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Ein außergewöhnliches Buch. Eine Pergamentrolle, eine Kamera, eine Truhe - drei lächerliche Artefakte als Schlüssel zum mystischen Geheimnis, ewig zu leben. Sechs groteske, kriminelle Kurzgeschichten verbinden sich zu einer unglaublichen Zeitreise in literarische Abgründe. Geheimnisvoll, irritierend bis zum Ende, spielen die Geschichten eingebettet in die traumatische Tiroler Landschaft und in zeitlose Plätze Wiens. Das gefeierte Buch des Kultautors Harry T. und seines Schreiberlings Joe B. erreichte einen Best-of-Spitzenplatz der bislang ungelesenen Kurzromane und eignet sich als E-Book vorzüglich zum Vorheizen im Kaminofen.
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Seitenzahl: 153
Veröffentlichungsjahr: 2017
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Buch (2009): Der ’chattenmann
Buch (2010): Fegefeuer
Buch (2011): Ewig
Buch (2012): Schodaun
Kein Buch (2013): Epilog
Noch ein Buch (2015–2017): Abspann
Wer ich bin, werden Sie noch erfahren. Ihr alle werdet mich noch richtig kennenlernen.
Was ich tue, oder besser: was ich getan habe, das wird Ihnen eindringlich in Erinnerung bleiben. Wann es geschehen ist, werden Sie lange nicht verstehen.
Und warum ich das tue? „Ja, das würde ich auch gerne wissen! Und was eigentlich? Und wen soll das überhaupt interessieren?“, argwöhnt da mein neben mir sitzender Schreiberling, der lieber anonym bleiben möchte, sarkastisch beim Tippen dieser Zeilen. Hier sollte ich vielleicht etwas ausholen.
Ich hatte wahrlich sehr lange Zeit, um nachzudenken. Jahrelang, immer wieder, im Urlaub. Brixen im Thale hat mich vereinnahmt, wie schon die letzten zehn Jahre. Sanfte Wiesen, erbauliche Berghänge, laue Sommerdüfte, sehnsüchtige Blicke auf ferne Gipfel, ausgedehnte Wanderungen – immer auf der Suche.
Die grenzenlose Beschaulichkeit stimuliert mich. Sie hat mich die letzten neun Jahre getrieben – in den Wahnsinn mit einer grandiosen Idee: Ich schreibe ein Buch. Die Idee wurde im Brixener Lesekreis begeistert aufgenommen („Müssten wir nicht ‚verstört aufgenommen‘ schreiben“, murmelt mein Schreiberling). Egal – der Brixener Lesekreis, das sind all die in Brixen Miturlaubenden, die andeuteten, das Werk gelesen und verstanden zu haben, und die mich mit ihrem Kopfschütteln motiviert haben, das möglichst bald fortzusetzen und rasch zu beenden, was ich begonnen habe. Neben einer fanatischen Fangemeinde habe ich als retro- und prospektiv erfolgreicher Kultautor natürlich auch meinen eigenen Schreiberling, der da aus intellektuell nicht nachvollziehbaren und selbst para-psychologisch unerklärbaren Motiven mitmacht: Ich denke. Er formuliert und tippt. Oder wie er sagt: er konvertiert meine losen Gedanken in gedankenlose, grammatikaffine Literafolgen mit digitalem Verbreitungspotenzial. Wie auch immer, mein Gesamtwerk ist fertig – und ich vollkommen.
Wir haben neun Jahre gebraucht, um das Gesamtwerk zu vollenden. „Wir nennen die Teile ‚Konvolut‘ – oder noch besser: ‚Wälzer‘!“, verkünde ich stolz meinem Schreiberling, der sogleich die Frage aufwirft, ob bei einem „Wälzer“ Schriftgröße 36 pt für eine entsprechende Seitenzahl zumutbar sei.
Wir haben uns schließlich auf „Buch“ geeinigt, da ja auch wenige Seiten aus Buch-Staben bestehen. Was mein Schreiberling anfangs noch nicht wusste: „Geständnis“ wäre besser gewesen.
Sie merken sicher schon: mein literarisch-kriminelles Gesamtkunstwerk, das sind sechs [zu] Kurz[e] Geschichten samt Epilog und Abspann. Es sind sechs „Bücher“ über – Sie werden staunen – das ewige Leben, die auf geheimnisvolle Weise miteinander verschlungen sind – und am Ende vordergründig doch keinen Sinn ergeben könnten. Insoferne erwarten Sie nichts über den Sinn des Lebens. Hintergründig werden Sie staunen.
Das 1. Buch „Der ‘chattenmann“ wird Sie verwirren. Das 2. Buch „Fegefeuer“ wird brennende Leidenschaft entfachen. Das 3. Buch „Ewig“ werden Sie nicht mehr aus Ihrem photographischen Gedächtnis streichen können. Das 4. Buch „Schodaun“ gibt es nicht, weil es nicht geschrieben wurde, sondern passiert ist. Erst der Epilog, der kein Buch ist, wird alles vereinen. Sie sollten dann epi-logisch verstehen, warum wir all das schreiben mussten. Da wir annehmen müssen, dass Sie absolut nichts verstehen (das liegt aber nicht an uns), gibt es 6. „Noch ein Buch“, das als semantisch-integrativer, spannender Abspann für die dringend notwendige geistige Entspannung sorgt. Erst hier werden Sie wirklich alles erfahren!
Ihr Harry T.
Brixen/Wien, 2017
p.s.
Vielleicht sollte ich noch betonen, dass wir jetzt das Jahr 2017 haben, jedenfalls aus Ihrer Sicht. Merken Sie sich das! Und wir dürfen jetzt das schreiben, was wir lange nicht schreiben konnten, wegen dem, was Sie noch nicht wissen durften.
p.p.s.
Sollte Ihre Phantasie mit Ihnen durchgehen, so möchte ich doch noch sicherheitshalber anmerken, dass das alles frei erfunden ist und jede Ähnlichkeit mit irgendwas oder irgendwem rein zufällig und unbeabsichtigt ist.
Wenn Sie das auch nicht davon abhält, einen wahren Kern dahinter zu suchen, dann kann ich Ihnen noch einen Aufenthalt in einer psychiatrischen Klinik empfehlen – in der Sie sich vielleicht ohnehin schon befinden, weil Sie das gelesen haben.
p.p.p.s.
Sollten Sie der sein, den wir suchen, dann nehmen Sie all das durchaus ernst – wir finden Sie!
Und sollten Sie gar derjenige sein, der uns sucht, dann lesen Sie ruhig weiter – [kicher] – und suchen das Geheimnis – [kuder] – Sie werden es sicher irgendwo irgendwann finden! – [bruhaah]
und Joe B. (Schreiberling)
Haben Sie es schon selbst versucht?
Ich meine: selber versucht, ein Buch zu schreiben?
Ich habe es versucht: zwei Jahre – mit „genialen“ Ideen – ein Krimi, nein ein amüsanter Krimi soll es sein – nein, ein komischer Krimi, der aus gutem Grund zugleich geheimnisvoll, absurd und genial ist.
Ich bin natürlich gescheitert. Zwei Jahre und keine einzige Zeile geschrieben. Oder genauer: ich musste aus diesem guten Grund vorerst zeilenlos scheitern.
„Lächerlich – was will der überhaupt?“ werden Sie jetzt denken. Sie haben Recht – überlassen wir dieses kreative Genre den Genies, die so etwas zustande bringen. Die einen machen echte Kohle damit, die anderen eben nicht. Oder anders ausgedrückt: Ich und andere verfolgen andere Ziele.
Ich musste das Werk im Stillen beginnen. Denn was Sie noch nicht wissen: hinter all dem verbirgt sich ein großes Geheimnis – ich muss verdammt aufpassen, denn vielleicht sind Sie es, der genau auf das wartet, was ich hier nicht niederschreiben darf – noch nicht …
Mir wurde klar, dass ich eine schriftstellerische Hilfskraft zur Bewältigung meiner literarischen Bestimmung finden musste, die nicht völlig vertrottelt, aber dennoch einfältig genug war, mein geheimes Geheimnis zu Papier zu bringen – ohne viele Fragen zu stellen oder gar das Ganze in Frage zu stellen. Einen Schreiberling, der genial und dennoch naiv genug ist, die komplexen interdependent-intertemporalen Geschehnisse zwar zu verstehen, aber sie nicht in ihrer gesamten Dimension begreift. Meine wahre Kunst lag darin, diese beinahe unmögliche Person in Joe B. zu finden, so hoffte ich jedenfalls.
Damit Sie einmal sehen, welche Schätze an literarischen Kunstwerken Sie bereits gelesen haben, möchte ich Ihnen am Beginn das Unvermögen vor Augen führen – das vordergründige Unvermögen, ein Buch mit mehr als drei A5-Seiten zu schreiben. Sie werden staunen: selbst das ist nicht einfach. Und warum ich das getan habe und welche „Rolle“ das hintergründig spielt, werden Sie erst viel später verstehen.
Ihr Harry T.
Brixen/Wien, 2009
p.s.
Mein Schreiberling Joe B. möchte als Schreiberling eines geheimnisvollen Kultautors lieber anonym bleiben, weil er, wie er sagt „mit den kranken Gedanken kognitiv in futuro prohibitivkonnektiv“ bleiben möchte. Ich weiß zwar nicht, was er damit meint, danke ihm aber dafür, dass er meine wirren Gedanken mit wirren Gegenfragen auf ein Mindestniveau interpersoneller literarisch-semantischer Kommunikationsvermittlungsfähigkeit (des staummt von eam) gebracht hat.
p.p.s.
Sie wissen ja, dass wir jetzt, wo Sie das Buch vor Augen haben, das Jahr 2017 schreiben, jedenfalls aus Ihrer Sicht. Zumal wir annehmen, dass Sie in einer lange Reihe zeltend vor einem Buch-Shop oder einer Online-Handlung ungeduldig auf das Erscheinen unseres Buches gewartet haben. Vielleicht ist es auch 2018 oder später, weil Sie erfolglos darauf gewartet, es geschenkt zu bekommen. Jedenfalls müssen Sie verstehen, dass wir jetzt im 1. Buch das Jahr 2009 haben und das 1. Buch bereits auf dunklen Kanälen veröffentlicht wurde. Stückweise, so wie alle weiteren Bücher, damit es der liest, den wir suchen, um das zu bekommen, was uns gehört.
Keiner wusste, warum. Auch er selbst nicht. Aber eines Tages wusste er, dass er ihn hasste. Er hasste ihn so abgrundtief, dass er ihn auch nicht mehr denken konnte. Geschweige denn schreiben konnte. An diesem einen Tag hatte er den Buchstaben „S“ aus seinem Leben verbannt – dieses verdammte, diabolische „S“!
Es war wohl auch einer der Gründe, warum er damals diesen Job bei der Kripo angenommen hatte. Da fiel es niemandem auf, nachdem hier alle so etwas wie die Rechtschreibung auch aus ihrem Leben verbannt hatten. Und es war auch seine besondere Begabung, jederzeit in einen schlafähnlichen Zustand verfallen zu können, in einen Tiefschlaf, der hell wach war und der ihn alles sehen ließ – wirklich alles. Diese Begabung hatte ihn zu dem gemacht, was er heute war: ein Schattenmann, der im Schatten anderer sein Leben verbrachte.
Und so saß er an diesem Nachmittag in einem dieser verlorenen Cafés in Süßenbrunn – oder ’ü’enbrunn, wie er es nannte. Es war bereits der dritte Tag, den er hier verbrachte. Ebenso wie jene zwei heruntergekommenen Kreaturen, die an ihrem Stammplatz unbedeutend vor sich hinstarrten. „Ein Gla’ Wa’’er, bitte!“ Die Sonne blendete ihn, selbst bei geschlossenen Augen. Die Terrasse bot keinen Schatten. Dennoch – geduldig ertrug er den Auftrag, den er zu erfüllen hatte. Und er erfüllte ihn jetzt. Denn von der Dorfstraße kommend betrat ein Mann im beigen Sommeranzug mit weißem Hut das Café. Er war aber nicht allein – die Sonne machte einen Schatten zu seinem Begleiter. Der Schatten war dunkel – dünkler als … – nein, er war schwarz.
Das Glas Wasser war noch immer nicht gekommen. Der Mann mit dem Hut, den er wahrlich gut kannte, trat an die Bar und bestellte ein Bier. Ohne in die Runde zu blicken, hob er langsam sein Glas. Der ’chattenmann konnte mit geschlossenen Augen deutlich das Unbegreifliche verfolgen. Während der Mann mit dem Hut einen kräftigen Zug tat, drehte sich sein schwarzer Schatten bedrohlich zu ihm. Der Schweiß stand dem ’chattenmann auf der Stirn – so nah war er ihm noch nie. Der schwarze Schatten kam näher und näher. Sollte dies das Ende sein, so banal, so einfach. Der ’chattenmann biss sich in die Lippen, als der Schatten sich endgültig über ihn beugte.
„Wos woin’s?“ Fassungslos starrte der ’chattenmann in das versoffene Gesicht des Kellners. Dieser starrte ihn ebenso fassungslos an. „Ein Gla’ Wa’’er bitte!“ „Wos wüs’d, G’scherder?“ Wie sollte er dieser Kreatur das Diabolische begreiflich machen? „Bring mir ein Bier“, kam ihm über die Lippen. „Nau geht jo eh“ fluchte der glatzköpfige Kellner und wandte sich kopfschüttelnd ab. „Geh ’chei’’en, G’offener“, dachte der ’chattenmann und schloss seine Augen.
Mit unfreundlicher Miene knallte der versoffene Kellner Minuten später dem ’chattenmann sein Bier hin, mit einem verächtlichen „Nau wenigstens bist net a Kanak!“ Der ’chattenmann, der wahrlich kein Bier vertrug, griff nach dem Glas, das eiskalt war, und versank wieder in seinem schon gewohnten Dämmerzustand – der große Schatten breitete sich wieder über ihn aus.
Er konnte das Bierglas deutlich sehen, wie es langsam aus seiner kraftlosen Hand glitt und lautlos auf dem schmutzigen Terrassenboden zersplitterte. Er griff nach dem Glasboden und spürte, wie sich die Splitter langsam in die weiche Haut bohrten. Der schwarze Schatten beugte sich über ihn – er wurde dunkelrot – nein, nicht dunkelrot – er war blutrot.
Der Mann mit dem Hut nickte dem ’chattenmann zufrieden zu. Er hob das Glas, als würde er anstoßen, und verließ das Café Richtung Dorfstraße. Und der ’chattenmann sah, dass er es ohne seinen Begleiter verließ. Von weiten hörte er die Stimme seines Kollegen von der Kripo: „Heast, kumm mit – des miass ma auf der Dienstelle klären…“ Der ’chattenmann stieg emotionslos über den am Boden liegenden leblosen Körper des versoffenen Kellners. Das Glas in dessen ungewaschenem Hals glänzte im Sonnenlicht.
Gedankenverloren verfolgte der ’chattenmann das Geschehen im Saal – von der Anklagebank sah der Saal plötzlich ganz anders aus. Er konnte es nicht begreifen. Er wusste auch nicht mehr, wie viele Tage er hier schon hinter sich gebracht hatte. Aber das konnte er deutlich verstehen: „Das Gericht verurteilt Sie wegen Mordes zu sechs Jahren Freiheitsstrafe. Es ist erwiesen, dass Sie am sechsten Juni 2006 gegen 18:06 dem sechsundsechzigjährigen Siegfried Steiner tödliche Verletzungen im Halsbereich mit einem abgebrochenen Bierglas zugefügt haben. Haben Sie dazu noch etwas zu sagen?“ Der ’chattenmann schwieg. „Ich musste es tun“, zuerst schmerzverzerrt, dann mit zunehmender Genugtuung konnte er es wieder denken – es, das S – das diabolische SS.
Der Schattenmann starrte auf das kleine Fenster und dann auf die schattenhaften Gitterstäbe am Boden, die sich wie Haken kreuzten und als Runen in sein Gehirn brannten. Jetzt hatte er endlich Zeit, hier alleine.
„War es das überhaupt wert?“ „Ja!“, sagte der Mann mit dem Hut, „er säte so wie sein Vater nur die Saat des Bösen. Du warst es deinem Vater und mir schuldig. Diese verdammten Schergen der SS! Dieser verdammte Steiner! Er wusste wohl, was er wissen wollte. Dein Vater musste deshalb mit ansehen, was sie deiner Großmutter und mir angetan haben. Wir haben das Geheimnis bei allen Qualen nicht verraten! Du aber, merke es dir. Merke es dir lange!“
„Ja, jaaaa – 6. 6. 1944, S-Süßenbrunn – es-es kommt – an die’em ver’chi’’enen Tag“ Der ’chattenmann schloss die Augen – er konnte es deutlich sehen. Das Tor in die unendliche Zukunft öffnete sich. Und das Geheimnis verschloss sich hinter seinen fast toten Augen.
und Joe B. (Schreiberling)
Haben Sie es nun schon selbst versucht?
Ich meine: selber versucht, ein Buch zu schreiben?
Ich habe es versucht. Oder besser, ich musste es tun. Oder noch besser: ich muss so tun, als ob ich es versucht habe, weil ich es ja tun musste. Der großartige Erfolg meines Erstlingswerkes „Der ’chattenmann“ (Harry T. und Joe B., 2009, 3 Seiten) hat mich jedenfalls dazu angeregt, naja – besser mal eine künstlerische Pause einzulegen und mein geheimes Geheimnis ruhen zu lassen.
„Welches Geheimnis?“, murmelt da mein neben mir tippender, etwas naiver Schreiberling, der zwar in alles eingeweiht ist, aber offenbar unser gemeinsam erarbeitetes, geheimes Konzept noch nicht verarbeitet hat: „Na, das Geheimnis, das er …“ „Wer er?“ „Na ich!“ „Ach er – der mit dem Geheimnis“, flüstert mir jetzt mein schlauer Schreiberling konspirativ zu. Nun gut, nachdem es jetzt ohnehin schon alle wissen: Ja, der im 1. Buch mit dem geheimnisvollen „S“ – das bin ich. Ich weiß das aber noch nicht. „Und er kennt auch das Geheimnis noch nicht, obwohl ich es weiß“, verkündet da stolz mein Schreiberling. So, es reicht – hören Sie bitte kurz weg: „Ich weiß das Geheimnis mit der Rolle und der Kamera natürlich auch, aber ‚er’ weiß es nicht und natürlich wissen jetzt schon alle, dass er ich ist – also er ich bin, aber sie wissen noch nicht, dass ich das nicht weiß und keiner darf das wissen. Und ich sitze neben dir und nicht im Gefängnis, weil das nur so eine Kopfsache ist, was aber keiner wusste, auch er selbst nicht – alles klar!“ Ich sagte ja oben, ich habe „versucht“, ein zweites Buch zu schreiben …
Also: Es ist mittlerweile ein intensives Jahr vergangen. Ich bin nun wieder voller Elan, obwohl vielleicht literarisch doch etwas gedämpft ambitioniert, oder sagen wir mal eigentlich doch total schreibmüde. Egal, jedenfalls habe ich wieder ein großartig durchdachtes Konzept für einen grandiosen Kriminalfall, der – wie mein naiver Schreiberling verdächtigerweise anmerkte – diesmal vermutlich gerade Mal zwölf Zeilen füllen würde. Obwohl: Konzept ist nicht ganz richtig – monumentales Konstrukt für die Ewigkeit wäre hier doch zutreffender.
Sie werden jetzt wieder denken: „Lächerlich – was will der überhaupt?“ Das kann ich Ihnen aus gutem Grund noch nicht sagen, aber schütteln Sie nicht den Kopf, bändigen Sie Ihr Mitleid. Sie können immer noch dieses zweite Buch ungelesen auf die Seite legen. Sie werden zwar nichts versäumen, aber eine Frage wird Sie fortan unbeantwortet quälen: Geht es noch schräger?
Das sei hier noch nicht verraten, aber jedenfalls länger. Ja, neun Seiten geheimnisvoller Qualen des Lesens liegen vor Ihnen. Sie werden stolz und glücklich sein, wenn Sie es geschafft haben…
Ihr Harry T.
Brixen/Wien, 2010
p.s.
Meinem Schreiberling Joe B., der im vorliegenden Kontext klarerweise anonym bleiben möchte, danke ich wieder, dass er meine wirren Gedanken ins Lesbare an der Grenze des Unerträglichen gebracht hat.
Allerdings entstehen bei mir die ersten Zweifel in der Wahl meines zwar naiven Schreiberlings, jedoch: Er hinterfragt, er stellt unangenehme Fragen, er interessiert sich unverständlicherweise für Zusammenhänge, die ich selber gar nicht erklären kann – und er sitzt jetzt tippend neben mir und starrt mich an.
Ein Knistern weckte mich. Weckte mich? Nein – ich war wohl ohnehin die ganze Zeit wach, in diesem wachen Zustand, den mir noch nie irgendjemand in irgendeiner Weise beschreiben konnte. Ein geheimnisvoller, zeitloser Zustand, der sich wie ein ewiger Moment anfühlt und den ich so lange erwartungsvoll herbeigesehnt habe. In keinen Schriften habe ich je darüber gelesen – dabei habe ich mein ganzes Leben danach gesucht. Und jetzt, jetzt habe ich das Unfassbare in meiner Hand.
Das Knistern weckte mich erneut und ein erstes Flackern gab mir in der Dunkelheit das Licht, das den endlosen Zustand endlich zu Ende bringen würde und Gewissheit über die Ewigkeit bringen würde. Und ich wusste, nein ich weiß, dass ich nicht mehr lange Zeit habe, um ewig Zeit zu haben. Und jetzt, jetzt werde ich es erfahren …
Jahrelang habe ich es gesucht – nicht einfach so: Ich war geradezu besessen von diesem Gedanken. Dieses Mysterium hat mein ganzes Leben bestimmt – das Geheimnis, das von vielen so verheißungsvoll versprochen wird und das dennoch so banal, so lächerlich wirkt, wenn man es ernsthaft sucht: Das Geheimnis des ewigen Lebens.
Mein einfaches Leben als unscheinbarer Kriminalbeamter, nach außen hin ohne Ambition und ohne Ziel, hat mir ausreichend Zeit gegeben, mich Tag und Nacht verbissen mit diesem Gedanken zu befassen. Es hat aber auch meinen Instinkt geschult, das Undenkbare zu denken und an das Unglaubliche zu glauben. Und vor allem auch daran zu glauben, dass mir der Zufall bestimmt ist. Und mein kriminalistischer Spürsinn hat mir geholfen, Verbrechen zu klären – und Verbrechen zu begehen, wenn ich es für richtig und wichtig erachtete. Ich bin reuelos überzeugt, dass ich es tun musste.
Mein Gott, wie naiv ich doch alles begann! Natürlich – im Altertum würde ich alles finden. Die mystischen Orte, die geheimnisvollen Stätten des Altertums – und die Menschen, die mir versprachen, dass ich an diesen Stätten das Geheimnis finden würde. Ihnen allen habe ich das angetan, was sie mir angetan haben. Den brennenden Schmerz, den sie mir durch ihre Ignoranz und Arroganz zugefügt haben, musste ich mit dem Purgatorium, dem Fegefeuer, meinem Feuer bestrafen. Sie alle sollten den brennenden Schmerz bei lebendigem Leibe spüren. Und ich konnte ihre Asche auf mein Haupt streuen.
1980
S
imon
H
evithal – See Genezareth
1983
I
brahim
A
bdullah – Pyramiden von Gizeh
1987
M
aurice
U
not – Lourdes
1989
M
ichele
P
artini – Rom
1992
E
l
T
islo – Machu Picchu
1996
R
udolf
S
chuster – Mayerling
2000
I
to
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ahira – Hiroshima
2003
N
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