A CEO for Christmas - Louise Bay - E-Book

A CEO for Christmas E-Book

Louise Bay

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Beschreibung

All I Want for Christmas is a CEO

Es gibt nichts, was Sebastian mehr hasst als Weihnachten. Deswegen plant der erfolgreiche CEO die Feiertage weit weg von allen Festlichkeiten auf Barbados zu verbringen. Doch dann erhält er einen Hilferuf von seiner Großmutter, der ihn in die beschauliche englische Kleinstadt Snowsly führt. Sebastian soll für seine verletzte Granny einspringen und gemeinsam mit Celia Sommers, dem größten Weihnachtsfan der Stadt, den Weihnachtsmarkt von Snowsly retten. Obwohl Sebastian so gar nichts mit Celias Rentierpullovern und ihren Weihnachtswitzen anfangen kann, schafft er es schon bald nicht mehr, ihrer positiven Ausstrahlung und ihren verführerischen Lippen zu widerstehen ...

"Eine süße, sexy Liebesgeschichte, die zu der schönsten Zeit des Jahres spielt." SHE READS ROMANCE BOOKS

Band 1 der sexy, romantischen Weihnachtsreihe von SPIEGEL-Bestseller-Autorin Louise Bay

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Seitenzahl: 257

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Inhalt

Titel

Zu diesem Buch

1

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Epilog

Die Autorin

Die Romane von Louise Bay bei LYX

Impressum

LOUISE BAY

A CEO for Christmas

Roman

Ins Deutsche übertragen von Andreas Heckmann

Zu diesem Buch

Es gibt nichts, was Sebastian mehr hasst als Weihnachten. Deswegen plant der erfolgreiche CEO die Feiertage weit weg von allen Festlichkeiten auf Barbados zu verbringen. Doch dann erhält er einen Hilferuf von seiner Großmutter, der ihn in die beschauliche englische Kleinstadt Snowsly führt. Sebastian soll für seine verletzte Granny einspringen und gemeinsam mit Celia Sommers, dem größten Weihnachtsfan der Stadt, den Weihnachtsmarkt von Snowsly retten. Obwohl Sebastian so gar nichts mit Celias Rentierpullovern und ihren Weihnachtswitzen anfangen kann, schafft er es schon bald nicht mehr, ihrer positiven Ausstrahlung und ihren verführerischen Lippen zu widerstehen …

1

Sebastian

War ich etwa der Weihnachtsmann? Nein. War heute vielleicht ein Feiertag? Auch nicht. Also erklärte nichts die Weihnachtsmusik, die aus dem Flur in mein Büro drang. Ich holte tief Luft und versuchte, meine Mimik zu lockern. Arbeiteten die Leute im Dezember gar nicht mehr? Wussten sie nicht, dass ich in einer Besprechung war und sie ihre Arbeit zu tun hatten?

»Bis morgen Geschäftsschluss brauche ich eine Analyse«, sagte ich gerade zu Ali, als mir Lukes Pullover ins Auge sprang. War das ein Ren? Wirklich? Mein Compliance-Beauftragter trat sonst sehr seriös auf.

»Fliegen Sie nicht heute Abend schon?«, fragte Ali.

Ich antwortete nicht, denn was hatte mein Flug nach Barbados damit zu tun?

»Natürlich, ich besorge Ihnen die Analyse«, schob sie rasch nach und blätterte in ihrem Notizblock.

»Gut, das war’s.« Ich stand auf, und alle nahmen ihre Unterlagen und verließen lautlos das Zimmer: Schweigen, mein bevorzugtes Hintergrundgeräusch im Büro. Und nicht Mariah Carey, Wham! oder gar Michael Bublé.

Als ich etwas später meine Tür öffnete, wünschten mir Slade »Merry Christmas«. Ich stürmte ins Vorzimmer zu meiner Assistentin.

»Die. Sollen. Das. Sofort. Ausmachen«, knurrte ich mit zusammengebissenen Zähnen.

»Die Leute sind einfach nur gut drauf, Sebastian«, erwiderte sie seufzend. »Aber klar, ich bitte sie, die Musik leiser zu drehen.«

»Warum sollten sie jetzt besser drauf sein als im November? Oder im Oktober?« Ich wusste nicht, was mich mehr nervte: die Idiotie der Weihnachtszeit oder mein Zorn deswegen. »Haben Sie … Lametta um Ihren Monitor drapiert?«, fragte ich ungläubig. Was ließ nur alle im Dezember durchdrehen? Was ließ sie furchtbare Kleidung tragen, furchtbare Musik hören und zu viele furchtbare Dinge essen? Ich konnte kaum erwarten, das Land zu verlassen und all dem zu entkommen. Nur noch Stunden, dann wäre ich unterwegs zu einem Strand in der Karibik. Griffin, einer meiner ältesten Freunde, würde auch hinfliegen, und wir würden dort ein paar Tage verbringen, doch die übrige Zeit würde ich glückselig die Einsamkeit genießen.

Auf meinem Schreibtisch vibrierte das Smartphone. Ich kehrte in mein Büro zurück, sah aufs Display und meldete mich. »Granny?« Unter der Woche rief sie mich nie an.

»Sebastian, ich brauche deine Hilfe.«

Mein Puls klopfte mir leise in den Ohren, und ich schickte ein stilles Stoßgebet zum Himmel, alles möge in Ordnung sein. Niemand war mir wichtiger als Großmutter. Jedes Wochenende rief ich sie an, und mehrmals im Jahr kam sie mich besuchen. Dann saßen wir lange beisammen, tranken zu viel Whisky, schimpften und rechneten mit allem ab. In Kindheit und Jugend war sie eine Leitfigur für mich gewesen, weit mehr als mein Vater oder meine Mutter. Ihr traute ich mehr als allen anderen Menschen, und sie war die Einzige, für die ich bedingungslos alles tun würde.

»Was soll ich tun?«, fragte ich.

»Ich habe mir den Fuß verstaucht und …«

Warum zog sie nicht zu mir, wie ich es ihr hundertmal vorgeschlagen hatte? »Ich schicke einen Wagen und lasse dich nach London bringen.«

»Sei nicht albern. Ich komme nicht nach London.«

»Dann schicke ich dir eine Krankenschwester …«

»Sebastian, mit meinen dreiundsiebzig Jahren habe ich wohl das Recht, nicht dauernd unterbrochen zu werden, wenn ich mit dir spreche.«

Diesen Ton durfte niemand mir gegenüber anschlagen. Niemand außer Granny. »Entschuldige. Was brauchst du?«

»Die Ärztin hat gesagt, ich muss den Fuß hochlagern und darf ihn nicht belasten.«

Das klang nach einem guten Rat.

»Es ist die zweite Dezemberwoche. Der Weihnachtsmarkt in Snowsly öffnet in drei Tagen, und wir sind nicht annähernd fertig mit den Vorbereitungen. Ich habe nicht mal das Gutshaus fertig dekoriert.«

»Um Snowsly musst du dir sicher keine Sorgen machen. Und lass doch die Leute vom Empfang das Hotel schmücken.« Granny besaß ein Gutshaus in Snowsly, einem Dorf in den Cotswolds, und hatte es zu einem kleinen Hotel umgebaut. Inzwischen beschäftigte sie zwar einen Manager, kümmerte sich aber weiter um vieles und kommandierte das Personal herum.

»Das Dorf verlässt sich auf mich. Schließlich bin ich die Vorsitzende des Weihnachtskomitees. Schon während der zwei Tage, seit ich mir den Fuß verstaucht habe –«

»Du rufst mich jetzt an und hast dir den Fuß bereits vorgestern verstaucht? Warum erfahre ich als Letzter davon?«

»Mein Fuß und ich werden wieder gesund. Das ist nicht meine Sorge. Das Problem ist, dass Weihnachten bis zu meiner Genesung um ist – und manche hier ihr Auskommen verlieren, wenn wir keinen tollen Weihnachtsmarkt hinbekommen. Die Geschäfte im Dorf machen vor dem Fest den größten Umsatz. Du musst nach Snowsly kommen und das Organisieren für mich übernehmen. Ich kann schließlich kaum etwas tun und muss auf dem Sofa sitzen.«

»Nach Snowsly kommen?« Binnen Stunden ging mein First-Class-Flug in die Karibik, wo das Fest kein Thema war. Meine Pläne zu ändern und ins Weihnachts-Hauptquartier im Herzen Englands zu reisen, war das Letzte, was ich wollte.

»Du weißt, wie sehr die Geschäfte hier auf den Markt angewiesen sind.«

Das wusste ich, aber nur aus ihren Erzählungen. Ich selbst war zu Weihnachten nie in Snowsly gewesen. Seit ich achtzehn war, hatte ich die Feiertage und den Jahreswechsel am Strand oder am Pool verbracht, weit entfernt vom Weihnachtswahn. Haarsträubend, wie die Leute im Dezember ihren Verstand verabschiedeten und so taten, als hätten sie eine großartige Zeit! Und warum? Das hatte mir nie jemand überzeugend erklären können. Ich zog eine Margarita am Pool diesem Trubel bei Weitem vor, dazu garantierten Sonnenschein und keinerlei Erwähnung der Feiertage.

»Das kriegt ihr alle bestimmt prima hin. Soll ich jemanden schicken?«

»Nein, Sebastian.« An den Fingern einer Hand konnte ich abzählen, wann Granny je die Geduld mit mir verloren hatte, und ihrem gereizten Seufzer nach zu schließen handelte es sich um eine dieser Gelegenheiten. »Niemand kriegt das prima hin, und nein, ich will niemand von deinen Leuten geschickt bekommen, die bestimmt alle ihre eigenen Weihnachtskrisen zu meistern haben. Du musst kommen und helfen. Ich würde dich nicht darum bitten, wenn es nicht wichtig wäre.«

Jetzt war es an mir zu seufzen. Ihre Bitte würde ich nicht abschlagen. Das konnte ich nicht. Es gab nichts, was ich für Granny nicht täte. Aber hätten die Mächte der Unterhaltungshölle eine maßgeschneiderte Folter für mich ersonnen, hätte ihnen kaum etwas Schlimmeres einfallen können, als mich nach Snowsly zu schicken, um dort Weihnachten zu organisieren. Weihnachten in England ertragen zu müssen, war schon eine Herausforderung. Aber ein Klacks gegen Weihnachten in Snowsly, denn nirgendwo wurde das Fest pompöser begangen.

Enge, kurvenreiche Sträßchen und Wege verbanden alle Dörfer und Weiler der hügeligen Cotswolds zu einem unregelmäßigen Netz. Hier war England absolut pittoresk, und nichts und niemand kam schnell voran.

Die Straßen waren für Pferde gedacht, nicht für Autos, und so verging die Hälfte der Reisezeit zwischen den Dörfern mit zwei Rädern auf dem Bankett, wenn wieder gewartet wurde, bis ein entgegenkommendes Fahrzeug sich vorbeigeschoben hatte, wobei die wenigen Zentimeter zwischen den Autos den Unterschied zwischen einer fortgesetzten Fahrt und einem Versicherungsschaden bedeuteten. Im Sommer waren die Straßen lange grüne Tunnel aus Ästen, die sich über der Fahrbahn vereinigten, als wollten sie sich wie in einem dreihundert Jahre alten ländlichen Tanz die Hände reichen. Die Wände dieser Baumtunnel bestanden aus Sträuchern voller Nüsse und Beeren, ein Festmahl für zahlreiche Tiere. Am Ende jedes Tunnels wartete zur Belohnung eine spektakuläre Aussicht auf Wiesen und Äcker oder Wälder. Manchmal waren in der Ferne sogar die blaugrauen Umrisse der Malvern Hills zu erkennen.

Jetzt im Winter dagegen waren die Hecken kahl, und die Bäume streckten ihre Äste wie Skelette über die Straßen, ohne den weißen Winterhimmel zu verdecken.

Das nächste hübsche Dorf sah dem letzten sehr ähnlich – mit dem unvermeidlichen knallroten Briefkasten in der Mitte, den gelben Steinwänden der Cotswolds, den kreuz und quer stehenden Häusern aus allen Epochen der letzten tausend Jahre. Der Pub. Die Kirche. Leute, die in Tweed und Wolle Hunde ausführten. Und da und dort ein Hinweis darauf, dass wir im Monat des Wahnsinns waren: Kränze an den Türen, Lichterketten um die Fenster, geschmückte Bäume in den Vorgärten. Geisteskrank das alles.

Schon lange war ich nicht mehr in diesem Teil der Welt gewesen, doch ich stellte fest, dass ich die Gegend noch immer kannte wie meine Westentasche. Die letzten zehn Jahre hatte mein Fahrer Granny abgeholt und nach London gebracht. Das sparte mir Zeit, und sie genoss die Abwechslung. Ich verließ die Stadt eher selten und nur für Auslandsreisen. Schließlich besaß sie alles, was ich brauchte: meine Personalagentur, die ich in rastloser Arbeit aufgebaut hatte; mein Penthouse mit Blick auf die Themse; mein Leben, das ich mir geschaffen hatte.

Wieder in den Cotswolds zu sein, war wie eine Rückkehr in die Kindheit. Jeden Sommer war ich damals durch die Hügel um Snowsly gestromert, hatte Hecken geplündert, mich in Maisfeldern verlaufen, war ein sorgenfreier Junge gewesen. Jeden Sommer. Und zu Ostern. Überhaupt in den Ferien.

Nur nicht an Weihnachten.

»Haben wir es also geschafft, Bradley«, sagte ich zu meinem Chauffeur, als wir in die High Street bogen. Snowsly war eins der größeren Dörfer der Cotswolds. Neben dem obligatorischen Pub – es waren hier sogar zwei – und dem Briefkasten gab es eine Reihe Geschäfte rund um die Dorfwiese, in denen Touristen wie Einheimische gern verkehrten. Dazu Teestuben, die nur zum Frühstück und zum Mittagessen geöffnet hatten, und ein Restaurant. Sowie das umgebaute Gutshaus.

»Das Hotel liegt auf dem Hügel«, sagte ich zu Bradley. Aber das wusste er natürlich.

Granny hatte das Gutshaus vor dem Tod meines Großvaters und vor meiner Geburt gekauft. Seit einigen Jahren führte sie das Hotel nicht mehr selbst; ich hatte sie überzeugen können, einen Verwalter zu brauchen. Aber das hieß nicht, dass sie sich nicht mehr einmischte und nicht auch weiterhin die Angelegenheiten des ganzen Dorfs managte. Granny konnte die Hände nicht in den Schoß legen. Diesen Wesenszug hatte ich von ihr geerbt.

Wir passierten die Dorfwiese, wo ich jeden Sommer Kricket gespielt und im Frühjahr Ostereier gesucht hatte und zu der Granny mich jedes Jahr geschleppt hatte, um den Kindern des Dorfs beim Tanz um den Maibaum zuzusehen. Nun stand statt des Maibaums ein großer Weihnachtsbaum, den Tausende goldener Lichter erleuchteten. Und rings um die Dorfwiese waren Buchen in großen Töpfen aufgestellt, auch sie mit Lichtern geschmückt.

Sogar ich musste zugeben, dass das hübsch aussah.

Wir hielten vor dem Hotel. Als ich ausstieg, knirschten meine teuren und ungeeigneten Schuhe im Schnee.

Wie paradox!

Als Kind hatte ich nichts mehr ersehnt, als Snowsly zu Weihnachten im Schnee zu sehen. Es war, als sei der Ort nur dafür errichtet worden. Ich war überzeugt gewesen, dem Dorf fehle nur ein wenig Eis und Schnee, um vollkommen zu sein.

Um Narnia zu werden.

Über ein Jahrzehnt nach meiner letzten Reise hierher war mein Kindheitstraum nun Wirklichkeit geworden. Ich legte den Kopf in den Nacken, um die vierstöckige Fensterfront des Gutshauses aus gelbem Stein zu betrachten. In meiner Jugend hatte ich jeden Quadratzentimeter des Gebäudes gekannt. Es war meine Zuflucht gewesen. Mein sicherer Hafen. Der Ort, wo ich mir selbst am nächsten gewesen war. Sogar jetzt strahlte das Gutshaus etwas Beruhigendes aus – weniger beruhigend als ein First-Class-Sitz auf dem Flug nach Barbados, aber immerhin.

»Sebastian?«

Mein Kopf fuhr herum, und ich lächelte. »Mary – schön, dich zu sehen.« Ich beugte mich vor und gab Grannys Haushälterin einen Kuss auf die Wange. Sie hatte sich nicht verändert – ein wogender Busen und ein Auftreten, das an eine Oberschwester der Fünfzigerjahre denken ließ, mit der man es sich besser nicht verscherzte. Doch ich wusste, dass sie innerlich weich wie Marshmallows war.

»Endlich bekomme ich dich mal an Weihnachten zu sehen«, sagte sie. »Ich habe das Blaue Zimmer für dich herrichten lassen.«

Zwar war ich lange nicht in Snowsly gewesen, doch ich wusste, dass das Blaue Zimmer das beste Quartier im Hotel war. »Ist das wirklich nicht vermietet? Ich ziehe gern ins Grüne Zimmer.« Diese Kammer besaß nur ein schmales Bett und war sehr beengt, aber Granny würde eher Weihnachten absagen als Geld von mir zu nehmen. Deshalb wollte ich, dass sie möglichst keine Einkunftseinbußen wegen mir hatte.

»Wir sind ausgebucht – nur das Blaue Zimmer ist noch frei«, erwiderte Mary kurz angebunden, sodass sich Widerspruch verbot.

»Na dann«, gab ich zurück und nahm einen kleinen Koffer von Bradley entgegen. Ich hatte alles für die Cotswolds Geeignete aus meinem Reisegepäck für Barbados genommen, und Bradley würde den Rest nach London fahren. Am nächsten Tag würde mir ein Kurier Kleidung bringen, die für diese Gegend und diese Jahreszeit tauglich war. Schließlich brauchte ich etwas anderes als Sonnenbrille und Badehose, um die nächsten Wochen zu überstehen.

»Lass mich den nehmen.« Mary zog mir den Koffer aus der Hand. »Du musst zur Besprechung des Komitees. Sie beginnt in drei Minuten.«

Granny regierte das Haus also noch immer mit eiserner Hand.

Ich nahm Mary den Koffer wieder ab. »Dann muss ich die Treppe eben im Laufschritt hinauf«, sagte ich. Auf keinen Fall würde ich sie meinen Koffer tragen lassen. Ich war kein Gast. Ich war wegen Granny hier.

Und an Heiligabend wäre ich wieder verschwunden.

2

Celia

Das Adrenalin brachte meine Beine zum Zappeln, die Panik ließ mich flattrig atmen, und mir war übel. Jede Sekunde, in der wir nichts taten, war verschwendete Zeit. Ich schluckte und verzog den Mund zu einem Lächeln.

Weihnachten in Snowsly würde dieses Jahr so großartig werden wie noch nie. Es musste einfach so sein.

Viel ließ sich in zwei Tagen erreichen. Solange sich niemand sonst den Fuß verstauchte oder ein Bein brach und der Christbaum des Dorfs nicht umfiel.

Ich betrachtete die Mitglieder des Weihnachtskomitees und ließ das kleine goldene C an meinem Halsband vor und zurück pendeln. Dann drückte ich verstohlen meine Daumen. Etwas Glück konnte nicht schaden, oder?

»Celia, Schluss mit dem Daumendrücken. Und spiel nicht länger mit deiner Kette. Alles wird gut«, kommandierte Ivy. Sie mochte sich den Fuß verstaucht haben, konnte aber weiter gut sehen.

»Ich weiß«, log ich und nickte.

»Ahh, da ist er«, sagte sie und strahlte, als sei der Weihnachtsmann persönlich in der Tür erschienen. »Die meisten von euch kennen meinen Enkel Sebastian.«

Ich wandte den Kopf und sah einen großen Anzugträger mit ernster Miene auf Ivy zugehen und ihr einen Kuss auf die Wange geben.

»Setz dich zu mir«, sagte sie und wollte ihm auf dem Sofa Platz machen.

»Solltest du wegrücken, fahre ich sofort wieder nach London«, antwortete er lächelnd. Seine Stimme klang wie Schlagsahne auf einem Weihnachtsgebäck mit viel Schokolade – sonor und seidig zugleich. Ich nahm mir vor, noch in der Woche die Zutaten für diese Festtagsleckerei zu kaufen. »Die Ärztin hat dir aufgetragen, dich zu schonen. Deshalb bin ich schließlich hier.«

»Sebastian, junger Mann. Schön, dass du da bist. Dein letzter Besuch ist eine Weile her«, sagte Jim. Er trug wie üblich ein geblümtes Hemd, darüber aber einen grünen Trainingspulli mit dem aufgedruckten Foto seiner als Elfen verkleideten Enkelkinder. Der Blumenhändler des Dorfs zog im Dezember jeden Tag einen anderen Weihnachtspulli an, und dieser war mir der liebste.

»Zu lange«, sagte Sebastian und schüttelte Jim die Hand. »Ich bin zum Arbeiten hier und möchte nicht stören. Was liegt an?«

Dann und wann hatte ich von Ivys Enkel reden hören, der Snowsly als Kind oft besucht hatte, aber er war mir nie begegnet. Als Ivy sagte, sie werde ihn dazu bringen, zu kommen und zu helfen, hatte ich einen Teenager mit langen Haaren und dem T-Shirt einer Band erwartet, deren Namen ich nie gehört hatte, aber sicher keinen … Mann. Der obendrein so groß war, dass er sich an der Tür hatte ducken müssen. Und einen teuren Anzug trug. Und dessen Gesicht eher auf eine Kinoleinwand gehörte als ins Hinterzimmer eines kleinen Hotels mitten in England.

Und der der erste Mann war, von dem ich wirklich Notiz nahm, seit mein Freund mich verlassen hatte.

»Celia?«, fragte Ivy. »Was kommt als Nächstes?«

Ich fuhr fast zusammen, so unvermittelt hatte sie meine Begutachtung ihres Enkels unterbrochen. »Das Wichtigste morgen sind die Marktstände – oder Buden oder Almhütten, egal. Sie kommen auf die Dorfwiese. Die Firma, von der wir sie mieten, kann nicht so viele Leute zum Aufbauen schicken wie sonst, deshalb haben wir uns um Verstärkung zu kümmern. Außerdem müssen wir die Dekoration des Hotels zu Ende bringen, das versuche ich heute Abend.« Mein Smartphone vibrierte. Laut Display rief die Firma an, die uns die Buden vermietete. »Entschuldigung, da muss ich rangehen.«

Ich gab mir alle Mühe, keine Schnappatmung zu bekommen, als Bruce sagte, es gebe nicht nur zu wenige Leute für den Aufbau, sondern auch zu wenige Buden. »Danke, dass du Bescheid gegeben hast«, meinte ich. »Wir sehen uns morgen.«

»Was gibt’s?«, fragte Ivy.

»Nichts, was ich nicht im Griff hätte.« Ich lächelte, als sei es kein Problem, weitere Almhütten aufzutreiben. Wo nach ihnen suchen? Sollte ich sie aus dem Dekolleté zaubern? Oder aus den Abgründen meines Kleiderschranks? Wenn Bruce zu wenige Buden hatte, bedeutete das garantiert, dass es überall Nachschubprobleme gab.

»Wir sitzen alle in einem Boot«, sagte Keely, die stets tadellos gekleidete Galerie-Inhaberin. »Also was ist?«

Ich holte tief Luft und schüttelte den Kopf. »Wir bekommen zwei Buden weniger. Aber das ist nicht schlimm. Ich finde eine Lösung.«

»Wir mussten schon dem Weihnachtsladen sagen, dass er diesmal nur einen Stand haben kann«, erwiderte Keely. »Wie sollen wir zwei weiteren Händlern beibringen, dass sie nicht am Markt teilnehmen können? Der bringt mir zwanzig Prozent vom Jahresumsatz ein. Bei den anderen ist es genauso.«

»Allen ist klar, wie wichtig der Weihnachtsmarkt für das Dorf ist«, sagte Ivy. »Deshalb sind wir hier. Und darum hat Sebastian seine Reise nach Barbados gestrichen. Snowsly bedeutet Weihnachten und ist das Ziel für alle, die diese Zeit feiern wollen. Daran wird sich nichts ändern.«

Mein Lächeln saß bombenfest. Panik war keine Option, nur über meine Leiche. »Es gibt eine Lösung«, sagte ich, »eine simple Maßnahme. Überlasst das mir.« Zwar war mir noch nichts eingefallen, aber ich würde etwas ausbrüten. Es musste einfach so sein.

»Vielleicht hat Sebastian eine Idee«, sagte Ivy.

»Ich helfe gern bei jeder Hüttenkrise«, erklärte er.

War das sarkastisch oder aufrichtig gemeint? Ich sah kurz zu ihm hoch. Er warf mir ein angespanntes Lächeln zu; kurz geriet ich gedanklich auf Abwege und überlegte, womit er sein Haar pflegte, damit es so glänzte.

»Ja«, sagte ich und konzentrierte mich wieder auf die Sitzung. »Die Buden müssen morgen für alle das Wichtigste sein.« Abwechselnd sah ich Howard und Barbara an, die links und rechts von Ivy und Sebastian saßen, um dem Mann aus London nicht in die Augen zu sehen. Als ob ein Blickkontakt mich in Flammen aufgehen ließe. »Wir müssen die Stände errichtet und geschmückt bekommen, damit zur Eröffnung des Markts übermorgen alles perfekt ist.« Ich musste dringend aus der Besprechung verschwinden, um auszutüfteln, was sich machen ließ, denn ich konnte nun mal keine Lösung herbeizaubern. »Ich schlage vor, wir treffen uns morgen Abend um sechs hier wieder. Bis dahin treibe ich zusätzliche Hütten auf und dekoriere das Hotel.« Bestimmt würde mir eine kreative Lösung einfallen, sobald ich ans Schmücken des Gutshauses ging. Und prompt wären wir wieder in der Spur und würden das beste Weihnachten in der Geschichte Snowslys auf die Beine stellen.

»Sebastian, kannst du Celia heute Abend beim Dekorieren helfen?«, fragte Ivy.

Er räusperte sich. »Wie du willst, Granny.«

»Nicht nötig«, sagte ich. »Das bekomme ich schon hin.«

»Zwei Paar Hände bedeuten, dass du früh nach Hause und ins Bett kommst. Sebastian sollte auf jeden Fall helfen«, sagte Keely mit Blick auf Peter.

»Das sehe ich genauso«, sprang der ihm bei. »Wir alle brauchen Schlaf, denn morgen wird ein anstrengender Tag.«

Ich sah erst Keely, dann Peter an. Was scherte es sie, ob ich beim Baumschmücken Hilfe hatte? Und wenn es ihnen nicht egal war, warum boten sie nicht selbst ihre Hilfe an?

»Wie gesagt«, meinte Sebastian, »ich helfe gern.«

»Prima!«, sagte ich halbherzig. Ich musste klar denken und Lösungen finden, spürte aber bereits, dass Sebastians Gegenwart meine Konzentration schwächte. »Den Schmuck habe ich aus dem Lager geholt und zeige Ihnen einfach, was für uns zu tun ist.«

Die Versammlung löste sich auf, und nur Ivy, Sebastian und ich blieben zurück.

»Bringt ihr zwei euch auf den Stand der Dinge. Derweil kümmere ich mich um das Schmücken des Baums«, meinte ich.

»Nein, nein, nein.« Ivy schwang ihren Gehstock in meine Richtung. »Zum Plaudern bleibt jede Menge Zeit. Jetzt geht es ums Dekorieren. Sebastian, begleite Celia und hilf ihr.«

Sebastian nickte, und ich führte ihn zur Rezeption, wo der Baumschmuck auf uns wartete. Das Schönste im Leben war das Schmücken des Christbaums zu einer unendlichen Abfolge weihnachtlicher Musik aus den Lautsprechern am Empfang. Sofern sich nur zwei weitere Weihnachtsbuden über Nacht wie von Zauberhand auf unsere Dorfwiese verfügen würden.

»Danke, dass Sie mir helfen«, begann ich. »Aber ich fahre mit Ihnen Schlitten, falls Sie den Schmuck nicht genau dort anbringen, wo ich es sage.« Erwartungsvoll strahlte ich zu ihm hoch, doch in seiner Miene stand nicht einmal die Ahnung eines Lächelns. Ich würde die Güte meiner Wortspiele steigern müssen.

Ich winkte Eve an der Rezeption zu, die – den Hörer ans Ohr geklemmt – in ihren Computer tippte. Sie lächelte, doch dann glitt ihr Blick zu Sebastian, und ihre Wangen wurden knallrot. Ich sah ihn kurz an und stellte fest, dass er Eve nicht mal anschaute, sondern die vor lauter Schmuck fast berstenden Schachteln neben dem Schreibtisch musterte. Offenbar brachte er eine erwachsene Frau schon dadurch zum Erröten, dass er mit ihr im gleichen Zimmer war.

Das war kaum überraschend. Nun, da er neben mir stand, war seine enorme Größe noch offenkundiger. Und sein dunkles Haar war gerade lang genug, um kleine Locken zu bilden … Ich musste mich beherrschen, um nicht die Hand auszustrecken und zu ertasten, wie sich die glänzenden Strähnen zwischen meinen Fingern anfühlten.

Ich legte die Hände an die Wangen. Wie heiß mein Gesicht war! Ich würde behaupten müssen, das läge am kalten Wind, der mich vorhin draußen erwischt hatte.

»Bestimmt finden Sie es toll, zu Weihnachten in Snowsly zu sein«, sagte ich und musterte dabei unverwandt den Baum. Wenn ich Sebastian nicht anschaute, würde ich auch nicht bemerken, wie gut er aussah. Klappen würde das vermutlich nicht, und ich müsste wohl Nachtschlaf opfern, um eine Lösung der Hüttenkrise zu finden. Sebastian war eben schwer zu ignorieren. »Ivy hat immer wieder erwähnt, dass Sie zu Weihnachten nach Hause kommen würden.«

»Snowsly ist nicht mein Zuhause.« Er klang, als hätte ich gesagt, er wirke in seinem wunderbaren Maßanzug etwas zu gut angezogen. War er womöglich müde?

»Was arbeiten Sie denn?«, fragte ich in der Hoffnung, er werde etwas lockerer. Er wirkte ziemlich steif.

»Ich besitze eine Personalagentur.«

Das klang eindrucksvoll, doch was sollte ich antworten? Ich entschied mich für: »Das macht sicher Spaß.« Dann beugte ich mich über die Schachteln, um zu schauen, welcher Schmuck aus dem Lager gekommen war. »Sehen Sie mal.« Ich öffnete den Karton mit den Jahreskugeln. »Es ist, als ginge man die Weihnachtsgeschichte von Snowsly durch.« Jedes Jahr entwarf Keely eine Schmuckkugel für den Christbaum auf der Dorfwiese. Und Ivy hängte sie zur Eröffnung des Markts in den Baum. Vor einigen Jahren hatten wir begonnen, Reproduktionen der Kugeln zu verkaufen. Ich nahm eine heraus, sie zeigte einen Schneemann. »2018 – eine wunderbare Kugel. Sehr festlich.« Ich legte sie in ihren Karton zurück. »Aber die von 2019 gefällt mir am besten.« Ich ließ den Blick über den Schmuck schweifen und hob da und dort Seidenpapier an, um den glitzernden Elf zu finden, meinen Inbegriff von Weihnachten. Er war fröhlich und hell und stand für alles, was das Fest sein sollte.

»Sollten wir uns nicht auf die Gegenwart konzentrieren statt auf die Vergangenheit?«, fragte Sebastian von hinten.

Ich holte tief Luft. »Natürlich, Sie haben recht. Wir müssen weitermachen. Ich bin nur etwas sentimental, weil das Erinnerungen an glücklichere, vielmehr glückliche Zeiten sind.« Ich musste meine Aufmerksamkeit auf die guten Dinge richten. Nicht jedes künftige Weihnachten war zerstört, nur weil das letzte Fest so schwierig gewesen war.

Sebastian antwortete nicht. Er betrachtete nur mit schmalen Lippen die Schachteln und hatte eine Traurigkeit im Blick, die ich nicht verstand.

»Fangen wir mit dem Baum an.« Ich zog einen übergroßen roten Seesack hervor. »Also … was ist Ihr Zuhause, wenn es nicht Snowsly ist?«

»London.«

»Ach, ewig her, dass ich mir die Weihnachtsbeleuchtung dort angesehen habe. In der Bond Street gefiel sie mir immer am besten. Welches Thema ist dieses Jahr dran?«

Er runzelte die Stirn. »Wie soll ich das wissen?«

Ich musste mich etwas anstrengen zu lächeln. Wie konnte er das nicht wissen? »Ach so, bestimmt erledigen Sie Ihre Weihnachtseinkäufe online. Ich gehe gerne in Geschäfte und genieße die Atmosphäre, aber Sie müssen sehr beschäftigt sein als Chef eines eigenen Unternehmens.«

Sebastian ging seufzend über meine Einladung hinweg, sich näher zu äußern. »Der Baum ist in dem Seesack? Der ist ja groß genug, um ein paar Tote darin unterzubringen.«

»Welch originelle Art, Volumen zu bemessen.« Ich warf ihm einen stechenden Seitenblick zu. »Vielleicht denken Sie sich eine andere Aufbewahrungslösung für Ihre möglichen Leichen aus. Wir verwenden diesen Seesack jedes Jahr.«

Seine Mundwinkel zuckten. Endlich! Er hatte also Humor, fand Scherze über Mord aber wohl reizvoller als Wortspiele zum Thema Weihnachten.

»Zum Glück sind die Lichter schon am Baum – wir müssen uns also nur um das kümmern, was Spaß macht.«

Sebastian schnaubte, und seine strenge Miene verbannte jeden Anflug von Lächeln. »Nichts von alldem macht Spaß.«

»Wie meinen Sie das?« Ich öffnete den Reißverschluss des Seesacks und zog das untere Drittel eines künstlichen Baums heraus. Die Tannen links und rechts des Eingangs waren eingetopft und natürlich, doch es war wesentlich einfacher, den Empfang ordentlich und sauber zu halten, wenn keine Nadeln auf den Boden fielen. Und dann hatte es vorletztes Jahr einen Zwischenfall mit dem Hund eines Gasts gegeben, den niemand noch mal erleben wollte. »Wir müssen bloß die Glaskugeln, die Rentiere aus Filz und die Zuckerstangen so arrangieren, dass der Baum perfekt aussieht. Das bringt uns jede Menge Spaß.« Nun fehlte nur noch der Duft von Glühwein und Weihnachtsgebäck, dann wäre ich im siebten Himmel.

»Macht die ewige Weihnachtsmusik Sie nicht verrückt?«, fragte er, als ich ihm den Stecker für die Baumbeleuchtung gab, den er auf mein Handzeichen in eine Steckdose neben dem Empfangsschalter drückte.

»Warum sollte sie?«, erwiderte ich leichthin.

Er verdrehte die Augen. »Was jetzt?«, wollte er wissen und sah zwischen dem Seesack und dem Christbaumständer hin und her, den ich vor den unteren Absatz der Treppe gestellt hatte. Das von draußen kommende Licht würde die Glaskugeln Tag und Nacht glitzern lassen. Es würde großartig werden.

»Zuerst das untere Drittel.« Ich mühte mich, es zu heben, bis Sebastian endlich schaltete, mir das Baumsegment abnahm und es ohne Umschweife in den Ständer wuchtete. »Gut. Danke schön.«

»Nächstes Drittel?«, fragte er.

»Letztes Jahr habe ich gelernt, dass man die Äste erst aufschüttelt und danach den nächsten Teil aufsetzt.«

»Wie bitte?«

»Etwa so.« Ich zog die Äste nach unten und ließ sie so hochschnellen, dass sie zum Leben erwachten. Beinahe.

Seufzend tat Sebastian es mir auf der anderen Seite des Baums nach.

»Vielleicht wäre es bequemer, etwas anderes zu tragen als den Anzug.« Vermutlich hatte er noch andere Sachen dabei – in seiner förmlichen Kleidung wirkte er etwas deplatziert.

»Soll ich in meinen Weihnachtspulli schlüpfen?« Er wies mit dem Kopf auf meine Strickjacke, mein zweitliebstes Festtagsoberteil. Auf ihren Taschen prangten Plumpudding-Stickereien, und die Knöpfe waren winzige Adventskränze. Bis zum September des Vorjahrs war es mein Lieblingsteil, aber dann hatte ich den heiß geliebten Pulli mit einem Kreis aus Rentieren am Saum gefunden, die in den Nachthimmel schauten. Der Pulli bestand sonst nur aus Sternen, die tatsächlich an- und ausgingen. Dieses wunderbare Kleidungsstück indes würde ich für Heiligabend aufsparen. Und es dieses Jahr vielleicht zum ersten Mal tragen.

»Unbedingt«, sagte ich. »Bis dahin kann ich hier gern die Stellung halten.«

Er verdrehte die Augen, und ich fuhr zusammen: Er hatte nur einen Witz gemacht! »Mir gefällt, was ich anhabe. Können wir jetzt das zweite Drittel aufsetzen?«

Ich warf einen Blick auf seine Seite des Baums, die zu wünschen übrig ließ. »Moment«, meinte ich und schob mich um den Baum herum. »Prüfen Sie bitte meine Seite, und ich nehme mir Ihre noch mal vor. Vier Augen sehen mehr als zwei.«

»Ihre Seite ist prima«, sagte er, ohne näher hingesehen zu haben. Ich ging darüber hinweg und machte mich daran, auch seine Seite ordentlich aufzuschütteln. Dabei atmete ich seinen Geruch ein. Er mochte nicht gerade gut gelaunt sein, war aber gebaut wie ein Adonis und duftete wie Weihnachten: nach frisch geschlagenem Kiefernholz und prasselndem Feuer. Womöglich wäre er der perfekte Mann, würde er Michael Bublé mögen. Und sich aus Weihnachten … etwas mehr machen.

»So.« Ich trat einen Schritt zurück und betrachtete den Baum aus mehreren Perspektiven, um mich zu vergewissern, die Löcher egalisiert zu haben. »Ich denke, wir sind fertig.«

»Endlich.« Er nahm das letzte Drittel und setzte es auf den Stamm. »Lassen Sie mich raten: Wir schütteln auch das letzte Teil dieses Kaventsmanns auf.«

Kaventsmann? »Die Äste«, korrigierte ich ihn. »Warum habe ich Sie eigentlich nie in Snowsly gesehen?«, fragte ich und fuhr dabei mit den Händen durchs Plastikgeäst.

»Weil ich zu tun habe. Ivy besucht mich in London.«

»Das muss für Sie dann ein großes Vergnügen hier sein.« Ich lächelte zu ihm hoch, während er das letzte Baumdrittel einsetzte, als wäre es so leicht wie eine der Glaskugeln, die wir gleich aufhängen würden. Stark war er, attraktiv, und nach Weihnachten duftete er obendrein. Warum war er nur so mürrisch? Er ließ das obere Drittel einrasten, und prompt leuchtete der Baum auf. Sofort wirkte der Empfangsbereich des Hotels festlicher.

Die vertrauten Eröffnungstakte von »Last Christmas« klangen durch die Lobby, und prompt revoltierte mein Magen. Ich wollte nicht an die Weihnachtszeit des Vorjahrs denken.

Da erklang zum Glück Mariah Carey. Ich sah auf. Hatte jemand die Musik absichtlich geändert?

»Das hier ist für mich das genaue Gegenteil von Spaß«, sagte Sebastian und riss mich damit in die Realität zurück.

Ich richtete mich auf und stemmte die Hände in die Hüften. »Sebastian Fox, mir ist, als hätten Sie mit einer Zuckerstange in mein blumenumkränztes Herz gestochen. Mögen Sie Snowsly etwa nicht?«