Adios, Amigo - Alexander Calhoun - E-Book

Adios, Amigo E-Book

Alexander Calhoun

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Beschreibung

Nun gibt es eine exklusive Sonderausgabe – Die großen Western Classic Diese Reihe präsentiert den perfekten Westernmix! Vom Bau der Eisenbahn über Siedlertrecks, die aufbrechen, um das Land für sich zu erobern, bis zu Revolverduellen - hier findet jeder Westernfan die richtige Mischung. Lust auf Prärieluft? Dann laden Sie noch heute die neueste Story herunter (und es kann losgehen). Dieser Traditionstitel ist bis heute die "Heimat" erfolgreicher Westernautoren wie G.F. Barner, H.C. Nagel, U.H. Wilken, R.S. Stone und viele mehr. Als die Schießerei vorbei war, blieben nur William Clayburne und sein Freund Shoshone-Roy Rowland übrig. Die Main Street von Winnemucca belebte sich wieder. Irgendwo schrie ein Kind jämmerlich, eine Frau weinte, dazu kreischte ein Esel seinen ganzen Jammer und sein Elend in die Gassen der Stadt. Ein Hund winselte und bekundete sein animalisches Mitgefühl mit dem Esel, beide waren geknechtete Kreaturen. Die Schießerei hatte höchstens drei Sekunden gedauert. Wenn überhaupt. Vielleicht waren es auch nur zwei gewesen. Wer hatte sie schon gezählt? Auf der Straße lagen drei Tote. Jeder kannte sie in der Stadt. Mel Ferrer war erst 20 Jahre alt, Al Herborn über 30 und Conestoga-Jimmy 25. Trotz ihrer Jugend hatten sie einen traurigen Ruf gehabt, einen üblen Ruf. Alle drei waren Banditen, Rustler, kleine Gauner gewesen. Zu Lebzeiten. Nun waren sie tot und genauso anständig wie die guten Bürger der Stadt, die kein Wässerchen trüben konnten. Zu den guten Bürgern, die regelmäßig zur Kirche gingen, die den Fond für Kriegshinterbliebene und Waisen unterstützten, gehörten Cecil Blount, Sam Wood und Byron Haskin. Zum Beispiel. Sam Wood war Manager für alles. Er betrieb einen Store, einen vornehmen Saloon und einen dubiosen Tingeltangel, in dem Cowboys, Bergarbeiter und die Leute verkehrten, denen man ein Gewerbe oder Handwerk nicht an der Nasenspitze ablesen konnte. Byron Haskin war schlicht und einfach ein Spieler.

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Die großen Western Classic – 30 –

Adios, Amigo

Alexander Calhoun

Als die Schießerei vorbei war, blieben nur William Clayburne und sein Freund Shoshone-Roy Rowland übrig. Die Main Street von Winnemucca belebte sich wieder. Irgendwo schrie ein Kind jämmerlich, eine Frau weinte, dazu kreischte ein Esel seinen ganzen Jammer und sein Elend in die Gassen der Stadt.

Ein Hund winselte und bekundete sein animalisches Mitgefühl mit dem Esel, beide waren geknechtete Kreaturen.

Die Schießerei hatte höchstens drei Sekunden gedauert. Wenn überhaupt. Vielleicht waren es auch nur zwei gewesen. Wer hatte sie schon gezählt? Auf der Straße lagen drei Tote. Jeder kannte sie in der Stadt. Mel Ferrer war erst 20 Jahre alt, Al Herborn über 30 und Conestoga-Jimmy 25. Trotz ihrer Jugend hatten sie einen traurigen Ruf gehabt, einen üblen Ruf. Alle drei waren Banditen, Rustler, kleine Gauner gewesen. Zu Lebzeiten. Nun waren sie tot und genauso anständig wie die guten Bürger der Stadt, die kein Wässerchen trüben konnten.

Zu den guten Bürgern, die regelmäßig zur Kirche gingen, die den Fond für Kriegshinterbliebene und Waisen unterstützten, gehörten Cecil Blount, Sam Wood und Byron Haskin.

Zum Beispiel.

Sam Wood war Manager für alles. Er betrieb einen Store, einen vornehmen Saloon und einen dubiosen Tingeltangel, in dem Cowboys, Bergarbeiter und die Leute verkehrten, denen man ein Gewerbe oder Handwerk nicht an der Nasenspitze ablesen konnte.

Byron Haskin war schlicht und einfach ein Spieler. Kein Falschspieler, wie man meinen könnte. Nein, Byron war ehrlich, und nur, wenn er sehr viel verloren hatte, half er dem Glück etwas nach. Byron trieb sich in sämtlichen Spelunken der Stadt herum und lebte vom Spiel.

Cecil Blount machte in Grundstücken. Er nannte sich einen ehrbaren Makler und Geschäftsmann. Seine Feinde meinten, er sei ein Spekulant und Hasardeur, ein verdammter Bastard, der die Leute um ihre Grundstücke betrog.

Im Zusammenhang mit der Schießerei wären nur noch Gordon Douglas, der Sheriff von Winnemucca zu nennen und die beiden Männer, die die anderen erschossen hatten. Drei gegen zwei, Drei Gauner gegen zwei Helden. William Clayburne hielt sich nicht für einen Helden, und sein Busenfreund, den man allgemein nur Shoshone-Roy nannte, bestimmt auch nicht.

Aber beide konnten verdammt gut mit Waffen umgehen und ließen sich kein X für ein U vormachen. Will Clayburne war etwa 30, Roy Rowland ein paar Jahre darüber hinaus. Beide wirkten muskulös, gestrafft und waren von der Sonne gebräunt. Während Clayburne sein Haar kurz trug, hing es bei Shoshone-Roy bis auf die Schulter. Beide waren dunkelhaarig und braunäugig.

Ihre Revolver trugen sie tief gehalftert und griffbereit. Gekleidet waren sie nach Art des Landes. Dunkle Hose, Schaftstiefel mit Radsporen, Hemd, Weste, Halstuch und Stetson unterschieden sie in nichts von den anderen Männern.

Genau eine Minute nach dem Schusswechsel trat Sheriff Douglas aus seinem Office. Er stampfte wie ein Flusspferd über den quietschenden Gehsteig und schwang sich wie ein Turner über den Hitchrail beim Pferdetrog.

»Geht nach Hause, Leute, es ist vorbei!«, brüllte er mit lauter Stimme über die Straße.

Seine Stiefel zogen tiefe Furchen in den Straßenstaub, wirbelten graue Wolken hoch, die bei der windstillen Luft wieder träge in sich zusammensanken.

Douglas nahm Richtung auf die beiden Männer, die am Ende der Straße auf den Sheriff warteten. Douglas blickte nach Norden, wo sich die Berge steil und dunkel gegen das schleppende Licht des sinkenden Tages abhoben.

»Wie war es, Will? Notwehr? Oder habt ihr sie willkürlich niedergeschossen?«

»Hast du so etwas schon von mir gehört, Douglas?« Clayburnes Stimme klang leicht frustriert. Rowland sagte gar nichts, stieß nur die Luft zischend durch die Zähne.

»Na, sag’s schon. Mann, ich muss ein Protokoll aufsetzen. Zeugen?«

»Mindestens zehn Bürger dieser Stadt. Die drei forderten uns heraus. Notwehr. Daran kann kein Gericht was deuteln.«

»Ja, ja, ich hab’s ja nicht so gemeint. Gut, sie lauerten euch auf. Wie ging es dann weiter? Wer zog und schoss zuerst?«

»Sie«, sagte Shoshone-Roy knapp und verstimmt.

»Was? Ich doch nicht!«

Rowland sah ihn an, als hätte er einen Irren vor sich. »Nein, nicht du, du Armleuchter. Sie, die anderen. Mel Ferrer zog zuerst, dann die anderen. Wir ballerten erst los, als uns ihre Kugeln wie Mücken um die Ohren flogen. Noch was, Gordon?«

Douglas schüttelte den Kopf. »Ihr kommt in einer Stunde und unterschreibt das Protokoll. Verstanden? Inzwischen vernehme ich ein paar Zeugen. Adios!«

Die Toten wurden von der Straße getragen und die Menge der Gaffer verlief sich. William und Roy gingen zur nächsten Kneipe. Der Saloon nannte sich stolz King Lear nach dem Berg weiter oben im Norden. King Lear-Saloon und Etablissement. Er gehörte Sam Wood wie die Haut des Leibeigenen einem Feudalherrn.

Der Schankraum war schon gut besucht, als die beiden durch die schwingende, halbhohe Tür eintraten. Männer, die an der Theke standen, machten ihnen schleunigst Platz. Roy bestellte Bier und Whisky. Will kletterte auf einen Hocker und zog die halbvolle Flasche und das Glas zu sich heran.

Sie spülten sich erst einmal den Staub aus der Kehle, bevor sie sich umschauten. Männer starrten sie an. Freundlich oder unfreundlich, je nach Mentalität oder Weltanschauung. Die Erschossenen hatten Freunde in der Stadt, Freunde, die vielleicht ihren Tod rächen wollten.

Nur zu, dachte Clayburne und seine dunklen Augen musterten die bärtigen, verschwitzten Gesichter, bis sie die Augen senkten. Roy kümmerte sich nicht um die Starrer. Ihn interessierte im Augenblick nur das kühle, schäumende Bier.

Noch einmal ging die Tür auf und zu. Es gab ein schmatzendes Geräusch, das Will Clayburne hinblicken ließ. Er entspannte sich, als er Ward Elmerson erkannte. Ward war kein Mann des Colts, eher friedfertig und nachgebend. Er trug auch nie ein Schießeisen.

Er kam auf seinen krummen Beinen an den Tresen, schlug Roy kräftig auf die Schulter und stieß William zur Begrüßung den Ellbogen in die Seite.

»Hallo, ihr Teufelsbrut! Seid wohl gefeit gegen alle blauen Bohnen, die man gegen euch abschießt? Toll, wir ihr das gemacht habt, und so schnell!«

»Wovon sprichst du, altes Haus?«

»Von der Schießerei, Will. Ganz Winnemucca redet von nichts anderem.«

»Die Kerle haben lange genug darauf gewartet. Sie ließen sich viel Zeit mit ihrer Herausforderung. Bist du eben erst angekommen, Ward?«

»Klar, Amigos, vor zehn Minuten.« Er zog die Brauen hoch und machte ein besorgtes Gesicht. William Clayburne fiel das auf.

»Ist was?«, fragte er.

»Es war ein langer und durstiger Trail, Jungs. Ein Bier, Keeper. Ein großes, kühles Bier.«

Clayburne hörte aus der Antwort, dass Ward nicht in dieser Umgebung reden wollte. Die Männer ihrer Umgebung spitzten die Ohren wie Mulis. Jeder wusste schließlich, dass Ward Elmerson aus den Santa Rosa Mountains kam und dort nach Gold suchte. Mit ihm waren zehn harte Männer, wildniserfahren und als Indianerkämpfer bekannt, ausgezogen. Sie hatten Proviant für drei Monate und Werkzeuge mitgenommen. Damals. Will rechnete zurück. Die drei Monate waren um.

Drei lange, verdammt höllisch heiße Monate. Nevada war kein Land für Weichlinge. Nur harte Männer konnten die unendlichen Durststrecken und Deserts im Norden bezwingen, dazu die himmelsstürmenden Berge, die Schluchten, Canyons und Arroyos.

»Wir müssen gleich noch mal zum Sheriff, unsere Kreuze unter das Protokoll machen. Kommst du mit, Ward, altes Haus?«

Elmerson trank sein Bier mit einem Zug und bestellte ein zweites Glas. Er nickte.

»Dauert’s lange?«

»Nein. Douglas wird kaum noch Fragen haben. Trink aus und komm!«

Sie zahlten, tranken ihre Gläser leer und verließen den Saloon. Kaum waren sie draußen, brandete das Reden der Leute wie eine Flut durch den tabakgeschwängerten Raum.

»So, jetzt kannst du reden, Mann der großen Goldfunde.«

Ward sah Will ins Gesicht. Es wirkte in seiner Gleichgültigkeit wie eine braune Maske.

»Es ist was los da draußen«, sagte Ward geheimnisvoll. »Dort oben in diesen dreimal verdammten Bergen geht der Teufel um.«

»Wie sieht er denn aus?«, wollte Roy wissen. »Hörner und Bocksfüße? Vielleicht auch ’nen Schwanz?«

Ward blieb stehen und blies die Backen auf.

»Halt du den Mund, Baby, wenn du nichts als Dummheiten sagen kannst. Der Teufel hat zahllose andere Gestalten. Mit Hörnern zeigt er sich nur besoffenen Herumtreibern und Revolverschwingern. Gut, Amigos, ihr sollt es erfahren!«

»Mach’s nicht so spannend und erzähl’ jetzt endlich, was dich bedrückt!«

»Sie sind alle krank.«

Es klang, als hätte Ward gesagt, sie seien alle bereits tot.

»Vor etwa einer Woche ging’s los. Am Morgen fehlten drei Mann mit ihren Pferden, ein Lastenmuli, Wassersäcke, Proviant. Hallahan kam gleich zu mir. Wir suchten nach ihnen. Weg. Einfach fort, sage ich euch. Hallahan meinte: ›Glaubst du, wir könnten sie noch einholen?‹ Er war von seinen Worten überzeugt.«

»Weiter, Ward.«

Elmersons Mund wurde schmal. »Ich sagte: Da draußen, Dan? Das ist jetzt Höllenland in dieser Jahreszeit, und du weißt das ganz gut. Übrigens gibt’s da noch was, was du wissen solltest.«

»Du machst es spannend, Alter«, knurrte Roy, lüftete etwas den Hut, als zwei Ladys an ihm vorbeikamen.

»›Ja, was meinst du?‹, sagte Hallahan zu mir. Ich antwortete: Ich glaube, es ist am besten, du kommst mit zu den Pferden. Wir gingen hinüber. Die Gäule hatten wir in einen winzigen Seitencanyon gestellt und den Zugang mit Mesquitesträuchern verstellt. Hier, sieh sie dir an, die Schinder, sagte ich.«

Ward blieb stehen, schüttelte sich den Staub von den Stiefeln. Er fuhr fort:

»Hallahan sah sie sich an. Sie hatten Schleim an den Nüstern und entzündete Augen, und sie fühlten sich alle warm an, als hätten sie ein Feuer im Hintern. Was meint ihr, Jungs, was Hallahan sagte? ›Jesus Christus‹, hatte er gemurmelt und sich bekreuzigt. Und dann: ›Vielleicht ist es nur ’ne Entzündung?‹

Ich sagte, das ist Rotz, Dan, blanker Rotz, und du weißt es. Keiner versteht mehr von Pferden als du.«

»Nun gut, also die Rotzkrankheit. Das soll vorkommen, auch bei Pferden, die völlig isoliert sind«, sagte Roy ahnungsvoll. »Und was ist mit deinen Kumpanen, Ward? Hast du nicht gesagt, sie seien ebenfalls erkrankt? Mann, ich habe nie gehört, dass diese Tierkrankheit auf Menschen übertragbar ist,«

»Das hab ich auch gar nicht behauptet«, antwortete der Goldsucher. »Sie sind an einer anderen Krankheit …«

»Mann, doch nicht Typhus?«

Ward blieb stehen, nickte. Er starrte Roy an, als sähe er ihn zum ersten Mal in seinem Leben. »Typhus!«

Jetzt verharrte auch Clayburnes Fuß.

Ihm war, als lähme ihm ein heftiger Schlag beide Beine. Er wischte sich den Schweiß aus dem Gesicht.

»Da hingehen, das heißt sterben, Ward. Hast du dich angesteckt?«

Elmerson schüttelte den Kopf. »Glaub ich nicht, Will. Ich fühle mich sauwohl, kein Fieber, kein Erbrechen, und der Whisky, verdammt, schmeckte mir nie so gut wie heute.«

»Das ist doch kein Beweis«, sagte Roy schnell und wich einen Schritt zurück. »Die Krankheit braucht eine gewisse Zeit, bevor sie ausbricht. Ich glaube, Inkubationszeit nennen das die Ärzte. Du kannst uns alle anstecken, ohne es zu wissen.«

Ward Elmerson schüttelte den Kopf mit den zottigen langen Haaren.

»Mein Glück ist, dass ich nicht ständig mit den anderen zusammen war. Ihr wisst ja, dass ich meine eigene Methode habe, nach dem gelben Staub zu suchen. Werdet ihr euch um die Jungs kümmern?«

»Wo sind die drei Ausreißer hingegangen, habt ihr die Spur verfolgt?«

Ward nickte. Seine Augen füllten sich mit Tränen, die er verstohlen wegwischte.

»Wir fanden sie. Fünf Meilen vom Lager entfernt. Tot. Mit aufgeblähten Bäuchen und aufgesprungenen Lippen lagen sie neben ihren verendeten Pferden.«

»Habt ihr sie wenigstens begraben?«, fragte Clayburne.

»Selbstverständlich, Mann. Das ist wohl Christenpflicht. Es war schrecklich.«

Inzwischen waren sie vor dem Sheriff-Office angekommen. Clayburne gebot Ward, draußen zu warten. Er und Roy gingen hinein und wechselten ein paar Worte mit dem Beamten.

»Ich habe eure Angaben nachgeprüft, Jungs. Alles in Ordnung. Unterschreibt das Protokoll und benehmt euch in meiner Stadt wie anständige Menschen. Ich mag keine Schießereien, verstanden!«

Roy Rowland, den sie im nördlichen Nevada nur Shoshone-Roy nannten, grinste. Will nahm die Schreibfeder, unterzeichnete und knurrte:

»Du darfst dreimal husten, Sheriff. Aber du darfst uns nicht sagen, dass wir stillhalten sollen, wenn so ein besoffener Kuhtreiber auf uns schießt. Adios, Mann des Sterns!«

Sie gingen. Der Sheriff sandte ihnen einen langen Blick nach. Seine Lippen murmelten:

»Vaya con Dios, ihr Halunken!«

Es war nicht so böse gemeint, wie es klang.

Unschlüssig standen sie in der Nähe der Kirche und überlegten. Eigentlich gab es nichts zu überlegen. Wo Menschen in Lebensgefahr waren, musste geholfen werden. William Clayburne dachte nur darüber nach, ob er Doc O’Shannon ansprechen sollte oder nicht. Wie er wusste, gab es keine Arznei gegen Typhus. Trotzdem hatten viele Erkrankte überlebt. Die Pflege war es, worauf es ankam. Gute Pflege, leichtes Essen und ständig frisches Wasser.

Nachdenklich wandte er sich an den Goldsucher: »Wie lange brauchen wir, um hinzukommen?«

»Drei Tage, wenn die Gäule schnell und ausdauernd sind. Vier, wenn wir Klepper nehmen.«

»Du bist mit einem Maulesel gekommen?«

»Er ist nicht befallen, die Pferde sind alle krank.«

»Okay, gehen wir zum Doc!«

Zu dritt stampften sie durch den Straßenstaub. Vor einem zweigeschossigen Backsteinhaus blieben sie stehen. Will klopfte. Eine Stimme rief:

»Kommt schon herein, Teufelsbrut!«

Laslie O’Shannon hatte die Lebensmitte knapp überschritten. Sein Haar war weiß und strähnig. Auf der Nase trug er einen stahlgefassten Zwicker. Er hatte einen braunen Gehrock, eine enge Hose und Zugstiefel an.

O’Shannons Stimme klang ewig mürrisch, als sei er mit der Welt unzufrieden. Aber das klang nur so. Das Leid, das er täglich mit ansehen musste, ohne helfen zu können, hatte sein Herz im Laufe der Jahre zu Stein werden lassen.

»Ihr beide sorgt recht ordentlich für meine Praxis, William Clayburne. Um was geht es jetzt? Wieder einen an- oder totgeschossen?«

»Wie meinen Sie das, Doc?«

O’Shannon kicherte, nahm den Zwicker von der langen Nase und sah die beiden Männer ein wenig mitleidig an.

»Wie ich’s meine? Ihr beide kriegt einen Rabatt von mir. Ja, das meine ich. Einen Sonderrabatt. Wenn ihr mal ’ne Kugel im Bauch habt, schneide ich sie euch umsonst heraus. Um was geht’s diesmal?«

»Typhus und Rotzkrankheit«, erwiderte Will barsch. »Für die eine Krankheit sind Sie nicht zuständig, Mann der Wissenschaft, aber für die andere. Ist Typhus heilbar?«

O’Shannon wich zurück. Er verfärbte sich. Plötzlich fühlte er sich schwach in den Knien. Er zog ein Taschentuch hervor und wischte sich den kalten Schweiß ab.

»Hier in der Stadt? Mann Gottes, wissen Sie überhaupt, was Sie da sagen?«

»Leider ja. Nicht in der Stadt, Doc. Fünfzig Meilen im Norden. In einem Goldgräberlager«, setzte Will lakonisch hinzu.

O’Shannon setzte sich, um die zitternden Knie zur Ruhe kommen zu lassen.

»Woher haben Sie die Nachricht, Clayburne?«

Ward richtete sich auf. Er war Soldat gewesen, damals im großen Krieg. Er hatte keinen Typhus, noch nicht, und er hatte kein Delirium. Er gab nicht auf, jetzt erst recht nicht. Er gab nie auf. Etwas zurückhaltend grinste er. Das war für den Arzt ein armseliger Trost.

»Von ihm«, sagte Clayburne und deutete mit dem Daumen auf Ward Elmerson.

O’Shannon wurde grau. Er hatte verstanden. »Und da kommt dieser Mann noch in besiedeltes Gebiet? Sind Sie von allen guten Geistern verlassen?«

Ward Elmerson richtete sich abrupt in die Höhe. Seine Stimme nahm einen grollenden Ton an.

»Soll ich meine Kameraden dort draußen in der Wildnis verrecken lassen, Doc? Sie haben sicher nicht alle Latten am Zaun! Sie kommen jetzt mit, verstanden? Und wenn Sie sich weigern, treibe ich Sie mit meinem Revolver barfuß durch die Hölle!«

Roy und Will lächelten. Ward hatte keinen Revolver, nie einen besessen. Er war ein Mann der Spitzhacke und der Schaufel. Irgendwo an seinem Sattel hatte er ein altes Gewehr hängen, einen uralten Henry-Stutzen, der aber nie benutzt wurde.

Der Arzt warf die Hände in die Höhe, als wollte er sich ergeben. Seine blassen Lippen murmelten:

»Das ist Nötigung, Mann. Sie können mich nicht zwingen, nicht in diesem Ton.«

»Gut, dann werde ich Sie eben bitten mit Nachdruck! Auf geht’s, Salbenschmierer, der Weg führt geradewegs in die Hölle!«

Der Arzt nahm wirklich sein Köfferchen, trotz der medizinischen Ohnmacht, deren er sich bewusst war. Auf dem Gehsteig stießen sie auf Sam Wood, der sie höhnisch anlächelte. Sam war wie immer bestens gekleidet und herausgeputzt wie ein Pfau.

William Clayburne und Roy Rowland wussten sehr genau, dass die drei erschossenen Typen auf Woods Lohnliste gestanden hatten. Sie hatten sich diesen mächtigen Mann, dem halb Winnemucca gehörte, zum Feind gemacht. Warum, wussten sie nicht genau. Es spielte für ihr hitziges Naturell auch keine Rolle.

Sie grinsten zurück und zeigten ihre prächtigen Gebisse wie Wölfe, die eine kranke Hirschkuh entdecken. Schlurfend oder sporenklirrend gingen sie zum Mietstall. Doc O’Shannon war kein Reiter. Wenn er schon mal Kranke in der Umgebung zu besuchen hatte, was selten genug vorkam, benutzte er einen kleinen Kutschwagen, der von einem müden Pferd gezogen wurde.

Die Finsternis gegen Morgen war vollkommen. Außer dem schwachen Lichtschein des brennenden Lagerfeuers war nichts als Finsternis, und das Heulen des Windes in den Klippen.

Drei von sieben lebenden Männern starben am Typhus in den Stunden, bevor es Tag wurde. Die anderen waren bereits tot. Weiter unten am Hang hatten Clayburne und Shoshone-Roy ihre Pferde abgestellt. Bei ihnen standen Wards graubärtiger Maulesel und der fette Klepper des Arztes. Der Buggy war abgeschirrt worden und fristete ein einsames Dasein zwischen Mesquitebüschen.

Die noch lebenden Männer hatte man von den toten abgesondert. Bei Licht würde man die Toten begraben, die schwer erkrankten Pferde erschießen und mit Steinen bedecken. Mehr zu tun, war den Samaritern aus Winnemucca nicht möglich.

»Wie geht es Hallahan, Doc?«, fragte Ward. »Dan ist ein guter Freund von mir.«

Shannon starrte den Goldgräber einen Augenblick lang an. »Er ist tot. Mann. Nicht mehr zu retten gewesen.«

Die verwaschenen hellen Augen flackerten kaum merklich.

»Und Ben Noris, geht’s dem besser?«