.«
»Er ist ein Mörder, Sheriff. Und das Gesetz ist scheinbar nicht in der Lage, ihn zu stellen und zur Verantwortung zu ziehen.«
»Das Gesetz steht im Territorium auf verdammt schwachen Beinen, Mister … Haben Sie auch einen Namen?«
»McQuade.«
»Sie sind Texaner.«
»Ja, aus der Gegend von San Antonio.«
»Welcher Wind hat Sie nach Arizona verschlagen«, fragte der Sheriff.
»Die Jagd nach den Mördern meiner Familie. Sicher wollen Sie wissen, ob ich die Kerle geschnappt habe. Ja, ich habe ihnen eine Rechnung präsentiert – eine blutige Rechnung.«
»Und es hat Sie nicht mehr losgelassen, wie?«
»Wie Sie selbst sagen, Sheriff: Das Gesetz steht auf ausgesprochen schwachen Beinen, und oftmals versagt es.« McQuade zuckte gleichmütig mit den Achseln. »Ich brauche keinen Stern. Mich legitimieren die Steckbriefe.«
»Sicher«, murmelte der Sheriff trocken. »Und der Colt ist Ihr Gesetzbuch. Nun gut, McQuade. Ich akzeptiere das. Die Einstellung eines Mannes ist wichtig. Und wenn jemand hilft, dem Recht Geltung zu verschaffen – auf welche Art auch immer -, dann ist das in Ordnung.«
»Ihre Einstellung teilen nicht viele Gesetzeshüter, Sheriff.«
»Ich weiß. Es ist Ansichtssache. Okay, McQuade. Geleiten Sie mich zu dem Platz, an dem Adam Seymour ermordet wurde. Warten Sie draußen auf mich. Ich hole mein Pferd.«
*
Sie hielten an der Stelle, an der das Gras blutverschmiert und Seymours Blut im ausgetrockneten Boden versickert war. Jesse Ballard, der Sheriff, sagte: »Vielen Dank, McQuade. Ich will Ihre kostbare Zeit nicht länger in Anspruch nehmen. Von nun an komme ich alleine zurecht.«
McQuade wies mit einer knappen Geste seiner rechten Hand nach Westen. »Ich denke, dass der Schuss aus dieser Richtung gekommen ist. Wie heißt der Mann gleich wieder, der mit einer Wanderherde vor Indian Wells steht?«
»Shannon – Jack Shannon. Er und ein weiterer Mann – ein zweibeiniger Wolf -, haben sich in der Stadt im Hotel einquartiert. Bei der Herde befinden sich vier Cowboys. Ich habe Shannon gefragt, ob und wann er weiter zieht. Allerdings erhielt ich nur ausweichende Antworten.«
»In Ordnung, Sheriff«, sagte McQuade. »Ich reite zur Bar-S und verbringe dort die Nacht. Morgen werde ich an der Beerdigung Seymours teilnehmen. Und dann reite ich weiter. Perrigo wurde zuletzt in Holbrook gesehen. Er hat die Stadt in nördliche Richtung verlassen. Möglicherweise will er nach Utah.«
»In Indian Wells ist er nicht aufgetaucht«, gab der Gesetzeshüter zu verstehen. »Good Luck, McQuade. Gott sei mit Ihnen.«
McQuade verzog geringschätzig den Mund. »Von welchem Gott sprechen Sie? Von dem Gott der Liebe und der Gerechtigkeit? Falls es ihn gibt, dann hat er kläglich versagt, als einige Banditen nach dem Krieg der Ranch meiner Eltern einen höllischen Besuch abstatteten. Meine Schwester war einundzwanzig …«
Es hatte bitter und anklagend geklungen. Mit dem letzten Wort nahm der Kopfgeldjäger sein Pferd um die rechte Hand und trieb es an.
Der Sheriff blickte ihm versonnen nach, bis er über eine Bodenwelle aus seinem Blickfeld verschwand. Dann ritt er auf den Hügel im Westen, auf dem McQuade den Killer vermutet hatte.
McQuade ließ sein Pferd traben. Als die Sonne unterging, als sich im Westen der Abendstern zeigte und die Schatten verblassten, erreichte er die Ranch. Brad Dooley, der Cowboy, den McQuade bei seinem ersten Eintreffen auf der Ranch kennen gelernt hatte, kam aus der Mannschaftsunterkunft, einem fünf mal fünf Yard großen Gebäude mit kleinen Fenstern und einer niedrigen Tür. Fragend fixierte er McQuade. Der Kopfgeldjäger zerrte das Pferd in den Stand und rief: »Westlich von Indian Wells steht eine Wanderherde. Der Besitzer heißt Jack Shannon. Shannon lebt seit zwei Wochen in der Stadt. Wusste man das hier auf der Ranch?«
Brad Dooley hakte seine Daumen in den Hosenbund und nickte. »Yeah«, dehnte er, »Shannon war vor einigen Tagen hier. Er will mit seiner Herde nach Osten und fragte Adam, ob er über das Weideland der Bar-S ziehen darf. Allerdings haben unsere Rinder bei dieser Trockenheit selbst kaum genug Gras. Darum lehnte Adam ab.« Plötzlich stutzte der Cowboy. Er schob das Kinn vor und über seine Lippen brach es: »Sollte etwa Shannon den Boss auf dem Gewissen haben? Großer Gott! Wenn das so wäre …« Der Cowboy griff sich mit der rechten Hand an die Stirn und stöhnte. »Kann ein derart nichtiger Anlass Grund für einen brutalen Mord sein?«
McQuade hob die Schultern, ließ sie wieder nach unten sacken und erwiderte: »Kain hat seinen Bruder Abel aus einem noch viel banaleren Anlass erschlagen. Es sind schon Männer wegen eines Dollars, den sie in der Tasche trugen, ermordet worden.«
»Wir – wir müssen den Sheriff darauf hinweisen«, ächzte Brad Dooley.
McQuade saß ab, nahm die Satteltaschen und zog das Gewehr aus dem Scabbard. »Ich bleibe die Nacht über hier. Im Bunkhouse ist sicher ein Bett für mich frei. Sobald wir morgen den Rancher unter die Erde gebracht haben, reite ich weiter. Sei so gut, Dooley, und versorge mein Pferd. Ich habe Hunger und Mrs. Seymour wird mir wohl ein paar Eier in die Pfanne schlagen.«
»Geh nur hinein, McQuade«, gab der Cowboy zu verstehen. »Ich kümmere mich um deinen Gaul.«
Er nahm das Pferd beim Kopfgeschirr und führte es zum Tränketrog. McQuade ging zum Ranchhaus, klopfte an die grob gezimmerte Tür und öffnete sie. Toby saß am Fußboden und spielte mit ein paar Holzklötzen, die sein Vater gesägt und farbig angestrichen hatte. Jetzt hielt er inne und schaute zu dem großen Mann in die Höhe, der mit den tagealten Bartstoppeln im Gesicht, den schulterlangen, strähnigen Haaren, die unter einem schwarzen Stetson hervorquollen, dem zerschlissenen Staubmantel und den brüchigen, verstaubten Stiefeln an seinen Füßen nicht gerade vertrauenerweckend aussah.
June Seymour war dabei, im Herd ein Feuer anzuschüren. Sie drehte den Kopf und heftete ihren unergründlichen Blick auf das Gesicht des Kopfgeldjägers. Die Frau war krankhaft bleich, unter ihren Augen lagen dunkle Schatten, die feinen Linien, die sich von ihren Nasenflügeln zu ihren Mundwinkel gezogen hatten, schienen sich vertieft zu haben.
McQuade schritt zum Tisch, setzte sich und sagte: »Der Sheriff ermittelt. Er hat mir von einem Mann namens Jack Shannon berichtet.«
June Seymour wandte sich wieder dem Ofen zu, riss ein Schwefelholz an und hielt die Flamme an einen dünnen Kienspan, der im nächsten Moment Feuer fing. Die Flamme flackerte und rußte, und als der Span richtig brannte, schob ihn die Frau unter das Holz, das sie in das Feuerloch geschlichtet hatte. Dann richtete sie sich auf und nahm Front zu McQuade ein. »Ich kenne Shannon«, begann sie. »Er wollte seine Herde über Bar-S-Weide treiben. Adam untersagte es ihm. Shannon war einsichtig und akzeptierte den Grund, aus dem Adam sein Ansinnen ablehnte. Das Gras reicht kaum für unsere Rinder. Ja, Shannon zeigte sich ausgesprochen verständnisvoll und entschuldigte sich sogar dafür, dass er mit diesem Begehren überhaupt zu Adam gekommen ist.«
»Ich habe Hunger, Ma'am«, murmelte McQuade. »Wenn Sie …«
»Natürlich«, murmelte sie mit lahmer, tonloser Stimme. »Seien Sie mein Gast, Mister McQuade. Werden Sie die Nacht über auf der Ranch bleiben?«
»Wenn Sie es gestatten, Ma'am.«
»Sie sind herzlich willkommen.«
Ein seltsames Gefühl ergriff von dem stahlharten, kompromisslosen Mann Besitz. Er richtete seinen Blick auf den blonden Jungen und spürte es warm in sich aufsteigen.
*
Am Morgen hoben die Cowboys der Bar-S-Ranch hinter dem Haus ein Grab aus. Dooley hatte die beiden Männer der Herdenwache am Tag zuvor vom Tod Adam Seymours in Kenntnis gesetzt. Am Abend waren sie auf die Ranch gekommen.
Adam Seymour war in der Wohnstube des Ranchhauses aufgebahrt. Kerzen brannten, es roch nach Wachs. June trug ein schwarzes Kleid, dessen Saum bis zum Boden reichte. Mit erloschenem Blick starrte sie in das bleiche Gesicht des Toten. Ihre Hände lagen auf den schmalen Schultern Tobys, der leise weinte.
Im Raum befanden sich auch McQuade, Sheriff Jesse Ballard und der Undertaker aus Indian Wells, der am Morgen mit einem Sarg auf die Ranch gekommen war.
Sheriff Jesse Ballard legte eine Hand auf June Seymours Schulter. Die Frau zuckte zusammen, als hätte sie der Gesetzeshüter mit einem glühenden Eisen berührt. »Gehen wir zum Grab«, murmelte Ballard, und seine Stimme klang kehlig. Er nickte dem Bestatter zu.
Die Frau, der Sheriff und McQuade verließen das Haus. Brad Dooley rief die beiden anderen Cowboys herein. Wenig später wurde der geschlossene Sarg herausgetragen. Die Weidereiter stellten ihn über dem Grab auf zwei Balken, die sie vorher über die Grube gelegt hatten.
»Adam Seymour war ein guter Mann«, sagte der Undertaker. »Der Herr gebe ihm die ewige Ruhe.« Nach einer kurzen Pause, in der er seine ersten Worte wirken ließ, begann er erneut zu sprechen: »Zieh hin, du arme Seele, aus dieser Welt, im Namen des Allmächtigen. Staub bist du, und zum Staub kehrst du zurück, Adam Seymour. Der Herr aber wird dich auferwecken am Jüngsten Tage.«
Er nickte den Cowboys zu. Sie zogen Stricke unter dem Sarg hindurch, die drei Weidereiter und McQuade hielten sie und hoben den Sarg etwas an. Der Sheriff entfernte die Querhölzer. Dann wurde der Sarg in die Grube gesenkt.
June Seymour weinte laut auf. Ihre Hände hatten sich regelrecht in den Schultern des Jungen verkrampft. Ihre Lippen bebten, die Nasenflügel vibrierten leicht.
Plötzlich erklangen Hufschläge. Zu sehen waren die Reiter nicht, denn das Ranchhaus verbarg sie vor den Blicken der kleinen Trauergemeinde. Das Pochen brach ab, eine Stimme war zu hören, und dann kamen zwei Männer zu Fuß um das Gebäude.
Beide trugen dunkle Anzüge. Der Ältere von ihnen, McQuade schätzte ihn auf Ende vierzig, war mittelgroß und untersetzt, unter seiner grauen, abgegriffenen Melone schauten dunkle Haare hervor, die sich jedoch schon grau zu färben begannen.
Sein Begleiter war mindestens zehn Jahre jünger, fast einen ganzen Kopf größer und wirkte schlaksig. Im Gegensatz zu dem anderen Mann war er mit einem schweren Coltrevolver bewaffnet, das Holster war tief geschnallt und mit einer dünnen Lederschnur über dem Knie festgebunden.
McQuade hörte den Sheriff scharf durch die Nase ausatmen. »Der mit der Melone ist Jack Shannon«, raunte er McQuade zu. »Der andere ist Chuck Henders.«
Gleich darauf waren die beiden heran, Shannon nahm den Hut ab und hielt ihn mit beiden Händen vor seiner Brust. »Es tut mir leid, wenn ich zu spät gekommen bin«, erklärte er. »Darf ich Ihnen meine tief empfundene Anteilnahme ausdrücken, Mrs. Seymour.«
»Danke«, murmelte June Seymour, und es klang ausgesprochen lahm.
McQuades Blick kreuzte sich mit dem Blick Chuck Henders'. Dem Kopfgeldjäger entging nicht die Kälte in Henders' Augen. Er suchte in ihnen vergeblich nach irgendeiner Gemütsregung.
Der Sheriff knurrte: »Ihr könnt das Grab schließen, Dooley.« Und an Shannon gewandt gab er zu verstehen: »Sie sind in der Tat etwas spät gekommen, Mister Shannon. Aber das ist nicht weiter schlimm. Wir können zusammen in die Stadt zurückreiten. Ich habe sowieso einige Fragen an Sie.«
»Ich bin nicht nur wegen der Beerdigung gekommen«, versetzte Shannon und heftete seinen Blick auf June Seymour. »Kann ich mit Ihnen unter vier Augen sprechen, Ma'am?«
In McQuade stieg eine dumpfe Ahnung auf. Er wechselte mit dem Sheriff einen viel sagenden Blick und hörte die Frau antworten: »Ist es, weil Sie Ihre Rinder über die Bar-S-Weide treiben möchten?«
Shannon schüttelte den Kopf. »Ich möchte Ihnen ein Angebot unterbreiten, Mrs. Seymour. Ganz spontan habe ich mich entschlossen, sesshaft zu werden. Als ich vom Tod Ihres Mannes hörte, reifte in mir der Entschluss, Sie zu fragen, ob Sie die Ranch an mich verkaufen. Denn ich kann mir nicht vorstellen, dass Sie ohne Ihren Mann …«
Das Gesicht der Frau hatte sich, während Jack Shannon sprach, verändert. Es hatte sich verschlossen, um den Mund lag ein herber Zug, in den Augen waren kühle Ablehnung aber auch unumstößliche Entschlossenheit zu erkennen. Es war, als hätte sie innerhalb weniger Augenblick Schmerz, Trauer und Apathie überwunden, diese Gemütszustände abgestreift wie eine zweite Haut. Jetzt unterbrach sie Shannon mit klarer, fester Stimme: »Mit Hilfe meiner drei Cowboys werde ich die Bar-S weiterbewirtschaften, Mister Shannon.«
Ein Schatten schien über Shannons Gesicht zu huschen. »Es wird für Sie nicht einfach sein als Frau …«
»Keine Chance, Mister Shannon!« Ihr Blick richtete sich auf das offene Grab. »Adams Vater hat diese Ranch aufgebaut, und zwar mit Schweiß und Blut. Adam wurde auf diesem Stück Land geboren. Er hat die Ranch vergrößert und sie war sein ganzer Stolz. Ich würde es als Verrat an ihm empfinden, wenn ich aufgäbe.«
Shannon verriet mit keiner Miene, was hinter seiner Stirn vorging. »Es wäre ein gutes Angebot, Ma'am«, setzte er noch einmal an. »Sie sollten darüber nachdenken.«
»In dieser Angelegenheit gibt es für mich nichts zu überlegen«, versetzte die Frau, und es klang entschieden und endgültig. »Ich werde die Ranch verwalten, bis Toby alt genug ist, um in die Fußtapfen seines Vaters und Großvaters zu treten.«
»Denken Sie trotzdem darüber nach, Mrs. Seymour«, empfahl ihr Shannon unbeirrt, nickte ihr zu, stülpte sich die Melone auf den Kopf und machte auf dem Absatz kehrt. Chuck Henders streifte McQuade noch einmal mit einem schnellen, abschätzenden Blick, dann schloss er sich Shannon an.
»Einen Moment, Shannon!«, rief der Sheriff. »Ich reite mit Ihnen.«
*
Mittag war vorbei, als McQuade vor dem Sheriff's Office in Indian Wells aus dem Sattel glitt. Als er den Zügel um den Haltebalken schlang, trat Sheriff Jesse Ballard auf den Vorbau. »Sie verlassen die Gegend, McQuade.« Es war keine Frage sondern eine Feststellung.
»Ich habe mich viel zu lange hier aufgehalten«, erwiderte der Kopfgeldjäger. »Perrigos Vorsprung hat sich um etwa vierundzwanzig Stunden vergrößert.«
Der Gesetzeshüter verzog den Mund und legte beide Hände auf das Geländer. »Ich habe Shannon eine Reihe von Fragen gestellt. Er und sein Revolvermann befanden sich, als der Mord geschah, bei Shannons Herde. Sie behaupten es zumindest.«
»Und die Cowboys, die die Herde bewachen, werden es bestätigen«, knurrte McQuade. »Ich denke, dass hinter dem Mord System steckt«, sprach er mit gesenkter Stimme weiter. »Als Seymour es ablehnte, Shannons Herde auf sein Land zu lassen, gebar Shannon die Idee, sich die Bar-S unter den Nagel zu reißen. Er war der Meinung, mit June Seymour leichtes Spiel zu haben. Also musste Adam Seymour aus dem Weg geräumt werden.«
»Ein schwerer Verdacht, McQuade. Aber es ist nicht von der Hand zu weisen. Wenn mich meine Menschenkenntnis nicht im Stich gelassen hat, dann schätze ich Shannon als einen Mann ein, der das, was er sich in den Kopf gesetzt hat, durchsetzt. Er verschafft seinem Willen Geltung, und zwar auf Biegen oder Brechen. Und er scheut vor nichts zurück. Shannon gehört zu der Sorte, der nichts heilig ist. Ich mache mir Sorgen.« Der Sheriff kratzte sich gedankenvoll am Hals. »Große Sorgen, McQuade. June Seymour und ihre drei Weidereiter haben Shannon und seinem Revolverschwinger nichts entgegenzusetzen, sollte Shannon Gewalt einsetzen, um ans Ziel zu kommen.«
»Das heißt, dass Sie gefordert sind, Sheriff.«
Die Mundwinkel Jesse Ballards sanken grimmig nach unten. »Ich kann die Bar-S nicht Tag und Nacht bewachen, McQuade.«
Der Kopfgeldjäger löste den Zügel vom Holm, stellte den linken Fuß in den Steigbügel, griff nach dem Sattelhorn und zog sich mit einem Ruck in den alten, gebrochenen Sattel. »Sie tragen den Stern, Sheriff. Recht und Ordnung aufrecht zu erhalten ist Ihr Job. Entlarven Sie den Mörder Adam Seymours. Wenn er hinter Schloss und Riegel sitzt, sind Sie auch Ihre große Sorge los.«
McQuade zog das Pferd um die rechte Hand und spornte es an. Er verließ die Stadt in nördliche Richtung. Die Hufe pochten und rissen kleine Staubwolken in die hitzeflirrende Luft. Kleine Stechmücken, vom süßlichen Schweißgeruch angelockt, setzten Pferd und Reiter zu.
Der Kopfgeldjäger ritt voll nagender Gedanken. Die Worte des Sheriffs geisterten unablässig durch seinen Verstand: June Seymour und ihre drei Weidereiter haben Shannon und seinem Revolverschwinger nichts entgegenzusetzen …
Konnte er, McQuade, die Augen verschließen und so tun, als ginge ihn das alles nichts an? Gefühl und Verstand lagen bei dem Texaner in zäher Zwietracht. Ein Zwiespalt war in ihm aufgebrochen. Der Verstand sagte ihm, dass er Cole Perrigo folgen und den Banditen unschädlich machen sollte. Das Gefühl aber gebot ihm, den Weg zur Bar-S unter die Hufe seines Pferdes zu nehmen und June Seymour und dem kleinen Toby zu helfen, sich auf der Ranch zu behaupten. Denn für McQuade stand fest, dass Shannon für den Mord an Adam Seymour die Verantwortung trug und dass Chuck Henders die tödliche Kugel verschoss.
McQuade hatte etwa eine Meile zurückgelegt, als bei ihm das Gefühl siegte. Seufzend zügelte er das Pferd. Sein Verstand bäumte sich ein letztes Mal auf, sekundenlang trug er schwer an seiner Unschlüssigkeit, dann verließ er die Route nach Norden und lenkte das Pferd in die Richtung, in der er die Bar-S wusste.
Anderthalb Stunden später ritt er auf den Hof der Ranch. Brad Dooley erschien im Stalltor, beschattete sich die Augen mit der flachen Hand, und lief dann McQuade entgegen. »Ich denke, du wolltest den Landstrich verlassen, McQuade«, stieß Dooley hervor, als er mit dem Kopfgeldjäger zusammentraf und das Pferd beim Kopfgeschirr nahm. Sein fragender Blick hing an McQuades Lippen.
»Ich habe es mir anders überlegt, Dooley«, versetzte der Texaner. »Meiner Meinung nach kommt von Shannon noch etwas. Und ich …«
McQuade brach ab.
»Warum sprichst du den Satz nicht zu Ende?«
Der Kopfgeldjäger winkte ab. »Es ist nicht so wichtig.«
Dooley lächelte kantig. »Ich glaube, ich weiß, was du sagen wolltest, McQuade. Du wolltest sagen, dass du es mit deinem Gewissen nicht vereinbaren konntest, einfach fortzureiten und June samt ihrem kleinen Sohn den Wölfen zu überlassen.«
McQuade stieg vom Pferd und zog das Gewehr aus dem Scabbard. »Bring mein Pferd in den Stall, Dooley«, bat der Kopfgeldjäger. Er drehte den Kopf etwas herum und sah June Seymour auf die Veranda des Ranchhauses treten. Am Geländer blieb sie stehen.
»Ich habe befürchtet, dass sie an Adams Tod zerbricht«, flüsterte Brad Dooley. »Aber es ist wohl so, dass sie sein Tod stark gemacht hat.«
McQuade nickte, dann schritt er zum Haupthaus, hielt zwei Schritte vor der Treppe zur Veranda an und sagte: »Auch der Sheriff meint, dass Shannon nicht aufgibt. Ballard sorgt sich um Sie und Toby, Ma'am. Darum habe ich beschlossen, zu bleiben und auf Sie beide aufzupassen.«
»Ihnen ist klar, dass Sie möglicherweise Ihre Haut zu Markte tragen?« Es klang sachlich und klar.
McQuade nickte und ihm entging nicht der Ausdruck von Dankbarkeit in der Tiefe ihrer Augen. »Ein Mann muss für etwas gut sein auf der Welt«, murmelte er. »Er muss für seine Überzeugung eintreten. Tut er es nicht, taugen entweder er oder seine Überzeugung nichts.«
»Sie, McQuade, sind ein guter Mann«, sagte June Seymour, und sie sprach es im Brustton der Überzeugung. »Männer wie Sie sind rar auf dieser Welt. Möge es Ihnen der Himmel vergelten …«
*
Es war Nacht. McQuade hatte bis gegen 22 Uhr geschlafen. Und jetzt hielt er Wache. Er hatte sich im Schlagschatten des Pferdestalles auf den Boden gesetzt, mit dem Rücken an die Stallwand gelehnt, die Beine angezogen und die Absätze seiner Stiefel gegen den Boden gestemmt. Das schussbereite Gewehr lehnte neben ihm an der Stallwand.
Die Geräusche der Nacht umgaben den Kopfgeldjäger; das Säuseln des Windes, das Zirpen der Grillen, das Rascheln des Nachtwindes in den trockenen Blättern der Büsche und Bäume. Fledermäuse zogen lautlos ihre Bahnen auf der Jagd nach Beute. In der Ferne war der schrille, durchdringende Schrei eines Kauzes zu hören.
Am Himmel zogen dunkle Wolken. Manchmal riss die Wolkendecke auf, dann waren flimmernde Sterne zu sehen und die Dunkelheit lichtete sich ein wenig. Wolkenschatten glitten über das Land.
McQuade rechnete schon in dieser Nacht mit einer bösen Überraschung. Er hatte keine Ahnung, wie sie aussehen würde. Doch er sagte sich, dass Shannon eine Aktion starten würde, die der Ranch schaden sollte. Eine Taktik, auf Terror aufgebaut, die June Seymour entnerven sollte, so sehr, dass sie aufgab.
In den Augen des Kopfgeldjägers war Jack Shannon ein Wolf im Schafspelz, zusammengesetzt aus Niedertracht, Skrupellosigkeit und rücksichtsloser Brutalität. Und er war ein eiskalter Mörder. Seine Beweggründe waren ausgesprochen niedrig anzusetzen. Er, McQuade, wollte alles daransetzen, damit Shannon für den Mord an Adam Seymour zur Rechenschaft gezogen wurde – Shannon und seine Helfershelfer.
Drei – vier Stunden verrannen, der Texaner wappnete sich mit Geduld. Dann kam die Stunde, in der die Sterne verblassten und sich die Jäger der Nacht zur Ruhe begaben. Der Mond hing im Westen über den Bergen. Bald würde sich im Osten das erste Tageslicht über den Horizont schieben.
McQuade vernahm fernes Pochen. Er drehte das linke Ohr nach Westen und lauschte. Es waren dumpfe Hufschläge. Der Texaner erhob sich. In ihm war eine kalte Bereitschaft. Er schnappte sich das Gewehr und hielt es mit beiden Händen schräg vor der Brust. Die Mündung wies zum Himmel. Das Geräusch versank plötzlich in der Stille. McQuade setzte sich in Bewegung.
Mechanisch einen Fuß vor den anderen setzend glitt er an der Längsseite des Stalles entlang, lief geduckt über ein Stück freie Fläche, erreichte eine Scheune und blieb, hart an die Wand geschmiegt, stehen.
Einige Sekunden verrannen, dann huschte eine schemenhafte Gestalt heran. Der Schemen nahm Formen an, McQuade konnte das leise Klirren von Sporen hören, das Schaben von Hosenstoff, das Knarren von Stiefelleder. Der Mann, der durch die Nacht schlich, war hoch gewachsen und hager – er erinnerte an ein großes Raubtier.
Bei der Rückwand des Heuschobers verharrte er. Ein Streichholz flammte auf, kurze Zeit war nur die kleine Flamme sichtbar, plötzlich aber züngelte eine handlange Flamme in die Höhe. Der Mann hatte eine Fackel in Brand gesetzt. Er lehnte sie gegen die Holzwand des Schobers.
»Bist du es, Henders?«
McQuades raue Stimme ließ den höllischen Besucher halb herumwirbeln, und im nächsten Augenblick brüllte sein Revolver auf. Der Mündungsblitz riss den Mann für den Bruchteil einer Sekunde aus der Finsternis. Er begann zu laufen. Und er jagte eine zweite Kugel aus dem Lauf. Die Detonation vermischte sich mit dem Echo des ersten Schusses und stieß nach allen Seiten auseinander.
McQuade begann zu feuern. Aber sein Gegner schlug plötzlich Haken wie ein Hase und die Geschosse des Kopfgeldjägers verfehlten ihn. Dann schlug die Dunkelheit über ihm zusammen und der Texaner konnte ihn nicht mehr sehen. Er setzte sich in Bewegung, rannte zum Schober und kickte die brennende Fackel von der Holzwand weg, sie wirbelte einige Yards durch die Luft und landete funkensprühend am Boden.
Trommelnde Hufschläge erklangen.
McQuade zerkaute eine bittere Verwünschung und trat das Feuer aus. Dann rannte er an der Scheune entlang in den Hof. »Dooley, hörst du mich?«
»Yeah. Was war los, McQuade?«
»Einer hat versucht, beim Heuschober Feuer zu legen. Ich bin mir fast sicher, dass es Chuck Henders war. Er ist entkommen. Ich will versuchen, ihn zu schnappen.«
June Seymours sorgenvolle Stimme erklang: »Er hat auf Sie geschossen, Mister McQuade. Ist alles in Ordnung?«
»Sicher, Ma'am.«
McQuade rannte zum Pferdestall und stieß vor dem Tor fast mit Brad Dooley zusammen. Das Tor knarrte in den Angeln, als der Cowboy es aufzog. McQuade hatte, als er seine Wache antrat, sein Pferd gesattelt und gezäumt. Seine Ahnung, dass er das Tier brauchen würde, hatte ihn nicht getrogen. Er holte es aus der Box, versenkte die Henry Rifle im Scabbard, zerrte das Tier am Zügel hinter sich her ins Freie und kam mit einem kraftvollen Satz in den Sattel.
»Geben Sie auf sich Acht, McQuade!«, rief June Seymour.
»Ja, McQuade«, stieß Brad Dooley hervor. »Pass auf. Es wäre schade um dich.«
McQuade spornte das Pferd an. Schon nach wenigen Schritten verfiel das Tier in einen raumgreifenden Galopp.
McQuade schonte das Pferd nicht. Sein Bestreben war es, vor dem Brandstifter die Stadt zu erreichen, um ihn abzufangen. Der Texaner ritt mit der Entschlossenheit eines Mannes, der in dieser Nacht für klare Verhältnisse sorgen wollte.
Der Tod begann die Sense zu wetzen, ein gieriges Funkeln in den Augen.
*
Das Pferd röchelte, als etwa zwanzig Minuten später die Stadt vor ihnen auftauchte. Zwischen den Häusern nistete noch die Dunkelheit. Nirgendwo brannte Licht. McQuade saß bei einer Gruppe von Büschen ab, führte das schwitzende Tier, von dessen Nüstern weiße Schaumflocken tropften, zwischen das Strauchwerk und band es an, tätschelte den Hals des Pferdes und murmelte: »Tut mir leid, Amigo. Aber es geht darum, himmelschreiendes Unrecht zu verhindern. Dazu musst auch du deinen Teil beitragen.«
McQuade zog das Gewehr aus dem Futteral und repetierte. Die ausgeworfene Hülse klimperte auf den Boden.
Der Kopfgeldjäger wartete. In der Stadt bellte ein Hund. Ein anderer stimmte ein. Alle anderen Geräusche gingen in dem wütenden Gekläffe unter. Im Osten zog über die Hügelrücken die Morgenröte herauf. Die Hügel muteten vor diesem Hintergrund an wie vorsintflutliche, riesige Ungeheuer, die sich zum Schlaf ausgestreckt hatten.
Nachdem etwa fünf Minuten verstrichen waren, schälte sich ein Reiter aus der Dunkelheit. Das Pferd ging im Schritt. Die Hufschläge wurden vom Bellen der Hunde verschluckt. Zufrieden registrierte McQuade, dass seine Rechnung aufgegangen war.
Wenn der Reiter den direkten Weg in die Stadt nahm, musste er an der Buschgruppe vorbei, die McQuade Deckung bot. Der Kopfgeldjäger wurde von einer steinernen Ruhe beherrscht. Er war bereit, den Weg zu gehen, den er eingeschlagen hatte, ohne Wenn und Aber, wenn es sein musste bis zum bitteren Ende.
Als der Reiter auf fünf Pferdelängen heran war, ließ er seine Stimme erklingen: »Okay, Henders, der Tanz ist vorbei.« Die Stimme klirrte wie zerberstendes Glas. »Steig vom Pferd und hebe die Hände.«
»Den Teufel werde ich!«, zischte der Reiter, nachdem er seine Überraschung überwunden hatte, und drosch seinem Pferd die Sporen in die Seiten. Das Tier vollführte einen erschreckten Satz nach vorn, und als die Hufe krachend auf den Boden prallten und ein harter Ruck durch den Pferdekörper ging, hatte der Revolvermann den Sechsschüsser in der Faust. Am Hals des Tieres vorbei stieß das Mündungslicht aus dem Lauf, das Dröhnen des Schusses trieb auseinander und stieß zwischen die Häuser von Indian Wells.
Erschreckt von dem donnernden Knall stieg das Pferd auf die Hinterhand. Das war in dem Moment, als McQuade abdrückte. Sein Geschoss traf das Tier in den Leib. Wie vom Blitz getroffen brach es zusammen. Chuck Henders rollte über den Boden, kam auf den Bauch zu liegen und schickte ein Stück Blei in McQuades Richtung. Dann kam der Revolvermann mit einem Satz auf die Beine und rannte in die Richtung der Stadt. McQuade feuerte. Aber der Revolvermann floh in wilden Zickzacksprüngen und so verfehlte ihn der Texaner.
Henders erreichte einen Pferch, in dem tagsüber Schafe und Ziegen weideten, wirbelte herum, ging neben einem der Pfosten auf das linke Knie nieder und schoss auf McQuade, der die Verfolgung aufgenommen hatte. Der Kopfgeldjäger warf sich zur Seite, strauchelte und stürzte. Im selben Moment krachte Henders' Sechsschüsser erneut, aber die Kugel pfiff ohne Schaden anzurichten über den am Boden liegenden Texaner hinweg.
McQuade wälzte sich herum, sein Oberkörper zuckte hoch, sein Gewehr peitschte auf. Aber der Revolvermann setzte seine Flucht bereits fort. Er verschwand hinter einem Strauch. McQuade kam hoch und lief geduckt zu einem Schuppen, der in der Dunkelheit anmutete wie ein riesiger, schwarzer Würfel.
Das Hundegebell war verstummt. Nach dem letzten Schuss hatte sich eine bleischwer anmutende Stille in den Ort gesenkt – stiller konnte es in einer Gruft nach dem Jüngsten Tag nicht sein. Die Luft schien vor Anspannung zu knistern. Auch McQuade verspürte Anspannung. Der Revolvermann war gewiss ein mit allen Wassern gewaschener Gegner, und er durfte ihn auf keinen Fall unterschätzen. Ihn auf die leichte Schulter zu nehmen wäre ein Fehler gewesen – ein tödlicher Fehler.
Die Hände des Kopfgeldjägers waren um Kolbenhals und Schaft der Henrygun verkrampft. McQuade ließ seinen Instinkten freien Lauf – es waren die geschärften Instinkte des Jägers, die in zig Gefahren erprobt und nahezu untrüglich geworden waren.
Die Sekunden reihten sich aneinander. Die lastende Stille zerrte an den Nerven.
Plötzlich begann der Revolver des Gunmans zu donnern. Henders rannte schießend zwischen die Häuser. Er gab sich gewissermaßen selber Feuerschutz. Plötzlich verschwand er hinter einem Haus. Es war, als hätte ihn die Dunkelheit geschluckt.
McQuade gab sich einen Ruck. Er rannte ein Stück hinter den Häusern entlang, flankte über einen hüfthohen Bretterzaun, durchquerte einen Garten und stand schließlich vor der Hintertür eines Hauses. Sie war verschlossen. Ein Schuppen mit einem flachen Dach war an das Gebäude angebaut. Vor diesem Schuppen lag ein Haufen gehacktes Holz am Boden, an Hackblock stand da.
McQuade entschloss sich von einem Augenblick zum nächsten. Mit Hilfe des Hackblocks stieg er auf das Schuppendach, und von dort auf das Dach des Wohnhauses, das zur Main Street hin eine falsche Fassade aufwies. Sie bot McQuade Deckung, denn sie überragte das flache Dach um mehr als einen Yard.
McQuade spähte auf die Straße hinunter. Henders war verschwunden. Nirgendwo rührte sich etwas. Die Menschen in der Stadt schienen den Atem anzuhalten. Ihre Herzen schlugen höher, Angst und Schrecken hatten in dieser unseligen Nacht die Stadt heimgesucht.
Eine gellende Stimme erklang: »Wer immer es auch ist, der wie irrsinnig herumgeballert hat – ich fordere ihn auf, mit erhobenen Händen auf die Straße zu kommen!«
Es war Sheriff Jesse Ballard, der gerufen hatte.
»Es war mein Gewehr, das Sie aus dem Schlaf gerissen hat, Sheriff!«, rief McQuade. »Und es war der Revolver von Chuck Henders. Er hat versucht, die Bar-S niederzubrennen. Ich habe ihm jedoch die Suppe versalzen und bin ihm in die Stadt gefolgt.«
»Sie, McQuade!« Es klang überrascht. »Ich wähnte Sie schon einige Dutzend Meilen weiter nördlich.«
»Ich habe nachgedacht, und mir ist klar geworden, dass ich June Seymour und ihren Jungen nicht einfach so im Stich lassen durfte.«
»Wie es schien, hatten Sie einen guten Riecher. – Heh, Henders! Ich fordere Sie auf, sich zu ergeben. Treten Sie waffenlos und mit erhobenen Händen …«
Hufschläge erhoben sich. Der Sheriff brach ab. Das trommelnde Geräusch näherte sich, wurde lauter und lauter und quoll schließlich als hämmerndes Stakkato unter dem Sternenhimmel heran. Zwei Reiter tauchten auf. Sie stoben die Main Street entlang und rissen vor dem Hotel ihre Pferde in den Stand. Die bremsenden Hufe der Pferde rissen Staubwolken in die Luft. Eines der Tiere wieherte trompetend.
»Geht in Deckung, Leute!«, tönte es aus einem der Hotelfenster im Obergeschoss. »Henders hat Mist gebaut, und nun hat er den Höllenhund McQuade am Hals. Helft Henders, ihn aufzustöbern und schießt ihn in Stücke. Aber vorsichtig! Der Sheriff mischt mit.«
Die beiden Ankömmlinge sprangen von den Pferden, zogen die Gewehre aus den Scabbards und rannten geduckt auseinander, verschwanden zwischen den Häusern.
»Jetzt zeigen Sie also Ihr wahres Gesicht, Shannon!«, schrie McQuade.
»Es wäre klüger von dir gewesen McQuade, wenn du nicht mehr umgekehrt wärst!«, erklang es wild. »Du bist nach Indian Wells zurückgekehrt, um zu sterben.«
»Sie werden sterben, Shannon – und es wird ein kläglicher Tod sein. Sie werden am Ende eines Strickes ihr erbärmliches Leben aushauchen. Für Mord hängt man nämlich in diesem Land.«
Ein höhnisches Lachen erklang. »Haben Sie einen Beweis für Ihre Behauptung?«
»Den werde ich beschaffen.«
Wieder lachte Shannon. Es war ein teuflisches Lachen voller Ironie und Spott.
McQuade nahm auf der anderen Straßenseite in einer finsteren Nische eine huschende Bewegung wahr, riss das Gewehr an die Schulter und jagte eine Kugel in die Dunkelheit. Sofort glitt er zur Seite und zog den Kopf ein. Es begann zu krachen. Die Kugeln durchschlugen die Fassade oder pfiffen darüber hinweg. McQuade lag jetzt flach auf dem Dach, kroch zurück und rettete sich auf das Schuppendach, sprang in die Tiefe und rannte zum Gartenzaun, flankte über ihn hinweg und pirschte an einer Hauswand entlang bis zur Main Street.
Auf der anderen Straßenseite wurde nicht mehr geschossen. Die eingetretene Stille mutete fast schrecklicher an als das todbringende Crescendo der dröhnenden Waffen vorher.
Die Stadt befand sich voll und ganz im Banne des Bösen. Durch die Straßen und Gassen wehte der kalte Hauch des Todes.
*
Der Himmel im Osten war in das Licht der aufgehenden Sonne getaucht. Zwischen den Häusern wob das Grau der Morgendämmerung. Nach und nach erhielt die Natur ihre Farben zurück. Vereinzeltes Vogelgezwitscher war zu hören. Wie leergefegt lag die Main Street vor McQuades Blick.
Er hatte es mit vier Gegnern zu tun. Irgendwo lauerten sie, ein tödliches Verlangen in den Gemütern und sicher auch mit glühendem, verzehrendem Hass in den Herzen.
Jetzt erklang wieder die Stimme des Sheriffs: »Zum letzten Mal, Shannon! Geben Sie auf. Denken Sie denn wirklich, dass Sie in diesem Landstrich noch einen Fuß auf die Erde bekommen? McQuade hat ihren Revolverschwinger beobachtet, als er die Bar-S anstecken wollte. Die Initiative dafür ging ganz sicher nicht von Henders aus. Er ritt in Ihrem Auftrag.«
Es war Chuck Henders, der antwortete. »McQuade kann viel behaupten. Weiß der Satan, wen er bei der Ranch zündeln sah. Ich jedenfalls war nicht auf der Bar-S.«
»Dann haben Sie wohl am frühen Morgen schon einen Spazierritt unternommen?«, gab der Gesetzeshüter zu verstehen.
»So ist es. Ich konnte nicht schlafen. Als ich in die Stadt zurückkehrte, stellte sich mir plötzlich McQuade mit dem Gewehr im Anschlag in den Weg. Ich habe mich nur gewehrt.«
»Mach dich nicht lächerlich, Henders!«, stieß McQuade laut hervor. Da vernahm er hinter sich ein Geräusch. Er wirbelte herum und riss das Gewehr an die Hüfte, zugleich ließ er sich auf die Knie fallen. Am anderen Ende der Hauswand glühte es auf. Die Kugel pfiff dicht über McQuades Kopf hinweg. Er schoss und repetierte. Der Bursche kippte über seine Absätze nach hinten und krachte auf den Rücken.
Jetzt begann es auf der anderen Seite der Main Street zu donnern. Schritte trampelten, dann stieg ein gequälter Aufschrei über die Dächer der Stadt. Ein Mann taumelte aus einer Passage zwischen dem Store und dem Laden des Gunsmith', er stolperte, brach in den Knien ein und fiel auf das Gesicht.
McQuade atmete tief durch. Eine unsichtbare Hand schien sein Herz zu umklammern und es zusammenzupressen. Er hatte den Mann erkannt, der auf der Straße zusammengebrochen war. Ein dumpfer Druck entstand in seiner Brust. Dem eisigen Wind seiner wirbelnden Gedanken ausgesetzt schrie er heiser, mit belegter Stimme: »Einer Ihrer Männer hat den Sheriff erschossen, Shannon. Die Verantwortung dafür tragen Sie.«
»Zur Hölle mit dir, McQuade!«, brüllte Jack Shannon und seine Stimme war vom Hass verzerrt. In rasenden, giftigen Wogen durchspülte er den Verstand des Mannes, der Unheil und Verhängnis nach Indian Wells gebracht hatte. »Meinen Plan, hier sesshaft zu werden, hast du dreckiger Hundesohn vereitelt. Na schön! Ich werde in eine andere Gegend ziehen. Du aber wirst in diesem Drecknest bleiben, McQuade. Und zwar sechs Fuß unter der Erde.«
»Sie wollten sich das Land der Bar-S unter den Nagel reißen, Shannon. Ihr Plan war teuflisch und von einer Niedertracht, die ihresgleichen sucht. Um Ihren Willen durchzusetzen, scheuten sie nicht einmal vor einem gemeinen Mord zurück. Sie sind ein Fall für den Henker, Shannon. Und ihr Killer wird neben Ihnen baumeln.«
McQuade lief hinter das Haus, rannte parallel zur Main Street in Richtung Norden und erreichte das Ende der Stadt. Mit langen, kraftvollen Sätzen überquerte er die Straße und hetzte zwischen einige Schuppen und Ställe. Dann wandte er sich nach links und pirschte in die Richtung, in der der Store lag.
Bei einer Gasse, die bei der Main Street endete, hielt er an und äugte um eine Hausecke. Dort, wo die Gasse in die breite Straße mündete, kauerte ein Mann. McQuade rief ihn an. Der Bursche warf sich herum. Sein Colt begann zu donnern. McQuade erwiderte das Feuer. Es klirrte, als eine Kugel eine Fensterscheibe zerhieb, ein Querschläger jaulte ohrenbetäubend. McQuades Gegner taumelte gegen die Wand und rutschte an ihr zu Boden. Das Kinn des Mannes sank auf die Brust.
McQuade repetierte. Im Zwielicht erkannte der Texaner, wen er getroffen hatte. Er rief: »Ich habe Ihren Killer erwischt, Shannon. Jetzt sind Sie an der Reihe.«
Die gebotene Vorsicht nicht außer Acht lassend schritt McQuade langsam auf die Gassenmündung zu. Das Gewehr hielt er an der Seite im Anschlag. Chuck Henders' Kopf zuckte hoch. Ein gehetzter Laut brach über seine Lippen, er riss die Hand mit dem Revolver in die Höhe.
McQuade drückte ab. Es gab keine Gnade und kein Erbarmen. Der Treffer warf den Revolvermann auf die Seite. Der letzte Eindruck in seinem Leben war der peitschende Knall, der über ihn hinweggeschleudert wurde. Mit dem Zerflattern der Detonation starb er.
McQuade rannte weiter, sprang über den Toten hinweg und stand am Rand der Main Street. Schräg gegenüber befand sich das Hotel. Davor standen die Pferde der beiden Cowboys, die in die Stadt gekommen waren und sofort in den Kampf zwischen ihm und Chuck Henders eingegriffen hatten.
»Okay, Shannon!«, stieß der Texaner zwischen den Zähnen hervor. »Jetzt bist du fällig!« Er rannte los. Aus den Augenwinkeln nahm er eine Gestalt wahr, die sich hinter einem Wasserfass aufrichtete und das Gewehr an die Schulter riss. McQuade fuhr halb herum und schoss aus der Hüfte. Der Kopf des Mannes flog in den Nacken, im nächsten Moment brach der Bursche zusammen.
Jack Shannon rannte mit einem Revolver feuernd aus der Tür des Hotels. McQuade hechtete in den Staub und rollte gedankenschnell unter einen Vorbau. Shannon hetzte zu einem der Pferde, kam geschmeidig in den Sattel und traktierte das Tier mit den Absätzen. Es streckte sich. Die wirbelnden Hufe schienen kaum den Boden zu berühren, als es pfeilschnell die Main Street hinunter jagte.
McQuade kroch unter dem Vorbau hervor und richtete sich auf. Staub rieselte von seinem braunen, zerschlissenen Mantel. Seine Backenknochen mahlten.
Die brandenden Hufschläge wurden leiser und leiser. Der Staub, den die Hufe aufgewirbelt hatten und der den Weg des fliehenden Banditen markierte, legte sich auf die Straße zurück.
Der Spuk war vorbei. Mit fahriger Geste strich sich der Kopfgeldjäger über die Augen. Es war die Minute, in der sich der Rand der Sonne über den bergigen Horizont schob und das Gestirn seine ersten, heißen Strahlen ins Land schickte.
McQuade ging zu Sheriff Jesse Ballard, der reglos im Straßenstaub lag. Der Gesetzeshüter war tot. Seine gebrochenen Augen muteten an wie Glasstücke. McQuade verspürte einen bitteren Geschmack in der Mundhöhle.
Plötzlich strömten die Menschen aus ihren Häusern. McQuade sah bleiche Gesichter voller Rastlosigkeit, er erkannte das Entsetzen in den Augen der Stadtbewohner und die Fassungslosigkeit. Ein verworrenes Stimmendurcheinander erhob sich.
Er ging zu der Stelle, an der er Chuck Henders niedergeschossen hatte. Die absolute Leere des Todes prägte das hagere Gesicht des Revolverschwingers.
Irgendwo schrie ein Mann: »Der da lebt noch. Die Kugel hat ihm lediglich einen blutigen Scheitel gezogen.«
Es war der Bursche, der hinter dem Wasserfass gelauert hatte und der McQuade den Fangschuss verpassen wollte, als der Kopfgeldjäger auf dem Weg zum Hotel war, um sich Shannon vorzuknöpfen.
Einige Bürger umringten den Verwundeten. McQuade schob sich zwischen zwei Männern hindurch und ging bei dem stöhnenden Burschen auf das linke Knie nieder. Die Lider des Mannes zuckten. McQuade rüttelte ihn an der Schulter. Der Bursche öffnete die Augen, mit getrübtem Blick schaute er den Kopfgeldjäger geradezu verständnislos an.
»Wie ist dein Name?«, fragte McQuade.
»Orrel«, murmelte der Mann nach geraumer Zeit, in der er die Frage verarbeitete, mit schwacher Stimme. »Ned Orrel.«
»Wo seid ihr hergekommen, Orrel?«, fragte McQuade. »Es war doch kein Zufall, dass ihr am frühen Morgen in Indian Wells aufgetaucht seid.«
Der Blick Orrels klärte sich. Er hob die Hand und betastete die Streifschusswunde an seinem Kopf. Ein Stöhnen kämpfte sich in seiner Brust hoch und quoll aus seinem Mund. Sein Gesicht verzerrte sich. »Ich – ich halte das nicht aus«, keuchte er. »Der Schmerz bringt mich um.«
»Wo seid ihr hergekommen?«, wiederholte McQuade seine Frage. Mitleid konnte er nicht empfinden. Orrel hatte es herausgefordert, verwundet oder vielleicht sogar getötet zu werden. Er hätte nicht gezögert, ihn, McQuade, mit Blei vollzupumpen.
»Wir – waren auf der Bar-S-Weide. Haben – eine Herde in Stampede versetzt. Mit – mit Terror wollte Shannon die Lady soweit bringen, dass – dass sie aufgibt. Als Seymour es ablehnte, uns über sein Land ziehen zu lassen, zog er sich Shannons Hass zu.«
