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Beschreibung

Ein Reich aus Treue Ein Krieger ohne Heimat. Eine Königin, die allein herrschen muss. Und ein Reich, das zwischen Krieg und Hoffnung taumelt. Nach der Krönung Aethelflaeds zur Herrscherin von Mercia scheint der Frieden greifbar – doch alte Feinde lauern im Schatten, neue Intrigen entstehen, und selbst aus Wessex wächst der Druck. In dieser Zeit der Unsicherheit kehrt ein namenloser Krieger zurück – getrieben von Schuld, Treue und einem Gefühl, das er selbst kaum zu fassen vermag. Was als Pflicht beginnt, wird zu einer stillen Reise durch Schlachten, Verrat und tiefe Sehnsucht. Zwei Seelen nähern sich – durch geteilte Blicke, unausgesprochene Worte und Entscheidungen, die mehr bedeuten als nur Sieg oder Niederlage. Eine alternative Fortsetzung zu „The Last Kingdom“ – kraftvoll, leise und emotional. Ein Roman über Liebe, Loyalität – und den Mut, zu bleiben, wenn andere längst gegangen sind.

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Veröffentlichungsjahr: 2025

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A Kingdom of Loyalty

An Alternative Last Kingdom Story

von editorluk © 2025, editorluk Alle Rechte vorbehalten Coverbild wurde mit KI generiert. Kontakt: [email protected]

Kapitel 1 - Ein Versprechen

Die Sonne stand tief über den Hügeln von Mercia, als ich auf dem Grat zum ersten Mal die Mauern von Tamworth erblickte. Der Wind trug den Geruch von Rauch, Eisen und Pferden mit sich. Spuren einer langen Belagerung oder eines kurzen, heftigen Scharmützels. Meine Finger hielten die Zügel locker, aber mein Blick war wach. Der Weg hinter mir war lang gewesen. Doch nun stand ich am Ziel.

Ich hatte diesen Ort einst durch Erzählungen gekannt, von Männern, die hier gekämpft, gedient oder gelitten hatten. Uhtred hatte mich geschickt. Sein Blick damals war ernst gewesen, beinahe schwer: „Sie kann nicht mit mir sein, aber sie darf auch nicht allein bleiben. Du wirst es tun. Du wirst sie beschützen. Mit allem, was du bist.“

Ich hatte genickt, ohne Worte. Denn zwischen uns brauchte es keine. Ich verstand, was er meinte. Vielleicht besser als er selbst. Ich war nicht dazu bestimmt, an ihrer Seite zu stehen, nicht als Gleicher. Aber ich konnte in ihrer Nähe sein. Nicht als Schatten, sondern als Schild, fest und schweigend.

Der Burghof von Tamworth war belebt, aber wachsam. Die Banner Mercias flatterten im Wind, Wachen salutierten knapp, ihre Hände ruhten fest auf den Griffen ihrer Schwerter. Das Geräusch von Hufen auf nassem Stein mischte sich mit dem Ruf eines Schmieds in der Ferne. Die Burg lebte. Nicht in Frieden, aber mit Haltung.

Die Gebäude rund um den Hof waren schlicht und funktional. Eine kleine Kapelle aus Stein, der Kornspeicher, das Waffenlager. Frauen trugen Körbe mit Brotlaiben, Kinder huschten zwischen den Ställen hindurch, stets unter dem wachsamen Blick der Männer an den Palisaden. Und über allem lag eine Spannung, wie ein Seil, das jeden Moment reißen konnte.

Ich beobachtete das alles mit stiller Aufmerksamkeit. Nicht als Fremder, aber auch nicht als Freund. Ich war gekommen, um zu dienen, doch mein Platz war unklar. Die Blicke, die mir zugeworfen wurden, reichten von Neugier bis offene Ablehnung.

Ein älterer Mann trat aus dem Schatten eines Vordachs. Sein Mantel war abgetragen, doch seine Haltung verriet Rang. Nicht hoch vielleicht, aber höher als meiner. Er musterte mich, als würde er nach einem Grund suchen, mich gleich wieder fortzuschicken.

„Name?“, fragte er schneidend.

„Ich komme im Auftrag von Uhtred von Bebbanburg. Mein Name ist...“

Ich zögerte. Der Name, den ich nannte, war nicht der, den ich geboren wurde. Es war der Name, den ich mir erarbeitet hatte. Unter Schlamm, Blut und Schweigen. Einer, der nicht für Adel stand, sondern für Überleben. Und doch hielt er Gewicht. Er reichte.

„Die Lady erwartet euch nicht. Und ich weiß nicht, ob sie euch überhaupt sehen will.“

Ich antwortete ruhig: „Dann sagt ihr, dass ich nicht wegen ihr kam. Sondern wegen dem, was sie schützt.“

Er musterte mich noch einen Moment, dann winkte zwei Wachen heran. Sie nahmen Haltung an. Nicht feindselig, aber nicht einladend.

Die Halle war kühl, wie ein Ort, der zu lange auf Worte gewartet hatte. Dunkle Holzbalken trugen die Schwere der Jahre, das Feuer in der Mitte war klein, kaum mehr als ein Rest aus der vorigen Nacht. Der Rauch zog langsam nach oben, verlor sich in der Öffnung des Daches, und mit ihm der letzte Gedanke an Wärme.

Ich trat ein, mein Schritt hallte auf dem Steinboden. An den Wänden hingen alte Schilde, stumpf vom Ruß. Der Geruch von Asche, Leder und altem Holz legte sich wie eine zweite Haut auf mich. Es war still. Kein Lachen, kein Murmeln, nicht einmal das Knacken des Feuers. Nur der ferne Ruf eines Vogels draußen, wie ein Echo von Leben.

Und dann sah ich sie.

Am Kopf der Halle saß sie, aufrecht, unbewegt und allein. Keine Dienerin, keine Leibwache. Nur sie, ein einfacher hölzerner Thron, ein Teppich unter ihren Füßen, und zwischen uns der leere Raum.

Lady Aethelflaed von Mercia.

Kein Diadem zierte ihr Haupt. Kein Mantel, der ihren Stand zur Schau stellte. Sie trug ein schlichtes, moosgrünes Kleid, das den Ernst ihrer Haltung unterstrich. Ihr Haar war offen, nur lose zurückgesteckt, und ihr Blick war Wach. Prüfend. Als hätte sie längst gewusst, dass ich komme.

„Uhtreds Mann“, sagte sie leise. Ihre Stimme schnitt durch die Stille, wie ein Tropfen Tinte auf Pergament. Kein Zweifel darin. Keine Begrüßung. Nur Feststellung.

Ich verneigte mich leicht, die rechte Faust über dem Herzen. „Mein Name tut nichts zur Sache“, antwortete ich ruhig. „Ich bin hier, um euch beizustehen.“

Ein dünnes Lächeln glitt über ihre Lippen. Nicht aus Freude. Aus Gewohnheit. „Und wieso denkt ihr, dass ich Hilfe brauche?“

Ich hob den Blick, aber nicht die Stimme. „Weil selbst die Stärksten nicht alleinstehen sollten. Und weil ich schwor an eurer Seite zu bleiben, solange ihr es erlaubt.“

Eine Stille folgte. Nicht unangenehm, aber schwer. Dann neigte sie leicht den Kopf, kaum merklich. „Dann bleibt. Doch erwartet nichts.“

Ihre Worte waren schlicht, doch zwischen ihnen lag ein ganzes Reich aus Pflicht, Schmerz und Stolz. Ich begriff in diesem Moment, dass ich nicht willkommen war, noch nicht. Aber auch, dass sie mich nicht fortschickte. Und das war mehr, als ich gehofft hatte.

Ich begleitete sie bei Audienzen, beim Gebet, bei Besprechungen mit den Aldermann. Ich sprach selten und wenn, dann nur, wenn ich gefragt wurde. Sie sprach nicht direkt mit mir. Aber ich sah, wie ihr Blick mich manchmal streifte. Nie lange. Doch es genügte.

Die anderen Ritter murrten hinter vorgehaltener Hand. Ein Heide, flüsterten sie. Halb Däne, halb Nichts. Doch niemand wagte, mich offen herauszufordern. Ich spürte, wie ihre Augen mich prüften.

Ich lernte die Struktur des Hofes kennen: die ruhige, besonnene Küchenmeisterin, die mehr über die politischen Gerüchte wusste als jeder Soldat. Den jungen Bogenschützen Leofric, der nachts oft zu lange an der Mauer stand. Den Stallmeister mit der Narbe am Hals, der nichts sagte, aber alles sah.

Ich sprach mit den einfachen Soldaten, übte mit ihnen das Schwert, aß mit ihnen das gleiche Brot, das gleiche Fleisch. Und langsam wandelte sich ihr Blick von Argwohn zu Anerkennung.

Einmal, beim Morgentraining mit den jungen Männern, hörte ich hinter mir eine Stimme: „Ihr schwingt das Schwert wie einer, der mehr gelernt hat als nur Ehre.“

Ich drehte mich um. Es war Aldric, ein Ritter mittleren Alters mit wettergegerbtem Gesicht. „Ich habe mehr durch Überleben gelernt als durch Unterricht“, antwortete ich ruhig.

Er musterte mich einen Moment, dann nickte er. „Vielleicht ist das mehr wert, als uns lieb ist.“

Es war der Beginn von etwas wie Respekt. Ein Anfang.

An einem regnerischen Nachmittag wurde ich überraschend zu einer kleinen Jagdgesellschaft eingeladen. Es hieß, es sei Lady Aethelflaeds Idee gewesen. Kein offizieller Anlass, kein Prunk. Nur ein Vorwand, das Umland zu sichern.

Der Regen war fein, kaum mehr als Nebel, der sich auf unsere Umhänge legte wie Schweigen. Die Pferde schnauften unruhig, ihre Hufe gruben sich weich in den feuchten Waldboden. Tropfen perlten an den Blättern, fielen zu Boden wie vergessene Gedanken.

Wir ritten langsam, fast lautlos, die Wälder westlich von Tamworth durchquerend. Ein Habicht kreiste über den kahlen Ästen. Einmal sprang ein Fuchs über den Pfad, verschwand zwischen den Farnen. Keiner sagte ein Wort. Selbst die Soldaten hielten sich zurück, als wüssten sie, dass etwas anderes gejagt wurde als Wild.

Irgendwann, nachdem wir eine Anhöhe passiert hatten, ritten wir für kurze Zeit allein. Sie und ich. Die Geräusche der Gruppe lagen hinter uns, und vor uns lag nur der Duft von nassem Holz und Moos.

Sie sprach zuerst.

„Ihr kennt dieses Land nicht“, sagte sie, ohne mich anzusehen. „Und doch benehmt ihr euch, als würdet ihr es lieben.“

Ich überlegte nicht lange. „Vielleicht erkennt man das Wertvolle schneller, wenn man es nie hatte.“

Sie schwieg kurz, dann erwiderte sie, etwas leiser: „Dann hoffe ich, dass ihr bald ein Zuhause findet.“

Sie drehte sich nicht um. Doch ich sah, wie ihre Finger die Zügel etwas fester fassten, als hielten sie sich daran fest, statt an mir. Ich erwiderte nichts. Manche Gesten verlieren ihre Wirkung, wenn man sie benennt.

Als wir zum Rest der Gruppe zurückkehrten, war ihre Haltung wie zuvor. Und doch war da etwas in der Luft, das vorher nicht da gewesen war.

Kein Vertrauen. Aber der Anfang davon.

Abends saß ich oft allein am Feuer im Gästehaus. Die Flammen warfen Spuren an die Wände. Draußen wehte der Wind durch die Gassen der Burg, brachte das leise Knarren von Türen und das entfernte Wiehern eines Pferdes mit sich. Tamworth schlief nie ganz.

Ich dachte viel nach. Über Uhtred. Über sie. Über das, was ich hier eigentlich tat. Ich war nicht aus eigenem Antrieb hier. Und doch… es war mehr als ein Befehl. Es war ein Ort, der etwas verlangte.

Manchmal hörte ich ihre Schritte.

Leise. Bestimmt. Kein Zögern, kein Schleichen. Nur der Gang einer Frau, die sich selbst nur noch in Bewegung spüren konnte. Sie ging spät durch die Gänge. Niemand begleitete sie. Kein Schild, kein Dolch an ihrer Seite. Nur ihr Schatten, der an den Wänden entlangglitt.

Einmal sah ich sie in der kleinen Kapelle. Ihre Gestalt kniete im Zwielicht, das Haar lose über die Schultern gefallen. Ich blieb im Türrahmen stehen, sprach kein Wort. Es gab Mauern, die man nicht überwand.

In einer besonders stillen Nacht traf ich sie im Hof. Sie stand unter einem Holzbalken, von dem Regen tropfte, den Blick auf den dunklen Himmel gerichtet. Als sie mich bemerkte, zuckte sie nicht zusammen. Sie sagte nur:

„Ich dachte, ihr schlaft.“

Ich trat näher, blieb aber auf Abstand. „Ich habe nie wirklich gelernt, ruhig zu schlafen.“

Ein leises Nicken. Ihr Blick wanderte nicht zu mir, sondern blieb oben, bei den Sternen. „Manchmal beneide ich die, die das können. Die abschalten können. Die vergessen.“

Ich schwieg. Denn was hätte ich sagen sollen? Dass ich die Nächte fürchtete, weil sie alles sagten, was der Tag verschwieg?

Sie wandte sich langsam um. Nicht ganz, nur ein wenig. Gerade genug, damit ihr Gesicht im Halblicht lag.

„Wisst ihr…“, begann sie, dann stockte sie. „Vergesst es.“

Ich sagte nichts. Und doch war in diesem Nichts mehr Vertrauen als in hundert Worten.

Am dritten Sonntag nach meiner Ankunft wurde ein Rat einberufen. Ein stilles Treffen in der großen Halle. Es saßen nicht viele am Tisch, aber jeder von ihnen wog schwer. Männer mit grauen Schläfen, mit Augen, die das Land kannten wie ihre eigenen Hände. Und mittendrin: Aethelflaed.

Sie saß am Kopf der langen Tafel, aufrecht, ruhig, umgeben von Kerzenlicht, Pergamenten, Karten. Ihre Finger ruhten auf einem Wachssiegel, aber sie spielte nicht damit. Ihre Hände waren still, wie ihr Blick.

Ich stand etwas abseits, wie immer. Nicht als Teil des Rates. Aber auch nicht mehr ganz außen.

„Es gab Sichtungen nördlich des Flusses Lene“, sagte Aldermann Burgred. „Reiter in kleinen Gruppen. Keine Banner. Aber bewaffnet.“

„Späher“, murmelte einer.

„Oder Banditen“, sagte Aldric, ohne mich dabei direkt anzusehen. Doch sein Blick streifte mich und diesmal lag darin keine Feindseligkeit, sondern ein Test.

Aethelflaed hob die Hand. Sofort verstummten die Männer.

„Ich will keine Gerüchte. Ich will Gewissheit“, sagte sie. Ihre Stimme war ruhig, aber in ihr lag eine Klinge. „Wir schicken Männer, nicht in voller Stärke. Nur jene, die hören können. Und schweigen, wenn es nötig ist.“

Ein Raunen ging durch den Raum. Ich wusste, was es bedeutete. Es gab keine offizielle Ernennung. Kein Fingerzeig. Nur einen Blick. Ihren Blick

Für einen Moment trafen sich unsere Augen.

Und ich verstand.

Es war keine Befehlsformel. Es war ein Vertrauen. Und ein letzter Zweifel zugleich.

Noch in derselben Nacht wurde ich zur Rüstkammer gerufen. Aldric wartete mit zwei Männern, die ich vom Training kannte. Kein Wort wurde verloren. Nur das Klirren von Rüstung, das Knarzen der Gurte. Meine eigene Rüstung trug noch Spuren von Tamworths Matsch. Ich putzte sie nicht. Ich wollte, dass sie sahen, wo ich stand.

„Seid ihr sicher, dass ihr das tun wollt?“ fragte Aldric schließlich, als er mir ein Schwert reichte, das besser war als das, was ich trug.

Ich antwortete: „Ich bin nicht hier, um zu sitzen.“

Als wir aufbrachen, war es still. Keine Trommeln, kein Fackelschein. Nur das Knirschen von Hufen im nassen Boden, das ferne Heulen eines Wolfes, und der kalte Hauch des Mondes über den Baumwipfeln. Der Weg vor uns war dunkel. Und ich wusste: Das hier war mehr als ein Auftrag.

Es war eine Prüfung.

Von ihr.

Vom Hof.

Und von mir selbst.

Wir erreichten das Dorf gegen Mitternacht. Der Regen hatte aufgehört, aber der Boden war schwer, die Luft roch nach Moder und altem Rauch. Kein Feuer brannte. Keine Tiere. Kein Laut, außer dem gedämpften Atem unserer Pferde.

Die Hütten standen leer. Zerbrochene Türen, ein umgestürzter Karren, halb im Matsch versunken. Ein Luftzug ließ eine verrissene Plane flattern, wie ein Banner einer verlorenen Hoffnung.

Wir hielten an der alten Schmiede. Ihre Wände waren noch stabil. Drinnen roch es nach altem Ruß und Eisen. Der letzte Geruch von Arbeit, von Alltag. Ich trat als Erster ein, prüfte den Boden und die Rückwand. Spuren.

Frische Fußabdrücke.

Leofric trat hinter mich, deutete auf eine Schale, die noch Wasser enthielt. „Sie waren erst gestern hier“, flüsterte er. Ich nickte.

An einer Tür klebte Ruß. Nicht vom Schmiedefeuer, sondern von etwas anderem. Eine verbrannte Kante, zu scharf für Zufall. Ein Zeichen.

Wir lagerten in der Schmiede. Ich übernahm die erste Wache.

Der Himmel war klar, voller Sterne. Ich saß auf einem Hocker aus Stein, das Schwert auf den Knien, den Blick in die Dunkelheit gerichtet.

In der Stille dachte ich an Uhtred. An seine Worte. An das, was ich geschworen hatte. Ich war kein Held. Kein Aldermann. Kein Ritter des Glaubens. Aber ich konnte wachen. Ich konnte stehen bleiben, wenn andere fielen.

Und vielleicht… war das alles, was sie brauchte.

Als wir zurückkamen, war der Himmel bereits blass. Die ersten Vögel riefen in den Bäumen, das Tor der Burg öffnete sich langsam. Kein Willkommen. Kein Alarm. Nur das Knarren des Holzes und der Blick der Wächter.

Aethelflaed stand im Hof.

Nicht im Thronsaal. Nicht hinter Schriften. Im Hof, mit verschränkten Armen, der Mantel leicht vom Wind erfasst. Ihre Haare waren noch ungebunden, als sei sie gerade erst aufgestanden oder nicht schlafen gewesen.

Ich stieg ab, reichte Aldric einen Blick, doch es war sie, die sprach.

„Und?“

Ich trat einen Schritt vor. „Nichts Konkretes. Aber jemand war dort. Jemand, der wusste, dass wir ihn suchen würden.“

Sie musterte mich. Nicht abschätzend, sondern prüfend. Ihr Blick verweilte einen Moment zu lang.

Dann sagte sie nur: „Ihr seid nicht wie die anderen.“

Ich antwortete nicht sofort. Die Worte hatten etwas Unbekanntes an sich. Lob? Warnung? Vielleicht beides.

„Ich bin, was ich sein muss“, sagte ich schließlich.

Für einen Wimpernschlag war da ein Ausdruck in ihrem Gesicht, der etwas anderes sagte etwas, das sie sofort wieder begrub.

Dann wandte sie sich ab. „Geht euch ausruhen. Der Tag wird lang.“

Und als ich ihr hinterher sah, wusste ich:

Es war ein Anfang. Kein Vertrauen. Aber etwas in ihrer Haltung hatte sich verschoben.

Vielleicht würde sie nie sagen, dass sie mich erwartete hatte.

Aber sie war da gewesen.

Die folgenden Tage vergingen ohne Eile, aber auch ohne Stillstand. Ich übte mit den Männern am Hofe, zeigte Leofric eine neue Technik mit dem Langbogen, und besprach mit dem Stallmeister die Kondition der Pferde. Alles unscheinbare Aufgaben, doch sie banden mich an diesen Ort. Stück für Stück. Dieser Ort veränderte sich zu einer Art Heimat.

Es war spät, als ich das Feuer in der Halle verließ. Die Flammen waren fast erloschen, nur wenige Glutreste warfen schwaches Licht auf den steinernen Boden. Draußen lag Tamworth im Halbschlaf ein Ort, der selbst in der Nacht atmete.

Ich trat hinaus in den Hof, wo der Wind über das Pflaster strich und ein paar lose Halme über den Boden trieb. Die Luft war klar, beinahe scharf, und über uns spannte sich ein Himmel voller Sterne kalt und fern wie Götter, die nicht mehr antworteten.

Da stand sie.

Aethelflaed.

In einem dunklen Mantel, der sich um ihre Schultern legte wie ein Versprechen, das sie nicht mehr glaubte. Sie hatte die Arme vor der Brust verschränkt, der Blick ging über die Mauer hinaus ins Land. Ich sah nicht sofort, ob sie mich bemerkt hatte.

„Manchmal“ sagte sie plötzlich, ohne sich umzudrehen, „frage ich mich, wie viele von ihnen nur gehorchen, weil sie müssen. Und wie viele, weil sie glauben, dass ich weiß, was ich tue.“

Ich trat leise neben sie. Kein formeller Abstand mehr aber auch keine Nähe.

„Genug, um wachsam zu bleiben“, antwortete ich. „Aber wenige, die bereit wären, für euch zu sterben.“

Sie wandte langsam den Kopf. Ihr Profil war hart gegen das Licht der Sterne, doch in ihren Augen lag etwas anderes. Etwas, das nicht aus Stahl war.

„Mein Vater regierte mit Furcht“, sagte sie. „Ich will mit Vertrauen regieren. Aber Vertrauen… ist wie eine Frucht, die langsam wächst.“

Ich nickte. „Und oft gepflückt wird, bevor sie reif ist.“

Ein leises, ehrliches Lächeln kaum mehr als ein Hauch.

„Ihr habt etwas an euch“, sagte sie. „Etwas, das ich nicht greifen kann.“

Ich sah sie an. „Vielleicht, weil ich mich selbst noch nicht ganz gefunden habe.“

Sie schwieg.

Und dann blieb sie einfach stehen. Mit mir. Ohne Flucht, ohne Maske, ohne Krone.

Es war kein Moment, aus dem Geschichte gemacht wurde.

Aber es war einer, den ich nicht vergessen würde.

Ein paar Tage nach unserer Rückkehr aus dem Norden bat mich Aldric, eine Trainingsrunde mit jungen Rekruten zu leiten. Es war ein Test, auch wenn er es nicht sagte. Der Hof war nicht blind sie wollten sehen, ob ein Halb Heide mehr war als ein Schatten mit Schwert.

Wir trafen uns am Morgen auf dem Übungsplatz, wo der Boden ausgetreten war und die Holzpuppen Narben von hundert Schlägen trugen. Der Wind roch nach nassem Leder, Metall und angespanntem Schweigen.

Acht junge Männer standen bereit. Einige neugierig, andere skeptisch. Einer trat besonders hervor breit gebaut, mit hitzigem Blick und der Arroganz eines Bauernsohns, der zu schnell zu viel Muskel bekam.

Eadwin.

Ich sprach nur das Nötigste, zeigte eine Angriffsform mit dem Kurzschwert, ließ sie nachahmen. Die meisten taten es schweigend. Eadwin aber verzog das Gesicht.

„Warum sollte ich einem Halb Heiden gehorchen?“, spuckte er schließlich. „Ihr glaubt, nur weil ihr aus von Heiden kommt, wisst ihr mehr als wir?“

Die anderen hielten den Atem an. Aldric, der am Rand stand, rührte sich nicht. Es war meiner, dieser Moment.

Ich trat auf Eadwin zu. Nicht drohend. Nicht laut.

„Du musst mir nicht gehorchen“, sagte ich ruhig. „Aber wenn du an der Mauer stehst, und der Feind kommt mit brennenden Pfeilen und getrockneter Wut, dann wird er dich nicht fragen, wie du betest. Oder woher du kommst.“

Eadwins Blick flackerte. Ich sah den Trotz, aber auch den Zweifel. Dann senkte er den Blick nicht aus Schwäche, sondern weil er zum ersten Mal überlegte, statt zu reagieren.

„Also hör zu. Oder geh“, fügte ich leise hinzu.

Niemand ging.

Aldric nickte mir kaum sichtbar zu.

Und ich wusste:

Heute war ich ein Stück mehr angekommen.

Nicht durch Herkunft.

Sondern durch Haltung.

Die folgenden Tage vergingen ohne Eile, aber auch ohne Stillstand. Ich übte mit den Männern, zeigte Leofric eine neue Technik mit dem Langbogen, besprach mit dem Stallmeister die Kondition der Pferde. Ich aß mit den Wachen, reparierte meine Ausrüstung, sprach mit der Küchenmeisterin über Getreidelieferungen, als würde ich dazugehören.

Und vielleicht tat ich das mittlerweile auch.

Es waren einfache Aufgaben. Aber sie banden mich an diesen Ort. Nicht durch Titel oder Eid. Sondern durch Wiederholung. Durch Nähe.

Tamworth begann sich zu verändern.

Oder ich tat es.

An einem Abend, als das Feuer in der Halle fast niedergebrannt war, trat Aethelflaed zu mir. Wir sprachen nicht sofort. Unsere Schritte führten uns hinaus in den Burghof, wo die Nacht klar war und der Wind die Fackeln tanzen ließ.

Sie blieb stehen, sah in die Ferne.

„Es wird bald Veränderungen geben“, sagte sie.

Ich wusste nicht, ob sie vom Land sprach.

Oder von uns.

„Seid ihr bereit?“

Ich sah sie an. „Ich weiß es nicht. Aber ich werde bleiben.“

Für einen Moment lächelte sie. Kein höfisches Lächeln. Eines, das ich noch nie zuvor gesehen hatte. Still. Ungesichert.

Dann wandte sie sich ab, und ich blieb allein zurück.

Ich trat auf einen der Wachposten, blickte hinaus. Das Land war ruhig. Zu ruhig.

Und tief in mir regte sich etwas.

Keine Angst.

Aber die Gewissheit:

Der Frieden war nur eine Decke. Und darunter bewegte sich etwas.

Noch wusste niemand, dass in wenigen Tagen Dunkelheit über Tamworth fallen würde eine, die nicht nur das Land prüfen würde, sondern auch mein Wort, mein Schwur… und alles, was ich geglaubt hatte zu kennen.

Kapitel 2 - Und Sie war fort

Die Nacht kam ohne Warnung. Kein Regen, kein Nebel, kein Vorzeichen. Nur Dunkelheit tief, unbeweglich, wie ein Grab, das darauf wartete, sich zu schließen. Ich lag wach in meinem Zimmer im Gästehaus, der Blick starr auf die Balken über mir gerichtet. Das Knistern der letzten Glut im Kamin war verstummt, und die Kälte kroch durch die Mauern, als wolle sie mir etwas zuflüstern.

Doch es war nicht die Kälte, die mich wachhielt.

Es war das Gefühl. Etwas stimmte nicht.

Dann ein Laut. Dumpf. Schwer. Kein Wind, kein Tier. Regelmäßig, näherkommend.

Und dann kam der Geruch.

Rauch. Eisen. Blut.

Mein Körper reagierte, bevor der Verstand begriff. Ich saß aufrecht, warf die Decke beiseite, tastete nach dem Schwert am Boden. Noch bevor meine Finger den Griff schlossen, zerschnitt ein Schrei die Nacht gellend, voller Panik, ohne jede Ehre. Kein Ruf zum Kampf. Nur nackte Angst.

Ich stürmte zur Tür, riss sie auf. Der kalte Stein unter meinen Füßen, das Gewicht des Schwertes in der Hand vertraut. Draußen war Tamworth erwacht, aber nicht zum Leben. Zum Überleben.

Flammen loderten bereits an der Palisade. Rauch stieg auf, träge und schwarz. Im Hof rannten Männer, barfuß, halb gerüstet, Dolche gezückt. Ein Horn erklang kurz, heiser und verstummte sofort.

Ich wusste, was das bedeutete. Der Hornträger war gefallen.

Das war kein Überfall. Es war ein Urteil.

Ich rannte durch den Hof. Ein Wasserkrug zerschellte, als ich über ihn sprang. Die Hitze des Feuers flackerte auf meiner Haut, Funken tanzten über die Pflastersteine. Überall hörte ich Klingen auf Metall, Männer, die schrien, starben, rannten. Aber kein Chaos, sie kamen organisiert. In Wellen. In tödlicher Stille.

Dänen.

Einer trug einen eisernen Armreif mit dem Symbol einer Schlange. Ich erstarrte. Ich kannte es. Zu gut.

Ich preschte zum Ostflügel dorthin, wo sich Aethelflaeds Gemächer befanden. Zwei Wachen lagen vor der Tür. Einer reglos, der andere noch atmend. Ich kniete mich zu ihm, hielt sein Gesicht, suchte seinen Blick.

„Sie... haben sie... mitgenommen… Nordtor…“ Seine Stimme war kaum mehr als ein Hauch, dann war sie fort.

Ich stürmte los. Das Nordtor stand halb offen, der Balken zersplittert. Spuren im Schlamm. Hufabdrücke, blutige Fußspuren, zerbrochene Lanze, ein Tuchfetzen im Gras. Und Dunkelheit. Überall Dunkelheit.

Ich war zu spät.

Der Feind war fort. Und mit ihm Aethelflaed.

Die Sonne ging auf über einer verwundeten Stadt. Kein goldener Schein, kein triumphaler Beginn. Nur ein trüber, grauer Morgen, als hätte selbst der Himmel den Mut verloren.

Rauchschwaden stiegen aus verkohlten Balken, vermischten sich mit der klammen Kälte. Der Gestank von Asche, Blut und verbranntem Fleisch lag über Tamworth wie ein Leichentuch. Auf dem Pflaster klebten braune Spuren geronnenes Blut, das in feinen Linien durch die Gassen zog, als hätte die Stadt selbst geweint.

Ich stand am Brunnen. Das Wasser lief über meine Handflächen, kühl und klar, doch es brannte auf meiner Haut wie Feuer. Ich wollte das Blut abwaschen, nicht das der Feinde, sondern dass meiner Ohnmacht. Aethelflaed war fort. Entführt. Vor meinen Augen. Und ich hatte sie nicht schützen können.

Im Großen Saal tobte der Sturm.

Aldric wetterte über die Unachtsamkeit der Nachtwachen. Burgred, blass vor Wut, forderte Rache, als könne man mit Schlägen Antworten erzwingen. Hrothgar schlug mit der Faust auf die Tischplatte und verlangte, mit einer Hundertschaft in die Wälder zu reiten, als könne man Nebel mit Schwertern zerteilen.

Ich sprach kaum.

Ich hörte. Ich beobachtete. Ich dachte.

Denn etwas stimmte nicht.

Der Angriff war zu gezielt. Zu lautlos, zu schnell. Sie wussten, wo sie zuschlagen mussten. Welche Wege unbewacht, welche Wachen schwach waren. Das war kein Zufall.

Es war Planung. Es war Spionage. Oder schlimmer. Verrat.

Am Nachmittag ließ ich jeden befragen, der noch stand. Stallburschen. Wachen. Mägde. Selbst Kinder. Der alte Stallknecht erinnerte sich an schwere Reiterstimmen in der Nacht, fremde Pferde. Ein Küchenjunge sprach von einem Mann in dunklem Mantel, ohne mercianischen Dialekt.

Doch am meisten sagte mir ein fahrender Händler. Er war noch am Vortag eingetroffen, auf dem Weg nach Wessex. „Ein Schild“, sagte er. „Grau, mit einer schwarzen Schlange. Kein gewöhnliches Zeichen.“

Ich erstarrte.

Ich kannte dieses Zeichen.

Die Schlange.

Zwei Tage vergingen. Wir begruben die Toten auf dem Hügel nördlich des Walls ohne Gesang, ohne Trost. Zu viele kannten zu viele. Die Trauer war kein Fest, sie war das Verstummen von allem.

Ich selbst schlief kaum. Zwei Nächte wachte ich auf der Mauer, das Schwert auf den Knien, den Blick in die Ferne gerichtet. Und wenn ich die Sterne ansah, fragte ich mich, ob sie lebte. Ob sie an uns dachte.

Aldric sprach kaum mit mir. Vielleicht aus Respekt. Vielleicht, weil Worte nutzlos geworden waren.

Dann kam er.

Es war der dritte Morgen nach dem Angriff, als er kam.

Staub auf dem Umhang, Matsch an den Stiefeln, das Gesicht wettergegerbt wie alter Stein. Beorn.

Ein alter Späher mehr Wolf als Mensch, so sagte man. Er sprach selten, schlief mit offenem Blick und kannte die Wälder wie andere ihre Götter. Sein Pferd war ausgezehrt, doch er trieb es bis in den Hof von Tamworth, stieg ab und sagte nur:

„Ich weiß, wo sie ist.“

Der Satz war wie ein Stein, der in einen stillen See geworfen wurde. Im kleinen Ratssaal verstummten alle. Aldric richtete sich auf. Leofric sah mich an. Ich trat einen Schritt vor.

„Sprich.“

Beorn zog eine zusammengerollte Karte aus seinem Mantel, legte sie auf den Tisch. Altes Pergament, grob, mit Kohle beschriftet von einer Hand, die an Bäume gewöhnt war, nicht an Federn.

„Nordöstlich von Brintan“, sagte er. „Drei Stunden Ritt. Schwer zugängliches Gelände. Felsen. Moor. Bäume dicht wie Zähne. Dort steht ein befestigtes Lager. Eine Vorhut. Strukturiert. Wachwechsel. Palisaden.“

Ich beugte mich über die Karte. Die Linien waren grob, doch ich erkannte, was sie zeigten: eine strategisch ideale Position. Leicht zu verteidigen, schwer zu erreichen.

„Und Aethelflaed?“

„Ich sah sie nicht direkt“, antwortete Beorn. „Aber ich hörte, wie sie sie nannten, die Königin von Mercia. Sie ist dort. In einer Hütte, vielleicht in einem Zelt. Eingekerkert.“

Die Luft im Saal wurde schwer. Burgred ballte die Fäuste. Hrothgar fluchte leise.

Ich hob den Kopf.

„Dann reiten wir. Und zwar bald.“

Niemand widersprach.

Noch am selben Abend versammelte ich die Männer, denen ich vertraute. Der große Saal war leer, nur das Knacken des Feuers begleitete unsere Stimmen. Auf dem Tisch lag Beorns Karte, daneben kleine Figuren aus Holz, die die Lagerposten markierten.

„Wir reiten bei Morgengrauen. Sechs Männer. Nicht mehr. Keine Banner. Keine Eitelkeit.“

Ich sah in die Runde: Aldric, Leofric, Beorn, Oswin, Godric.

„Wir sind keine Armee. Wir sind ein Schatten.“

Aldric beugte sich über die Karte. „Die Ostseite ist Sumpf.“

Beorn nickte. „Tückisch. Aber kaum bewacht.“

Ich zeigte auf die Nordflanke. „Hier führt ein schmaler Pfad direkt hinter die Palisaden. Dicht bewaldet. Wenn wir in der dritten Nachtstunde angreifen, treffen wir auf schläfrige Wachen.“

Godric fragte: „Und wenn sie uns sehen?“

Ich sah ihn ruhig an. „Dann sterben wir. Aber vorher holen wir sie.“

Stille.

Leofric nickte als Erster. „Dann sterben wir leise.“

Wir planten bis in die Nacht. Wer vorausging. Wer sicherte. Wer sie aus dem Lager holte. Es war kein Heldenspiel. Es war ein stiller Schwur. Und alle kannten den Preis.

Nach der Versammlung kehrte jeder auf seine Weise zur Vorbereitung zurück.

Ich sprach mit niemandem. Nicht weil es nichts zu sagen gab, sondern weil Worte nichts mehr bedeuteten. Alles, was gezählt hätte, würde sich auf dem Weg entscheiden.

Ich saß allein in meinem Quartier, das Schwert vor mir, das Lederband meiner Armschiene in der Hand. Ich dachte an die Männer, die morgen an meiner Seite reiten würden. An sie.

Dann schrieb ich.

Kein langes Schreiben. Nur ein Blatt, ein Griff zur Kohle.

An Uhtred.Wenn dieser Brief dich erreicht, bin ich entweder gefallen oder fort. Ich werde es nicht beschönigen: Ich habe vielleicht nicht genug getan, nicht schnell genug gehandelt. Aber ich versuchte, sie zu schützen. Und ich werde es wieder versuchen. So wie ich es dir geschworen habe.

Ich faltete das Blatt, versiegelte es mit einem Tropfen Wachs und legte es unter mein Gürtelband für einen Fall, über den ich nicht weiter nachdenken wollte.

Schlaf fand ich keinen. Stattdessen stand ich auf den Mauern, wo die Nacht tief über Tamworth lag. Der Himmel war voller Wolken, doch ab und zu brach ein Stern durch. Ich atmete die kalte Luft und dachte nicht an Sieg. Ich dachte an Heimkehr. An das Versprechen, das ich Uhtred gegeben hatte.

Nicht, dass ich sie retten würde. Sondern, dass ich es versuchen würde.

Wir verließen Tamworth im Morgengrauen. Kein Trommelschlag, kein Ruf, kein Abschied. Nur das Knirschen der Hufe auf feuchtem Boden. Wir waren zu sechst, wie geplant. Die Reise verlief schweigend. Jeder wusste, was ihn erwartete.

Wir ritten durch Wälder, mieden offene Wege. Beorn führte uns über alte Ziegenpfade, über verfallene Brücken, durch morastige Senken. Zwei Mal hielten wir inne, als wir fremde Spuren entdeckten, aber niemand folgte uns. Noch nicht.

Wir erreichten das Ziel noch vor Einbruch der Nacht. Das Lager vor uns. Versteckt zwischen Bäumen, umgeben von Palisaden. Feuer brannten. Männer lachten. Es war keine Bande. Es war eine Vorhut. Vielleicht hundert Krieger. Die meisten davon sicher im Schlaf, doch die andere wachsam.

Wir beobachteten lange. Beorn und ich krochen nahe heran, bis wir Stimmen hören konnten. Zwei Wachen sprachen über "die Frau in der Hütte", über "die Beute aus dem Süden". Wir sahen das Zelt: Lederbespannt, mit zwei Mann davor.

Ich flüsterte: "Sie ist dort."

Wir krochen zurück. Am Rand des Waldes setzten wir uns um ein kleines, fast unsichtbares Feuer. Ich zeichnete Linien in die Erde.

"Oswin und Leofric gehen rechts. Zwei Wachen ausschalten. Kein Lärm. Godric nimmt den Weg hinter den Zelten. Ich hole sie. Beorn und Aldric sichern den Rückzug. Wenn wir nicht in zehn Minuten zurück sind, zieht ihr euch zurück. Keine Helden. Verstanden?"

Sie nickten. Keine Fragen. Keine Zweifel.

Die dritte Nachtstunde war hereingebrochen. Der Wald lag schwer über uns. Nur das gedämpfte Knistern feuchter Blätter unter unseren Stiefeln.

Wir bewegten uns wie Gespenster. Sechs Männer. Keine Banner, keine Namen. Nur Zweck.

Leofric und Oswin glitten nach rechts. Ein Blick, zwei Finger. Das Zeichen. Oswin trat aus dem Dunkeln, der Knauf seines Schwertes blitzte. Ein dumpfer Laut. Der erste fiel. Der zweite drehte sich zu spät. Leofric war da. Schnell. Präzise. Zwei Körper im Gras. Zwei Atemzüge weniger im Lager.

Ich war schon in Bewegung, kauerte mich an die Rückseite des Zeltes. Mit dem Dolch durchtrennte ich vorsichtig die Plane langsam, lautlos. Ich trat ein.

Sie saß auf dem Boden. Ihre Hände in Ketten. Die Haare lose, verschmutzt, aber nicht gebrochen. Ihre Augen blitzten auf, als sie mich sah. Kein Laut, kein Weinen. Nur:

„Ihr seid gekommen.“

Ich kniete mich zu ihr. „Ja. Jetzt leise. Ich bringe Euch heim.“

Mit wenigen Schnitten durchtrennte ich die Fesseln. Ihre Arme zitterten, als sie aufstand. „Ich kann gehen“, sagte sie. Ich glaubte ihr. Aber ich blieb nah.

Draußen gab Leofric das Zeichen. Ein kurzes Zischen, dann ein Rindenkratzen. Wir schlüpften aus dem Zelt, geduckt, schnell, über nassen Boden. Oswin deckte uns. Godric zog an einer Kiste zur Ablenkung. Beorn und Aldric hielten den Rückweg offen, Pfeil an Sehne.

Da ein Schatten links. Ich spannte mich an. Doch es war Oswin.

„Drei kommen von Süden“, flüsterte er. „Sie haben den Wechsel bemerkt.“

„Kein Kampf. Wir sind gleich draußen.“

Wir erreichten die Schneise, die zurück zum Wald führte. Dann das Horn. Gellend. Scharf. Das ganze Lager schien zu erstarren.

Ein Pfeil zischte an uns vorbei.

„Lauf!“, rief ich, packte Aethelflaed am Arm. Sie stolperte, aber ich hielt sie. Beorn schoss. Zwei Männer fielen. Godric schleuderte eine Fackel. Ein Vorratszelt fing Feuer. Chaos. Rufe auf Dänisch.

Wir rannten.

Der Wald verschlang uns. Äste schlugen gegen unsere Gesichter, Dornen rissen an Stoff. Ich hörte ihre Schritte hinter mir, fühlte ihren Atem, ihr Zittern. Aber sie hielt sich.

Wir erreichten die Senke, wo unsere Pferde warteten. Aldric half ihr hinauf. Ich schwang mich hinter sie, spürte ihr Gewicht gegen meinen Brustkorb.

„Festhalten“, sagte ich. Ihre Finger griffen meine Hand.

Wir trieben die Pferde an. Hinter uns loderte das Feuer, Pfeile flogen, Stimmen schrien. Einer der Pfeile streifte meinen Oberarm heiß, schneidend, doch ich ritt weiter. Ich ritt, bis die Stimmen verklangen. Bis nur noch das Donnern der Hufe blieb.

Erst als der Morgen graute, hielten wir an. Ein schmaler Bach schlängelte sich durch ein verstecktes Tal, das vom Nebel der Nacht noch nicht ganz befreit war. Die Bäume standen dicht, doch die Stille war freundlich. Kein Feind in der Nähe. Nur das Wasser, das leise gegen Steine strich.

Aethelflaed saß auf einem Felsen, den Mantel eng um sich geschlungen. Ihr Haar war zerzaust, das Gesicht schmal, aber nicht gebrochen. Ihre Augen waren wach. Zu wach, um sofort zu ruhen.

Ich stand in ein paar Schritten Entfernung, das Schwert neben mir abgelegt, die Schultern schwer vom Ritt und dem, was hinter uns lag.

Sie sah nicht sofort zu mir. Erst als ich nähertrat, hob sie den Blick.

„Warum habt ihr das getan?“

Ihre Stimme war leise, beinahe tonlos. Keine Anklage. Nur eine ehrliche Frage zwischen Erschöpfung und etwas, das sich wie Zweifel anhörte.

Ich antwortete nicht sofort. Setzte mich stattdessen neben sie, mit etwas Abstand. Das Gras war feucht unter mir, das Wasser kalt an den Fingern, als ich es kurz berührte.

„Weil ich schwor, euch zu beschützen“, sagte ich dann.

Sie schwieg, sah auf ihre Hände. An den Handgelenken zeichneten sich noch rote Spuren von den Fesseln ab. Ich sah sie nicht lange an. Nur einen Moment, genug, um zu wissen, dass sie es bemerkte.

Dann nickte sie. Nur ein einziges Mal. Kein Dank in Worten, aber es reichte.

„Aber das hier…“, sagte sie schließlich. „Das war nur der Anfang.“

Ich blickte in den Himmel, der sich langsam aufhellte. „Es beginnt erst“, murmelte ich.

Für eine Weile redeten wir nicht. Die Männer hielten Wache, wechselten sich ab. Oswin schlief im Moos, Beorn saß wie eine Statue, das Ohr zum Wald gerichtet.

Ich blieb bei ihr.

Sie sprach nicht mehr. Aber irgendwann lehnte sie sich leicht zurück, schloss die Augen. Ich wusste, dass sie nicht schlief, aber sie ruhte. Und das war mehr, als ich erwartet hatte.

Am späten Nachmittag ritten wir weiter südlich, durch altes Grenzgebiet. Der Wald war dichter hier, die Pfade wilder. Das Licht zwischen den Bäumen wurde schwächer, ein fahles Gold, das sich langsam in Grau verwandelte.

Dann, kurz vor Sonnenuntergang, sahen wir es. Staub in der Ferne. Reiter. Viele.

Zu viele, um sie zählen zu können.

Wir hielten an, suchten sofort Deckung. Beorn führte uns in eine schmale, felsige Schlucht. Der Boden war uneben, voller loser Steine, aber hier war Sichtschutz und Zeit.

Wir rieben die Pferde mit Erde ein, banden Stoff um die Hufe. Leise, geübt, ohne ein Wort zu viel. Die Männer arbeiteten schweigend, jeder wusste, was es bedeutete.

„Wir müssen heute Nacht weiter“, flüsterte Aldric. „Sonst holen sie uns bei Tagesanbruch ein.“

Ich nickte, blickte in den Westen, wo der Himmel sich blutrot färbte. „Kein direkter Weg zurück. Wir schlagen einen Bogen. Südost, durch die alten Minenpfade. Nur Beorn kennt sie.“

Er antwortete nicht. Er zog nur einen Stock und begann, Linien in den Boden zu zeichnen. Kurven, Hügel, Schluchten sein Weg war kein gerader, aber ein kluger.

Godric spannte eine Ersatzsehne, prüfte sie zweimal. Leofric betete leise. Oswin saß bei Aethelflaed, reichte ihr einen Wasserschlauch. Sie nahm ihn wortlos, trank nur wenig.

Ich trat näher, kniete mich zu ihr.

„Heute Nacht“, sagte ich, „entscheidet sich, ob wir leben oder sterben.“

Sie sah mich an. Nicht erschrocken. Nicht zornig. Wach.

„Dann lasst uns leben“, sagte sie.

Für einen Moment war alles still.

Kein Rüstungsklang. Kein Vogelruf. Nur der Atem der Natur, der durch das Tal strich.

Ich hielt ihrem Blick stand. Und in diesem einen Moment wusste ich: Sie war nicht nur die Frau, die ich zu retten versucht hatte. Sie war diejenige, mit der ich weitergehen würde.

Der Himmel färbte sich rot im Westen, ein letzter Gruß der Sonne, bevor die Nacht zurückkehrte. Eine Nacht, die uns alles abverlangen würde.

Kapitel 3 - Zwischen Flucht und Feuer

Die Nacht senkte sich wie ein schwarzer Schleier über die Hügel. Kein Stern zu sehen, kein Licht zwischen den Bäumen, nur Dunkelheit und das gedämpfte Geräusch von Schritten, die sich durch Geröll und Dornengestrüpp tasteten.

Beorn ging voran. Wortlos, wie immer. Seine Gesten waren knapp, präzise. Wir kannten sie inzwischen. Ein Finger, eine offene Hand, ein Nicken. Jeder Schritt musste sitzen. Ein falscher Tritt, ein zu lauter Atemzug, und der Nebel würde nicht mehr unser Verbündeter sein, sondern unser Verräter.

Der Nebel hatte sich tief in das Tal gesenkt. Er verschluckte unsere Silhouetten, dämpfte die Geräusche der Hufe, legte sich wie kalter Atem auf unsere Schultern. Das Gelände wurde zerklüftet, steiniger. Nur noch moosbewachsene Felsen, schiefergraue Hänge, morsche Äste, die knirschten, wenn man sie berührte.

Aldric übernahm die Nachhut. Oswin und Godric führten die Pferde. Ich ging neben ihr. Aethelflaed sprach nicht. Ihr Blick war wachsam, aber leer. Kein Zittern, kein Klagen, nur ein starrer Fokus, der mehr Wille war als Kraft.

Ihre Schritte waren fest, doch nach einer Weile sah ich es: ein leichtes Hinken. Nur kurz. Nur manchmal. Die Spuren der Fesseln, dachte ich. Aber sie hielt sich gerade. Als wäre das Stolz. Oder Trotz.

„Wie weit noch?“, fragte sie schließlich leise. Ihre Stimme war heiser vom Schweigen.

„Bis zum nächsten Bachlauf“, erwiderte ich ebenso leise. „Dann rasten wir kurz.“

Sie nickte. Kein Dank. Kein Zögern. Nur ein Nicken.

In einer Senke gab Beorn schließlich das Zeichen zum Halt. Zwei Finger nach unten, eine kreisende Hand. Wir lagerten im Schatten eines alten Steinbruchs, zwischen Felswänden, die die Geräusche dämpften. Kein Feuer. Nur kaltes Wasser aus einer Quelle, ein Stück trockenes Brot, getrocknetes Fleisch.

„Sie werden uns jagen“, sagte Leofric.

„Die Dänen geben ihre Beute nicht auf“, ergänzte Godric.

„Das tun wir auch nicht“, sagte ich ruhig.

Aethelflaed saß etwas abseits, den Mantel eng um sich geschlungen. Ich trat zu ihr.

„Geht es?“

„Ich bin Königin von Mercia. Ich muss funktionieren.“

Ich setzte mich neben sie, ließ jedoch Abstand zwischen uns. Der Boden war feucht, der Stein kalt im Rücken.

„Ihr müsst auch atmen“, sagte ich leise. „Wenn ihr fallt, fällt Mercia.“

Sie sah mich an. Lange. Ihre Augen waren ruhig, aber erschöpft. „Das weiß ich. Aber was ich denke oder fühle, ändert nichts daran, was getan werden muss.“

Ich schwieg. Das Gespräch hätte leicht in etwas anderes kippen können in Mitleid oder Widerstand. Aber es blieb dort, wo es hingehörte: auf Augenhöhe.

Für einen Moment hörte man nur das Kauen der Pferde. Das Tropfen des Wassers.

Dann fragte sie unvermittelt: „Wie lange wart ihr bei Uhtred?“

„Einige Winter. Er war… mehr als ein Lehrmeister. Er hat mir gezeigt, wie man überlebt.“

„Und nun hat er euch mir anvertraut.“

Ich nickte. „Nicht aus Pflicht. Aus Sorge. Und weil er glaubt, dass ihr nicht allein sein dürft.“

Ihre Stimme wurde leiser. „Sorgen machen sich viele. Aber Verantwortung tragen nur wenige.“

Ich wollte etwas sagen. Doch ich tat es nicht.

Denn sie hatte recht. Und wir beide wussten es.

Am frühen Morgen brachen wir wieder auf. Die Landschaft wurde steiniger. Verlassene Hütten zeugten von vergangenen Siedlungen, die einst vielleicht Hoffnung bedeuteten.

Beorn führte uns in ein altes Flussbett. Es war ausgetrocknet, bot aber Deckung. Die Sonne blieb hinter dichten Wolken verborgen. Der Tag war grau. Passend zu unserer Lage.

Am Mittag entdeckten wir erste Spuren: zerschlagene Büsche, Pferdespuren, frischer als uns lieb war.

„Sie sind hinter uns“, sagte Aldric. „Weniger als einen halben Tag.“

„Dann schlagen wir Haken“, entschied ich. „Beorn, kennst du einen Weg durch die alten Minenpfade?“

Er nickte. „Verwirrend, aber sicher. Wenn sie uns dort folgen, verlieren sie den Überblick.“

Wir ritten noch bis in die Dämmerung. Niemand sprach. Die Erschöpfung kroch in die Knochen. Aethelflaed hielt sich tapfer, aber ich sah es ihr an, die Müdigkeit wog schwer.

Am Rand eines Geröllhangs hielten wir erneut. Godric löste seine Waffenriemen, streckte die Schultern.

„Wenn sie uns heute Nacht einholen, müssen wir kämpfen“, sagte er ruhig.

„Wir kämpfen nur, wenn es keinen anderen Weg gibt“, antwortete ich. „Wir dürfen sie nicht direkt zu ihr führen.“

Aethelflaed trat zu uns. „Wenn es hart auf hart kommt, kämpfe ich.“

Ich blickte sie an. „Ihr habt nicht zu kämpfen.“

„Ich bin nicht hier, um mich verstecken zu lassen.“

Ich antwortete nicht, aber in meinem Inneren erkannte ich den Stahl, den man braucht, um ein Königreich zu führen.

Wir verbrachten die Nacht im Schutz einer Felshöhle. Jeder legte sich für kurze Zeit zur Ruhe, immer einer wach. Der Wind pfiff durch die Spalten, trug Gerüche mit sich: feuchte Erde, alter Rauch und das ferne Echo von Reitern.

Doch niemand sprach es aus.

Denn wenn der Tod kommt, muss man nicht über ihn reden, man muss ihm nur davonreiten.

Der dritte Tag begann noch vor dem Licht. Beorn kehrte hastig vom Hügel zurück, sein Gesicht glänzte vom Tau, der Atem dampfte.

„Sie sind nicht mehr direkt hinter uns“, sagte er leise. „Aber sie geben nicht auf. Einer ihrer Späher war nur eine Stunde entfernt.“

Ich nickte. Das Gelände hatte uns geholfen. Alte Minenpfade, Bachläufe mit weichem Boden. Keine Huf spur blieb zurück. Doch wir konnten nicht ewig fliehen.

Aldric trat zu mir. „Die Pferde sind am Ende. Und wir auch.“

Ich blickte zur Gruppe. Godric rieb sich die Schulter. Oswin starrte auf seine Stiefel. Leofric schlief im Stehen. Aethelflaed stand aufrecht. Doch ihre Wangen waren bleich, ihre Finger umklammerten die Zügel zu fest.

„Noch eine Stunde“, sagte ich. „Dann suchen wir Schutz.“

Der Nebel hielt sich hartnäckig. Bäume standen wie stumme Wachen im Dunst, ihre Äste schwer von Feuchtigkeit. Wir ritten langsam, schweigend, nur das Knirschen der Hufe und das Schnauben der Tiere begleitete uns.

---ENDE DER LESEPROBE---