Akupunktur und TCM lernen und verstehen - Claudia Kuhly - E-Book

Akupunktur und TCM lernen und verstehen E-Book

Claudia Kuhly

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Beschreibung

Das vorliegende Buch führt Sie von den historischen Anfängen, über die Grundlagen bis hin zu ersten Behandlungsstrategien in der TCM. Es hat nicht den Anspruch, eine vollständige Anleitung für Behandelnde in TCM und Akupunktur zu sein. Vielmehr soll es, ergänzend zu einer grundständigen Ausbildung, diejenigen Fragen beantworten, die im Kontext der Unterschiede und Ähnlichkeiten zwischen Schulmedizin und TCM immer wieder auftreten. Die philosophischen Grundlagen der TCM, die Begriffe und Systematisierungen werden hier praxisorientiert betrachtet. Durch Grafiken und Fotos wird dies verdeutlicht und illustriert. Die Motivation für dieses Buch kommt aus der Unterrichtspraxis – ich greife hier bewusst die immer wiederkehrenden Fragen meiner Schüler_innen auf, die auf Schwierigkeiten im Umdenkprozess zwischen östlicher und westlicher Medizin zurückgehen. Oftmals liegen diese darin, dass die zentralen Begriffe Yin und Yang sowie Qi und Blut nicht in die physiologischen und pathophysiologischen Abläufe des menschlichen Körpers übersetzt werden können und das Gedankenmodell der fünf Elemente häufig zu einfach für das gewohnte Verständnis von Krankheit und Behandlung erscheint. In dem Kapitel "Auswahl der Akupunkturpunkte" werden die wichtigsten energetischen Verbindungen zwischen den Elementen/Organen aufgezeigt und die sich daraus ableitende Wirkung der energetischen Akupunkturpunkte erklärt. Da die Verwendung der Sondermeridiane Teil der energetischen Behandlung ist, habe ich sie hier mit aufgeführt. Weiter habe ich den allgemein verwendeten Begriff der Qi-Stagnation als Yin-Stagnation (mit Qi-Mangel) bezeichnet. Per Definition beschreibt das Wort Stagnation einen Flüssigkeitsrückstau im Körper, der nach TCM durch einen Qi-Mangel entsteht. Da Qi selber nicht stagnieren kann, sondern die Ursache dafür ist, dass es zu einem Rückstau an Körperflüssigkeiten kommt, scheint mir die Bezeichnung Yin-Stagnation klarer in der Aussage zu sein.

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Akupunktur und TCM lernen und verstehen

Ein Buch aus der Praxis, für die Praxis

Claudia Kuhly

Grundlagen der traditionellen chinesischen Medizin

Impressum

© Claudia Kuhly, 2016 

www.akupunktur-ausbildungen-berlin.de

([email protected])

Coverfoto: Fotografin Mies Rogmanns

E-Book Produktion und Gestaltung: Bernd Floßmann, Berlin www.bookcoach.info

ISBN 978-3-7418-3538-4

Inhaltsverzeichnis
Impressum
Vorwort
Danksagung
Das Dao
Geschichtlicher Hintergrund
Die drei Ideologien
Die verschiedenen Aspekte des Dao
Die Lehre von Yin und Yang
Die vier Grundprinzipien
Yin und Yang
Yin- und Yang-Organe
Yin- und Yang-Zeiten
Die Lebensphasen
Bedeutung von Yin und Yang
Die Beziehungen von Yin und Yang
Disharmonie-Muster
Energetische Veränderungen im Laufe einer Erkrankung
Übersicht: Energetische Veränderungen im Laufe der Erkrankung
Das Qi
Formen des Qi
Lebensenergie-Qi/reines Qi/Lungen-Qi:
Milz-Pankreas-Qi: Gu-(Nähr-)Qi
Yuan-Qi: Erb-Qi oder Ursprungs-Qi
Zhen-Qi
Wei-Qi: Abwehr-Qi
Leber-Qi
Xie-Qi: schädliche Energien
Qi-Muster
Körperflüssigkeiten und Blut
Dünne und dicke Flüssigkeiten
Verteilung von Körperflüssigkeiten und Blut
Störungen des Wasserhaushaltes
Zähe Flüssigkeiten
Zu wenig Flüssigkeit
Blutbildung und Blutverteilung
Erkrankungen des Blutes
Blutmangel
Blut-Stase
Die zwölf Hauptmeridiane
Das Feuer-Element
Das Herz
Der Dünndarm
Das Perikard
San Jiao, der dreifach-Erwärmer
Das Erd-Element
Milz-Pankreas
Der Magen
Das Metall-Element
Die Lunge
Der Dickdarm
Das Wasser-Element
Die Niere
Die Blase
Das Holz-Element
Die Leber
Die Gallenblase
Pathogene Faktoren
Klimatische pathogene Faktoren
Pathogener Faktor: Hitze
Pathogener Faktor: Feuchtigkeit
Pathogener Faktor: Trockenheit
Pathogener Faktor: Kälte
Pathogener Faktor: Wind
Emotionale pathogene Faktoren
Pathogener Faktor: Freude
Pathogener Faktor: Sorge
Pathogener Faktor: Trauer
Pathogener Faktor: Angst
Pathogener Faktor: Wut
Pathogener Faktor: Schreck/Schock
Pathogener Faktor schädliche Energien
Pathogener Faktor: Ernährung
Pathogener Faktor: Alkohol
Pathogener Faktor: Bewegung
Pathogener Faktor: geistige Überarbeitung
Pathogener Faktor: Geschlechtsverkehr
Die Lehre der fünf Elemente
Einführung: Verbindungen zwischen den Elementen
Das Feuer-Element
Das Herz
Der Dünndarm
Der San Jiao oder der dreifach-Erwärmer
Störungen des San Jiao
Das Erd-Element
Milz-Pankreas
Der Magen
Das Metall-Element
Die Lunge
Der Dickdarm
Das Wasser-Element
Die Niere
Die Niere öffnet sich über die Ohren
Die Blase
Das Holz-Element
Die Leber
Die Gallenblase
Energetische Verbindungen zwischen den Organen
Oberflächliche Verbindungen
Tiefe Verbindungen
Regeln für die Auswahl der Akupunkturpunkte
Lokale Punkte
Symptomatische Punkte
Fernpunkte
Meisterpunkte: Hui Punkte
Energetische Punkte
Mu und Shu Punkte
Luo und Yuan Punkte
Die fünf Antiken Punkte
Ben Punkte
Mutter- und Sohn-Punkte
Großmutter- und Enkel-Punkte
Enkelpunkte
Xi Punkte
Nadeltechniken
Auswahl der Akupunkturnadeln
Einstichtechniken
Manipulationstechniken
Die Mehrnadeltechnik
Wind tonisierende Technik{30}
Wind sedierende Technik
Technik: „Feuer, das den Gebirgswald abbrennt“
Das Kühlende des Himmels einströmen lassen: 3 Schichten nach oben{32}
Injektions-Akupunktur
Zusatztherapien in der Akupunktur
Moxibustion
Schröpfen
Der Pflaumenblüten-Hammer
Elektrostimulation
Diagnostik
Anamnese
Allgemeine Anamnese:
Spezielle Anamnese:
Inspektion
Beobachten/Sehen
Hören und Riechen
Körperliche Untersuchung
Ba Gang
Die Pulsdiagnose
Technik der Pulsdiagnose
Pulspositionen
Faktoren, die den Puls beeinflussen
Der normale Puls
Die Pulsqualitäten
Die Pulsebenen
Die Zungendiagnose
Die normale Zunge
Zungenfarbe und Zungenbelag
Qi Jing Ba Mai: Die acht außerordentlichen Gefässe oder Sondermeridiane
Die Funktion der Sondermeridiane
Ren Mai
Du Mai
Yin Wei Mai
Yang Wei Mai
Chong Mai
Dai Mai
Yin Qiao Mai
Yang Qiao Mai
Anwendung und Indikationen der acht Sondermeridiane
Ren Mai
Du Mai
Yin Wei Mai und Yang Wei Mai
Chong Mai
Dai Mai
Yin Qiao Mai und Yang Qiao Mai
Verzeichnisse
Endnoten
Abbildungsverzeichnis
Tabellenverzeichnis
Fotoverzeichnis

Vorwort

Die Motivation für dieses Buch kommt aus der Unterrichtspraxis – ich greife hier bewusst die immer wiederkehrenden Fragen meiner Schüler_innen auf, die auf Schwierigkeiten im Umdenkprozess zwischen östlicher und westlicher Medizin zurückgehen. Oftmals liegen diese darin, dass die zentralen Begriffe Yin und Yang sowie Qi und Blut nicht in die physiologischen und pathophysiologischen Abläufe des menschlichen Körpers übersetzt werden können und das Gedankenmodell der fünf Elemente häufig zu einfach für das gewohnte Verständnis von Krankheit und Behandlung erscheint. Wie eine Schülerin einmal treffend sagte: „Wenn man beginnt, Akupunktur und TCM zu lernen, entsteht erst einmal Verwirrung und im Kopf schwirren die Begriffe Yin und Yang nur so herum und dann allmählich kommt es – mit dem Begreifen – zur Entwirrung.“

Etwas lernen ist das eine, etwas verstehen etwas ganz anderes. Verstehen beginnt in dem Moment, in dem man in der Lage ist, Fragen zu formulieren, Erfahrungen mit Gelerntem zu verknüpfen und in dem man schließlich Erklärungen findet. Mit dem Verstehen ändern sich Sichtweise und Wahrnehmung.

In der Auseinandersetzung mit der TCM müssen wir lernen, unsere Wahrnehmungen zu ändern und uns von der Sichtweise der modernen, wissenschaftlichen und forschungsorientierten Medizin zu lösen. Das heißt, man muss den eigenen Blick und die Ohren öffnen und sich auf diese Sichtweise einzulassen. Dabei liegen die Grundsätze der östlichen und westlichen Medizin oftmals gar nicht so weit auseinander wie es auf dem ersten Blick erscheint. Die wesentlichen Unterschiede zwischen den beiden Richtungen ergeben sich aus den Definitionen und dem Verständnis von Krankheiten und ihren Ursachen und – in der Konsequenz – in den Therapieansätzen. Das Faszinierende an der TCM ist ihr ganzheitliches Konzept, das ebenso Physiologie und Psychologie des Menschen erfasst wie sie pathophysiologische Abläufe im Organismus und ihre Ursachen beschreibt und begreift. Yin und Yang sind hier das grundlegende Gedankenmodell, das eine Vielzahl von Vorgängen beschreibt und die Abläufe im menschlichen Körper auf eine einfache Art veranschaulicht. Mit dem fünf-Elemente-Modell werden zusätzlich die komplexen Organbeziehungen erklärt. Viele dieser Grundlagen finden sich in unserer und auch in anderen Kulturen wieder. Sie sind nur aus dem Blickfeld verschwunden und ihre Bedeutung in Bezug auf Gesundheit und Krankheit wurde zumeist vergessen. Im Zuge der Entwicklung der modernen, wissenschaftlichen und forschungsorientierten Medizin ist altes Wissen immer weiter in den Hintergrund getreten und in Vergessenheit geraten. Viele Redewendungen aus dem alltäglichen Sprachgebrauch zeigen allerdings eindeutige Parallelen zum Verständnis der TCM. Redewendungen, wie: „Mir Blutet das Herz“, werden verwendet, um Mitleid auszudrücken. Oder man ist mit „Herzblut“ dabei, wenn wir uns für eine bestimmte Sache oder eine Person besonders engagieren. Nach TCM regiert das Herz unser Blut und Mitleid ist die zum Herzen gehörige Emotion, die in den Redewendungen bemerkenswert deutlich Ausdruck findet. Hier jedoch wird das Konzept der TCM komplexer, denn der „Verlust von Herzblut“ gilt als emotionaler pathogener Faktor und wird als Ursache für die Entstehung von Krankheiten gewertet, während die westliche Medizin Organfunktion isoliert betrachtet und Geist und Seele tendenziell von der körperlichen Ebene trennt.

Das vorliegende Buch führt Sie von den historischen Anfängen, über die Grundlagen bis hin zu ersten Behandlungsstrategien in der TCM. Es hat nicht den Anspruch, eine vollständige Anleitung für Behandelnde in TCM und Akupunktur zu sein. Vielmehr soll es, ergänzend zu einer grundständigen Ausbildung, diejenigen Fragen beantworten, die im Kontext der Unterschiede und Ähnlichkeiten zwischen Schulmedizin und TCM immer wieder auftreten. Die philosophischen Grundlagen der TCM, die Begriffe und Systematisierungen werden hier praxisorientiert betrachtet. Durch Grafiken und Fotos wird dies an geeigneter Stelle verdeutlicht und illustriert.

Als Schülerin von Rhada Thambirajah habe ich ihr Gedankenmodell über die energetischen Zusammenhänge zwischen den Organen und Elementen und den sich daraus ergebenden Indikationen für die Auswahl der Akupunkturpunkte tief verinnerlicht. Betrachtet man den Energieerhaltungssatz, der besagt, dass sich Energie in einem geschlossenen System nicht vermehrt oder verschwindet, so kann sich, auch im Körper, in der Konsequenz Energie nur zerstreuen, ihre Richtung verlieren oder an einer Stelle zentrieren. Mit der Auswahl der Akupunkturpunkte und der Nadelstichtechniken wird Energie also entweder wieder zentriert, zerstreut oder, kurz gesagt, zurück in ihre Bahnen gelenkt. Da der menschliche Körper kein abgeschlossenes System darstellt und es tatsächlich zu einem Verlust von Energien kommen kann, muss in der Behandlung berücksichtig werden, dass Ernährung und Lebensweise wichtige Einflussfaktoren sind, die zu einem Verlust, bzw. Gewinn an Energie führen. Verfolgt man diesen Ansatz nun weiter, wird klar, dass die Akupunktur vorhandene Energien reguliert und fehlende Energien substituiert werden müssen.

In dem Kapitel „Auswahl der Akupunkturpunkte“ werden die wichtigsten energetischen Verbindungen zwischen den Elementen/Organen aufgezeigt und die sich daraus ableitende Wirkung der energetischen Akupunkturpunkte erklärt. Da die Verwendung der Sondermeridiane Teil der energetischen Behandlung ist, habe ich sie hier mit aufgeführt.

Alle in diesem Buch genannten Indikationen für Akupunkturpunkte dienen der Orientierung und dem Verständnis, daher habe ich mir erlaubt, bei einigen Punkten nur die wichtigsten Indikationen aufzuführen und auf die Beschreibung ihrer Lokalisation verzichtet.

Weiter habe ich den allgemein verwendeten Begriff der Qi-Stagnation als Yin-Stagnation (mit Qi-Mangel) bezeichnet. Per Definition beschreibt das Wort Stagnation einen Flüssigkeitsrückstau im Körper, der nach TCM durch einen Qi-Mangel entsteht. Da Qi selber nicht stagnieren kann, sondern die Ursache dafür ist, dass es zu einem Rückstau an Körperflüssigkeiten kommt, scheint mir die Bezeichnung Yin-Stagnation klarer in der Aussage zu sein.

Wenn man anfängt, Akupunktur und TCM lernen und verstehen zu wollen, beginnt man eine weite Reise.

Eine tausend Meilen weite Reise beginnt vor deinen Füßen.

Aus dem Tao Te King: Kapitel 64 (Richard Wilhelm)

In diesem Sinne, liebe Leser_innen, wünsche ich Ihnen viele neue Erkenntnisse auf Ihrer Reise!

Danksagung

Meine Hinwendung zu Traditioneller Chinesischen Medizin und Akupunktur verdanke ich ganz besonders meiner Lehrerin Rhada Thambiraja. Bis zum heutigen Tag schöpfe ich aus dem Wissen, dass sie mir in ihren Kursen vermittelt hat.

Ich bedanke mich auch ganz herzlich bei meinen Schüler_innen. Ihre Anregungen und Fragen waren ein wichtiger Impuls für die Entstehung dieses Buches.

Ohne meine Lektorin Christiane Quandt, die meine Gedanken sortiert hat, mich immer wieder bestärkt und sprachliche Verwirrungen beseitigt hat, wäre dieses Buch nie geschrieben worden. Auch bei Ihr möchte ich mich ganz herzlich bedanken.

Für das Layout, die Covergestaltung und die Umsetzung des  Manuskriptes in eine E-Book Version möchte ich mich ganz herzlich bei Bernd Floßmann bedanken. Mit viel Engagement hat er sich der Aufgabe gestellt, dem Buch die endgültige Gestalt zu geben und dabei – trotz aller Schwierigkeiten – nie seine gute Laune und seinen Humor verloren. 

Nicht zuletzt gilt mein Dank meinem Mann und allen denen, die mich in diesem Projekt geduldig unterstützt und bestärkt haben.

Zu diesem Buch

Dieses E-Books hat ein fliessendes Layout. Der Inhalt wird auf jedem Gerät daher anders dargestellt. Für die beste Darstellung empfehle ich die Benutzung eines IPads oder hochauflösenden Tablets. 

Dieses E-Book enthält viele Tabellen und Bilder. Um diese auf einigen Readern darzustellen, tippen sie bitte zweimal auf die Tabelle, damit sie ganzseitig dargestellt wird. Wenn Ihr Programm das nicht kann, benutzen sie bitte ein anderes Programm.

Manchmal ist es sinnvoll, die Zeichengröße zu verringern oder zu verändern, um den Text besser lesbar darzustellen. 

Das Dao

Geschichtlicher Hintergrund

Die Philosophie der TCM findet ihren Ursprung im Dao bzw. dem sogenannten Daoismus.

Das Dao steht einerseits für das Universelle, aus dem alles Leben entsteht, andererseits auch für den Weg als allgemeines Konzept oder als Lebensweg. Es beinhaltet die Idee, dass der Mensch grundsätzlich mit der Natur, der Welt und dem Universum in Harmonie steht. Nach dieser Vorstellung kann der Mensch in einem paradiesischen Zustand voller Glück, Harmonie und Gesundheit leben. Aus der Vorstellung, dass alles in der Natur befindliche in völliger Harmonie lebt, hat sich das Dualitätsprinzip von Yin und Yang und die Lehre der fünf Elemente entwickelt. Aus diesen Grundlagen und in Zusammenspiel mit empirischen, biologischen, geographischen und medizinischen Beobachtungen ging schließlich die traditionelle chinesische Medizin hervor, die bis heute eine verblüffende Gültigkeit an den Tag legt.

Zeittafel

Ca. 1700 v. Chr.: Xia Dynastie

• Die Lehre von Yin und Yang und den fünf Elementen entsteht.

• Es gibt Kenntnisse über die Zusammenhänge von Blut, Puls und den Körperflüssigkeiten.

• Die Funktion der Lebensenergie Qi ist bekannt.

Ca. 400-200 v. Chr.: Qin Dynastie - Westliche Han Dynastie

• Erste Akupunkturnadeln aus Metall, neun verschiedene Nadeln werden unterschieden und eingesetzt.

• Neben der Akupunktur werden auch Moxibustion, Kräutermedizin und Massagen sowie Wärmeanwendungen therapeutisch eingesetzt.

• Erste schriftliche Aufzeichnungen sind überliefert. 

Ca. 20-220 n. Chr.: Östliche Han Dynastie

• Systematisierungsversuche und Verbindung der Therapieformen: Akupunktur, Moxibustion, Einsatz von Kräutern.

• Festlegung und Dokumentation einzelner Akupunkturpunkte und ihrer Funktion.

Ca. 400-600 n. Chr.: Jin Dynastie

• Es gibt erste Tafeln mit Akupunkturpunkten.

• Die Pulse werden als Diagnosetechnik eingeführt. 

600-900 n. Chr.: Tang Dynastie

• Erstes kaiserliches Büro für Medizin wird eingerichtet.

• Die TCM erhält den Status der wissenschaftlichen Medizin.

• Ärzte müssen eine staatliche Prüfung für Akupunktur ablegen.

• Trennung von Akupunktur/Moxibustion von der Kräuterheilkunde wird eingeführt.

• Es gibt erste farbige Akupunkturtafeln.

900- 1400 n.Chr.: Zeit der fünf Dynastien (Liang, Tan, Han und Zhou)

• Akupunkturpunkte und Meridiane werden überarbeitet.

• Es gibt erste Akupunkturpuppen als Modelle.

• Spezialisierung der Akupunktur auf einzelne Fachgebiete.

• Indikationen für Moxibustion werden erstellt.

• Einführung von drei pathogenen Ursachen für Krankheiten.

• Erste Autopsien werden durchgeführt.

1350-1650 n. Chr.: Ming Dynastie

• Schriften über Akupunktur werden gesammelt und überarbeitet.

• Studien zur Anwendung von Akupunkturpunkten werden durchgeführt.

• Die Sondermeridiane werden von den zwölf regulären Meridianen getrennt und beschrieben.

1650-1850 n. Chr.

• Akupunktur/Moxibustion verliert an Bedeutung.

• Kräutertherapie wird als bessere Therapieform betrachtet.

• Dennoch werden Syndrom-Differenzierungen gemacht; 361 Akupunkturpunkte werden benannt und 14 Meridiane werden festgelegt.

• An der Kaiserlich-Medizinischen Hochschule in Peking werden die Abteilungen für Akupunktur und Moxibustion geschlossen.

• Akupunktur wird nicht weiter als kaiserliche Therapie betrachtet.

1840 - 1950

• Durch europäische Kolonisierung treffen westliche und östliche Medizin erstmals aufeinander.

• Die westliche Medizin betrachtet die Akupunktur als „Tortur“.

• Akupunktur wird quasi im Untergrund betrieben und das Wissen weitergegeben.

• Es gibt erste Versuche, die westlichen Lehren mit den östlichen zu verbinden

Ca. 1945

• Erstmaliger Versuch, die Akupunktur in einem Krankenhaus als gleichberechtigte Medizin neben den bis dato üblichen Verfahren zu etablieren.

Seit 1950

• gilt die Akupunktur in der Volksrepublik China als gleichberechtigte Medizin neben der westlich orientierten Schulmedizin. Seither wurden zahlreiche wissenschaftliche Studien über Akupunktur durchgeführt. 

Ca. 1970 

• ist die Akupunktur in den Westen gelangt.

Die drei Ideologien

Zwischen dem 8. und 5.Jahrhundert vor Christus bestanden in China drei Ideologien, die das friedvolle Leben der einzelnen Staaten untereinander regeln und Werte für das Leben in der Gemeinschaft schaffen sollten: der Daoismus, der Konfuzianismus und der Buddhismus. Der Daoismus hat sich aus dem Buddhismus entwickelt und ist noch heute die philosophische Grundlage der traditionellen chinesischen Medizin.

Daoismus

Der Daoismus ist eine Naturphilosophie, die auf den Lehren aus den Gesetzen des Himmels und der Erde basiert. Das heißt: Die Rhythmen der Natur werden beobachtet, um das Prinzip des Lebens zu verstehen. Es ist das Gesetz von Geburt, Wandel, Veränderung, Tod und Wiedergeburt. Dieses Gesetz beruht auf den drei Säulen: Gesundheit, Weisheit und Ewigkeit.

Konfuzianismus

Als Konfuzianismus wird die Lehre der Ahnen des Konfuzius bezeichnet, die sich aus alten Schriften und Traditionen speist. Es handelt sich hierbei um eine rational geprägte Staats- und Sittenlehre, die auf den fünf Tugenden und den drei Pflichten gegenüber der Gesellschaft basiert. Es herrscht ein hierarchisches Verhältnis durch Unterordnung und Überordnung. 

Die fünf Tugenden:

• Gerechtigkeit

• Nächstenliebe

• Sittlichkeit

• Weisheit

• Aufrichtigkeit

… bilden die Grundlage für die drei Pflichten:

• Loyalität/Respekt

• Verehrung der Ahnen

• Wahrung des Anstands und der Sitten

Buddhismus

Basiert auf dem Grundgedanken der vier Wahrheiten:

• Wahrheit des universellen Lebens

• Wahrheit über die Entstehung des Leidens

• Wahrheit von der Aufhebung des Leidens

• Wahrheit vom Weg zur Aufhebung des Leidens

Der Mensch wird entsprechend seinem Leben so lange wiedergeboren, bis er würdig ist, das Nirwana zu erreichen.

Alle drei Ideologien existierten nebeneinander und gehen z.T. ineinander über:

„Der Buddhismus ist für den Geist zuständig, der Daoismus für den Körper und der Konfuzianismus für die Gesellschaft.“{1}

Allen Ideologien ist eines gemeinsam: Sie schaffen Werte für das Leben in der Gemeinschaft und für das friedvolle Leben der einzelnen Staaten nebeneinander.

Die verschiedenen Aspekte des Dao

Die Idee des Dao zu beschreiben, gestaltet sich schwierig. Laotse gilt mit seinem Tao Te King als Begründer der Lehre des Dao. Das Dao beschreibt das universelle Prinzip des Lebens, das besagt, dass alles Leben und alle Dinge einem ständigen Wandel und ständigen Veränderungen unterworfen sind. Es beschreibt zyklische Abläufe, die die Grundordnung der Welt darstellen. In der Beobachtung von Natur und dem Wirken ihrer Rhythmen und Abläufe auf den Menschen wurden komplexe Erkenntnisse über die biologischen Vorgänge im menschlichen Körper gewonnen. Geographische Gegebenheiten, die das Leben der Menschen in Hinblick auf Klima, Ernährung und Lebensweise beeinflussen, werden dabei ebenfalls berücksichtig. Weiter enthält das Tao Te King neben politischen und kulturellen Aspekten, die das Zusammenleben einer Gemeinschaft regeln, auch philosophische Gedanken über Endlichkeit bzw. Unendlichkeit des Seins.

Aus dem Dao gehen die Polaritäten Yin und Yang und die Lehre der fünf Elemente hervor.

Diese bilden auch heute noch die Grundlage der traditionellen chinesischen Medizin (TCM).

Das Dao als Grundlage aller Dinge

Das Dao stellt in der chinesischen Philosophie den Anfang ALLER Daseinsformen dar.Es steht VOR der Entstehung der Welt – es steht jenseits von Zeit und Raum und durchdringt alles. Es ist der Raum, in dem alle Lebewesen (Menschen, Tiere, Pflanzen), alle materiellen Dinge, das All und selbst Gott existieren. Aus dem Dao gehen ALLE Dinge hervor und folgen den ihnen beschiedenen Abläufen von Geburt, Tod und Wiedergeburt, wobei sie einem ständigen Wandel, ständigen Veränderungen unterworfen sind.

Dao: der Weg

Dao steht für den Weg, das Prinzip oder für den „richtigen Weg“.

Laotse spricht im Tao Te King von dem Weg (Dao), den jeder für sich selbst finden muss, denn das Dao könne man nicht erlernen

Aus dem Dao geht hervor, dass man mit sich, seinen Mitmenschen und seiner Umwelt in Harmonie leben soll. Hält sich der Mensch an die Regeln des Dao, so wird ihm Gesundheit und ein langes Leben gewährt. Das Idealbild des Dao entspricht in etwa unserer Vorstellung vom Paradies. Eine weitere Interpretation des Dao geht aus der Symbolik des Schriftzeichens hervor, das sich aus den Zeichen für Kopf und Fuß zusammensetzt.

Klaus-Dieter Platsch übersetzt dies folgendermaßen:

„Wenn man zum Gehen seines Weges nicht nur die Füße benutzt, sondern auch seinen Kopf, so wird das Gehen bewusst.“{2}

Das Dao aus philosophischer Sicht stellt die grundsätzliche Frage nach dem Sein und der Existenz. Es ist die Frage, die schon seit Anbeginn aller Zeiten gestellt wird. So haben sich namhafte Philosophen und Dichter wie Epikur, Heraklit, Schopenhauer, Kant und Shakespeare – um nur wenige zu nennen – mit der Frage beschäftig:„Ist die Welt/unser Dasein Endlich oder Unendlich?“„Wenn es eine Unendlichkeit gibt, wo fängt sie an, wo hört sie auf?“Aus philosophischer Perspektive steht das Dao für die Unendlichkeit – für den Raum, die Leere, die gefüllt werden muss. Aus der Frage nach dem Sinn entwickelt sich das bewusste Handeln im Umgang mit der Natur und ihren Gesetzen. Das Sich-bewusst-Sein in allen Dingen des täglichen Lebens und im Umgang mit sich und seinen Mitmenschen. 

Wu Wei

Aus dem Dao geht die Dualität von Yin und Yang hervor. Die erste Dualität im Dao findet sich im Wu Wei und der Harmonielehre. Das Wu Wei beinhaltet das Prinzip des Nicht-Handelns, während die Harmonielehre danach strebt, eine gestörte Ordnung wieder herzustellen. Hier geht es um die Balance zwischen Handeln und Geschehen-Lassen.

Abbildung 1: Das Prinzip des Wu Wei

Das Prinzip des „Nicht-Handelns“ lehrt uns, uns den Gegebenheiten anzupassen und nichts zu erzwingen. Es ist das Prinzip des Loslassens und des überlegten Handelns, um zum Ziel zu kommen. Sinnbildlich kann das Wu Wei mit dem Sprichwort: „In der Ruhe liegt die Kraft“, ausgedrückt werden.

In Kapitel 43 Laotziin der Übersetzung von R. Wilhelm heißt es hierzu:

„Das Allerweicheste auf Erden überholt das Allerhärteste auf Erden. Das Nichtseiende dringt auch noch ein in das, was keinen Zwischenraum hat. Daran erkennt man den Wert des Nicht-Handelns. Die Belehrung ohne Worte, den Wert des Nicht-Handelns erreichen nur wenige auf Erden.“{3}

In Kapitel 78 wird die Frage „Was ist das ‚Allerweicheste auf Erden‘?“ wie folgt beantwortet:

„Auf der ganzen Welt gibt es nichts Weicheres und Schwächeres als das Wasser. und doch in der Art, wie es dem Harten zusetzt, kommt nichts ihm gleich. Es kann durch nichts verändert werden. Dass Schwaches das Starke besiegt und Weiches das Harte besiegt, weiß jedermann auf Erden, aber niemand vermag danach zu handeln.“{4}

Die Lehre von Yin und Yang

Das Grundprinzip von Yin und Yang stellt das Grundprinzip des Universums dar:

Alle Dinge – materielle, wie immaterielle – bestehen aus zwei gegensätzlichen Aspekten: 

Yin und Yang

„Das Urprinzip bewegt sich und erzeugt Yang. Wenn die Bewegung ihr Ende erreicht, so wird sie still, und diese Stille erzeugt Yin. Wenn diese Stille ihr Ende erreicht, dann geht sie wieder in Bewegung über. So haben wir abwechselnd bald Bewegung, bald Ruhe. Sie beide bilden zusammen die Basis, von der aus durch Abtrennung Yin und Yang entstehen und auf der die beiden Modi ruhen.“{5}

Das Gedankenmodell von Yin und Yang ist nicht als starres System zu verstehen, vielmehr spiegelt es die zwei Seiten eines Jeden wider. Yin und Yang symbolisieren das Gegensätzliche und bilden gleichzeitig ein untrennbares Ganzes. Aus diesem Gegensatz und der gleichzeitigen Ganzheit ergeben sich die vier Grundprinzipien zwischen Yin und Yang:

Die vier Grundprinzipien

Abhängigkeit voneinander: das eine kann ohne das andere nicht existieren

Gegenseitiger Verbrauch

Gegenseitige Unterstützung und

Gegenseitige Umwandlung

Yin kann ohne Yang nicht existieren und umgekehrt. Wenn Yin dunkel ist, ist Yang hell. Dunkelheit und Helligkeit bilden zwei gegensätzliche Aspekte und können nur in ihrem Gegensatz existieren. Ohne Dunkelheit kann es keine Helligkeit geben – ohne Licht gibt es keinen Schatten. Daraus ergibt sich zugleich die gegenseitige Umwandlung. Der Tag wandelt sich mit dem Sonnenuntergang in die Nacht. Die Nacht wandelt sich mit dem Sonnenaufgang in den Tag. Yin und Yang unterliegen einem zyklischen Wechselspiel, bei dem es zu einem gegenseitigen Verbrauch kommt; überwiegt die eine Energie, so kommt es zu einem Verlust bzw. einer Schwächung der anderen Energie. Im Winter, wenn Yin überwiegt, kommt es zu einer Schwächung von Yang. Die Natur stellt ihr Wachstum ein und geht in eine Ruhephase über. Flora und Fauna ziehen sich zurück, um neue Energie zu schöpfen. Mit dem Frühjahr wird Yin schwächer und es kommt zu einem Überwiegen von Yang. Die Tage werden länger, die Temperatur steigt und die Natur grünt und blüht. Dieser physiologische Wechsel ist maßgeblich wichtig für die Regeneration der Energien. Kann das Verhältnis zwischen den Wechseln nicht gewahrt werden, so kommt es zu Störungen in den natürlichen Abläufen. Der Klimawandel ist hierfür ein aktuelles Beispiel. Die gegenseitige Umwandlung ergibt sich aus den zyklischen Prozessen – das Yin des Winters wandelt sich in das Yang des Sommers.

Jede Energie enthält zudem einen Teil der entgegengesetzten Energie. Jedes Yin beinhaltet einen Teil Yang und umgekehrt. Das beschriebene Wechselspiel der Energien zeigt, dass es in der Natur nichts Absolutes gibt. Hier findet sich weder absolute Dunkelheit noch absolute Helligkeit. Jedes Organ, jede Körperzelle besteht aus einem Teil Yin (Substanz) und hat gleichzeitig eine Funktion (Yang) – je nach Spezifikation ist der Anteil an Yin und Yang unterschiedlich.

Abbildung 2: Yin im Yang/Yang im Yin

Merke:

Yin kann ohne Yang nicht existieren und umgekehrt. Sie sind abhängig von einander.

Sie sind IMMER bestrebt, in Harmonie zu bleiben.

Jedes Yin beinhaltet einen Teil Yang und jedes Yang beinhaltet einen Teil Yin.

Das Grundprinzip von Yin und Yang wird auf den menschlichen Organismus übertragen. Yin und Yang stehen für die physiologischen und pathophysiologischen Prozesse des Organismus. Darüber hinaus können im Verständnis von Yin und Yang alle Faktoren, die von außen auf den Körper einwirken, mit eingebunden werden; die Krankheit wird somit nicht aus dem Kontext von Umwelt, Klima, Lebenssituation, Ernährung und emotionaler Verfassung herausgelöst.

Yin und Yang

Yin- und Yang-Organe

 Die Organe werden je nach anatomischem Aufbau und Funktion in Yin- (Zang-) und Yang-

 (Fu-) Organe unterschieden. Yang- oder Fu-Organe sind Hohlorgane. Sie dienen der Aufnahme, Verarbeitung, Weiterleitung und Ausscheidung von Stoffen.

Fu- (Yang)-Organe:

Dünndarm und San Jiao 

Magen

Dickdarm

Blase

Gallenblase

Zang- (Yin-) Organe

Yin- oder Zang-Organe sind Speicherorgane bzw. parenchymatöse Organe. Hier ist das Herz eine Ausnahme, da das Herz rein von der Klassifikation ein Hohlorgan ist. Fast alle Krankheitssyndrome und Störungen werden den Yin-Organen zugeordnet, da sie in der TCM die Essenz und damit die stoffliche Grundlage darstellen. Sie speichern Nährstoffe, Qi, Blut und Körperflüssigkeiten, um Organe und Gewebe zu versorgen.

Yin-Organe sind:

Herz/Perikard

Milz-Pankreas

Lunge

Niere

Leber

Lokalisierung von Yin und Yang

Der Mensch empfängt Yang-Energie aus dem Himmel und Yin-Energie aus der Erde.

Wenn man sich einen Arbeiter auf dem Feld vorstellt, bekommt man ein Bild von der Lokalisierung und dem Verlauf der Yin-und Yang-Leitbahnen. Die Yin-Energie aus der Erde zieht von den Füßen über die Innenseiten der Extremitäten zur Körpervorderseite. Die Energie fließt von unten nach oben. Die Yang-Energie aus dem Himmel wird durch die Körperrückseite und die lateralen Körperseiten aufgenommen, die Energie fließt von oben nach unten. Vereinfacht kann man sagen: alle Yin-Meridiane verlaufen auf der Körpervorderseite und an den Innenseiten der Arme und Beine. Alle Yang-Meridiane verlaufen am Rücken und über die lateralen Körperseiten sowie außen und lateral der Arme und Beine. Hier gibt es jedoch eine Ausnahme: der Magen-Meridian zieht lotrecht über den Thorax und das Abdomen.

Die Yin-Meridiane der unteren Extremitäten beginnen an den Zehen und ziehen nach oben zum Körperstamm. Die Yang-Meridiane der unteren Extremitäten beginnen in Gesicht- und Kopfbereich und enden an den Zehen.

Die Yin-Meridiane der oberen Extremitäten beginnen an den Oberarmen und im Brustbereich und enden an den Fingern. Die Yang-Meridiane der oberen Extremitäten beginnen an den Fingern und ziehen aufwärts zur Schulter und zum Gesicht.

Yin- und Yang-Zeiten

Sonne und Mond nähren die Energien von Yin und Yang im Organismus. Sonne und Helligkeit stehen für Yang und nähren Yang-Energie. Mond und Dunkelheit stehen für Yin und nähren Yin-Energie.

Yang im Yang

12 Uhr mittags: die Sonne steht auf ihrem höchsten Stand, Yang hat sein Maximum erreicht, Yin-Einfluss ist kaum vorhanden.

Es ist die Zeit, in der die maximale Yang-Energie auf den Organismus einwirkt. Menschen mit einer Yang-Schwäche fühlen sich um diese Uhrzeit am besten.

Yin im Yang

Nachmittag/früher Abend: die Sonne verliert an Höhe, der Mond geht auf, der Einfluss von Yin nimmt zu, Yang verliert an Kraft

Yin im Yin

Mitternacht: Yin hat sein Maximum erreicht, Yang-Einfluss ist kaum vorhanden. Es ist die beste Zeit, Yin zu füllen, die beste Zeit für einen erholsamen Schlaf.

Yang im Yin

Früher Morgen: Yin verliert an Kraft, die Sonne geht auf und Yang gewinnt an Energie.

Abbildung 20: Yin und Yang Phasen im Tagesverlauf

Die Lebensphasen

Die Jahreszeiten stehen symbolisch für den Lebenszyklus eines Menschen. Der Zyklus von Geburt, Heranwachsen, Reifen, Altern und schließlich Sterben und Tod ist der natürliche Weg aller Lebewesen. Jede Phase des Lebens ist geprägt von altersbedingten Abläufen, Erfahrungen und Veränderungen. Die einzelnen Lebensphasen werden den Jahreszeiten zugeordnet und unterliegen, wie die Natur selbst, einem fortwährenden Wandel.

Der Frühling

Der Frühling gehört zum Holz-Element:

Der Frühling steht für die Geburt und die Kindheit bis zum jungen Erwachsenenalter. Das Symbol des Holz-Elements ist der Bambus. Ähnlich einem Bambussprössling wächst und gedeiht das Kind. Der Sprössling verwurzelt sich in der Erde und streckt sich in den Himmel. Er breitet sich an den Seiten aus und schafft sich Raum. Der Bambus ist stark und fest in seiner Struktur, gleichzeitig auch biegsam und anpassungsfähig. Überträgt man das Bildnis des Bambus‘ auf das Kind, wird deutlich, dass der Frühling die Lebensphase des Wachstums, der Verwurzelung im Leben und des Raum-Nehmens ist. Mit der Trotzphase und der Pubertät entdeckt das Kind das eigene Ich und grenzt sich damit – zunächst von der Mutter, später von beiden Eltern, ihrer Lebensanschauung und oft auch von ihrem Wertedenken – ab. In der Pubertät entwickeln sich häufig Wut und Aggressionen gegen das eigene Ich, gegen die Umwelt und gegen die Gesellschaft. Dies ist ein Abgrenzungsprozess, der notwendig ist, um die eigene Persönlichkeit zu finden und dem eigenen Ich einen Raum zu geben. Gleichzeitig mit dieser zweiten Abnabelung geht das Kind hinaus in die Welt, nimmt Kontakt auf und beginnt, seine Zukunft zu planen. In der ersten Lebensphase ist das Yang des Frühlings nicht ausgeglichen, daher kommt es oft zu überschießenden Reaktionen und Wutanfällen. Das Kind versucht durch Kontrolle und Manipulation seine eigenen Interessen durchzusetzen, wozu es Kreativität und Phantasie benötigt, aber auch Kraft und Durchhaltevermögen. Die Gallenblase steht hier für Mut, Initiative und Durchsetzungskraft. Körperlich finden in dieser Lebensphase viele Veränderungen statt. Die Muskulatur bildet sich aus und wird kräftig. Die Knochen verfestigen sich und das Kind wächst. Es finden zwei Zahnwechsel statt. Bei Mädchen beginnt die Menarche und mit ihr füllen sich Chong Mai und Ren Mai mit Blut. Beim Jungen entwickeln sich die Hoden und er wird zeugungsfähig.

Der Sommer

Der Sommer gehört zum Feuer-Element:

Der Sommer ist die Zeit des jungen Erwachsenenalters. Er gehört zum Feuer-Element und spiegelt die Eigenschaften eines lodernden Feuers wider. Feuer ist dynamisch, wärmend, sprühend und lebendig. Der junge Erwachsene ist auf dem Höhepunkt seiner körperlichen und geistigen Leistungsfähigkeit. Diese Zeit des Lebens ist geprägt von Lebensfreude und Neugierde auf das Leben und die Liebe. Der junge Erwachsene hat sich jetzt vollständig von den Eltern und dem Zuhause abgenabelt und geht hinaus in die Welt. Er will die eigene Welt entdecken und probiert sich aus. Er ist kommunikativ und offen für alles. Es ist die Zeit, in der der junge Mensch den Grundstein für sein weiteres Leben legt. Er tritt in das Berufsleben ein und sucht sich einen Partner. Auch hier ist noch nicht alles festgelegt – es wird ausprobiert. Das Wärmende des Feuers steht für Liebesfähigkeit, Intuition und Mitgefühl.

Körperlich und geistig ist der junge Erwachsene auf dem Höhepunkt der eigenen Leistungsfähigkeit.

Der Spätsommer

Der Spätsommer gehört zum Erd-Element:

Der Spätsommer ist die Zeit des Reifens und der Stabilität. Als Spätsommer des Lebens wird die Zeit zwischen dem 30. und 40. bzw. 50. Lebensjahr bezeichnet. Während der Sommer die Zeit des Ausprobierens und des Sammelns von Erfahrungen ist, ist der Spätsommer die Zeit, in der neue Erfahrungen mit bereits gewonnen Erkenntnissen verknüpft werden. Der Mensch hat jetzt aus seinen Erfahrungen gelernt und ist nicht mehr für alles offen und auch nicht mehr uneingeschränkt spontan. Er hat jetzt eine Familie gegründet, hat sich in seinem Beruf etabliert und sich sein soziales Umfeld geschaffen. Er ist jetzt fest im Leben verwurzelt. Mit der Familiengründung und dem Erreichen des sozialen Status‘ wägt er sorgfältig sein Tun und Handeln ab. Er stellt sich die Frage nach dem Sinn des Lebens und definiert seine eigenen Werte. In dieser Lebensphase steht die Fürsorge für die eigene Familie im Mittelpunkt. Das Leben zentriert sich um das eigene Umfeld. Die Spontanität und Flexibilität weicht einem sorgfältigen „Abwägen von Für und Wider“. Der Mensch wird nachdenklicher und ihm wird die Endlichkeit des eigenen Seins bewusst.

Auf körperlicher Ebene beginnen die ersten – noch fast unmerklichen – Abbauprozesse.

Die körperliche und geistige Leistungsfähigkeit lässt etwas nach und es bilden sich erste Fältchen.

Der Herbst

Der Herbst gehört zum Metall-Element:

Der Herbst ist die Zeit der Ernte. Er umfasst den Lebensabschnitt zwischen dem 50. und dem 60. Lebensjahr. Im Herbst wird die Ernte eingefahren und die Natur bereitet sich auf den Winter vor. Die Bäume verlieren ihr Laub und die Gräser werden trocken. Die Natur stellt das Wachstum ein und zieht sich zurück. Im Herbst des Lebens erntet der Mensch die Früchte seines Schaffens. Blickt der Mensch auf ein reiches und erfülltes Leben zurück, kann er sich zurückziehen und loslassen. Er hat durch seine gelebten Erfahrungen zu einer gewissen Lebensweisheit oder Lebensklugheit gefunden. Die leuchtenden Farben des Herbstes und die milde Wärme der Sonne repräsentieren das noch vorhandene Yang des Sommers, aber der ältere Mensch lebt nicht mehr im Überschwang, sondern er ruht in sich selbst und grenzt sich immer mehr ab von allgemeinen Belangen. Er ist nun mehr auf die eigenen Bedürfnisse ausgerichtet.

Die körperlichen Abbauprozesse schreiten weiter fort und die ersten Zeichen der Alterung werden sichtbar. Wie der Baum seine Säfte nach innen zieht, wird auch der alternde Mensch trockener. Zeichen dafür sind: Faltenbildung, Gelenkerkrankungen und die Abnahme der Körpergröße. Bei der Frau beginnt nun das Klimakterium und der Mann verliert seine Zeugungsfähigkeit. Die Haare beginnen, grau zu werden und auszufallen.

Der Winter

Der Winter gehört zum Wasser-Element:

Der Winter ist der letzte Lebensabschnitt eines Menschen. Er steht für das Alter und den Tod. Gleichzeitig jedoch steht der Winter auch für den Lebensbeginn. Im Winter hat sich die Natur in sich selbst zurückgezogen und erscheint tot und düster. Dennoch entwickeln sich im Erdreich und in den Bäumen und Sträuchern – tief im Verborgenen – neue Samen und Triebe. Dieser unsichtbare Neubeginn steht für den Anfang des Lebens; für die Befruchtung der Eizelle. Die Niere gehört zum Wasser-Element und versinnbildlicht damit Fortpflanzung, Schwangerschaft und Geburt. Das hohe Alter geht mit einem Verlust an Lebensenergie einher. Die Nieren repräsentieren den Sitz der Lebensenergie. Hier wird unterschieden zwischen der ererbten – der vorgeburtlichen Energie – und der erworbenen – der nachgeburtlichen Energie. Die vorgeburtliche Energie entspricht der ererbten Konstitution, während die nachgeburtliche Energie durch Lebensweise und Ernährung beeinflusst wird.

Im Alter kommt es zu einem physiologischen Verlust von Yin und Yang. Der Yin-Verlust wird sichtbar durch die Abnahme der Körpergröße, durch den veränderten Stoffwechsel, und die Abnahme der Hormonproduktion. Der Anteil an Körperflüssigkeiten vermindert sich.

Es kommt zu einer deutlichen Verminderung der körperlichen Belastungsfähigkeit und zu einer Einschränkung der kognitiven Leistungen. Inkontinenz, Bewegungseinschränkungen und Stoffwechselveränderungen zeigen die eingeschränkten Organfunktionen an.

Der alternde Mensch zieht sich mehr und mehr aus dem allgemeinen Leben zurück und ist mit sich selbst beschäftigt. Sein Blickfeld wird enger und auch seine Interessen sind immer mehr auf die eigenen Bedürfnisse ausgerichtet.

am Ende des Lebens leuchtet Yang noch einmal auf. Dieses Yang braucht der Organismus für die letzte Wandlung – es ist die Energie, die zum Sterben benötigt wird. Manchmal wird dieses kurze Aufleuchten des Yang noch sichtbar. Der sterbende Mensch wird noch einmal richtig wach und ganz klar in seinen Gedanken.

Der Zyklus der Jahreszeiten stellt das Leben eines Menschen von der Geburt bis zum Tod dar. Es ist ein stetiger Wandlungsprozess, der seinen eigenen biologischen Regeln folgt.

Wird dieser Prozess unterbrochen oder kommt es zu Störungen in seinen Abläufen, können sich daraus Krankheiten entwickeln. In der heutigen Zeit kommt es allerdings bereits zu Verschiebungen in den Abläufen. Die Zeit der Kindheit und der Jugend hat sich stark verkürzt, während sich die Zeit des „Jung-Seins“ deutlich verlängert hat. Durch unsere digitalisierte Welt und die daraus resultierende Bewegungsarmut kommt es bei Kindern und Jugendlichen oft zu motorischen Störungen, die Ausdruck einer Leberschädigung sind. Phantasie und die Kreativität, die Kinder beim Spielen entwickeln, können sich durch ihren durchstrukturierten Alltag oft nicht mehr voll entfalten. Dies kann zu Leber- und Herz-Pathologien führen. Wachsender Leistungsdruck und Überforderung führen immer häufiger zu einem Burnout. Hat ein Kind oder ein junger Mensch nicht die Möglichkeit, seine eigenen Fehler zu machen und dabei Erfahrungen zu sammeln, so wird der Reifeprozess gestört, was wiederum zu Störungen im Erd-Element führen kann. Älterwerden ist in unserer Zeit nahezu ein Tabuthema geworden. Dies drückt sich beispielsweise im alltäglichen Sprachgebrauch mit Redewendungen wie: „50 ist das neue 30“ aus. Dank moderner Medizin, Kosmetik und guter Ernährung schreitet der körperliche Alterungsprozess langsamer als noch vor 20-30 Jahren fort. Dies kann jedoch zu einer ständigen Überlastung und Überforderung der natürlichen Leistungsfähigkeit führen.

Bedeutung von Yin und Yang

Die Symptome und Beschwerden eines Patienten werden nach Yin und Yang differenziert.

Bedeutung von Yin und Yang:

Yin steht für:

Nacht, Dunkelheit

Ruhe, Passivität

Kälte

Feuchtigkeit, Nässe

Substanz: Körperflüssigkeiten, Gewebe

Absteigend

Dumpf, düster

Zusammenziehend

Innen, unten

Farbe: schwarz, blau

Yang steht für:

Tag, Helligkeit, Licht

Aktivität, Bewegung

Wärme, Hitze

(Trockenheit)

Funktion

Aufsteigend

Scharf, stechend, brennend

Verstreuend, nach außen gerichtet

Außen, oben

Farbe: rot

Tabelle 1: Yin und Yang

Yin-Zeichen sind:

Kältezeichen:

• alle Beschwerden, die durch Kälte hervorgerufen werden, oder die sich durch Kälte verschlimmern

• Körperhaltung: gekrümmt, nach vorne gebeugt, Rundrücken

• Steifheitsgefühl in Muskeln und Gelenken

• Abneigung gegen kalte Speisen und Getränke

Ruhe/Nacht:

• Beschwerden, die in Ruhe auftreten oder durch Ruhe schlechter werden

• Beschwerden, die in der Nacht auftreten und über Tag besser werden (gehen häufig mit Kälte einher)

• Introvertiertheit

Schmerzen:

• Yin-dominante Schmerzen: dumpf, drückend oder nach unten ziehend

dumpf/düster:

• Ausstrahlung/Stimmungslage: dumpf und düster

blau/schwarz:

• marmorierte Haut, Ringe unter den Augen, blaue Lippen, Mitralbäckchen oder Besenreiser und blaue Flecken

absteigend:

• Symptome, die entstehen, wenn Yin nicht aufsteigen kann: Ödeme, Ausfluss

• Symptome und Beschwerden in der unteren Körperhälfte

Substanz:

• Körpersubstanz: Fett- und Muskelgewebe

• Körperflüssigkeiten, Blut

• Yin-Dominanz: zu viele Körperflüssigkeiten (Ödeme, Nasensekret, Bronchialsekret, Verdauungssäfte, Blut, Tränenflüssigkeit)

• Yin-Mangel: zu wenige Körperflüssigkeiten und zu wenig Blut (blutmangel), Trockenheit (trockene Haut, trockene Schleimhäute)

Yang-Zeichen sind:

Wärme/Hitzezeichen:

• Erkrankungen und Beschwerden, die mit Hitze einhergehen: Fieber, Entzündungen und lokale Überwärmung der Haut

• Hauterkrankungen, die mit hochroten Effloreszenzen einhergehen

• Wärmeintoleranz, Unverträglichkeit von Wärme

• Abneigung gegen warme Speisen und Getränke

Licht/Helligkeit:

•   Beschwerden, die durch Licht/Helligkeit ausgelöst werden, sich verschlechtern oder im Laufe des Tages zunehmen (z. B. Lichtempfindlichkeit bei Kopfschmerzen und Migräne)

Aktivität und Bewegung:

• Beschwerden, die durch Aktivität, im Laufe des Tages oder durch Stress ausgelöst werden oder zunehmen

Trockenheit:

• Trockenheit ist immer ein Yin-Mangel. Kommt es zu einem Yin-Mangel, wird Yang-dominant und es entstehen Hitzezeichen.

Merke: Trockenheit ist IMMER ein Yin-Mangel und geht mit Hitze einher!

Funktion: Bezieht sich auf die Körperfunktionen:

• Überfunktion: beschleunigter Stoffwechsel bei Hyperthyreose, Durchfall, Erbrechen, Asthma bronchiale, Allergien

• Unterfunktion: herabgesetzter Stoffwechsel bei Hypothyreose, träge Verdauung, Einschränkungen der Sinnesfunktionen wie Schwerhörigkeit, Geschmacks- und Geruchsverlust, Zirkulationsstörungen wie mangelnde Durchblutung

Aufsteigende Symptome:

• Hitzewallungen, Erbrechen oder Schmerzen, die von unten nach oben ziehen

• Schmerzqualität bei Yang-dominanten Schmerzen: stechend, bohrend, reißend, hämmernd, zerberstend, scharf

Verstreuend nach außen gehend:

• Verhaltensweisen wie Wutanfälle, Aggression, aber auch Extrovertiertheit, Lachen und Freude

•   Körperfunktionen wie Schweißausbrüche, Ekzeme, Erbrechen, Schmerzen, die von innen nach außen gehen

Rötungen:

• gerötete Haut, gerötete Skleren und Konjunktiven

• lokale Rötung bei Entzündungen

Die Beziehungen von Yin und Yang

Um die pathophysiologischen Muster zu verstehen, muss man die Beziehung zwischen Yin und Yang im Gesunden begreifen. Im Gesunden sind Yin und Yang ausgeglichen, das heißt sie stehen in einem ständigen Wechselspiel zueinander, den Bedürfnissen des Organismus und der Situation entsprechend. Dabei überwiegt mal die eine Energie, mal die andere; im Verhältnis sind sie aber insgesamt gleich stark.

Der Wechsel zwischen Yin und Yang wird beeinflusst durch:

• Aktivitäten: Sport, berufliche Belastung, alltägliche Aufgaben, Stress …

• Ernährung

• Ruhe- und Schlafphasen

• Emotionen

• Klima

Im Gesunden steht der Wechsel zwischen Yin und Yang für ein harmonisches Zusammenspiel zwischen Sympathikus und Parasympathikus. Dieser Wechsel gewährleistet die Organfunktion und reguliert die Homöostase im Organismus.

Abbildung 3: Wechselspiel zwischen Yin und Yang bei Nahrungsaufnahme

Yin- und Yang-Veränderungen in der Krankheit

Wenn Yin und Yang sich nicht mehr den wechselnden Gegebenheiten des Alltags anpassen können, entstehen sogenannte Disharmonien.

Diese können verursacht werden durch die sogenannten pathogenen Faktoren:

• Klima

• Emotionen

• Verletzungen und Traumata

Schädigende Energien:

• zu viel oder zu wenig Bewegung

• zu viel, zu wenig oder falsche Ernährung

Disharmonie-Muster

Bei den Disharmonie-Mustern wird zwischen acht verschiedenen Mustern unterschieden.

Es wird unterschieden zwischen Fülle- und Leere-Mustern, zwischen akuten und chronischen und rezidivierenden oder schubweise auftretenden Mustern.

Die Symptome und der Verlauf einer Erkrankung zeigen an, ob es sich um eine Fülle oder eine Leere handelt.

Wechselspiel zwischen Yin und Yang

Die Energien Yin und Yang sind in ständiger Bewegung. Aktivität, Ruhe, Klima, Emotionen und Ernährung bestimmen das Verhältnis zwischen den beiden Energien. Yin-Energie wird durch Ruhe genährt, das heißt, über Nacht beim Schlafen steigt Yin an. Im Laufe des Tages wird Yin verbraucht, während Yang-Energie durch Bewegung, Aktivität und Lichteinfluss genährt wird. Wird das Verhältnis zwischen Ruhe und Aktivität gewahrt, können Yin und Yang in Harmonie bleiben. Durch den Wechsel von Yin und Yang im Verlauf eines Tages entsteht Bewegung. Diese Bewegung ergibt das Qi.

Entstehung von Beschwerden, Symptomen und Krankheiten:

Wenn Yin und Yang die angestrebte Harmonie nicht halten können und sich das Verhältnis zwischen Yin und Yang dauerhaft verändert, entstehen sogenannte Disharmonie-Muster und Krankheiten.

Einführung in die Disharmonie-Muster

Yang-Fülle, akute Hitze, Wind-Hitze

Yin-Fülle, akute Kälte, Wind-Kälte

Yin – und Yang-Fülle: kann akut oder chronisch auftreten

Auch: Feuchte-Hitze (Entzündungen)

Feuer-Hitze: subakut, rezidivierend auf dem Boden einer Yin-Leere

Yin-Stagnation: subakut, rezidivierend auf dem Boden einer Yang-Leere

Auch: Blut-Stase, Qi-Stagnation, Schleim

Yin-Mangel: chronisch, auch Kälte oder Qi-Mangel genannt

Yang-Mangel: chronisch, auch Kälte oder Qi-Mangel genannt

Yin- und Yang-Leere: chronisch, kann sich aus einer Yin- oder aus  einer Yang-Leere entwickeln.

Feuchte-Hitze

Bei einer Feuchte-Hitze sind Yin und Yang in der Fülle. Dieses Energiebild tritt stets akut oder bei Entzündungen (akut wie chronisch) auf. Das heißt, der Patient zeigt Zeichen von Hitze und Kälte oder Feuchtigkeit.

Das Behandlungsprinzip bei Fülle heißt: die Fülle sedieren.

Es ist jedoch zu beachten, dass bei akuten Erkrankungen eine Energie häufig kompensatorisch als Reparaturmechanismus des Körpers ansteigt. Diese Energie darf nicht sediert werden.

Ursachen:

• Eindringen eines pathogenen Faktors von außen (Hitze und/oder Kälte)

• Entzündungen mit den klassischen Entzündungszeichen (Rötung, Schwellung, Überwärmung, Schmerz, Funktionseinschränkung)

Schmerzen: akut, treten in Yin- und Yang-Situationen auf und haben wechselnden Schmerzcharakter

Abbildung 4: Pathogenese Feuchte-Hitze am Beispiel Sommergrippe

Entzündung mit den klassischen Entzündungszeichen Röte, Überwärmung, Schwellung, Schmerz und Funktionsverlust

Abbildung 5: Pathogenese Entzündung

Yin-Fülle/Kälte

Yin-Fülle bzw. Kälte tritt IMMER als akuter Zustand auf. Eine akute Yin-Fülle entsteht, wenn der pathogene Faktor Kälte oder Feuchtigkeit von außen auf den Körper einwirkt. In der Regel handelt es sich dabei um Kälteeinwirkung, auch in Kombination mit Nässe und/oder Wind. Häufig entsteht die akute Yin-Fülle auch zu Beginn eines Infektes.

Ursachen:

• pathogener Faktor Kälte von außen

• Wind oder Zugluft (Wind-Kälte)

Schmerzen: akute Yin-dominante Schmerzen

Das Behandlungsprinzip heißt: Yin sedieren

Abbildung 6: Pathogenese akute Kälte

Yang-Fülle

Die akute Hitze entsteht durch Hitzeexposition. Hier steigt Yin NICHT kompensatorisch an, um die Hitze zu kühlen. Sie entsteht meist durch körperliche Überanstrengung (Muskeln, Sehnen und Gelenke) oder durch bakterielle und virale Infektionen.

Ursachen:

• Eindringen des pathogenen Faktors Hitze von außen.

Krankheitsbilder können sein:

• Schmerzen, die durch Hitzeeinwirkung und Sonne ausgelöst werden (Sonnenstich, Hitzschlag)

• Überanstrengung der Muskulatur

• bakterielle und virale Infektionen (Lebensmittelvergiftung, Magen-Darm-Infektionen, Beginn eines akuten Infektes der Atemwege)

Symptome: Hitzezeichen:

• sind geprägt durch Unruhe, Rötung von Haut und Schleimhäuten und einer „überaktiven“ Körperfunktion, z. B. Erbrechen und Durchfall.

Schmerzen: akute Yang-dominante Schmerzen

Das Behandlungsprinzip heißt: Yang sedieren, Hitze ausleiten.

Abbildung 7: Pathogenese: Yang-Fülle durch körperliche Überlastung

Der typische Hitze-Schmerz äußert sich durch heftige, stechende und plötzlich auftretende Schmerzen. Die Schmerzqualität kann klopfend, hämmernd oder bohrend sein. Jede Bewegung verschlechtert und intensiviert den Schmerz. Der Betroffene hat ein Verlangen nach Ruhe und Stille. Bei Kopfschmerzen und Migräne klagt der Betroffene über Licht- und Geräuschempfindlichkeit. Er muss sich den Kopf halten, damit dieser nicht „auseinanderspringt“. Gallenkoliken, Nierenkoliken, krampfartige Bauchschmerzen und Bronchospasmus sind ebenfalls Zeichen für Hitze bzw. für eine Yang-Fülle in einem Organ.

Fülle und Leere in einem Organ

Das Energiebild Fülle auf der einen Seite und Leere auf der anderen Seite entsteht durch einen längeren Krankheitsprozess. Es ist der Übergang von einer akuten Krankheit in das chronische Stadium oder entwickelt sich auf dem Boden einer chronischen Krankheit.

a)Subakutes Krankheitsbild:Der Zustand besteht schon seit einigen Wochen bis Monaten.

b)Rezidivierendes Krankheitsbild:Es kann sich  auch um ein Krankheitsbild handeln, das saisonal auftritt (Heuschnupfen, Asthma, Hautkrankheiten), um eine schubweise verlaufende Krankheit (Rheuma im akuten Schub) oder aber um Krankheiten oder Beschwerden, die zyklisch auftreten (z. B. Migräne).

Yin-Stagnation/Blut-Stase

Pathogenese:

Die Yin-Stagnation entwickelt sich im subakuten Krankheitsstadium aus einer ursächlichen Yin-Fülle. Im Verlauf der Erkrankung kann der Körper den Zustand einer Yin-Fülle nicht halten. Yin verbraucht über die Zeit Yang. Dadurch wird Yang geschwächt und es kommt zu einer Yang-Leere bei bestehender Yin-Fülle. Tritt die Erkrankung saisonal, schubweise oder zyklisch auf, entwickelt sich ein überaktives Yin. Dieses entsteht auf dem Boden einer chronischen Erkrankung. In der symptomfreien Zeit ist Yin normal und Yang im Mangel.

Schmerzen: Yin-dominante Schmerzen, Druckschmerz, Anlaufschmerz

Das Behandlungsprinzip heißt: Die Leere (Yang) tonisieren und die Fülle (Yin) sedieren, Feuchtigkeit ausleiten und wärmen.

Hält ein akuter Zustand über längere Zeit an, verbraucht die Fülle die gesunde Energie und es entwickelt sich ein Bild von Fülle und Mangel in einem Organ.

Abbildung 8: Pathogenese Yin-Stagnation/Blut-Stase/Feuchte-Kälte

Abbildung 9: Yin-Stagnation

Ursache für eine Yin-Fülle mit Yang-Mangel in einer Leitbahn oder einem Organ:

Das Einwirken eines pathogenen Faktors über einen längeren Zeitraum bewirkt eine Yin-Fülle mit Yang-Mangel. Das Immunsystem wird geschwächt und der pathogene Faktor dringt ins Innere des Körpers ein. Die Symptome verändern sich. Durch die fehlende Zirkulation von Blut und Körperflüssigkeiten kommt es zu Feuchtigkeit und Schleimansammlung in den Organen und Geweben. Neben den Symptomen der Yin-Stagnation entwickeln sich Kältezeichen, die mit einer Veränderung der Stimmungslage und der Energie einhergehen.

Feuer-Hitze

Durch langanhaltende Hitzeexposition und/oder Schwächung von Yin entsteht Feuer-Hitze.Yang steigt im akuten Zustand an. Nach Wochen bis Monaten wird Yin durch die anhaltende Yang-Fülle geschwächt, Yang verbraucht Yin.Alle Symptome sind gekennzeichnet durch Äußerliche wie innerliche Hyperaktivität.

Ursachen:

• Innere Hitze durch: Schlafmangel, falsche und/oder mangelnde Ernährung, Noxen (Stress, Alkohol, Nikotin)

• Überlastung(körperlich und geistig),

Symptome:

• motorische Unruhe, Nervosität, Rastlosigkeit und Schlafstörungen

• Verhaltensweise: Extrovertiert und z.T. unkontrolliert (cholerisches Verhalten, lebhafte oder überzogene Mimik und Gestik, Redefluss)

• Äußere Zeichen gehen mit Hitze und Rötung einher

• erhöhter Muskeltonus: Muskelkrämpfe, Bronchospasmus, kolikartige Schmerzen

• erhöhte Organfunktion: Durchfälle, Erbrechen und Gewichtsverlust

Schmerzen: Yang-dominant

Das Behandlungsprinzip heißt: die Fülle (Yang) sedieren und die Leere (Yin) tonisieren, Hitze ausleiten und befeuchten.

Hält ein akuter Zustand über längere Zeit an, verbraucht die Fülle die gesunde Energie und es entwickelt sich ein Bild von Fülle und Mangel in einem Organ.

Abbildung 10: Pathogenese: Feuer-Hitze

Abbildung 11: Feuer-Hitze

Yin-Mangel/Leere-Hitze

Besteht eine Krankheit über Monate und Jahre hinweg, so ist sie chronisch geworden.

Die Yang-Fülle, die zu Anfang der Erkrankung bestand, hat über die Zeit Yin-Energie verbraucht und es hat sich ein Krankheitsbild von Yang-Fülle mit Yin-Mangel entwickelt.

Im weiteren Verlauf der Erkrankung erschöpft sich die Fülle und es bleibt der Mangel bestehen. Die Symptome sind gekennzeichnet durch Trockenheit mit oder ohne Hitzezeichen.

Symptome:

• geprägt durch Trockenheit

• Mangel an Körperflüssigkeiten (trockene Haut, trockene Schleimhäute)

• Blutmangel

• Hitzezeichen: Unruhe, Schlafstörungen, hyperaktive Organfunktion

Schmerzen: Yang-dominant

Das Behandlungsprinzip heißt: Yin tonisieren, befeuchten.

Chronische Kälte/Yang-Mangel

Ein isolierter Yang-Mangel entwickelt sich auf dem Boden einer lang bestehenden Kälteerkrankung.

Die ursächliche  Yin-Fülle verbraucht bei fortbestehen der Krankheit Yang und es entwickelt  sich ein Krankheitsbild von Yin-Fülle mit Yang-Mangel.

Im Verlauf der Erkrankung erschöpft sich die Fülle und es bleibt der Mangel bestehen. Es entstehen Yang-Mangelsymptome.

Yang-Mangelsymptome:

• Kältegefühl, Frösteln

• Müdigkeit, Erschöpfung

• Stoffwechselverlangsamung

• Infektanfälligkeit

Schmerzen: Yin-dominant

Das Behandlungsprinzip heißt: Yang tonisieren, wärmen.

Yin- und Yang-Leere

Eine gleichzeitige Yin- und Yang-Leere kann sich im Laufe einer chronischen Krankheit entwickeln. Sie kann aus einer vorausgegangenen Yang-Fülle oder einer Yin-Fülle hervorgehen.

Yin- und Yang-Mangel gehen Hand in Hand. Ein Substanzverlust (Yin-Mangel) kann in der Folge zu einem Funktionsverlust (Yang-Mangel) führen und umgekehrt. In der Regel entwickelt sich eine Yin- und Yang-Leere aus einem vorbestehenden Yin-Verlust.

Yin stellt das Substanzielle dar und steht einerseits für die vorgeburtliche Energie (Nieren-Jing) und andererseits für die nachgeburtliche Energie, die hauptsächlich durch Lebensweise und Ernährungsgewohnheiten beeinflusst wird. Mangelernährung, zu viel Stress und zu wenig Ruhe führen zu einer Erschöpfung von Yin mit – je nach Konstitution – nachfolgender Erschöpfung von Yang. Anhaltende Schlaflosigkeit führt zu einem Yin-Mangel und in der Folge zu einem Yang-Verlust. Der Betroffene ist chronisch müde und erschöpft.

Schmerzen: Treten in Yin- und Yang-Situationen auf und haben unterschiedlichen Schmerzcharakter.

Das Behandlungsprinzip heißt: Yin und Yang tonisieren: wärmen und befeuchten.

Abbildung 12: Pathogenese Yin - und Yang-LEERE am Beispiel Anämie

Symptome: Kälte- und Hitzezeichen können, je nach Auslöser, abwechselnd auftreten:

• Yin kann Yang nicht kontrollieren: Yang steigt unkontrolliert auf=> es entstehen Hitzezeichen

• Yang kann Yin nicht kontrollieren: Yin steigt unkontrolliert auf=> es entstehen Kältezeichen wie Müdigkeit, Erschöpfung, schwache, leise Stimme, Kraftlosigkeit

Energetische Veränderungen im Laufe einer Erkrankung

akutes Krankheitsbild, Beschwerden bis zu 4-6 Wochen

Kennzeichen:

• Je nach Auslöser und Symptomatik können sich im akuten Krankheitsverlauf drei verschiedene Disharmonie-Muster entwickeln:

o Yin-Fülle

o Yang-Fülle

o Yin- und Yang-Fülle

• Es entwickelt sich immer eine Fülle-Symptomatik.

Abbildung 13: Energetische Veränderungen: Akut

Subakutes Krankheitsbild, Beschwerden ab 4-6 Wochen

Kennzeichen:

• anhaltende Fülle verbraucht über die Zeit die andere Energie

• Yin-Stagnation: Feuchtigkeit/Schleim/Ödeme mit Kältezeichen

oder

• Feuer-Hitze: Hitzezeichen mit Yin-Mangelsymptomen (Zeichen von Trockenheit)

Abbildung 14: Energetische Veränderungen: Subakut

Akuter Schub einer chronischen Erkrankung, zyklisch oder saisonal auftretende Erkrankungen: