Acht Stearintropfen - Walther Kabel - E-Book

Acht Stearintropfen E-Book

Walther Kabel

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Beschreibung

Seit gestern waren wir in Swinemünde, wohnten dicht am Kurpark als brave Kaufleute und Sommergäste aus Berlin …
Der Acht Stearintropfen wegen hatte Käpten Wilm Ollenprick uns herbeordert. Sein Brief war kurz und erschöpfend und wie ein gespickter Hase gewesen, aber nicht gespickt mit schönem Speck, sondern mit unschönen Flüchen …
Auf diesen Brief hin waren wir sofort abgereist, denn erstens hatten dem Briefe gleich fünfhundert Mark Honorarvorschuß beigelegen und zweitens war sein rein schriftlicher Inhalt, die Kernflüche abgerechnet, so sonderbar und daher verlockend, daß wir uns diesen feinen Fall nicht entgehen lassen wollten.

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Der Detektiv

Kriminalerzählungen

Von

Walther Kabel

Band 178

Acht Stearintropfen

© 2023 Librorium Editions

ISBN : 9782383839170

 

 

Inhalt

Acht Stearintropfen

Die Sonnenuhr.

Neue Beobachtungen.

Der Roman.

Ollenprick verrät manches …

Der kranke Kapitän.

Die Reiterin von Ranfort-Station.

Ein wertvolles Kind.

Wo ist Linda?

Frau Karlas Schuld.

Die Kalksteinschlucht.

Ein Gericht des Himmels.

 

Acht Stearintropfen

1. Kapitel.

Die Sonnenuhr.

Vater Mond zog über den Fluß ein breites Silberband.

Und drüben, wo des Leuchtturms weißes, schlankes Gemäuer, umgeben von hohen Bäumen, sich scharf gegen den ausgestirnten Junihimmel abzeichnete, erschien in stets gleichen Zwischenräumen ein anderes leuchtendes Band: die Lichtblitze des Leuchtturmes von Osternothafen.

Vater Mond tat noch anderes …

Spähte mit neugierigen Augen in das Buschwerk am Rande des Weges, der sich von der Fähre sandig und staubig unweit des Swineufers nach Osternothafen, dem kleinen Fischerorte gegenüber dem Luxusbade Swinemünde, hinzog … dicht vorüber an Kapitän Ollenpricks kleinem, blitzsauberen Häuschen, in dessen Vorgärtchen mancherlei Blumen, in zierliche, mit Muscheln umrahmte Beete verteilt, ihre Düfte mit dem wenig angenehmen Geruch von geteerten Booten und faulenden Fischresten vereinten.

Vater Mond war neugierig …

Alte Leute sind das zumeist …

Und Vater Mond kannte Kapitän Ollenpricks Häuschen und die ganze Umgebung doch bereits seit vielen, vielen Jahren.

Noch nie waren jedoch in solch einer lauen Sommernacht wie der heutigen, in den Büschen zwei Männer verborgen gewesen …

Zwei, die nur Vater Mond von oben her erspähen konnte …

Zwei Männer in Sportanzügen und mit weißen Mützen und mit schönen blonden Spitzbärten, die leider nicht ganz echt waren …

Zwei …

Wir: Harald Harst und ich! —

Seit gestern waren wir in Swinemünde, wohnten dicht am Kurpark als brave Kaufleute und Sommergäste aus Berlin …

Der acht Stearintropfen wegen hatte Käpten Wilm Ollenprick uns herbeordert. Sein Brief war kurz und erschöpfend und wie ein gespickter Hase gewesen, aber nicht gespickt mit schönem Speck, sondern mit unschönen Flüchen …

Auf diesen Brief hin waren wir sofort abgereist, denn erstens hatten dem Briefe gleich fünfhundert Mark Honorarvorschuß beigelegen und zweitens war sein rein schriftlicher Inhalt, die Kernflüche abgerechnet, so sonderbar und daher verlockend, daß wir uns diesen feinen Fall nicht entgehen lassen wollten.

Wilm Ollenprick hatten wir noch nicht gesprochen, sondern nach unserer Ankunft lediglich durch einen Dienstmann einen schönen Gruß von seinem früheren Kollegen Schrathart ausrichten lassen. — Schrathart: dann wußte er eben Bescheid, daß Schraut-Harst zur Stelle waren.

Sie waren zur Stelle …

Sie hatten gegen halb elf sich in die Büsche geschlängelt und behielten nun das Häuschen mit der grünen Tür und den blanken Messingbeschlägen im Auge …

Dauernd. Auch die Umgebung. Insbesondere dort links am Zaun des Vorgärtchens die Sonnenuhr …

Eine selbstgebaute … Auf einem Pfahle war da schräg ein rundes Brett befestigt, und auf dem Brett eine gleich große Aluminiumscheibe festgeschraubt, die das Zifferblatt der Sonnenuhr darstellte … Dann gehörte noch der Zeiger dazu, der vom Mittelpunkt schief in die Luft ragte. All das hatte Wilm Ollenprick eigenhändig gebastelt und Pfahl und Brett fein weiß lackiert. — So stand’s in seinem Briefe zu lesen und so sahen wir’s nun vor uns …

Und diese Sonnenuhr, über die der Käpten sich zuerst so sehr gefreut hatte, bereitete ihm nun seit einiger Zeit bitteren Kummer …

Da war nämlich irgendein Schweinigel von Kerl, der fast jede Nacht das schöne, blanke Zifferblatt beschmutzte, indem er acht dicke Stearintropfen auf das Metall träufelte …

Immer genau acht, nie einen mehr, nie einen weniger.

Und als dieser heimtückische Schweinigel dies achtmal getan, da war Wilm Ollenprick die Geschichte dennoch zu dumm geworden, und er hatte sich nachts etliche Male auf die Lauer gelegt — mit einer echten Rhinozerospeitsche, von der er in seinem Briefe versicherte, daß ein einziger Hieb über die Sitzpolster den also Gestraften vier Wochen zwinge, auf dem Bauche zu schlafen.

Leider jedoch fand Wilm Ollenprick nie Gelegenheit, dieses Instrument anzuwenden, dieweil er eben den Schweinigel nie erwischte. Dagegen aber fand er trotz dieser Nachtwachen am Morgen regelmäßig wieder die üblichen acht Stearintropfen …

Und dies unheimliche Wunder hatte Wilm Ollenprick veranlaßt, an uns zu schreiben …

»Ich habe Augen wie ein Falke, trotz meiner siebzig Jahre,« hieß es in dem Brief. »Und ich hätte den Lumpenkerl unbedingt sehen müssen, der mir — die Pest fahre ihm in die Därme! — das Zifferblatt mit Stearin besiegelt, der verdammte Lausesohn!! Aber — ich sah ihn nicht, und doch waren die acht Tropfen wieder da!!«

Wer Harst nicht kennt, wird sich vielleicht wundern, daß diese harmlose Geschichte ihn interessierte …

Harmlos?!

Nun eben: er behauptete mir gegenüber, daß die Sache auf keinen Fall harmlos sei und daß auch Wilm Ollenprick dies sehr gut wisse, nur nicht mit der Wahrheit herausrücken wolle.

Nun — »Die acht Stearintropfen« haben sich dann nachher doch als etwas entpuppt, das es vielleicht in seiner Eigenart nur einmal auf der Welt gibt …

Tatsächlich als ein »Problem« … Und Problem klingt anspruchsvoll … —

Da nun Wilm Ollenprick mit seinen Falkenaugen den »Schweinigel« trotz mehrfacher Nachtwachen nicht hatte entdecken können, wollten wir mal unsere Augen auf die Probe stellen. Vielleicht waren sie besser als die des alten Seebären.

Mitternacht war’s nun …

Die letzte Fähre, die den Fluß kreuzte, hatte soeben noch eine ganze Menge Badegäste gebracht, die in Osternothafen wohnten und die in kleinen Trupps an uns vorübergezogen waren …

Nun wurde es still …

Um drei begann es hell zu werden …

Und trotzdem blieben wir …

Bis die Sonne erschien …

Dann schlichen wir davon …

Nichts erreicht — gar nichts …

Nur eine Nacht um die Ohren geschlagen … —

Bis neun schliefen wir.

Um halb elf vormittags brachte uns die Fähre über den Fluß … Wir wußten, daß Wilm Ollenprick jeden Tag zu bestimmten Stunden am Ufer angelte …

Da konnten wir ganz unauffällig seine Bekanntschaft machen. Gesehen hatten wir ihn schon … War mancherlei zu sehen an dem alten Herrn …

Und wirklich — dort saß er mit seiner Angelrute, die Piep im Munde, die blaue Seemannsmütze tief in die Stirn gedrückt …

Wir kannten ihn … Er kannte uns nicht …

Als Harst nun stehen blieb und fragte, wie’s mit dem Fange sei, grunzte er nur:

»Zwei Walfische, einen Hai, einen Schwertfisch und einen Neugierigen!«

Das war grob …

Aber das paßte zu dem braunen, bartlosen, faltigen Gesicht und dem bärbeißigen Ausdruck der verwitterten Züge.

Harst lachte …

»Käpten, wir dürfen wohl neben Ihnen Platz nehmen … Wir sind nämlich die Firma Schrathart …«

Ah — da flog der Kopf hoch …

»Verdammt, daß hätten Sie gleich sagen sollen!!«

Wir setzten uns auf den Bollwerkrand und ließen die Beine baumeln …

Ollenprick beäugte uns, grinste und meinte:

»Aha — falsche Bärte! Sehr fein! — Gut, daß Sie da sind, meine Herren … Der Schweinigel hat in dieser Nacht das Zifferblatt wieder bekleckert …«

Ich war platt …

»Nicht möglich?!« rief ich … »Wir haben ja gewacht!«

»So?! Gewacht?! Sie beide …?! Und — nichts bemerkt?«