Alex Rider 1: Stormbreaker - Anthony Horowitz - E-Book
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Alex Rider 1: Stormbreaker E-Book

Anthony Horowitz

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Beschreibung

Der Bestseller ALEX RIDER – die Vorlage zur actiongeladenen TV-Serie! Als Alex Rider vom Tod seines Onkels erfährt, spürt er sofort, dass die Polizei ihm etwas verheimlicht. Er stellt Nachforschungen an – bis ihn der MI6 in sein Hauptquartier zitiert. Und ihm die Wahrheit sagt. Sein Onkel war Geheimagent und hat einen ungelösten Fall hinterlassen: Stormbreaker. Jemand will Englands Schulen attackieren. Und Alex ist der Einzige, der dies noch verhindern kann … Band 1 der actionreichen Agenten-Reihe von Bestseller-Autor Anthony Horowitz Alex Riders Vergangenheit: eine einzige Lüge. Seine Zukunft: liegt in den Händen des MI6. Denn als jüngster Agent aller Zeiten ist er Englands stärkste Geheimwaffe! Erlebe alle Abenteuer von "Alex Rider": Band 1: Stormbreaker Band 2: Gemini-Project Band 3: Skeleton Key Band 4: Eagle Strike Band 5: Scorpia Band 6: Ark Angel Band 7: Snakehead Band 8: Crocodile Tears Band 9: Scorpia Rising Band 10: Steel Claw Vorgeschichte: Russian Roulette

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Als Ravensburger E-Book erschienen 2018Die Print-Ausgabe erscheint in der Ravensburger Verlag GmbH© 2018 Ravensburger Verlag GmbHDie englische Originalausgabe erschien 2000 unter dem Titel Stormbreakerby Walker Books Ltd., 87 Vauxhall Walk, London SE11 5HJ.Published by arrangement with Anthony HorowitzText © 2000 Stormbreaker Productions Ltd.Die deutsche Erstausgabe erschien unter dem Titel Das Geheimnis von Port West2003 im Ravensburger Verlag GmbHCover © Digital Art by Larry RostantVerwendet mit freundlicher Genehmigung von Penguin Books USA.Aus dem Englischen von Karlheinz DürrAlle Rechte dieses E-Books vorbehalten durch Ravensburger Verlag GmbH, Postfach 2460, D-88194 Ravensburg.ISBN978-3-473-38378-8www.ravensburger.de

Wenn es morgens um drei klingelt, gibt es immer schlechte Nachrichten.

Alex Rider wachte beim ersten Klingelton auf. Mit geöffneten Augen blieb er einen Moment lang völlig unbeweglich auf dem Rücken liegen. Er hörte, wie eine Schlafzimmertür leise geöffnet wurde, wie die Stufen knarrten, als jemand zur Haustür hinunterging. Es läutete noch einmal. Alex blickte auf den grün glimmenden Radiowecker: 3.02 Uhr. Unten klirrte es leise, als jemand die Sicherheitskette an der Tür abnahm.

Alex rollte sich aus dem Bett und ging zum offen stehenden Fenster. Seine nackten Füße sanken in den weichen Teppichflor. Mondlicht fiel auf seinen Oberkörper. Alex war vierzehn, schon jetzt kräftig und athletisch gebaut. Sein blondes Haar war kurz geschnitten, bis auf zwei dicke Strähnen, die ihm über die Stirn fielen. Seine braunen Augen blickten ernst. Einen Moment lang stand er völlig still am Fenster, halb verborgen im Schatten, und sah hinaus. Ein Polizeiauto stand vor dem Haus. Von seinem Fenster im Obergeschoss konnte Alex die schwarze Kennnummer auf dem Autodach sehen, und er sah auch die Mützen der beiden Polizisten, die unten vor der Haustür standen. Die Lampe neben der Haustür ging an und gleichzeitig wurde die Tür geöffnet.

»Mrs Rider?«

»Nein. Ich bin die Haushälterin. Was ist los? Ist etwas passiert?«

»Wohnt hier Mr Ian Rider?«

»Ja.«

»Vielleicht können wir einen Moment hereinkommen?«

»Was …?«

Aber Alex kannte die Antwort bereits. Er konnte sie an der Körperhaltung der beiden Polizisten ablesen, die verlegen und unglücklich vor dem Haus standen. Und er konnte sie aus dem Ton ihrer Stimmen hören. Grabesstimmen … so bezeichnete er sie später. Es war der Tonfall, den Menschen anschlagen, wenn sie die Nachricht überbringen müssen, dass jemand gestorben war.

Alex ging zur Schlafzimmertür und zog sie auf. Vom Flur klangen die Stimmen der beiden Polizisten herauf, aber Alex konnte nur einzelne Satzsplitter verstehen.

»… ein Autounfall … Krankenwagen kam sofort … Intensivstation … nichts mehr zu machen … unser herzliches Beileid …«

Erst Stunden später, als Alex in der Küche saß und beobachtete, wie sich das graue Morgenlicht langsam in die Straßen und Gassen Londons ergoss, begann er allmählich zu begreifen, was geschehen war.

Sein Onkel Ian Rider war tot. Auf der Fahrt nach Hause war sein Auto in einem Kreisverkehr von einem Lastwagen erfasst worden; er war noch am Unfallort gestorben. Die Polizisten hatten erklärt, er sei ohne Sicherheitsgurt gefahren, sonst hätte er vielleicht mit dem Leben davonkommen können.

Alex dachte über den Mann nach, der sein einziger Verwandter gewesen war, solange seine Erinnerung zurückreichte. Seine leiblichen Eltern hatte Alex nicht gekannt; auch sie waren bei einem Unfall ums Leben gekommen, allerdings bei einem Flugzeugabsturz, nur wenige Wochen nach Alex’ Geburt. Ian Rider, der Bruder von Alex’ Vater, hatte ihn aufgenommen und großgezogen. (Alex durfte niemals »Onkel« zu ihm sagen – Ian Rider hasste das Wort!) Alex hatte fast die gesamten vierzehn Jahre seines Lebens in Ian Riders Reihenhaus in Chelsea, London, gewohnt, das zwischen der King’s Road und der Themse lag. Aber erst jetzt wurde Alex bewusst, wie wenig er über seinen Onkel wusste.

Er hatte bei einer Bank gearbeitet. Die Leute sagten, Alex sähe ihm sehr ähnlich. Ian Rider war ständig auf Reisen – ein ruhiger, etwas reservierter Mann, der guten Wein, klassische Musik und Bücher mochte. Der keine Freundin zu haben schien … eigentlich überhaupt keine Freunde. Er hatte sich fit gehalten, rauchte nicht und bevorzugte teure Kleidung. Aber das konnte nicht alles gewesen sein. Nicht das Bild eines ganzen Menschenlebens.

»Alles in Ordnung, Alex?« Eine junge Frau kam in die Küche. Sie war Ende zwanzig, hatte üppiges rotes Haar und ein rundliches, jungenhaftes Gesicht. Jack Starbright war Amerikanerin. Vor sieben Jahren war sie als Studentin nach England gekommen und hatte ein Zimmer in Riders Haus bezogen – statt Miete zu zahlen, half sie im Haushalt und betreute den kleinen Alex. Und dann war sie einfach dageblieben und gehörte nun zu Alex’ engsten Freunden. Manchmal fragte er sich, wie Jack wohl richtig heißen mochte – Jackie? Jacqueline? Eigentlich passte keiner der möglichen Namen zu ihr. Er hatte sie einmal danach gefragt, aber sie hatte ihm ihren richtigen Namen nicht verraten wollen.

Alex nickte. Er hatte Tränen in den Augen. »Was wird jetzt aus uns?«, fragte er.

»Wie meinst du das?«

»Na, was wird mit dem Haus? Mit mir? Mit dir?«

»Ich weiß nicht, Alex.« Sie zuckte die Schultern. »Ian wird ein Testament gemacht haben.« Sie sah ihn ruhig an. »Wenn es eröffnet wird, wissen wir mehr.«

»Sollten wir uns sein Arbeitszimmer ansehen? Vielleicht finden wir irgendetwas.« Alex’ Stimme zitterte.

»Ja, aber nicht heute, Alex. Eins nach dem anderen.«

Ians Arbeitszimmer befand sich direkt unter dem Dach und erstreckte sich über die gesamte Länge des Hauses. Als einziges Zimmer war es immer abgeschlossen – Alex war in all den Jahren nur drei- oder viermal in dem Zimmer gewesen, aber nie allein. Als Kind hatte er sich manchmal vorgestellt, dass dort oben etwas Seltsames vor sich ginge – dass dort eine Zeitmaschine wäre oder ein UFO. Aber es war ein ganz normales Arbeitszimmer mit einem Schreibtisch, ein paar Aktenschränken und Regalen voller Papiere und Bücher. Eben Sachen aus der Bank – jedenfalls hatte das Ian behauptet.

»Die Polizei sagt, er sei nicht angeschnallt gewesen«, wandte sich Alex wieder an Jack.

Sie nickte. »Stimmt, das haben sie gesagt.«

»Kommt dir das nicht seltsam vor? Du weißt doch, wie vorsichtig er war. Er hat immer den Sicherheitsgurt angelegt. Er wollte ja nicht mal um den Block fahren, solange ich nicht den Gurt angelegt hatte.«

Jack dachte einen Augenblick lang nach, dann zuckte sie wieder die Schultern. »Yeah, das ist komisch«, gab sie zu. »Aber es muss wohl so gewesen sein. Warum sollte die Polizei lügen?«

Der Tag zog sich quälend langsam dahin. Alex war nicht in der Schule, obwohl er gerne gegangen wäre. Er hätte es vorgezogen, aus dem leer wirkenden Haus zu fliehen, wenigstens ein paar Stunden lang ein »normales« Leben zu führen – das vertraute Pausenläuten, die Scharen bekannter Gesichter. Stattdessen saß er wie ein Gefangener zu Hause. Doch er musste zu Hause bleiben, um die Besucher zu empfangen, die am Vor- und Nachmittag zu ihm kamen.

Es waren fünf Besucher. Ein Rechtsanwalt, der nichts von einem Testament wusste, aber anscheinend den Auftrag hatte, die Beerdigung zu arrangieren. Ein Leichenbestatter, den der Rechtsanwalt empfohlen hatte. Ein Pfarrer – ein großer ältlicher Mann, der versuchte, beruhigend auf Alex einzureden. Eine Nachbarin von gegenüber – woher wusste sie überhaupt, dass jemand gestorben war? Und schließlich ein Mann von der Bank.

»Wir von Royal & General sind alle zutiefst schockiert«, begann der Mann. Er war etwa Ende dreißig und trug einen Polyesteranzug und eine billige Krawatte. Sein Gesicht war von der Art, die man sofort wieder vergisst. Er hatte sich als Mr Crawley von der Personalabteilung vorgestellt. »Wenn es vielleicht irgendetwas gibt, was wir für dich tun können …«

»Was wird jetzt aus mir?«, fragte Alex, schon zum zweiten Mal heute.

»Darüber brauchst du dir keine Sorgen zu machen«, sagte Crawley. »Die Bank wird sich um alles kümmern. Das ist mein Job. Du kannst alles mir überlassen.«

Der Tag verging. Am Abend spielte Alex ein paar Stunden lang mit seiner Nintendo Switch, um die Zeit totzuschlagen, und fühlte sich ein wenig schuldig, als ihn Jack dabei ertappte. Aber was hätte er sonst tun sollen? Später ging sie mit ihm zu einem Hamburger-Restaurant. Alex war froh, aus dem Haus zu kommen, aber sie sprachen kaum miteinander. Er war überzeugt, dass Jack nach Amerika zurückkehren müsse. Schließlich konnte sie nicht ewig in London bleiben. Wer würde sich dann um ihn, Alex, kümmern? Er war zu jung, um schon allein leben zu dürfen. Seine gesamte Zukunft schien total unsicher; er hatte keine Lust, jetzt darüber zu reden. Eigentlich wollte er jetzt überhaupt nicht reden.

Und dann kam der Tag der Beerdigung. Alex trug einen schwarzen Anzug und wartete auf den schwarzen Wagen, der aus dem Nichts auftauchte und ihn abholte. Alex war umgeben von schwarz gekleideten Menschen, die er nicht kannte. Ian Rider wurde auf dem Friedhof Brompton an der Fulham Road beerdigt, ganz in der Nähe des Fußballstadions von Chelsea, und Alex wusste, dass Ian an diesem Mittwochnachmittag gerne im Stadion gewesen wäre. Die Trauergemeinde umfasste etwa dreißig Menschen, aber Alex kannte fast niemanden. Direkt neben dem breiten Hauptweg, der sich durch den gesamten Friedhof zog, war ein Grab ausgehoben worden. Die Trauerandacht hatte gerade begonnen, als ein schwarzer Rolls-Royce den Weg entlangkam und in der Nähe anhielt. Ein Mann stieg aus. Alex beobachtete ihn, als er näher kam und dann stehen blieb. Hoch über den Köpfen kreuzte ein Flugzeug im Landeanflug auf den Flughafen Heathrow einen Augenblick lang die Sonne und ein Schatten fiel kurz auf den Friedhof. Dann verschwand auch die Sonne wieder hinter den Wolken. Alex fröstelte. Etwas an dem Ankömmling jagte ihm einen Schauder über den Rücken.

Eigentlich sah der Mann recht unscheinbar aus. Grauer Anzug, graues Haar, graue Lippen, graue Augen. Ein ausdrucksloses Gesicht. Die Augen hinter den eckigen Gläsern des bläulich schimmernden Brillengestells waren völlig leer. Vielleicht waren es diese Augen, die Alex so verstörten. Wer auch immer dieser Mann sein mochte, er schien jedenfalls weniger lebendig als irgendeine andere Person auf diesem Friedhof. Auf der Erde und darunter.

Jemand tippte Alex auf die Schulter. Er wandte sich um. »Das ist Mr Blunt«, flüsterte Crawley, der Personalchef, ihm ins Ohr. »Er ist der Direktor unserer Bank.«

Alex blickte über Crawleys Schulter hinweg zum Rolls-Royce hinüber. Blunt wurde von zwei Männern begleitet, von denen einer den Wagen chauffiert hatte. Sie waren identisch gekleidet und trugen Sonnenbrillen, obwohl es kein sonderlich heller Tag war. Und beide verfolgten die Beerdigung mit finsteren Mienen. Alex betrachtete Blunt und die Gesichter der anderen Trauergäste: Wie gut hatten sie Ian Rider wirklich gekannt? Warum hatte er, Alex, nie auch nur eine einzige dieser Personen kennengelernt, die sich hier versammelt hatten? Und warum fiel es ihm so schwer zu glauben, dass irgendjemand hier wirklich in einer Bank arbeitete?

»… ein guter Mensch, ein echter Patriot. Er wird uns allen fehlen.« Der Pfarrer hatte seine Ansprache beendet. Alex fand seine Wortwahl eigenartig. Wieso »patriotisch«? Das Wort bedeutete doch, dass Ian Rider sein Land geliebt hatte. Soweit Alex wusste, hatte Ian nicht sehr viel Zeit in diesem Land verbracht. Jedenfalls hatte sein Onkel nie zu den Leuten gehört, die den »Union Jack«, die britische Flagge, zu besonderen Anlässen aus dem Fenster hängten. Alex blickte sich gerade suchend nach Jack um, als er Blunt auf sich zukommen sah, vorsichtig um das frische Grab herumgehend.

»Du bist vermutlich Alex.« Der Bankdirektor war nur wenig größer als Alex. Aus der Nähe betrachtet wirkte seine Gesichtshaut seltsam unecht – als sei sie aus Plastik. »Mein Name ist Alan Blunt«, stellte er sich vor. »Dein Onkel hat oft von dir erzählt.«

»Komisch«, gab Alex zurück. »Von Ihnen hat er mir nämlich nie etwas erzählt.«

Die blutleeren Lippen zuckten kaum merklich. »Er wird uns fehlen. Er war ein guter Mensch.«

»Wobei war er gut?«, fragte Alex. »Er hat nämlich nie über seine Arbeit geredet.«

Plötzlich tauchte Crawley neben ihnen auf. »Dein Onkel war für das Auslandsgeschäft zuständig, Alex«, erklärte er. »Ihm unterstanden alle unsere Auslandsfilialen. Das weißt du doch sicherlich.«

»Ich weiß nur, dass er oft verreist war«, sagte Alex. »Und ich weiß auch, dass er immer sehr vorsichtig war. Zum Beispiel mit Sicherheitsgurten.«

»Nun, dieses eine Mal war er offenbar nicht vorsichtig genug.« Blunts Blick bohrte sich, verstärkt durch seine dicken Brillengläser, in Alex’ Augen. Alex fühlte sich einen Moment lang wie aufgespießt, ein hilflos zappelndes Insekt unter dem Mikroskop. »Ich hoffe, dass wir uns wiedersehen«, setzte Blunt hinzu und klopfte sich dabei mit einem grauen Finger nachdenklich gegen die graue Wange. »Ja, das hoffe ich …« Dann drehte er sich um und ging zu seinem Wagen zurück. Es passierte in dem Augenblick, als Blunt in das Auto steigen wollte. Der Fahrer beugte sich vor, um ihm die Tür zu öffnen. Dabei weitete sich sein Jackett und gab eine Sekunde den Blick frei auf einen Gegenstand in der Innentasche. Der Mann trug ein Lederholster, in dem eine Pistole steckte. Alex hatte die Waffe gesehen, obwohl der Mann fast gleichzeitig bemerkte, was passiert war, und sein Jackett sofort zuknöpfte. Und Blunt hatte es ebenfalls gesehen. Er drehte sich um und warf Alex einen finstren Blick zu. Über seine Miene glitt etwas, das fast eine Gefühlsregung zu sein schien. Dann stieg er ins Auto; die Tür schloss sich und der Wagen glitt davon.

Eine Pistole bei einer Beerdigung. Warum? Warum kamen Bankdirektoren bewaffnet zu einer Beerdigung?

»Komm, wir verschwinden«, sagte Jack, die plötzlich neben ihm aufgetaucht war. »Friedhöfe machen mir Angst. Sie erinnern mich immer an Horrorfilme.«

»Ja«, murmelte Alex. »Und ein paar Horrorgestalten waren ja auch tatsächlich hier.«

Sie zogen sich still und leise zurück und verließen den Friedhof. Der Wagen, der sie zur Beerdigung gefahren hatte, wartete auf sie, aber sie zogen es vor, zu Fuß nach Hause zu gehen. Sie benötigten eine Viertelstunde. Als sie um die Ecke in die Straße einbogen, in der sie wohnten, bemerkte Alex plötzlich einen Speditionswagen, der vor ihrem Haus hielt. Auf der Seite stand in großen Lettern STRYKER & SON.

»Was macht denn dieser …«, begann Alex, als plötzlich der Motor aufheulte und der Transporter so schnell davonschoss, dass die Räder durchdrehten.

Alex sagte nichts, während Jack die Haustür aufschloss und sie ins Haus traten. Doch als Jack in der Küche verschwand, um Wasser für den Tee aufzusetzen, ging Alex schnell durch das ganze Haus.

Ein Brief, der auf dem kleinen Tisch im Flur gelegen hatte, lag nun daneben auf dem Teppich. Eine Tür, die vorher halb offen gestanden hatte, war nun geschlossen. Kleinigkeiten – aber Alex’ Blick entging nichts. War jemand im Haus gewesen?

Ganz sicher war Alex sich nicht – bis er das Dachgeschoss erreichte. Die Tür des Arbeitszimmers, die immer – immer! – verschlossen gewesen war, ließ sich jetzt öffnen. Alex stieß sie auf und betrat den Raum. Er war leer. Ian Rider war für immer verschwunden, und verschwunden war auch alles, was sich in diesem Raum befunden hatte. Der Schreibtisch, die Ablagen, die Regale – alles, was Alex Aufschluss über die Beschäftigung seines verstorbenen Onkels hätte geben können, war verschwunden.

»Alex!«, rief Jack von unten.

Alex ließ den Blick noch einmal durch das leere Zimmer gleiten und fragte sich erneut, was für ein Mensch sein Onkel eigentlich gewesen war. Dann schloss er die Tür und ging ins Erdgeschoss.

Alex wandte sich von der Themse ab, als er die Hammersmith-Brücke vor sich liegen sah, und radelte durch das verblassende Lichtermeer und über den Hügel zur Brookland-Schule hinunter. Sein Fahrrad war ein Condor Junior Roadracer, ein speziell für ihn maßgeschneidertes Rennrad, das er von Ian Rider zu seinem zwölften Geburtstag bekommen hatte. Es war zwar ein Jugendrad – es hatte eine leicht verkleinerte Version des 531er Rahmens von Reynolds –, aber die Räder waren in Normalgröße, sodass er seine volle Geschwindigkeit mit einem Minimum an Reibungswiderstand fahren konnte. Er raste an einem Mini vorbei und bog ins Schultor ein. Ziemlich traurige Sache, dass er bald zu groß für das Rad sein würde. In den vergangenen zwei Jahren war es fast so etwas wie der untere Teil seines Körpers geworden.

Im Schuppen für die Fahrräder sicherte er das Rad doppelt an den Ständern und trat auf den Schulhof hinaus. Die Brookland-Schule war eine Gesamtschule, ziemlich neu, mäßig modern und absolut hässlich – aus rotem Backstein und Glas gebaut.

Alex hätte auch eine der schicken Privatschulen besuchen können, die in und um Chelsea lagen, aber Ian Rider hatte ihn in Brookland angemeldet, da er die Überzeugung vertrat, dass diese Schule härter sei und somit eine größere Herausforderung darstellte.

Heute hatte Alex zuerst Mathematik. Als er ins Klassenzimmer kam, schrieb der Mathelehrer, Mr Donovan, bereits eine komplizierte Gleichung an die Tafel. Im Raum war es schon jetzt sehr warm, denn die frühe Morgensonne schien durch die riesigen, vom Boden bis zur Decke reichenden Fenster – die offenbar von Architekten entworfen worden waren, die entweder nie in ihren eigenen Bauten hatten schwitzen müssen oder null Ahnung von ihrem Job hatten. Andernfalls hätten sie wissen müssen, dass die Sonne in Räumen mit so riesigen Fensterflächen ungefähr die Hitze eines mittelgroßen Waldbrands entfalten würde. Alex ließ sich auf seinen Sitz fallen und fragte sich schon nach zwei Minuten, ob er diese Stunde überhaupt durchsitzen oder vielmehr durchschwitzen könnte. Außerdem: Wie sollte er sich auf Algebra konzentrieren, wenn ihm so viele andere Fragen durch den Kopf tobten?

Die Pistole bei der Beerdigung. Wie Blunt ihn gemustert hatte. Der Kombi mit der Aufschrift STRYKER & SON. Das ausgeräumte Arbeitszimmer. Und dann die eine, die wichtigste Frage überhaupt, das eine Detail, das ihm nicht aus dem Kopf gehen wollte: die Sache mit dem Sicherheitsgurt. Ian Rider war nicht angegurtet gewesen.

Unmöglich.

Natürlich hatte Ian den Gurt angelegt.

Ian Rider hatte nie zu den Menschen gehört, die andere ständig belehren. Von Alex hatte er immer verlangt, dass er seine eigenen Entscheidungen treffen müsse. Aber Sicherheitsgurte bildeten da eine absolute Ausnahme: Von dieser Sache war Ian wie besessen. Und je mehr Alex darüber nachdachte, desto weniger glaubte er, dass Ian bei dieser letzten, fatalen Fahrt nicht angegurtet gewesen sein könnte. Ein Zusammenstoß an einem Kreisverkehr … Plötzlich verspürte er den dringenden Wunsch, Ians Wagen zu sehen. Wenigstens würde er dann wissen, dass sich tatsächlich ein Unfall ereignet hatte. Dass Ian Rider wirklich verunglückt war.

»Alex?«

Alex blickte auf und merkte, dass ihn alle anstarrten. Mr Donovan hatte ihn offenbar etwas gefragt. Verlegen ließ Alex den Blick über die Gleichung an der Tafel huschen. »Ja, Sir«, sagte er dann, »x gleich sieben und y gleich fünfzehn.«

Der Mathelehrer seufzte. »Wunderbar, Alex. Vollkommen richtig. Aber eigentlich hab ich dich nur gebeten, das Fenster zu öffnen.«

Irgendwie überlebte Alex auch den Rest des Schultags. Aber als der Unterricht aus war, stand sein Entschluss unverrückbar fest. Während alle anderen Schüler förmlich aus der Schule flüchteten, drängte er sich gegen den Strom die Treppe zum Sekretariat hinauf und bat um das Branchentelefonbuch.

»Suchst du was Bestimmtes?«, fragte Jane Bedfordshire, die Sekretärin, eine junge Frau Mitte zwanzig, die für Alex schon immer eine Schwäche gehabt hatte.

»Autoverwertungen …«, gab Alex wortkarg zur Antwort. Er blätterte durch das Buch. »Wenn ein Auto bei einem Unfall einen Totalschaden hat, würde man es doch zu einer Verwertungsfirma in der Nähe des Unfallortes bringen, nicht wahr?«

»Wahrscheinlich.«

»Hier …« Die Rubrik »Autoverwertungen« erstreckte sich über vier Seiten, auf denen Dutzende von Firmen in Kleinanzeigen ihre Dienste anboten.

»Ist das für ein Schulprojekt?«, fragte die Sekretärin. Sie wusste nur, dass Alex’ Onkel gestorben war, aber sie wusste nicht, auf welche Weise er sein Leben verloren hatte.

»So was Ähnliches«, gab Alex vage zur Antwort. Er las die Adressen der Firmen durch, aber seine Hoffnung sank, je näher er der vierten Seite kam.

»Wie wär’s mit der hier?«, fragte die Sekretärin und tippte auf eine Adresse. »Die ist gar nicht weit von hier.«

»Moment!«, rief Alex und zog das Buch dichter heran. Unter der Adresse, auf die die Sekretärin getippt hatte, fand er einen weiteren Eintrag:

»Das ist in Vauxhall«, sagte Miss Bedfordshire. »Auch nicht sehr weit von hier.«

»Ich weiß.« Alex hatte den Namen wiedererkannt – J. B. Stryker. Er dachte an den Kombi, der am Tag der Beerdigung vor seinem Haus geparkt gewesen war. Der Kombi mit der Aufschrift STRYKER & SON. Das konnte natürlich ein Zufall gewesen sein, aber wenn Alex der Sache mit dem Unfall nachgehen wollte, würde er wohl hier anfangen müssen. Er hatte nichts anderes in der Hand. Er schloss das Buch. »Bis bald, Miss Bedfordshire.«

»Sei vorsichtig«, sagte die Sekretärin und sah ihm nach. Für einen kurzen Moment wunderte sie sich, warum sie Alex diesen Rat gegeben hatte. Irgendwas in seinem Blick? Seine Augen waren dunkel und ernst, aber es lag auch etwas Gefährliches darin … Dann jedoch klingelte das Telefon und sie verdrängte den Gedanken.

J.B. Strykers Autofriedhof lag auf einem großen Brachland hinter den Gleisanlagen, die zum Waterloo-Bahnhof führten. Das Firmengelände war von einer hohen Backsteinmauer umgeben, deren Krone mit Glasscherben und Stacheldraht gegen Eindringlinge geschützt war. Das große Flügeltor aus Holz stand offen.

Alex hielt auf der Zufahrtsstraße an und blickte über das Gelände. Nicht weit hinter der Einfahrt sah er einen Schuppen, der ein vergittertes Fenster zum Tor hin hatte und möglicherweise als Büro diente. Dahinter erhoben sich Berge aus Schrottautos und Einzelteilen. Was noch in irgendeiner Weise weiterverwertet werden konnte, hatte man aus den Autoleichen ausgebaut; nur die rostigen Karosserien blieben übrig und warteten auf die Presse.

Im Schuppen saß ein Pförtner oder Wächter und las in einer Zeitung. Rechts hinter dem Schuppen wurde der Motor eines Krans angeworfen, Sekunden später prallte seine gewaltige Klaue auf einen Ford Mondeo hinab. Die Greifzähne krachten durch die Fenster, packten das Fahrzeug, rissen es hoch und schwangen es mühelos durch die Luft. Alex beobachtete, wie der Wärter nach dem Telefonhörer griff. Das war seine Gelegenheit. Er packte sein Rad und sprintete gebückt durch das Tor und an dem telefonierenden Wärter vorbei.

Die Luft stank stark nach Dieselöl und das Gebrüll der Maschinen war ohrenbetäubend. Nichts als Schmutz, Abfälle und Autoteile. Der Kran, dessen Greifhand gerade wieder ein weiteres Fahrzeug gepackt hatte, vollführte eine Vierteldrehung und ließ es in die Autopresse fallen. Einen Augenblick lang blieb das Fahrzeug auf einer Plattform liegen. Dann hob sich die Plattform auf der Rückseite an und das Schrottauto rutschte nach vorn und fiel in die Pressanlage. An der Seite der Autopresse saß ein Arbeiter in einer Glaskabine. Er drückte auf einen Knopf, woraufhin die Maschine schwarzen Rauch ausstieß. Zwei gewaltige Stahlflügel schlossen sich über dem Wagen wie die gepanzerten Flügel eines Insekts. Aus dem Innern kamen krachende Geräusche, als das Auto zusammengepresst wurde, bis es kaum größer war als ein überdimensionales Paket. Der Maschinenführer schob einen Hebel nach vorn; das Schrottpaket wurde herausgeschoben und von unsichtbaren Messern in Stücke geschnitten, die schließlich mit lautem Krachen in einen Container fielen.

Alex lehnte sein Fahrrad rasch gegen die fensterlose Rückwand des Schuppens und sprintete tiefer in das Betriebsgelände hinein, wobei er immer hinter den herumstehenden Autos in Deckung blieb. Bei dem Lärm der Maschinen würde ihn niemand hören können, aber er wollte auch auf keinen Fall gesehen werden. Außer Atem hielt er an und fuhr sich mit der Hand über das Gesicht. Seine Augen tränten von den scharfen Benzindämpfen.

Allmählich tat es ihm leid, dass er hierhergekommen war. Es gab einfach zu viele Schrottautos. Wie sollte er in diesen vor sich hin rostenden Bergen Ians Wagen finden? Er schlich suchend weiter, aber seine Hoffnung sank rapide. Schon wandte er sich zum Gehen, als er plötzlich mehrere Wagen sah, intakte Wagen, die nebeneinander geparkt waren. Und dort, ein paar Meter von ihnen entfernt, stand Ian Riders BMW. Kein Zweifel.

Auf den ersten Blick schien das Fahrzeug völlig unversehrt. Die silbergraue Metallic-Karosserie wies offenbar keinen einzigen Kratzer auf. Völlig unmöglich, dass dieser Wagen in einen folgenschweren Zusammenstoß mit einem Lastwagen oder irgendeinem anderen Fahrzeug verwickelt gewesen sein könnte. Aber es war unzweifelhaft Ians Auto, wie Alex mit einem Blick auf die noch daran befestigten Nummernschilder bemerkte. Er rannte näher. Und jetzt erst sah er, dass der Wagen doch beschädigt war. Die Windschutzscheibe war zerborsten und offenbar auch sämtliche Scheiben auf der Fahrerseite. Alex ging um die Motorhaube herum, um sich den Schaden näher anzusehen. Plötzlich blieb er wie vom Blitz getroffen stehen.

Ian Rider war nicht durch einen Unfall ums Leben gekommen. Wie er gestorben war, konnte man hier klar und eindeutig erkennen – selbst wenn man etwas Derartiges noch nie vorher gesehen hatte. Die gesamte Fahrerseite war von Einschüssen durchlöchert, die den Vorderreifen zerfetzt, die Windschutzscheibe und die Seitenfenster zertrümmert hatten und sich über die gesamte Karosserie zogen.

Alex ließ die Finger über die Löcher gleiten. Das Metall fühlte sich kalt an. Er öffnete die Fahrertür und blickte ins Wageninnere. Auf den Vordersitzen aus feinstem hellgrauen Leder lagen Glasscherben und Alex sah dunkelbraune Flecken. Er würde niemanden fragen müssen, woher diese Flecken kamen. Er konnte förmlich sehen, wie sich die Sache abgespielt hatte. Feuer aus Maschinengewehren. Die Kugeln schlagen durch die Fenster und Seitenverkleidungen. Ian Rider krümmt sich auf dem Fahrersitz zusammen …

Alex schlug die Hände vor das Gesicht. Eine heiße Welle durchlief seinen Körper. Einen Augenblick später hatte er sich wieder so weit unter Kontrolle, dass er klar denken konnte.

Aber warum? Warum hatte man einen Bankmanager ermordet? Und vor allem: Warum gaben sich alle solche Mühe, den Mord zu vertuschen? Die Polizei hatte ihm die Todesnachricht überbracht – sie musste also in die Sache verwickelt gewesen sein. Hatten die Polizisten ihm bewusst die Unwahrheit gesagt? Nichts in dieser Geschichte ergab einen Sinn.

»Du hättest den Wagen schon vorgestern beseitigen sollen, Mann. Mach es endlich, und zwar jetzt sofort.«

Die Stimme klang laut und vorwurfsvoll. Der Lärm des Autocrashers war für einen Augenblick verstummt, sonst hätte Alex die beiden Männer nicht kommen hören können. Schnell bückte er sich und blickte über das Lenkrad zur anderen Seite hinaus. Die Männer trugen ausgebeulte Mechaniker-Overalls. Alex kamen sie irgendwie bekannt vor – richtig, bei der Beerdigung: Einer der beiden war der Fahrer gewesen, der die Pistole im Halfter unter der Jacke getragen hatte.

Doch er hatte keine Zeit, darüber nachzudenken, woher er glaubte, auch den anderen Mann zu kennen, noch was die beiden hier wollten. Sie waren jetzt nur noch wenige Schritte von Ians BMW entfernt und redeten miteinander, jetzt allerdings leiser als zuvor, sodass Alex nicht mehr verstehen konnte, worüber sie genau sprachen. Ohne weiter nachzudenken, warf sich Alex in das einzige Versteck, das sich ihm bot – in Ians Wagen. Er hakte den Fuß unter die Fahrertür und zog sie leise hinter sich zu. Gleichzeitig setzte der Lärm der schweren Maschinen wieder ein und er konnte die beiden Männer nicht mehr hören. Er wagte nicht, den Kopf zu heben. Ein Schatten fiel kurz in das Wageninnere, als die beiden vorbeigingen. Alex blieb reglos liegen, dann endlich hob er vorsichtig den Kopf. Die Männer waren verschwunden. Er seufzte erleichtert auf.

Doch plötzlich krachte etwas mit so unheimlicher Wucht auf den Wagen herab, dass Alex laut aufschrie. Sein Körper wurde wie von einer Riesenfaust geschüttelt, von den Vordersitzen hochgerissen und wie eine leblose Puppe durch das Wageninnere auf die Hintersitze geschleudert. Das Dach des Autos senkte sich hinab; drei riesige Eisenfinger krachten durch die Metallwände wie eine spitze Gabel in eine Eierschale, gefolgt von einer Staubwolke. Einer der Eisenfinger knirschte direkt über Alex’ Kopf – ein paar Zentimeter weiter, und sein Schädel wäre zerdrückt worden.

Alex schrie erneut auf. Blut rann ihm in die Augen. Er versuchte, sich aufzurichten, wurde aber im selben Augenblick wieder auf die Sitze zurückgepresst, als der Wagen mit irrer Wucht in die Höhe gerissen und durch die Luft geschwenkt wurde.

Er konnte nichts sehen, konnte sich nicht bewegen. Sein Magen schien sich umzudrehen, als er mit dem Auto in weitem Bogen durch die Luft flog. Metall kreischte, das Sonnenlicht irrte in wildem Muster durch das Wageninnere. Schlagartig wurde ihm bewusst, dass der Wagen vom Kran erfasst worden war. Der BMW war auf dem Weg zur Autopresse. Und er, Alex, ebenfalls.

Verzweifelt versuchte er noch einmal, sich aufzurichten. Aber die schwere Greifzange hatte das Dach weit niedergedrückt; Alex’ Bein war schmerzhaft eingeklemmt. Doch das spürte er nicht. Er hob die Faust und schlug, so heftig er konnte, gegen die Hinterscheibe, schaffte es aber nicht, sie zu zertrümmern. Und selbst wenn einer der Arbeiter auf dem Schrottplatz den Abgang des BMW beobachtete, würde er von dort unten nicht sehen können, dass sich jemand im Auto befand.

Der kurze Flug über den Platz endete mit einem ohrenbetäubenden Krachen, als der Kran das Auto auf die Plattform des Autocrashers fallen ließ. Verzweifelt versuchte Alex, den aufsteigenden Brechreiz zu unterdrücken und sich darauf zu konzentrieren, was er jetzt tun sollte. Schon in wenigen Sekunden würde der BMW mit einem Knopfdruck in die Presse befördert werden. Die Maschine war tödlich wie eine Guillotine, nur funktionierte sie viel langsamer. Nach dem Druck auf den Schalter würden sich die zwei Pressflügel über dem Wagen schließen und ihn bis zur absoluten Unkenntlichkeit zusammenpressen – mit Alex im Wageninnern. Das längliche Paket aus Metall (und Menschenfleisch) würde dann in kleinere Teile zerstückelt. Niemand würde je bemerken, was passiert war.

Alex unternahm eine letzte verzweifelte Kraftanstrengung, sich zu befreien. Es war umsonst. Er war völlig eingeklemmt. Dann plötzlich drehte sich alles um ihn her und er merkte, dass er in die Dunkelheit stürzte. Der rückwärtige Teil der Plattform hatte sich angehoben; der Wagen rutschte über die schräge Ebene und fiel ein paar Meter hinunter in den Trog der Presse. Alex spürte, wie das Metall um ihn herum förmlich zusammenbrach. Das Hinterfenster explodierte, ein Schauer von winzigen Glasscherben ging über ihn nieder und Staub und Benzingestank drangen ihm in Mund, Nase und Augen. Vom Tageslicht war fast nichts mehr zu sehen. Er warf einen Blick durch das Heckfenster und erkannte den riesigen Metallkopf eines Rammblocks, der die Überreste des Autos auf der anderen Seite aus der Maschine stoßen sollte.

Der Ton des Maschinengeräuschs änderte sich, als der letzte Akt begann.

Die beiden Stahlflügel zitterten. In wenigen Sekunden würden sie sich aufeinander zubewegen und dann den BMW wie eine Papiertüte zusammenpressen. Panik überkam Alex.

Da, auf einmal, stellte er erleichtert fest, dass er freikam. Er brauchte nur eine Sekunde – eine kostbare Sekunde –, um zu entdecken, was geschehen war. Der Wagen war auf die Seite gefallen, das Dach war erneut verbeult worden, aber so, dass im Inneren des Wagens etwas Raum entstand. Alex zerrte am Türgriff, doch die Türen waren zu stark verbogen, um sich öffnen zu lassen. Das Heckfenster? Das Fensterglas war explodiert, er würde also hindurchkriechen können. Aber nur, wenn er sehr schnell war …

Die Flügel bewegten sich. Der BMW schien zu kreischen, als er von zwei Wänden aus massivem Stahl erbarmungslos zerquetscht wurde. Wieder splitterte Glas. Eine der Achsen brach mit einem Geräusch, das wie ein Donnerschlag klang. Um Alex wurde es dunkel. Er packte das, was vom Rücksitz übrig geblieben war. Vor sich sah er ein rasch kleiner werdendes Dreieck, durch das noch etwas Licht fiel. Mit aller Kraft stieß er sich von der Rückseite des Fahrersitzes ab und warf sich vorwärts. Der Druck der beiden Stahlwände nahm zu. Der Teil des Wagens, der hinter ihm lag, war schon kein Fahrzeug mehr, und die Pressflügel waren wie die Klauen eines furchtbaren Ungeheuers, die nach einer Beute schnappten. Nach einer Beute der Spezies Alex.

Er zwängte die Schultern durch das Dreieck, ins Licht hinaus. Seine Beine waren noch drin – wenn er mit dem Fuß irgendwo hängen blieb, würde er zerquetscht werden. Alex schrie und riss seine Knie hoch. Seine Beine waren frei, dann die Füße, aber im allerletzten Moment blieb er mit dem Schuh in dem Dreieck hängen. Der Schuh fiel ins Innere des Autos zurück. Alex bildete sich ein zu hören, wie das Leder zerquetscht wurde, aber das war natürlich nicht möglich. Er klammerte sich fest an die schwarze, ölverschmierte Kontrollplattform an der Rückseite der Maschine. Mit letzter Kraft gelang es ihm, sich hochzuziehen. Erschöpft und am ganzen Leib zitternd, blieb er auf der Plattform liegen.

Es dauerte eine ganze Weile, bis er die Kraft fand, sich aufzurichten. Schmerzwellen rasten durch seinen Körper. Vorsichtig stand er auf. Jetzt konnte er über die halbhohe Metallreling blicken, die den Kontrollstand umfasste. Und starrte direkt in die geschockten Augen eines unglaublich fetten Mannes, der keine