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Das Phänomen LEVANTE Die meisten der Erzählungen sind wahr, andere sollten mit einem Augenzwinkern verstanden werden. Sie sollen den Leser neugierig auf Spanien und die herrliche Gegend der Levante machen. Da, wo immer die Sonne scheint, aber nicht alles sonnig ist. Hier werden Kurzgeschichten aus einer Sicht beschrieben, die sich humorvoll und ein wenig satirisch mit dem mediterranen Lebensstil auseinandersetzen.
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Seitenzahl: 188
Veröffentlichungsjahr: 2025
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Eduardo Esmi, das Pseudonym von Friedhelm Schmidt, lebt in Orxeta, Spanien. War lange Jahre Mitglied des Gemeinderats und hat als Autor, Fotograf und Bauträger gearbeitet.
Er hat zahlreiche Bücher und Kurzgeschichten veröffentlicht. Bekannt sind auch seine Bildbände und Presseberichte.
Das Phänomen LEVANTE
Die meisten der Erzählungen sind wahr, andere sollten mit einem Augenzwinkern verstanden werden. Sie sollen den Leser neugierig auf Spanien und die herrliche Gegend der Levante machen.
Da, wo immer die Sonne scheint, aber nicht alles sonnig ist. Hier werden Kurzgeschichten aus einer Sicht beschrieben, die sich humorvoll und ein wenig satirisch mit dem mediterranen Lebensstil auseinandersetzen.
Vita
Wir sprechen Levante
Bauabnahme
Zwei Sänger
Warum Mañana nie Morgen ist
Das Duell
Für immer jung.
Der Blinde
Bahndammhühner
Löwe und Igel verbreiten Angst und Schrecken
Abgesang eines Extranjero
Casting für den Hauptdarsteller der Passionsfestspiele
Jesus
FKK-Unfall oder wenn man im Unglück noch Glück hat
Die Verwirrten
Raucherbein
Familie Sonnenschein
Die Stehlampe
Käfer
Wunderheilungen
Besuch von Außerirdischen
Die Erscheinung
Vom Versuch reich zu werden
Rechnung Paradox
Der Kartoffelsack
Glück nicht nur im Spiel
Der reinigende Brandy
Safaripark
Frankfurter Rolle
Rückerstattung
Der kleine Verdienst
Der Gehörnte
Ein Hund der zwei Essen bezahlte
Prediger in den christlichen kirchen
Gisel-la-mour
Die Wanderer
Die Golfer
Die Tennisspieler
Pannen-Ulla
Rotwein-Rudi
Javier
Geiz-Georg
Opa Harry
Neugierde
Schemen und Schatten
Ein Paradies versinkt
Die Siedlung brennt
Auszüge aus Pressemitteilungen
Am Flughafen
Vita
Ja, es gibt ihn, den romantischen Satiriker.
Einige meiner Freunde bezeichnen mich auch als netten Zyniker.
Mein Name ist Friedhelm Alfred Eduard Schmidt, oder auch im Pseudonym Eduardo Esmi.
Sitze hier an der weißen Küste Spaniens und schreibe diese Zeilen. Was mich hier an den Küstenort getrieben hat, kann ich nur erahnen.
Folgendes steht da zur Debatte, Vaters Zeugungsmarsch durch Europa ,,Heute gehört uns Deutschland und morgen die ganze Welt“ (das ging dann aber richtig schief) oder der Fluchtinstinkt meiner Mutter. Ich glaube aber, es ist meine Sehnsucht in die Ferne.
Egal, ich bin nun mal hier und das ist jetzt meine Heimat. Von Kopf her bin ich noch Deutscher, im Herzen, aber längst Spanier.
Dann will ich mich mal an die Aufgabe begeben und mich selbst beschreiben: Als Baby süß, als Kind niedlich, introvertiert, flüchtete oft in Träume, als Jugendlicher hübsch, als Mann schön. Jetzt im Alter elegant, humorvoll und charmant. Nicht das Sie glauben, ich übertreibe.
Ich sage nur:
>>Sternzeichen Löwe. <<
Dann die Kehrseite der Medaille:
Als Sohn wohlerzogen, aber schwierig, Fluchtkind eben. Als Ehemann nicht zu gebrauchen, da freiheitsliebend. Es folgten viele Fluchtversuche bis hin zur Scheidung.
Als Freund treu und zuverlässig, eben typisch deutsch.
Man bezeichnet mich auch als sympathischen Zyniker, nur weil ich keine Menschen ernst nehmen kann, die sich selbst zu ernst nehmen.
Alles andere ist natürlich Unsinn. Genug gejammert, weiter gehts. Dies soll keine Autobiografie sein. Oh nein, ich schreibe, wie es mir die Erinnerung vorgibt und nicht der verlangte Schreibstil der Verlage.
Daher sind einige Erinnerungen als Kurzgeschichten beschrieben. Natürlich wird der Fantasie auch Raum gegeben. Verzeihen Sie mir einige Lapsus Calami.
***
Alle zwei Wochen treffe ich mich mit Jose bei unserem Jour fixe zu einer Partie Schach. Wobei das Schachspiel ein Vorwand ist, um unsere Freundschaft zu festigen. Nicht wie einige unserer Bekannten meinen, es ist reiner Eskapismus. Oh nein.
Einmal in Denia in einer kleinen Bar gegenüber dem Hafen auf Höhe der Fährschiffanlage. Da Jose dort in der Nähe wohnt. Hier gibt es den Lenguado, gegrillt von bester Qualität. Von hier blickt man auf die Ankommenden sowie auf die ablegenden Fähren nach Ibiza und Mallorca. Es ist immer interessant, die Menschen dabei zu beobachten. Da werden bei Ablegen Toiletten-rollen über Bord gelassen, um bis zur letzten Sekunde noch Kontakt mit den Lieben am Kai zu halten.
Sowie Treffen in Villajoyosa bei Brad an der Strandpromenade. Der seine Bar in einem der bunten Fischerhäusern betreibt. Sein Angebot von Gambas al Ajillo ist einmalig. Ich sitze gerne hier. Zurückgesetzt von der Promenade mitten im Grünen dicht am einen alten Fischerhaus. Liebe die Luft hier, die sich mit den Düften vom Jasmin, den mediterranen Küchendüften und dem Wind von Meer vereinigen.
Zwischen den einzelnen Zügen verbringen wir oft mit Pausen, um zu diskutieren. Themen und Probleme gibt es weltweit und im Speziellen in Spanien sowie in Deutschland ja genug.
Jose Albares, graue Silbersträhnen ziehen sich schon durch sein schwarzes Haar, was er halblang trägt. Seine 45 Jahre verschwinden, wenn er lächelt. 185 cm groß. Schlank, feingliederig bis hin zu aristokratischen Gesichtszügen, wie man es gelegentlich bei Uni-Professoren sieht. Seine gesunde braune Hautfarbe lässt einen Aufenthalt in der Natur erahnen. Nur die eiskalte Härte bei Unbehagen in seinen Augen mahnen zur Vorsicht. Eins seiner Hobbys sind Nordischen Frauen. Mit seinen Worten ,, Blonde Göttinnen.“
>> Da brauche ich nur wenige Zutaten. Einen Vollmond über dem Meer. An Tag, kalten Weißwein und nachts Rotwein aus Rioja. Wenn dann noch Julio Iglesias singt, fallen sie über mich her. << Lächelt dabei geheimnisvoll.
>> Aber wie ich so höre, hältst Du ich hier auch schadlos an den Schönen der Nacht. << Ich winke nur grinsend ab.
Was uns auszeichnet, ist die gegenseitige hohen Ambiguitätstoleranz.
Wir beide kennen uns von einem gemeinsamen Projekt in Denia, La Marina. Er vertrat die Universität Valencia, ich meine damalige Baufirma. Es ging um das Problem der ständigen Überschwemmung von Teilen La Marinas, die unter den Meeresspiegel- Niveau lagen.
Heute sitzen wir in Villajoyosa, Costa Blanca bei Bred. Jose in hellblauen Jeans mit weitem dunkelblauem Hemd. Seine braunen Füße neben den gelben Stoffschuhen. Meine beigen Leinenhosen reichen über die hellen Leder-Sandalen von Mervin & Hamilton. Nur das Hemd steht im Gegensatz zu der modischen Markenbeleidung. Es ein ist total verwaschenes
T-Shirt von Armani. Keiner von uns trägt Schmuck, nicht einmal eine Uhr.
Ein wunderbarer Tag also, wie immer hier. Nur ein leichter, erfrischender Wind, der die Hitze angenehm verteilt. Das Meer fast spiegelglatt. In der Ferne sieht man vereinzelt Fischerboote. Der Sandstrand noch nicht überlaufen. Die Touristen kommen aber noch. In der Schach- Partie steht es gut für mich, noch.
>> Jose, ich höre oft von meinen Angestellten den Begriff, alles Levante“.
Was besagt das? << Er schau mich erstaunt an.
>> Meinst Du jetzt das Geschichtliche oder was der Volksmund so von sich gibt? <<
>>Nein, nein. Das Historische und die Geografie kenn ich so oberflächlich. Die Levante liegt östlich am Mittelmeer. Kommt wohl aus dem dreier Ursprung, altitalienisch Levante, mittelfranzösisch levant, „Osten“, „Morgenland“, abgeleitet vom Sonnenaufgang, von lateinisch levare „emporheben, aufgehen, also östlich von Italien gelegen. Ist das so richtig? << Lächelnd nickt er mir zu.
>> Nur hast Du uns hier vergessen. In Spanien bezeichnet der Begriff Levante, die Ostküste der Iberischen Halbinsel und ihr Hinterland, besonders die Küstenlandschaften der früheren Königreiche Valencia und Murcia. Auch eine Gegend an der Ostküste Mallorcas wird Levante zugerechnet. Zudem bezeichnen wir auch einen Wind Levante. Ist Dir das geläufig? <<
>> Na ja, wie ich weiß, habt Ihr doch für jeden Windstoß einen Namen. Für Kaltluft ist der Mistral zuständig und der Saharawind heißt hier Scirocco? Oder irre ich mich? <<
>> Ha, Ha, Du mit Deinem Halbwissen. Lass uns das Thema perlustrieren. Ich werde Dir, wenn Du gestattest, einiges über die klimatischen Phänome erzählen. So nur die wichtigsten der Winde, die aber alle regionalen und geografischen Gegebenheiten beeinflussen. Da gibt es folgende Wetterphänomene, die wie gesagt alle Einflüsse auf Klima und somit auch auf Ernten, Tourismus bis hin zu Fischfang haben. Mit anderen Worten, sie beeinflussen sowohl das Wetter als auch die Natur und somit die Lebensbedingungen in den betroffenen Gebieten.
Die da wären:
Mistral. Ein kalter, trockener Nordwestwind.
Poniente. Ein Westwind, der oft mit mildern Wettereinflüssen verbunden ist. Er weht von der Atlantikküste ins Land.
Wie Du schon sagtest der Scirocco ein heißer und trockener Wind.
Tramontana. Ein kalter Nord- bis Nordwestwind.
Garbi. Ein warmer, feuchter Wind, der vom Meer kommt.
Bora. Ein kalter Fallwind, der vor allem in den bergigen Regionen der Nordostküste Katalonien auftritt.
So jetzt noch zu der Levante. Am stärksten ist der Levante zwischen Mai und Oktober. Seine maritimen Aktivitäten haben erhebliche Auswirkungen auf das Segeln und andere maritime Aktivitäten. Die feuchten, starken Winde können sowohl eine Herausforderung für Schifffahrt darstellen als auch für Fischer und andere maritime Berufe.
Aber kommen wir wieder auf Deine Frage zurück. Die Sprache und spezifisches Verhalten der Einwohner. Als es sich ab 1965 bei uns mit den Touristen langsam entwickelte, begann auch der Aufschwung an den Küsten. Autobahn, Hotel und Golfanlagen. Später dann ganze Feriensiedlungen, die erstellt wurden. Also strömten Arbeiter aus allen spanischen Regionen an die Mittelmeerküste. Arbeiter mit ihren Familien fanden Beschäftigung im Baugewerbe, als Kellner und die Frauen in den Hotels.
Dadurch jetzt einmal einfach dargestellt, entstand ein Mischmasch an Sprachen. Hier in Land Valencia ist bis heute in vielen Gemeinden noch die Amtssprache Valencianisch. Gesprochen wird aber überall kastilisch, also Spanisch. So vermischten sich dann einiges von Katalanisch, Galicisch, Baskisch und artesisch. Zudem kamen noch den Dialekten, wie zum Beispiel in Ibiza das Ibicenco. Das hört sich so an wie bei euch, wenn ein Sachse, Bayrisch und Schwäbisch in einen Satz spricht.
Dann kamen die Touristen, Langzeiturlauber und die Auswanderer. Engländer, Nordeuropäer und auch ihr deutschen. Alle suchten das angenehme Klima hier am Mittelmeer. Die Sehnsüchte nach Meer, Sonne und Wärme brachen vor allen bei der älteren Generation durch. Das mediterrane Leben sprach sich sehr schnell rum und es steigerte sich Jahr um Jahr. So wurden dem landesüblichen Sprachenmix noch Englisch sowie Latinisch, Französisch und Deutsch beigesteuert. Ob diese Begriffe und Worte die Kultur bereichert haben, sei dahingestellt. So haben wir in der einfachen Bevölkerung das erwähnte LEVANTE. <<
>> Ok, das verstehe ich. Aber die Gewohnheiten, die mit Levante bezeichnet werden. Wie verhält sich das? <<
>> Das mein Lieber ist eine sehr interessante Frage. Wo sich im Laufe der Jahre eine einfache, aber nie korrekte Sprache entwickelte, blieb es bei den Gewohnheiten und Eigenschaften wie vor Jahren. Hier passten sich die zugezogen Neubewohner an. Bis auf wenige Veränderungen blieb es Levante. Das Geheimnis liegt in der Einfachheit. Ich gebe Dir gleich einige Beispiel auch eines von Dir. << Lächelnd schau ich ihn an.
>> Jetzt hast Du mich aber neugierig gemacht.
Raus mit der Sprache, Jose. Du meinst jetzt nicht Populismus? <<
>> Nein, obwohl man beides vergleichen könnte.
Levantismus findest Du in jeder Gesellschaftsschicht. Im breiten Volk natürlich mehr. << Still lacht er sich eins.
>> Du hast mir doch mal erzählt, dass sich einer deiner Arbeiter geweigert hatte, Zementsäcke in deinen Mercedes zu laden. Ist doch richtig, oder? <<
>>Ja, ja. Er ist dann mit seinen alten Moped Zement holen gefahren. Ich sage Dir, das war mehr wie abenteuerlich und zudem gefährlich.
Zwei Säcke, je mit 50 kg hinten auf den wackligen Gepäckträger und ein Sack vorne überm Lenker. Ich war fassungslos, als ich ihn ankommen sah. Für den Rest der Truppe war es aber völlig normal. Das Moped hat gewackelt wie ein Lämmerschwanz während der Fahrt.
Wenn den die Polizei gesehen hätte. Das wäre teuer geworden. <<
>>Ha, ha oder auch nicht. Ich sage Dir nur eins TRANSPORTE LEVANTE. <<
>>Jetzt, wo Du das sagst, fällt mir ein, habe schon einige dieser Transporte Levante gesehen.
Ein alter Kleinwagen mit Dachgepäckträger voller Möbel so hochgestapelt, der wäre unter keiner Brücke durchgekommen. Und ein anderes Fahrzeug, ich weiß nicht, was der oben geladen hatten, jedenfalls lief dem die Suppe vorne über die Windschutzscheibe. Alles verschmiert und verdreckt. Die Scheibenwischer waren wohl defekt oder er hatte keine.
Denn der Fahrer schaute aus dem Seitenfenster, um überhaupt was zu sehen. Gestunken hat das unglaublich. Fleisch oder Fischabfälle, weiß der Teufel was. << Amüsiert antwortet mir Jose.
>> Tja, da haben wir es wieder. Transporte Levante. Das zieht sich bei uns durchs ganze Leben in allen Bereichen bis hin in die Justiz.
Nur langsam müssen wir die Regel von Brüssel annehmen. Aber nur widerwillig. <<
>>He, sagtest Du bis in das Rechtssystem? Jose, das ist für mich schwer zu glauben. Hast Du dafür Beweise? <<
>>Also Eduardo, in der Justiz läuft hier alles etwas anders. Eben mediterran oder Levante. Ich würde sagen menschlicher. Beweise? Aber ich gebe Dir ein Beispiel. Du fährst auf der 770 kurz hinter Orcheta.
(Orcheta in Valencianisch Orxeta, ein Dorf mit ca. 900 Einwohner liegt 7 km nördlich von der Küstenstadt Villajoyosa in Richtung Berge. Lebt von Landwirtschaft und Tourismus.)
Ein landwirtschaftliches Fahrzeug mit Hänger überquert plötzlich die Straße. Es kommt zum Unfall. Nur Sachschaden. Wie geht nach deiner Meinung die Sache aus? Bei Personenschaden hast Du keine Chance. << Er blickt mich fragend an.
>> Ist doch eigentlich klar. Ich befand mich auf der Hauptstraße somit im Vorfahrtsrecht. Über Höhe der Strafe oder Versicherungszahlungen entscheidet dann das Gericht. Wenn wir uns nicht privat einigen. Wie gesagt sehe ich mich im Recht. <<
>> Mein lieber Eduardo, ich glaube, es läuft so.
Halten wir mal fest. Fakt ist der Unfallort.
Freitag um 9:30.
Bei einer Verhandlung in einem anderen Ort denke ich, wenn Du Glück hast und ein Genie als Anwalt kommt es zu einem Vergleich. Nur bist Du dann im Ort fertig. Als Freund rate ich Dir verkaufe und lasse Dich dort nicht mehr sehen.
Kein Hund nimmt von Dir noch einen Knochen.
Beim Friedensrichter im Ort trägst Du die Schuld und somit die Kosten. <<
>> Das glaube ich nicht. Mit welchen Begründungen bitte. Das ist doch absurd. << Ernst begründet Jose seine Meinung.
>> A. Du bist Extranjero, die sind alle hier vermögend. Siehe Chalet, großes Auto.
B. Dein Unfallgegner fährt seit Jahren, genau wie seine Vorfahren immer am Freitag um 9:30 Uhr zu seinem Land. Dieses Land ist heilig, da die Ahnen seiner Familie hier im Kampf gegen die Mauren ihr Blut und Leben gelassen haben.
Zudem muss er das Land bestellen, um die Bevölkerung mit Lebensmittel, sprich Obst oder Gemüse zu versorgen. Jetzt kommst Du, der Extranjero, der auch noch zu schnell und rücksichtslos mit deinem neuen großen Auto gefahren ist und unterbrichst diese Kette. Eine Kette der Versorgung, die Jahrhunderte gut fusionierte. Jetzt darfst Du raten, wer hier die Schuld zugesprochen bekommt. Ich sage nur LEVANTE. Mein Rat aber, das weißt Du ja selbst. Fahr hier vorsichtig und vorausschauend.
Die Strafen kennst Du ja schon bei uns in Spanien. <<
>> Willst Du mir sagen, Gewohnheitsrecht schlägt hier Verkehrsrecht? << Jose zuckt lächelnd mit den Achseln und schweigt.
>> Was sagst Du zu der Geschichte? Wie ich sehe, zweifelst Du noch. Ok, dann gebe ich Dir noch ein Beispiel. Woran erkennst Du, dass Du in Levante bist. Ich meine natürlich in der Urform. << Er schaut mich fragend an. Meine erhobenen Hände signalisieren ihm mein Unwissen.
>>Na gut, ich verrate es Dir. Du bestellst Dir ein Getränk. Nehmen wir mal an ein Bier. Ein Insekt, Fliege oder Käfer fliegt ins Glas. Der Tourist schreit nach dem Kellner und will ein neuer Drink. Der Spanier schaut ins Glas und trinkt es leer. Ein Levantiner fängt sich ein Insekt, schmeißt es ins Glas und trinkt es dann.
Daran erkennst Du einiges für Dich, oder. << Lacht herzlich.
>>Und noch eins. Wusstest Du das bei uns auch die Spiegel alt werden? Jetzt staunst Du, Eduardo. Ja, nicht nur der dahinein schaut, auch der Spiegel selbst. Kannst es gerne überprüfen.
Schau heute rein und dann in einem Jahr. Sag mir dann, wer älter geworden ist. <<
>>Haha Viva la Levante. << Komme aus dem Lachen nicht raus.
Nach einer Pause bedanke ich mich bei Jose für die Lehrstunde.
>> Jetzt zu deiner Rechts-Story. Wenn es sich so verhält, wie Du es geschildert hast, nehme ich die Schuld an. Denn ich liebe dieses Land Spanien. Mit allen, was es mir bietet. Denn hier wird aus Schmerz und Leid, Gesang und Tanz.
Aus Tränen erwachsen Rosen und Liebe. In einem Land, wo Empathie vorherrscht, da ist es eine Ehre für mich, hier leben zu dürfen. Aber eine Frage haben ich noch Jose. Nur weil ich mich in den Jahren den Lebensgewohnheiten hier am Mittelmeer angepasst haben, bin ich dann auch ein Levantiner? << Lachend antwortet Jose.
>> Ha, Ha. Oh nein, Eduardo, das bist Du sicher nicht. Aber Du sprichst schon so. << Nachdenklich blicke ich ihn an.
>> Jetzt mal ehrlich Jose, wenn ich bei Schach gewinne, ist das auch LEVANTE? << Jose schaut ins Blau vom Himmel und lächelt geheimnisvoll.
***
Es mag der Eindruck entstehen, ich lebe so in den Tag hinein. Weit gefehlt. Auch ich arbeite, und zwar führe ich ein Baugeschäft.
Ich werde Ihnen mal ein Geheimnis verraten.
Nie habe ich mehr Stunden gearbeitet wie in Spanien.
Nie habe ich weniger verdient wie in Spanien.
Nie habe ich besser gelebt wie in Spanien.
Alles klar!
Morgens die Arbeit eingeteilt, abends diese überprüft. Zwischendurch Material eingekauft und Kunden aufgesucht. Das jeden Tag.
Meine Kollegen von Unternehmerverband belächeln mich mittags beim Rotwein.
>>Er ist eben doch Deutscher, die können nicht anders. <<
Dann kam wieder das Sprichwort; Wer arbeitet, hat keine Zeit Geldzuverdienen. Gut, sie hatten ja recht. Das hatte ich auch schon gelernt.
Geschäfte laufen in Spanien immer in einer Bar ab. Meine Kundschaft, zu 90 % Schweizer, der Rest aus dem deutschsprachigen Raum. Da läuft das etwas anders ab.
Die Klientel erwartet Termintreue und kein Mañana. Sauberkeit und Fachkompetenz.
Deshalb überlebte ich in diesen Haifischbecken.
Zurück zum Bau. Wir hatten eine Neueindeckung einer Villa vorgenommen. Jetzt galt es, dass Turmzimmer neu mit Dachziegel der Form Mönch und Nonne zu verlegen.
Angefangen mit der Verlegung wird immer unten, dann nach oben laufend zugeschnitten.
Entscheidend ist aber der gleichmäßige Abstand der Ziegel unten. Da müssen das Maß und die Optik stimmen. Die Arbeiter auf dem Dach, ich unten. Wie gesagt, ich bin Pragmatiker. Wir fangen rechts an und kontrollieren den Abstand der Ziegel, bis sich der Turm mit der Hauswand schließt. Rückwärtsgehend den Blick nach oben gerichtet bin ich so auf der Hälfte des Turms.
Stoße mit den Hacken an den Rand vom Schwimmbecken und falle rückwärts in den Pool. Leider nicht in Badehose.
Schuhe, Hemd, Hose, Geldbörse, Handy alles nass. Die Besitzer der Villa nicht da.
Kein Handtuch, keine Ersatzkleidung, nur den Spott meiner Arbeiter.
>>Jefe, das war aber gut. Noch nie haben wir einen so schönen Sprung ins Wasser gesehen. << Alle gaben mir die besten Haltungsnoten. Das Handy hatte aus Protest über das unfreiwillige Bad den Betrieb eingestellt. Das Wasser triefte mir am Körper runter. Was tun?
Klamotten runter. Unterhose ausgewrungen. Der Rest verschwand im Kofferraum. Unterhose angezogen und die Kontrolle der Arbeit zu Ende gebracht. Dann ins Auto. Schiit mit der nassen Unterhose. Also die wieder aus. Rauf auf die Autobahn.
Ich tröstete mich, hast ja wenigstens Dein Radio an.
Die Dame an der Mautstelle blickte etwas verwundert.
So nach dem Motto; Jetzt kommen die Flitzer schon im doppelten Sinn. Die Fahrt verlief ohne Zwischenfälle, nur das ich eben nackt war.
Bei der Ausfahrt das gleiche Wundern.
Nur die Dame an der Mautstelle wollte es genau wissen.
Lehnte sich weit aus ihrer Kabine, um zu sehen, wie weit meine Nacktheit ging.
Lange schaute sie mir sehnsüchtig nach.
***
Das Telefon klingelt.
>>Esmi, ja bitte? <<
>>Señor Esmi, wen haben Sie uns da geschickt?
Betreiben Sie neben Ihrem Baugeschäft noch eine Künstleragentur? <<
Erstaunt verneine ich.
>>Worum geht es denn bitte Herr Wagner? <<
>>Ja, ich weiß ja auch nicht so recht. Wir hatten doch vereinbart, dass Sie uns einen Maler zum Streichen der Außenmauern schicken. Es kam auch heute Morgen ein Herr Julio und fing dann mit der Arbeit an. Gegen 10 Uhr machte er eine Pause und fragte meine Frau, ob sie es stört, wenn er einige Minuten auf seiner Gitarre spielt.
Seitdem spielt und singt er das gesamte Repertoire von Liedern des Julio Iglesias hoch und runter. Wie Sie sicher wissen, ist es 16 Uhr.
Wann soll denn unsere Mauer gestrichen werden? <<
Was für eine Firma. Ich beschäftigte in meiner kleinen Firma zwei weltbekannte Sänger. Einen aus der Oper und einen Troubadour. Beide Spanier. Caruso und Julio. Eigentlich Enrico Caruso, aber unserer hieß nur bei meinen Kunden so. Sein eigentlicher Name Lorenzo.
Julio hieß tatsächlich auch Julio. War aber nicht so erfolgreich wie sein Vorbild Julio Iglesias.
Aber bleiben wir bei Julio. Ich fuhr vor Ort. Julio saß auf der Terrasse und schmetterte einen Song nach dem anderen vor sich hin. Auf meine Frage, warum er denn nicht die Mauer streicht? Seine Antwort; >> Die Kundin bat ihn um ein Ständchen, was er nicht verweigern wollte und durch ihre Begeisterung spielt er eben noch. << Die Kunden waren aber nicht zu sehen. Weitere Zuhörer auch nicht. Auf die Arbeit angesprochen meinte er; >>Das hat doch Zeit. Kultur ist doch wichtiger. <<
Gerade Ausländern gegenüber muss er denen doch die spanische Kultur rüberbringen. Wir mussten uns dann einige Minuten sehr intensiv über Arbeit im allgemeinen Kundenerwartung im besonderen und Lohn im speziellen unterhalten.
Was zur Folge hatte, dass Julio jetzt den Weg eines Künstlers geht und von weiteren handwerklichen Tätigkeiten absieht.
Bleibt die Frage: Wer wird hier verschont, die Arbeit, die Kunden, die Kultur oder die Firma?
*
Jetzt zu Lorenzo. Lorenzo, 53 Jahre, knapp 50 Kilo schwer, klein, zäh und sehr fleißig. In der Firma war sein Spitzname ,,Kolibri“.
Wir bewarben uns um einen Großauftrag in Denia. Der Frühjahrssturm hatte besonders in der Region um Denia schwere Schäden an Dächern, Mauern und Natur angerichtet. Ein Auftrag über Schäden und Reparaturen für über 200 Häuser.
Also musste der leichteste meiner Männer nach oben auf die Dächer, um die Schäden zu begutachten und sie dann fotomäßig dokumentieren. Wir erstellten einen Grundplan, der alle Häuser mit Straßennamen und Hausnummern aufwies. Dann teilte ich die Leute ein. Lorenzo als Leichtester ging immer zuerst aufs Dach. Sicherte sich ab und teilte den unten verbliebenen Kollegen die Schäden mit, die genau in einen Schadenbericht eingetragen wurden. So wandelte er als ,,Kolibri“ von Dach zu Dach. Der Schadenbericht ging dann an den Vorstand der Siedlung und wurde beraten.
Der Präsident bat mich zu einem Gespräch.