Alleingang - Wolfgang Brenner - E-Book

Alleingang E-Book

Wolfgang Brenner

4,7

Beschreibung

Marie Blau lebt mit ihrem kleinen Sohn Felix am Rande von Koserow auf Usedom. Ihr Mann Karl ist Berufssoldat und derzeit in Kundus stationiert. Eines Tages erreicht Marie die Nachricht, dass ihr Mann bei einem Selbstmordanschlag der Taliban ums Leben gekommen ist. Sie reist mit dem Jungen zur Trauerfeier nach Berlin. Dort weigert man sich jedoch, ihr den Leichnam ihres Mannes zu zeigen. Angeblich ist er entstellt. Und dann erhält Marie einen Anruf ihres totgesagten Gatten …

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Wolfgang Brenner

Alleingang

Kriminalroman

Personen und Handlung sind frei erfunden.

Ähnlichkeiten mit lebenden oder toten Personen

sind rein zufällig und nicht beabsichtigt.

Besuchen Sie uns im Internet:

www.gmeiner-verlag.de

© 2012 – Gmeiner-Verlag GmbH

Im Ehnried 5, 88605 Meßkirch

Telefon 0 75 75/20 95-0

[email protected]

Alle Rechte vorbehalten

1. Auflage 2012

Lektorat: Claudia Senghaas, Kirchardt

Herstellung: Christoph Neubert

Umschlaggestaltung: U.O.R.G. Lutz Eberle, Stuttgart

unter Verwendung eines Fotos von: © DWerner / photocase.com

Druck: Bercker Graphischer Betrieb GmbH & Co. KG, Kevelaer

Für meine Lieben:

1.

Marie wusste, wie es in Kundus aussah.

Diese Stadt glich ein wenig der Burg Liechtenstein. Als Kind war sie mit den Eltern oft dort gewesen. Auf dem Rasen des Burghofes hatten an Sonntagen Holzbänke und Tische gestanden. Die Männer hatten sich mit weißen Taschentüchern den Schweiß von der Stirn gewischt und Bier aus Flaschen getrunken. Die Frauen hatten darauf geachtet, dass sie ihre Sonntagskleider nicht schmutzig machten, und die Kinder hatten zwischen den Ruinen Räuber und Gendarm gespielt.

Karl hatte ihr einmal geschrieben, der größte Feind sei der Regen. Nicht die Taliban.

Kundus verwandle sich sofort in ein riesiges Matschloch und sei dann wochenlang vom Rest der Welt abgeschnitten. Die Flugzeuge aus Kabul könnten nicht mehr landen. Die ganze Gegend sei ein einziger Sumpf, die Menschen bekämen ihre Kleider nicht mehr trocken.

Es war wie bei einem Volksfest. Laut lachende Leute, deren Kleider mit Lehm beschmiert waren.

So stellte Marie sich das vor.

Sie ahnte, dass es ganz anders war. Aber sie brauchte eine Vorstellung von Kundus. Solange ihr Mann sich dort aufhielt, brauchte sie ein Bild von dieser Stadt. Und da war ihr die Burg Liechtenstein im Dauerregen gerade recht. Es machte das Ganze erträglicher. Es gelang ihr mit Hilfe der Erinnerung an ihre Familienausflüge nach Liechtenstein sogar, Felix ein Bild davon zu vermitteln, wie sein Vater in Kundus lebte. Wahrscheinlich wusste der Junge selbst, dass er ihren Schilderungen nicht trauen konnte. Aber es ging ihm wie ihr: Es war ihm lieber so. Lieber, als beim Gedanken an den Vater nur verschwommene Fernsehbilder zusammenzubekommen, auf denen die schwarzen Gerippe von Autos zu sehen waren und ausgemergelte Männer, die mit Wasserschläuchen Marktplätze vom Blut reinigten.

Marie bemerkte den Wagen, als sie nach dem Abendessen den Tisch abräumte.

Er stand auf der anderen Straßenseite, mit den Vorderrädern schon im Sand der Dünen. Ein roter Golf. Das Kennzeichen war so schmutzig, dass Marie nicht feststellen konnte, woher das Auto kam. Es war kurz nach sieben.

Marie überwachte das abendliche Zeremoniell. Felix putzte sich die Zähne, wusch erst nach mehrmaliger Aufforderung Gesicht und Hände und versuchte, aus dem Badezimmer unbemerkt wieder ins Wohnzimmer zu schlüpfen, wo der Fernseher lief. Natürlich wäre es klüger gewesen, den Apparat abzuschalten. Aber dann sperrte sich Felix noch mehr dagegen, schlafen zu gehen. Er hasste es, wenn es still im Haus war. Marie hasste es auch. Seit Karl weg war, konnte sie keine Stille mehr ertragen. Zumindest nicht, bevor sie sich selbst schlafen legte. Also lief der Fernseher, bis Felix im Bett war. Er lief auch noch, während sie ihm vorlas.

Sie hatten schon damit aufgehört. Ein Achtjähriger – Felix wurde in sechs Wochen schon neun – sollte abends selbst lesen. Es hatte sogar funktioniert. Doch dann war Karl nach Afghanistan gegangen und Felix hatte Abend für Abend zu schluchzen begonnen, sobald er im Bett lag. Also hatte sie wieder angefangen, ihm vorzulesen.

Marie klappte das Buch zu. Felix vergewisserte sich, dass das Lesezeichen an der richtigen Stelle war. Dann deckte Marie ihn zu und küsste ihn. Felix gähnte. Es war schon gleich acht.

Im Fernsehen begannen die Nachrichten. Marie stellte den Apparat leiser. Das machte sie schon, ohne zu überlegen. Immer wenn Nachrichten kamen. Man konnte ja nie wissen. Es gab kaum einen Tag, an dem sie nicht etwas aus Afghanistan brachten.

Sie wollte noch etwas lesen. In den Manuskripten, die der Verlag ihr geschickt hatte. Sie bekam 150 Euro pro Gutachten. Das war nicht viel. Aber es erlaubte ihr, zu Hause zu bleiben, solange Karl weg war. Das war wichtig für Felix.

Der Wagen stand immer noch auf der anderen Straßenseite. Was tat der hier?

Ihr Häuschen lag am Ende einer Sackgasse, in die sich selten Touristen verirrten. Tagsüber kam es manchmal vor, dass Autofahrer vom Festland, die sich auf Usedom auskannten, im Wendehammer parkten, um durch die Dünen an einen ruhigeren Strand zu gelangen. Aber die Autos der Einheimischen waren meistens am späten Nachmittag verschwunden. Sobald die Sonne tiefer stand, wurde es ungemütlich an der Ostsee.

Jetzt dämmerte es schon. Der Wagen stand immer noch da.

Das nächste Haus – die Kate der Witwe Hinrichsen – lag zweihundert Meter entfernt. Kein Besucher stellte seinen Wagen zweihundert Meter vom Haus entfernt ab, wenn es so viel Platz zum Parken gab wie in dieser abgelegenen Ecke von Koserow. Mal ganz abgesehen davon, dass Katharina Hinrichsen über achtzig war und keinen Besuch bekam, jedenfalls keinen von auswärts.

Marie bemerkte, dass jemand im Auto saß. Auf der Fahrerseite war die Silhouette eines Mannes erkennbar. Er saß regungslos da. Wo schaute er hin?

Marie wich vom Fenster zurück. Sie wollte nicht gesehen werden. Die neugierige Dorfpomeranze hinter der Küchengardine – das war etwas, was sie nicht sein wollte. Sie hatte Jahre gebraucht, um sich an die unverhohlene Neugier der Einheimischen zu gewöhnen. Am Anfang war es so schlimm gewesen, dass sie wieder wegwollte.

Karl hatte die Idee gehabt, das Häuschen auf Usedom zu kaufen. Eigentlich hatten sie sich das gar nicht leisten können. Aber Karl kam aus dieser Region und Verwandte hatten geholfen, ein günstiges Haus zu finden. Ein Fremder hätte niemals diese Gelegenheit bekommen, hatte Karl immer wieder gesagt. Er wollte, dass sein Sohn am Meer aufwuchs. So wie er am Meer aufgewachsen war. Deshalb hatte er auch keinen Fingerbreit nachgegeben, als Marie darauf gedrängt hatte, wieder wegzuziehen. Am liebsten nach Berlin. Oder wenigstens nach Rostock. Das war immerhin eine Stadt, wenn auch keine große. Kein Kaff, in dem sich die Menschen gegenseitig belauerten.

Sie hatte sich daran gewöhnt. Felix hatte ihr dabei geholfen. Der Junge hatte immer sofort Freunde gefunden, ob im Kinderhort oder in der Schule, und er hatte von seinem Vater die Liebe zum Meer geerbt. Da hatte Marie sich abgefunden. Es war ja auch nicht so schwer gewesen. Sie lebten hier wie die Könige. Das Schilfgras wuchs über die Klinkerumfassung der Terrasse. Sie konnten ohne Schuhe vom Wohnzimmer in die Dünen laufen. Manchmal war sie mit Karl abends, wenn das Kind fest schlief, noch einmal zum Strand gegangen. Sie hatten ihre Sachen ausgezogen und sich von der eiskalten Ostsee treiben lassen. Wie Strandgut.

Felix schrie auf. Das geschah immer öfter.

Marie rührte sich nicht. Meistens schlief er sofort wieder ein.

Doch diesmal begann er zu winseln wie ein kleiner Hund. Weil er immer öfter aufwachte, stand die Tür zu seinem Zimmer offen. Marie schlüpfte aus den Latschen und lief barfuß über den noch von der Sonne warmen Holzboden ins Kinderzimmer.

Der Junge saß aufrecht im Bett. Bleich und verheult. »Wann kommt Papa wieder?«

»Bald.«

Bald, das hieß frühestens in drei Monaten. An Weihnachten. Wie sollte man das einem kleinen Jungen klarmachen, der fast umkam vor Sehnsucht?

»Wie oft noch schlafen?«

Solche Fragen hasste Marie, seit Karl weg war.

Sie setzte sich zu ihm aufs Bett und drückte seinen Kopf gegen ihr Herz. Das beruhigte ein Kind immer. Schon als Baby hatte Felix auf ihren Herzschlag reagiert.

»Wie oft?«

»Noch ein paar Wochen.«

»Wie viele Tage?«

Merkte das Kind nicht, wie es die Mutter mit der Fragerei quälte? »Bis das Christkind kommt.«

»So lange?« Felix fing wieder an zu schluchzen. Jetzt tat er ihr leid. Sie drückte ihn fester an sich. »Das ist gar nicht mehr lange. Du wirst sehen. Es geht ganz schnell. Plötzlich steht er vor der Tür.«

»Wirklich?«

»Ja.«

Felix dachte nach. Er schien sich zu beruhigen. »Hat er einen Schlüssel mitgenommen in den Krieg?«

Marie hatte keine Lust mehr, immer wieder zu erklären, dass ihr Mann nicht im Krieg war, sondern in einem friedenstiftenden Einsatz. Selbst der Kleine konnte im Fernsehen sehen, dass es Krieg war.

»Wie kommst du denn darauf?«

»Wenn er keinen Schlüssel mitgenommen hat nach … Af… ghan…istan …« Ein schweres Wort, aber Felix hatte es inzwischen lernen müssen. »… dann kommt er nicht rein, wenn wir nicht da sind.«

»Er ruft vorher an. Dann werden wir auch da sein.«

Der Junge streckte sich und gähnte. »Liest du mir noch was vor?«

Es war schon halb neun. Das Kind musste schlafen. »Ich habe dir doch schon vorgelesen.«

»Nicht das. Lies mir den Brief von Papa vor!«

Das machte alles nur noch schlimmer. Aber Marie fiel kein vernünftiges Argument dagegen ein. Sie zog den Brief aus der Schublade neben dem Kinderbett, faltete ihn auf und begann zu lesen.

»Seit zwei Tagen können keine Flugzeuge mehr landen. Lastwagen kommen natürlich erst recht nicht durch den Matsch. Aber macht euch keine Sorgen, wir haben genug zu essen! Gestern gab es Ravioli aus der Dose. Und heute soll sogar gegrillt werden. Dass es momentan still geworden ist, ist gar nicht schlecht, denn es ist jetzt so ruhig hier wie in Koserow im Winter. Aber es kommen auch keine neuen Kameraden mehr. Ihr müsst euch das hier vorstellen wie in der Bibel. Überall stehen Lehmhütten. Zu denen passen die Flugzeuge auch gar nicht. Zu den Menschen hier erst recht nicht. Das sind meist lange, dürre Gestalten in löchrigen Stiefeln oder gar barfuß. Wie Einsiedler sehen sie aus. Stellt euch vor, in ganz Kundus gibt es keine Möglichkeit, etwas zu drucken. Deshalb erscheint unsere Zeitung auch nicht. Aber das ist weniger schlimm. Sie ist todlangweilig. Dagegen ist die Ostseezeitung noch spannend.«

Der Junge lachte. Er versank in seinem weiß-blauen Hansa-Rostock-Kissen und hatte die Augen geschlossen.

Der Brief war an sie beide gerichtet. Es gab auch andere Briefe, die trugen nur Maries Namen als Adresse. In diesen Briefen berichtete Karl von Kameraden, die kein Wort mehr sprachen. Ihre Freundinnen hatten sie verlassen und den Wohnungsschlüssel nach Kundus geschickt. Einfach so. Marie schnürte so etwas den Hals zu. Nicht aus Mitleid mit Karls Kameraden. Aus Angst. Karl war sonst nicht so. So aufdringlich. Ja, aufdringlich. Er schrieb so etwas nur, damit sie verstand, dass man das nicht tat. Als Frau eines Soldaten. Das war es, was ihr Angst machte.

»In einem Bundeswehrcamp fliegen einem wirklich gebratene Tauben ins Maul. Um nichts muss man sich kümmern. Ich weiß gar nicht, wie ich das schaffen soll, wenn ich wieder zu Hause bin. Dann muss ich morgens Brötchen holen und selbst grillen oder sogar Geschirr abwaschen. Da ist Afghanistan viel bequemer für einen Kerl wie mich.«

Felix war eingeschlafen. Der Junge atmete jetzt ganz ruhig. Marie wagte es sogar, die Tür zu schließen. Er würde sicher durchschlafen.

Felix hatte am nächsten Morgen Schwierigkeiten, aus dem Bett zu kommen. Marie musste ihn antreiben, damit er nicht zu spät in die Schule kam. Sie setzte ihm seine Mütze auf, hängte ihm den Ranzen um und ging mit ihm – im Nachthemd – zum Schuppen, wo sein Fahrrad stand. Marie schloss die Tür auf und Felix stieg aufs Rad. Jetzt wirkte er schon wie ein großer Junge. Er mochte es nicht so gerne, wenn sie ihn draußen zum Abschied küsste. Das war Marie aber egal. Er war immer noch ihr Kleiner, und sie küsste ihn, wann sie wollte. In ihren vier Wänden hatte er ja auch nichts dagegen. Sie hielt ihm das schmale Tor auf. Er fuhr unsicher wackelnd hindurch.

Marie trat hinter ihm auf die Straße. Sie trug den zerschlissenen Morgenmantel über ihrem Nachthemd. Aber das sah hier niemand. Sie winkte hinter dem Jungen her, bis er an der Ecke in Richtung Dorfschule abbog.

Jetzt hatte sie vier, fünf Stunden für sich. Sie wollte einiges abarbeiten. Die Verlage warteten auf ihre Gutachten. Wenn sie zu lange brauchte, bekam sie keine Aufträge mehr. Und die 500 bis 600 Euro, die im Monat dabei heraussprangen, konnten sie trotz der 90 Euro am Tag, die Karl zu seinem Sold als Auslandseinsatz-Zulage bekam, immer noch gut brauchen. Das Häuschen war zwar schon ziemlich abgewohnt. Aber sie hatten es längst noch nicht abbezahlt.

Der Wagen stand immer noch da.

Marie blieb eine Weile mit über der Brust verschränkten Armen auf der Straße stehen. Was hatte das zu bedeuten? Wurde sie beobachtet? Was suchte der Kerl hier? Bei der Kälte, die nachts vom Meer aufs Land zog, übernachtete niemand ohne Not im Auto. Da stimmte was nicht.

Marie konnte jetzt nicht einfach ins Haus zurückgehen. Das passte nicht zu ihr.

Sie überquerte die Straße, um einen besseren Blick auf den roten Golf zu bekommen.

Vielleicht sah der Kerl sie ja auch im Rückspiegel und stieg aus.

Angst hatte sie keine. Sie war überhaupt kein ängstlicher Mensch. Sie hatte auch nicht gezögert, als Karl von ihr hören wollte, ob sie es sich zutraute, so lange allein mit dem Jungen in dem Haus am Ortsrand zu bleiben. Das konnte sie. Nur so lange ohne Karl sein – das fiel ihr schwer.

Der Kerl stieg nicht aus.

Marie ging los. Sie konnte sich das nicht bieten lassen.

Oben in der Schublade unter Karls Socken lag eine Pistole. Ihr Mann hatte sie für sie besorgt. Ein Tag vor seiner Abreise nach Afghanistan.

Es machte ihr nichts aus, dass sie im Morgenmantel war und unter dem Nachthemd nicht einmal einen Slip trug. Das hier war ihr Haus. Und wenn jemand die ganze Nacht mit seinem Wagen vor ihrem Haus stand, hatte sie ein Recht darauf zu erfahren, was er im Schilde führte.

Sie wurde langsamer. Es war schon seltsam, dass sich überhaupt nichts tat. Vielleicht hatte sich jemand den Platz vor ihrem Haus ausgesucht, um sich umzubringen. Menschen, die das vorhatten, taten es gerne am Meer. Sie sehnten sich zurück in die Ozeane, dahin, wo sie vor Jahrmillionen hergekommen waren.

Marie stockte. Gut, dass der Junge weg war. Vor eins kam er nicht nach Hause.

Marie bückte sich etwas, um besser in den Innenraum blicken zu können.

Die Scheiben waren angelaufen. Man sah gar nichts.

Wenn die Scheiben angelaufen waren, atmete der Mann noch, der am Steuer saß.

Das beruhigte Marie ein wenig. Sie fürchtete sich nicht vor dem Anblick eines Toten. Sie wollte nur nicht den ganzen Morgen herumtelefonieren und sich mit der Polizei, der Feuerwehr und mit wem sonst noch alles auseinandersetzen müssen. Das zog so ein Selbstmord doch nach sich.

Sie machte kehrt. Nun wollte sie so schnell wie möglich wieder ins Haus. Es wäre ihr peinlich gewesen, wenn der Mann sie so gesehen hätte: im Morgenmantel, sich langsam seinem Golf nähernd. Das neugierige Dorfweib.

Marie lief jetzt, soweit ihr die Latschen das erlaubten.

Sie atmete erst auf, als sie die Haustür hinter sich zuschlug.

Marie hielt inne. Eigentlich benahm sie sich unmöglich. Sicher war der Mann da draußen in dem Golf einfach nur ein bedauernswerter Urlauber, der keine Unterkunft mehr gefunden hatte. Das war auf der Insel keine Seltenheit.

2.

Marie kochte Kaffee und setzte sich mit dem Manuskript, das sie gerade las, an den Küchentisch. Sie begann zu arbeiten.

Meistens gelang es ihr sofort, sich in die Welt des Textes zu begeben, den sie gerade zu beurteilen hatte. Auch wenn es nur Kinderbücher waren, es erforderte schon eine besondere Einfühlung, beurteilen zu können, ob Kinder im Alter ihres Sohnes mit einer Geschichte etwas anfangen konnten oder ob sie überfordert waren. Oft waren sie auch unterfordert. Aber die Leute im Verlag fanden, dass ausgerechnet die Bücher, die sie für unterfordernd hielt, sich gut verkauften. Damit hatten sie recht. Das lag wohl daran, dass, wie ihr eine erfahrene Lektorin einmal gesagt hatte, die Eltern die Bücher für ihre Kinder kauften. Die beurteilten die Fähigkeiten ihrer Kinder fast immer falsch.

Marie konnte sich nicht konzentrieren. Sie schaute immer wieder von der Kindergeschichte auf. In der rechten unteren Ecke des Küchenfensters sah sie den roten Kotflügel des Golfs. Er stand immer noch da. Es war schon nach zehn.

Ob der Mann ihr Haus beobachtete?

Marie stand auf und ging zum Telefon. In der Schublade des kleinen Schränkchens im Flur lag ihr Telefonbuch. Es enthielt nicht viele Nummern. Seit sie in Koserow wohnten, hatte Marie viele Kontakte einschlafen lassen. Einige der Nummern hatte Karl ein paar Tage vor seiner Abreise eingetragen – mit seiner geraden, ernsten Schrift, der man keine Gemütsbewegung ansah. Maries Nummern waren dagegen krakelig und launisch, wie von einem Teenager.

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