Alles super, und selbst? - Maren Lehky - E-Book

Alles super, und selbst? E-Book

Maren Lehky

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Beschreibung

Führung mit voller Kraft voraus "Alles super, und selbst??" - Mit dieser Floskel unter Kolleginnen und Geschäftspartnern hält man sich Fragen nach dem eigenen Befinden gerne vom Leib. Denn wer möchte schon zugeben, dass er manchmal Dienstagmorgens nicht weiß, wie er das Wochenende erreichen soll oder dass er die Sinnkrise hat? Die erfahrene Leadershipexpertin und ehemalige Topmanagerin Maren Lehky schaut hinter die Kulissen des schönen Scheins, der oft sehr viel echte Lebenskraft kostet. Sie zeigt, wie man den Berufsalltag so gestaltet, dass man Kraft für die Führungsrolle ebenso wie für ein erfülltes Leben hat. Im Fokus stehen das Verhältnis zum Chef und zu den Mitarbeitern, innere Konflikte und Werte, Zeitdruck und Stress, die eigene Gesundheit, das Privatleben und schließlich die Erwartungen an sich selbst. Dabei geht es in allen Kapiteln darum, Energieräuber aufzudecken und unschädlich zu machen, mit vielen praktischen Tipps zur sofortigen Umsetzung. Das Buch ist die aktualisierte Neuausgabe von "Neue Kraft für Manager. Strategien für mehr Energie in der Führungsrolle".

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Maren Lehky
Alles super, und selbst?
Strategien für mehr Lebenskraft in der Führungsrolle
Campus Verlag Frankfurt/New York
Über das Buch
Führung mit voller Kraft voraus
„Alles super, und selbst?“ – Mit dieser Floskel unter Kolleginnen und Geschäftspartnern hält man sich Fragen nach dem eigenen Befinden gerne vom Leib. Denn wer möchte schon zugeben, dass er manchmal Dienstagmorgens nicht weiß, wie er das Wochenende erreichen soll oder dass er die Sinnkrise hat? Die erfahrene Leadershipexpertin und ehemalige Topmanagerin Maren Lehky schaut hinter die Kulissen des schönen Scheins, der oft sehr viel echte Lebenskraft kostet. Sie zeigt, wie man den Berufsalltag so gestaltet, dass man Kraft für die Führungsrolle ebenso wie für ein erfülltes Leben hat. Im Fokus stehen das Verhältnis zum Chef und zu den Mitarbeitern, innere Konflikte und Werte, Zeitdruck und Stress, die eigene Gesundheit, das Privatleben und schließlich die Erwartungen an sich selbst. Dabei geht es in allen Kapiteln darum, Energieräuber aufzudecken und unschädlich zu machen, mit vielen praktischen Tipps zur sofortigen Umsetzung. Das Buch ist die aktualisierte Neuausgabe von „Neue Kraft für Manager. Strategien für mehr Energie in der Führungsrolle“.
Über die Autoren
Maren Lehky war viele Jahre als Personalleiterin tätig, zuletzt als Geschäftsleitungsmitglied eines internationalen Industrieunternehmens. Seit 2002 ist sie Inhaberin einer Unternehmensberatung für Personalmanagement und trainiert und coacht Führungskräfte zu Leadershipthemen.

Inhalt

Vorwort »Wie schaff’ ich das noch 20 Jahre?«
1.  Der eigene Chef »Wie soll ich andere motivieren, wenn mich keiner motiviert?«
Fakten & Zahlen
Die Sehnsucht nach dem Über-Chef
Mehr Zufriedenheit durch die innere Haltung
Warum sich Ihr Chef nicht ändern will · Den eigenen Anteil erkennen · Handeln statt jammern · Die eigenen No-Gos definieren · Prävention für das nächste Mal
Einfache Tools für mehr Distanz zum Chef
Wie erträgt Ihr Chef sich nur?! · Andererseits … (Reframing) · Der Chef im Terrarium · Wonderboy (Humor)
Soforthilfe für Problemchefs
Geschichtenerzähler: »Wie ich einmal die XY AG rettete …« · Geisterfahrer: »Wo es langgeht, bestimme ich!« · Angreifer: »Sie sind so ein Idiot, ich fasse es nicht!« · Visionäre: »Bitte keine Details. Seien Sie doch kein Bedenkenträger!« · Zauderer: »Dazu kann ich noch nichts sagen.« · Antreiber: »Sehen Sie zu, wie Sie es hinkriegen!« · Feierabendfeinde: »Der Tag hat 24 Stunden und dazu noch die Nacht.« · Spaßvögel: »Machen Sie sich doch mal locker!«
Zum Schluss …
2.  Die eigenen Mitarbeiter »Hatte man eigentlich früher mehr Zeit für Führung?«
Fakten & Zahlen
Wie führt man eigentlich »richtig«?
Ja, die Zeiten sind härter geworden · Sie müssen nicht immer Zeit haben, aber präsent sein · Sie müssen nicht perfekt sein, aber berechenbar · Menschen zu mögen ist die halbe Miete · Nicht mal Jesus konnte es allen recht machen
Mehr Energie durch selbstbewusste Führung
Lösungen erarbeiten lassen, statt sich selbst abarbeiten · Unangenehmes sofort! · Wenn alles zu viel wird: Ich bin dann kurz weg · Nein, Sie sind nicht das Abteilungs-Google! · Erwartungsmanagement: Wie hätten Sie’s gern?
Was tun bei »schwierigen« Mitarbeitern?
»Low Performer«: Sie entscheiden, ob Sie sich ärgern · »Stuhlsäger«: Warum sich Angst nicht lohnt · »Ich krieg’ so einen Hals!«: Wie Sie mit eigenen Antipathien umgehen können
Zum Schluss …  
3.  Innere Konflikte »Kann ich das noch vertreten und mich morgen trotzdem im Spiegel anschauen?«
Fakten & Zahlen
Wie viel Identifikation mit Job und Unternehmen tut Ihnen gut?
Zwischen Überidentifikation und Gleichgültigkeit · Die Selbstverwirklichungsfalle · Authentizität und Rollendistanz
Mehr Energie durch Kompromissbereitschaft und Realismus
Überleben im »Haifischbecken« (Einsamkeit) · »Und, wie fühlt man sich so als Heuschrecke?« (Rechtfertigungsdruck) · »Das soll alles gewesen sein?« (Sinnfragen) · »Man kann doch keine Beförderung ablehnen!« (Karriereentscheidungen) · »Stehe ich auf der Abschussliste?« (Die Angst vor Jobverlust) · Man will Sie tatsächlich loswerden! (Trennungsmodalitäten verbessern) · Das sinkende Schiff verlassen? (Gehen in der Krise) · »Eine Krankheit kann ich mir jetzt nicht leisten!« · »Stellen Sie sich mal nicht so an!« (Gewissensverstöße) · Mit Ohnmacht umgehen
Soforthilfe für Umbruchsituationen
Sie wissen etwas, das Ihre Mitarbeiter nicht wissen dürfen · Sie sind selbst nicht überzeugt von den Veränderungen · Sie wissen selbst nicht weiter
Zum Schluss …  
4.  Zeitdruck und Stress »Ich werde von meinem Kalender und meinen Terminen beherrscht!«
Fakten & Zahlen
Warum tun wir uns das an?
Ist Stress das neue Statussymbol? · Manager-Stress unter der Lupe · Stressfaktor Mangel an Wertschätzung · Persönliche Faktoren: unterschiedliche Stresstypen · Unternehmensfaktoren: systemimmanenter Stress
Mehr Energie durch das Ausschöpfen eigener Gestaltungsmöglichkeiten
Sich selbst befragen (Selbsterkenntnis) · Die Sklaverei ist abgeschafft! · Die eigene Energie managen (Energiekompetenz) · Den Kopf frei bekommen (Gedankenkarussell) · Zeitsparer oder Zeitverschwendung? (Multitasking) · Nur Sklaven waren immer erreichbar (Abschalten? Abschalten!) · Ausmisten, aber richtig (E-Mails) · Wie erholt man sich eigentlich richtig? (Freizeitstress) · Akku leer? (Kraft tanken) · Immer auf Achse? (Dienstreisen) · Wenn der Job alles ist (Innere Unabhängigkeit)
Der Burn-out als Tapferkeitsmedaille?
Burn-out und Selbstverantwortung · Warum wir lieber »ausbrennen« als depressiv werden
Zum Schluss …  
5.  Die eigene Gesundheit »Pausen werden überbewertet!«
Fakten & Zahlen
Warum betreiben wir so bereitwillig Raubbau an uns selbst?
Der Körper als »Maschine« · Grenzerfahrungen · Wie definieren wir Erfolg? · Selbstwertschätzung
Mehr Energie durch ein bunteres Leben
Motivation: Lieber »hin zu« als »weg von« · Dranbleiben: Lieber »noch nicht« als »schon wieder nicht« · Raus aus alten Denkspuren: Affirmationen · Nein sagen ohne Reue · Die eigene Resilienz stärken · Schon morgen umsetzbar: Praktische Tipps für den Alltag
Zum Schluss
6.  Das Privatleben »Wie viel Egoismus kann ich mir erlauben?«  
Fakten & Zahlen
Guter Egoismus, schlechter Egoismus?
Die falsche Frage · Das eigene Lebensmodell finden
Mehr Energie durch private Zufriedenheit
Mehr Zeit für sich selbst · Rollen überdenken · Sich von Energieräubern verabschieden · Sich wirksam entlasten · Bewusst auftanken (oder es wieder lernen) · Erwartungen klären beim Zusammenleben · Kind und/oder Karriere?
Zum Schluss
7.  Die Anforderungen an sich selbst »Von nichts kommt nichts!«
Fakten & Zahlen
Die Schatten der Vergangenheit: Was unser Handeln prägt
Der/die Perfekte · Der/die Starke · Der/die Rücksichtsvolle · Der Helfer/die Helferin · Der/die Mühevolle · Der/Die Schnelle · Der Weltenretter/die Weltenretterin
Mehr Energie durch Selbstbeobachtung
Den Autopiloten ausschalten · Weniger streng mit sich sein · Innere Pluralität zulassen · Stark ist, wer sich Schwäche eingestehen kann · Heiterer durchs Leben gehen
Zum Schluss
Ausblick »The best things in life are free.«
Danksagung
Anmerkungen
Register

Vorwort

»Wie schaff’ ich das noch 20 Jahre?«
Liebe Leserin und lieber Leser,
»Wie geht’s?« begrüßt eine Geschäftsreisende ihren Kollegen eines frühen Morgens am Gate A 31 des Hamburger Flughafens. »Alles bestens!« kommt es wie aus der Pistole geschossen und ich dreh’ mich automatisch um, angesichts so viel Euphorie um 6.30 Uhr. Ich sehe einen Mann, Mitte vierzig, der fix und fertig ist, erschöpft aussieht, unausgeschlafen, kränklich und wie ein Schluck Wasser in der Kurve. Meine spontane Assoziation war ein Boxkampf, in dem der Trainer in der Ringpause zu seinem Schützling sagt: »Du schaffst ihn, gleich knackst du ihn, alles super.« Und der Zuschauer runzelt die Stirn, denn er sieht den vermeintlichen Verlierer nach Punkten, der mit Cuts und übel zugerichtet in den Seilen hängt und Schnappatmung hat.
»Alles super, alles bestens, alles supi«, das sind die stereotypen Bekundungen je nach Altersgruppe, wenn man sich im beruflichen Kontext oberflächlich austauscht. Keiner möchte zugeben, dass er sich manchmal Dienstagsmorgens fragt, wie er das Wochenende erreichen soll, dass er die Sinnkrise hat, dass er alles hinschmeißen möchte, oder ihm für das »eigentliche Leben« die Kraft fehlt.
Deshalb ist dieses Buch entstanden. Dieses Buch ist nur für Sie. Es soll Ihnen guttun, so viel zur Idee. Es soll Ihr Energiereservoir sein, aus dem Sie den Akku aufladen können. Ihr Begleiter auf dem Weg zu etwas mehr gesundem Egoismus. Ihr pragmatischer Unterstützer mit vielen Ideen und Vorschlägen als Antwort auf die Frage, die immer mehr Führungskräfte, Selbstständige, Unternehmer oder andere, beruflich stark Engagierte umtreibt: »Wie schaff’ ich das noch 20 Jahre?«
Meine letzten Bücher drehten sich um gute Führung, darum, wie Sie Ihren Job richtig gut machen. Hier soll es darum gehen, wie Sie die Kraft finden, weiterhin einen guten Job zu machen und dennoch zu leben. Dabei ist es wichtig, dass Sie Ihre Lebensqualität im Blick behalten und sich nicht nur um andere, |9|sondern zur Abwechslung einmal um sich kümmern. In der Führungsrolle geht es ums Geben. Ob Sie Orientierung geben, Sicherheit in Veränderungszeiten, ob Sie entwickeln, beraten, anleiten, steuern, managen, Gespräche führen oder Erwartungen klären. Was auch immer Sie tun, es ist eine gebende Rolle. Sie geben Kraft und lassen Federn. Sie müssen Druck von unten und von oben aushalten, denn Mitarbeiter und Chefs haben Erwartungen an Sie. Und es gibt immer jemanden »über« Ihnen, und sei es den Aufsichtsrat. Gleichzeitig lauern auf Kollegenebene Wettbewerb und Rangeleien. Als positive, stärkende Energie kommt dagegen sehr wenig zu Ihnen zurück. Sicher: Es gibt Anerkennung, Status, ein gutes Gehalt, Gestaltungsspielraum, Einfluss. Dazu die Freude darüber, wenn Menschen sich entwickeln, und vielleicht die Dankbarkeit, Verantwortung übernehmen zu dürfen. Aus all dem kann man Kraft ziehen – und dennoch: Im anstrengenden Alltag reicht all das irgendwann nicht mehr. Denn nicht nur die Arbeit fordert uns mehr denn je, auch im Privaten steht oft das Geben im Vordergrund, sind wir gefragt als gute Eltern, verständnisvolle Partner, zuhörende Freunde und engagierte Ehrenämtler. Dabei verschwimmt die Grenze zwischen Beruf und Privatem mehr und mehr, denn wann arbeiten wir eigentlich nicht? Wann schweigen der eigene Kopf und das Smartphonegleichzeitig? Arbeit und das sonstige Leben verzahnen sich immer mehr wie Puzzlestücke, und so wird das gedankliche Knäuel komplexer und nur noch selten entwirrt.
In dieser Gemengelage von Emotionen, Erschöpfung und besten Absichten höre ich von Führungskräften seit einigen Jahren eine Frage immer öfter: »Wer kümmert sich eigentlich um mich, wer führt mich, stärkt mir den Rücken, gibt mir Wertschätzung und Anerkennung?«, oder auch: »Ich soll immer loben und für alle da sein, wer ist für mich da?« Darin schwingt überdeutlich die Sehnsucht mit, selbst wieder Energie zu schöpfen, und die Ratlosigkeit, wie das gelingen könnte. Oft wird die Frage erstaunlich ruhig und fast resigniert vorgetragen, als hätte man sich damit abgefunden, immer weiterlaufen zu müssen im Hamsterrad, immer schneller. Vergleiche ich diese ruhige Frage mit der Hektik, die ausbricht, wenn jemand sein Ladegerät fürs Smartphone vergessen hat und die Anzeige mahnt, es seien nur noch zehn Prozent Leistung da, dann wünschte ich oft, es wäre andersherum. Denn der eigene Akku ist häufig genug ebenfalls am Limit angelangt.
Und da schließt sich der Kreis. Dieses Buch ist deshalb nur für Sie, weil es sich zu den unterschiedlichsten Fragestellungen darauf konzentrieren wird, was Ihnen gut tut, was Ihnen hilft. Wie Sie zu mehr Kraft kommen können und wie Sie für sich selbst das Gefühl entwickeln können, »das alles« noch ein paar Jahre oder |10|gar Jahrzehnte durchzuhalten. Dabei ist Durchhalten allein nicht genug. Sie haben mehr verdient! Ich gehe davon aus, dass wir immer etwas ändern können, um ein unangestrengteres und damit vielleicht froheres, leichteres Leben zu leben, und sei es auch nur in kleinen Schritten. Wir haben nur ein Leben (in dieser Form zumindest) und tun gut daran, etwas daraus zu machen.
Werfen wir einen 360-Grad-Blick auf Ihr Leben: Schauen wir uns im Folgenden typische Belastungssituationen an, das, was meine Klienten im Management-Coaching immer öfter bewegt, was Teilnehmer von Führungsseminaren und Workshops mir berichten und was ich selbst als Führungskraft immer wieder erlebe und beobachte, als Interimsmanagerin in Führungsverantwortung. Mein Anliegen ist es, eigene Erfahrungen, Best Practice, spannende wissenschaftliche Erkenntnisse und den Expertenrat unterschiedlicher Fachrichtungen zusammenzutragen, damit Sie in einem Buch all das finden, was Sie sonst in sieben suchen müssten. Das alles bildet das Fundament dafür, einmal innezuhalten, auf sich selbst zu schauen, Vorschläge und Ideen auf ihre Tauglichkeit zu prüfen (oder eigene zu entwickeln) und so den einen oder anderen Gedanken aufzugreifen und Belastungen abzustellen oder zumindest zu mildern. Daher wird sich dieses Buch auch mit Fragen an Sie wenden und Sie ermuntern, für sich selbst einen Beschluss zu fassen und etwas anzupacken, solange Sie noch die Kraft dazu haben.
Ich lade Sie also herzlich ein, sich mit den Themen auseinanderzusetzen, die Sie zu zermürben drohen. Unangestrengt, heimlich für sich selbst zunächst, im inneren Dialog und vor allem, ohne Stress zu erzeugen, Ihr Leben jetzt komplett ändern zu wollen oder zu sollen. Das schreckt mich selbst bei vielen Ratgebern ab, dass man immer das Gefühl bekommt, wenn man so weitermachte, stünde man bald im eigenen Grab, um schon mal Maß zu nehmen. Und man fühlt sich als Versager, wenn man aus der großen Bahn, in der man läuft, nicht einfach aussteigen kann oder will. Ich verzichte also auf alles Drohpotenzial, auf das schlechte Gewissen und den erhobenen Zeigefinger. Und Sie selbst schauen, wie sich aus der Vielzahl auch kleiner Tipps für Sie Schritt für Schritt und peu à peu eine Leiter zum Aussteigen bilden könnte.
Viel Spaß dabei und viel Erfolg. Den ersten Schritt haben Sie schon getan, Sie haben ein Buch zu diesem Thema geöffnet und hineingeschaut. Geht doch! Meint jedenfalls augenzwinkernd
Ihre Maren Lehky|11||12|

1.  Der eigene Chef

»Wie soll ich andere motivieren, wenn mich keiner motiviert?«
»Wie soll ich andere motivieren, wenn mich keiner motiviert?«
Chefs können einem nicht nur den Tag, sondern auch die Arbeit insgesamt verleiden. Sie sind Dreh- und Angelpunkte für Arbeitsfreude und Erfolg – als Auftraggeber und Zielsetzer, als diejenigen, die uns bewerten, unser Gehalt bestimmen, uns befördern oder nicht, uns loben oder mobben, uns groß werden lassen oder klein zu halten versuchen. Menschen an Flughäfen, in Zügen, in Cafés und beim Feierabendbier mit Freunden sprechen über ihre Chefs, und kaum jemand positiv. Viele Geschichten werden eingeleitet mit »Stell dir mal vor, …«, und beschreiben befremdliche Verhaltensweisen oder demotivierende Erlebnisse, die Kraft rauben. Der eigene Vorgesetzte ist also eine zentrale Person in unserem Arbeitsleben und damit in unserem Leben. Und es endet auf keiner Hierarchiestufe. Denn auch Führungskräfte selbst klagen häufig über ihren Chef, über dessen Desinteresse und mangelnde Wertschätzung, über zu viele Aufgaben und zu wenig Anerkennung. Viele Managerinnen und Manager haben das Gefühl, sie geben alles, und da wäre es doch schön, wenn hin und wieder ein wenig Unterstützung da wäre, Zuspruch, Rückendeckung oder – wenn das alles zu viel verlangt ist – wenigstens kein zusätzlicher Druck. Von diesem Wunsch ist es nicht mehr weit zu Demotivation und Frust. Welche Auswege aus dem Hadern mit dem eigenen Chef gibt es? Was können Sie tun, um mit diesem Energieräuber so umzugehen, dass er Sie keine Kraft kostet? Darum geht es in diesem Kapitel.|13|

Fakten & Zahlen

»Führungskräfte motivieren sich selbst«, so eine unausgesprochene Annahme in vielen Organisationen. Dass ein Chef seine Mitarbeiter loben sollte, nun ja, damit hat man sich abgefunden, auch wenn viele Mitarbeiter nach wie vor über zu wenig positive Rückmeldung klagen. Doch wer erst einmal aufgestiegen ist, muss sehen, wie er zurechtkommt. Als seien Führungskräfte nicht auch Mitarbeiter oder Dienstwagen und Einzelbüro ein Ersatz für menschlichen Zuspruch. Dass dies nicht so ist, ergab eine groß angelegte Umfrage der Hay Group im Mai 2013. Das Beratungsunternehmen befragte 95 000 Führungskräfte in 2 200 Unternehmen weltweit. Ergebnis: 49 Prozent der deutschen Manager demotivieren ihre (führenden) Mitarbeiter, 15 Prozent verhalten sich neutral, 36 Prozent sorgen für ein motivierendes Arbeitsklima. Im internationalen Vergleich stehen die deutschen Chefs damit gar nicht so schlecht da: In Japan demotivieren 73 Prozent aller Führungskräfte, in Frankreich 61, in Großbritannien immerhin noch 53.1 Doch wer mit seinem Vorgesetzten hadert, den wird es kaum trösten, dass japanische Kollegen noch öfter leiden. Neu ist dieser Befund nicht. Schon 2008 sorgte das Ifak-Institut Taunusstein mit der Meldung für Aufsehen, dass jeder siebte Arbeitnehmer seinen Chef am liebsten entlassen würde. Basis des Taunussteiner »Arbeitsklima-Barometers« war eine repräsentative Umfrage unter 2000 Berufstätigen.2 2009 meldete die Ruhr-Universität Bochum, von 3 500 Befragten würden 24 Prozent ihrem Chef das denkbar schlechteste Zeugnis in Sachen Führungsverhalten ausstellen. Zufrieden mit ihrem Vorgesetzten waren nur 20 Prozent, mäßig unzufrieden waren 56 Prozent. »Unzufriedenheitsfaktor Nummer 1: der Chef«, folgerte die Hochschule.3 Und 2010 ergab eine Studie des Schweizer Instituts Sciencetransfer und der Bertelsmann-Stif|14|tung, dass soziale Unterstützung durch den Vorgesetzten das Burn-out-Risiko eines Mitarbeiters entscheidend verringert. »Unsere Untersuchung hat gezeigt, dass bereits eine um 20 Prozent intensivere Betreuung zu zehn Prozent weniger Krankheitsfällen führt, die durch Burn-out bedingt sind«, resümierte damals Projektmanager Detlef Hollmann von der Bertelsmann-Stiftung gegenüber der Süddeutschen Zeitung.4
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Wie motivierend verhalten sich Führungskräfte?
Nachdenklich stimmt, wie die gescholtenen Vorgesetzten selbst die Lage sehen, denn Selbst- und Fremdbild liegen recht weit auseinander. In einer Umfrage des Forsa-Instituts im Auftrag des Handelsblatts Anfang 2014 sagten 95 Prozent der 502 befragten Chefs, sie hielten sich »für eine gute und bei den Mitarbeitern akzeptierte Führungskraft«. Nur ein Prozent sah sich selbst kritisch, vier Prozenten waren unschlüssig (»weiß nicht«). 99 von 100 Chefs bezeichneten das Verhältnis zu ihren Mitarbeitern als »gut« oder »sehr gut«.5 Pauschal gesagt: Während viele Mitarbeiter unzufrieden sind, sehen die meisten Chefs keinen Handlungsbedarf. Zumindest nicht bei sich selbst. Gut möglich allerdings, dass sie gleichzeitig viele Ideen hätten, was ihr Chef, also der Chef vom Chef, verbessern könnte … .

Die Sehnsucht nach dem Über-Chef

Vielleicht hat die Bibel ja recht damit, dass wir Menschen den Splitter im Auge des anderen tatsächlich weit schärfer sehen als den Balken im eigenen Auge. Damit möchte ich die Nöte mit dem eigenen Chef keineswegs kleinreden. Natürlich gibt es sie tatsächlich, die sozial inkompetenten Vorgesetzten, die Überforderten, die Aussitzer, ja sogar die völlig Gefühlskalten und Gewissenlosen, wenn man dem kanadischen Psychiater und Wissenschaftler Robert Hare folgt. Hare hat sein Leben der Erforschung psychopathischer Zeitgenossen gewidmet und kommt zu dem beunruhigenden Ergebnis, dass der Anteil der Psychopathen in den Topetagen der Wirtschaft sechs Mal so hoch sei wie im Bevölkerungsdurchschnitt. Beim Aufstieg nützen ihnen ihre Kommunikationsstärke und überdurchschnittliche Intelligenz, ihr Charisma und manipulatives Geschick. Oben angekommen, lebten sie die dunklen Seiten ihres Charakters ungehemmt aus.6 Doch selbst wenn sechs Prozent aller Topmanager in diese Kategorie gehören sollten (gegenüber einem Prozent der Gesamtbevölkerung), ist dies immer noch eine kleine Minderheit. Den meisten Chefs unterstelle ich, dass sie das Bestmögliche geben und |15|eigentlich eine gute Führungskraft sein wollen. Und so steckt hinter Verhaltensweisen, die bei Ihnen Frust auslösen und Sie Kraft kosten, in den allermeisten Fällen keine böse Absicht, sondern eher eine Mischung aus Unvermögen, Unsicherheit und Zeitmangel. Auch eigener Frust ist im Spiel oder erheblicher eigener Druck. Bevor wir uns gleich dem ganz normalen menschlichen »Durchschnittsversagen« in der Führung zuwenden, möchte ich mit Ihnen gemeinsam einen Schritt zurück treten und das Verhältnis von Führendem und Geführten grundsätzlich beleuchten. Wenn Sie dafür jetzt keinen Kopf haben und gleich Antworten auf konkrete Chefprobleme suchen, blättern Sie einfach vor zum Punkt »Mehr Zufriedenheit durch die innere Haltung«.
Also zunächst die Vogelperspektive, bevor wir zum Pragmatischen kommen. Natürlich muss es Chefs geben, das ist Ihnen wie mir klar, und nicht nur, weil Sie vielleicht selbst einer sind. So funktioniert die Welt, wie sie bislang ist, darauf basiert unser Wirtschaftssystem. Flache Hierarchien hin, Empowerment her – am Ende muss irgendjemand in unseren Organisationen die Verantwortung tragen, sei es als Topmanager für die Unternehmensstrategie, sei es im mittleren Management für deren Übersetzung in konkrete Projekte. Dennoch bin ich überzeugt davon, dass es unseren Blick auf einen Menschen unweigerlich verändert, sobald er uns vor-gesetzt ist. Wir werden kritischer, anspruchsvoller, ganz so, als müsse die Person qua Intelligenz, Weitblick und menschlicher Größe rechtfertigen, uns vor die Nase gesetzt zu sein und Anweisungen erteilen zu können. Doch in Wirklichkeit ist uns diese Person, wenn überhaupt, nur ein paar Lebensjahre voraus, hatte einen besseren Draht zum Vorstand oder war geschickter bei der Verfolgung eigener Karriereziele. Oder sie war gerade verfügbar, als man händeringend einen geeigneten Kandidaten suchte. Und so wird uns in der Führungsrolle manchmal jemand zur Zumutung, mit dem wir uns als Nachbar, Sportkumpel oder Kneipenbekanntschaft vielleicht bestens verstanden hätten. Nur eben nicht als Chef, da müsste er schon ein bisschen mehr draufhaben.
Dass die Beziehung zwischen Führendem und Geführten eine heikle ist, wusste schon Sigmund Freud. Der Begründer der Psychoanalyse ging davon aus, dass die Geführten eigene Wünsche, Hoffnungen und verdrängte Persönlichkeitszüge auf die Führungsperson projizieren. Die Idealisierung der Führungsfigur berge immer einen »Bodensatz an Hassbereitschaft«, schrieb Freud in seinem Werk Massenpsychologie und Ich-Analyse. Zum Ausbruch käme diese latente Aggressivität, wenn die Führungskraft Erwartungen der Geführten enttäusche. Stark zugespitzt, gewiss. Doch dass anspruchsvolle Erwartungen und heftige Enttäuschung zwei Seiten derselben Medaille sind, lässt sich schwer leugnen. Auch Zeit|16|genossen wie David Collinson, Professor für Führung und Organisationslehre an der Lancaster University Management School, betonen die Konfliktträchtigkeit der Führungsbeziehung. Collinson spricht von der »Dialektik der Führung« und meint damit, dass in den meisten Menschen sowohl die Neigung schlummert, jemandem folgen zu wollen, als auch die entgegengesetzte Neigung, sich gegen Vorgaben und Autoritäten aufzulehnen.7 Oswald Neuberger schließlich, der über 30 Jahre zu den Themen Führung und Mikropolitik forschte und lehrte, beschäftigt sich in seinem vielfach aufgelegten Buch »Führen und führen lassen« unter anderem mit den »Archetypen der Führung«, den unbewussten Idealbildern, an denen wir reale Führungspersonen messen. Neuberger nennt hier den »Vater«, den »Helden« und den »Visionär« (Begeisterer/Begeisterter).8 Wer sich an hymnische Managerporträts von knorrigen Firmenpatriarchen wie Hans Riegel von Haribo, unerschrockenen Unternehmensrettern wie Wendelin Wiedeking bei Porsche und genialen Innovatoren wie Apple-Gründer Steve Jobs erinnert, kann sich vielleicht auch noch erinnern, dass die Kritik umso harscher ausfiel, sobald eine Lichtgestalt ins Straucheln kam. Manchmal wünsche ich mir, man hätte die Kirche vorher schon im Dorf gelassen und nicht vergessen, dass auch Chefs nur Menschen sind, mit Fehlern, Versäumnissen, Eigeninteressen und blinden Flecken in der Selbstwahrnehmung. Apropos: Wie sind Sie eigentlich selbst als Chef? Gehören Sie auch zu den 95 Prozent »guter« Führungskräfte?
Dass wir uns an unseren Vorgesetzten reiben, hat natürlich nicht nur psychologische Gründe, sondern auch ganz praktische. Chefs haben großen Einfluss auf unseren Arbeitsalltag und unseren beruflichen Erfolg. Sie bewerten uns, entscheiden über Beförderungen, Gehaltserhöhungen, Boni und Urlaub. Sie können uns groß werden und Flügel entwickeln lassen oder uns dieselben stutzen. Sie geben Ziele vor und prüfen, ob wir sie erreichen. Unser Wohl und Wehe im Beruf hängt überwiegend von ihnen ab, und es stimmt tatsächlich, was die Forscher des Gallup Instituts in Zusammenhang mit ihrem jährlichen Motivationsindex nicht müde werden zu betonen: Mitarbeiter verlassen nicht Unternehmen. Sie verlassen Chefs. Denken Sie einmal zurück an Ihre Karriereentscheidungen. Warum haben Sie bisherige Unternehmen verlassen? Falls es wegen eines Vorgesetzen war: War der neue Chef auf Dauer wirklich besser? Oder nur anders?
Die Psychologin Myriam Bechtoldt, Professorin für »Organisational Behaviour« an der Frankfurt School of Finance and Management, leitet aus der Abhängigkeit vom Vorgesetzten ab, dass Mitarbeiter im Allgemeinen mehr über ihre Chefs nachdenken als umgekehrt Chefs über ihre Mitarbeiter. »Der Untergebene nimmt den Vorgesetzten überwichtig, weil er von ihm abhängig ist. Der Vorge|17|setzte versteht dagegen intuitiv, dass der Untergebene für ihn nicht so wichtig ist, weil dieser ja keine Macht über ihn ausübt«, sagt sie in einem Interview unter der Überschrift »Der Mächtige bleibt ungerührt«. Salopp formuliert: Während Sie sich über Ihren Chef den Kopf zerbrechen, zerbricht der sich den Kopf über andere Dinge, über seinen Chef, über den Markt, über die Unternehmensstrategie, jedenfalls wenig über Sie. Das stützt auch noch einmal die These, dass die wenigsten Verhaltensweisen, die Sie stören, reflektiert oder gar absichtlich gezeigt werden. Und so sind Chefs im Alltag häufig sehr betroffen und bestürzt, wenn sie mit ihrem kritischen Verhalten und dessen Auswirkungen konfrontiert werden, da sie sich eben anders sahen oder zumindest anders sein wollten. Interessant sind auch Forschungsergebnisse, die nachweisen, wie Macht die Menschen verändert. »Macht pumpt Testosteron ins Blut«, schreibt der Psychologe Ian Robertson, der eine Fülle neurologischer Studien ausgewertet hat. Macht macht uns risikofreudiger, unempfindlicher gegen Kritik, weniger empathisch.9 Auch deshalb vielleicht sind Chefs in 95 Prozent aller Fälle felsenfest überzeugt davon, ein ganz passabler Vorgesetzter zu sein. Was können Sie tun, wenn Ihr Chef Sie dennoch zur Weißglut treibt oder Ihnen das Arbeitsleben erschwert?

Mehr Zufriedenheit durch die innere Haltung

Mit einer grundsätzlichen Illusion, die mir immer wieder begegnet, möchte ich zuerst aufräumen: mit der Hoffnung, seinen Chef ändern zu können. Dabei bestreite ich gar nicht, dass in der Führung jeden Tag Fehler gemacht werden, auch haarsträubende, die es sich zu korrigieren lohnte. Das gilt für alle Führungsebenen. Ein Personaler aus einem Dax-Konzern sagte gegenüber dem Magazin Focus einmal: »Viele Top-Leute konzentrieren sich nur auf die Sachfragen, die sie mit ihrem Intellekt bewältigen. Auf der menschlichen Ebene sind sie oft wie kleine Jungs.« Namentlich genannt werden wollte dieser Personalentwickler verständlicherweise nicht.10
Warum sich Ihr Chef nicht ändern will
Führungsfehler hin oder her – vergessen Sie den Wunsch, Ihr Chef möge sich ändern. Was hätte er auch davon? Dass Sie zufriedener wären? Sie machen Ihre |18|Arbeit doch auch so ganz wunderbar! Und selbst, wenn Sie sich langsam mit Kündigungsgedanken tragen, merkt Ihr Chef das? Wahrscheinlich nicht, wenn er die Ohren einklappt und den Kontakt meidet. Oft handeln Chefs überdies nach der Maxime »Jeder ist ersetzbar«, und das stimmt ja auch, selbst wenn Nachbesetzungen immer schwerer werden. Auf besonders eindrückliche Weise erleben wir das, wenn Leistungsträger versterben. Es dauert im Schnitt drei Wochen der angemessenen Worte und Trauer, bevor man zur Tagesordnung übergeht und an die Ersatzbeschaffung denkt. Die Job-Welt dreht sich auch ohne uns weiter. Sich das rechtzeitig zu vergegenwärtigen kann sehr befreiend sein und die Proportionen für das, was im Leben wirklich zählt, zurechtrücken. Fragen Sie sich: Lohnt es sich wirklich, sich dauerhaft an den Marotten Ihres Vorgesetzten zu reiben?
Mancher meiner Klienten hofft darauf, die Aussicht auf ein besonders kritisches Führungsfeedback bei der nächsten Mitarbeiterbefragung könnte seinen Vorgesetzten veranlassen, das eigene Verhalten zu überdenken und zu korrigieren. Doch einmal ehrlich, wie viele Unternehmen kennen Sie, in denen es wirklich zählt, dass ein Chef gut führt? In wie vielen Organisationen beeinflusst gutes Führungsverhalten die Höhe der Bonuszahlung oder die Beförderungspolitik? Leider muss ich Sie auch hier desillusionieren. Entscheidend ist meistens, wie viel Umsatz oder anderweitigen Beitrag zur Wertschöpfung die Abteilung unter seiner Führung bringt und wie loyal der Chef seinem eigenen Chef gegenüber ist. Das ist bedauerlich, denn ich erlebe immer wieder, dass gute Führung die Eigenverantwortung und die Motivation der Mitarbeiter steigert und sie zu (noch) besseren Leistungen befähigt. Aber es bleibt die Realität. Und auch drohender Ärger mit dem eigenen Vorgesetzten bringt kaum einen Chef von seiner bisherigen Linie ab. Wenn es nicht bereits eine sehr lange Liste von Beschwerden gibt, kreidet man eher Ihnen Illoyalität an als Ihrem Chef sein fragwürdiges Verhalten, sollten Sie sich direkt an seinen Vorgesetzten wenden. Wenn Sie zu diesem Mittel greifen, müssen Sie daher in Kauf nehmen, das Unternehmen zu verlassen, sollte der Schuss nach hinten losgehen.
Ihr Chef wäre also weder anerkannter noch besser bezahlt oder einer Beförderung näher, wenn er sich änderte. Also wird er nicht wirklich daran interessiert sein. Es sei denn, er leidet inzwischen selbst unter sich, hat schon viele Freunde und zwei Ehefrauen verloren und möchte endlich sein Leben besser auf die Reihe bekommen. Und er ist noch dazu reflektiert genug, die Ursache für die Misere auch bei sich zu suchen, nicht nur bei den anderen oder den Umständen. Dann rennen Sie offene Türen ein, aber diese Konstellation ist äußerst selten. Erhellend |19|ist in diesem Kontext auch die Frage: Unter welchen Umständen würde ich mich selbst eigentlich ändern? Vermutlich sieht Ihr Chef das ganz ähnlich!
Ein weiterer Gesichtspunkt: Genau so, wie er jetzt ist, ist Ihr Vorgesetzter so weit gekommen. Und manche kommen sehr weit mit Verhaltensweisen, die wir persönlich unangemessen oder gar unerträglich finden. Offenbar wurde Ihr Chef in einer Unternehmenskultur sozialisiert, die ihn so werden ließ oder ihn genau mit diesen Eigenschaften einkaufte. Möglicherweise hat er bisher Chefs gehabt, die ihn genau so wollten und davon profitierten, dass er war, wie er ist. Und es ist weder Ihre Aufgabe noch werden Sie dafür bezahlt, zu versuchen, ihn zu ändern. Lassen Sie sich dabei nicht in die Irre führen, wenn Ihr Boss seine jovialen fünf Minuten hat und Sie leutselig um Ihre Meinung bittet, »frei von der Leber weg«.
Ein Fallbeispiel
»Hände aus Hosentasche und Menschen anschauen beim Sprechen«, sagte eine Produktionsleiterin ihrem Chef, dem Geschäftsführer, als er sie nach einer Rede auf einer Betriebsversammlung um Feedback bat. Sie ergänzte dann noch, dass es unhöflich sei, die Hände bis zum Ellbogen in der Tasche zu haben und dass man Menschen generell anschauen sollte, wenn man mit ihnen spricht. Man hört es förmlich, es sprach die Mutter zum Kind. Kam das gut an beim Geschäftsführer? Nein, er hatte viele Punkte zu seiner Rechtfertigung und auch einiges, was er ihr zu sagen hatte – »wo wir schon mal dabei sind«. Ergebnis: Missstimmung auf beiden Seiten, und gewonnen war nichts. Vielleicht erinnert sich der Vorgesetzte bei seiner nächsten Rede an den Hinweis mit den Hosentaschen, dann aber gekoppelt an das ungute Gefühl, abgewatscht worden zu sein. Die meisten Menschen können Kritik nur verpackt in sehr viel positive Bestätigung annehmen. Klüger wäre etwas konstruktiv Formuliertes, das damit beginnt, was einem toll gefallen hat. Und dann, als Sahnehäubchen, beispielsweise der Aspekt mit dem Anschauen. Positiv verpackt mit einem erkennbaren Nutzen für den Chef, könnte es klappen: »Ich glaube, es würde Ihre Authentizität noch mehr unterstreichen, wenn Sie die Zuhörer direkt anschauen, das unterstreicht die Dringlichkeit Ihrer Worte noch mehr«. So kann man Feedback deutlich leichter annehmen, es ginge uns nicht anders.
»Choose your battles wisely«, sagen die Briten. Lohnt es sich tatsächlich, für eine Sache in den Ring zu gehen? Ist sie wichtig genug, oder ist es klüger, sich die Energie für andere Dinge aufzusparen? Kann es Ihnen nicht gleichgültig |20|sein, ob Ihr Chef die Hände in den Taschen hat oder nicht? Bevor Sie sich jetzt frustriert abwenden, weil der Chef nicht zu ändern ist, schauen Sie bitte auf die andere, die gute Seite der Medaille. Wenn Sie verinnerlichen, dass Ihr Chef ist, wie er ist, kann das sehr entlastend sein. Sie verlassen den Ring und arbeiten sich nicht länger an dieser Beziehung ab. Sie rennen nicht weiter gegen dieselbe Wand und stehen nicht als Nörgler da. Das befreit. Denn wenn Sie Ihre Laune, Ihr Wohlbefinden, Ihre Arbeits- oder gar Lebensfreude davon abhängig machen, ob Ihr Chef so handelt, wie Sie es sich vorstellen, geben Sie ihm damit eine große Macht über sich. Wollen Sie das? Wahrscheinlich eher nicht. Wenn Sie Distanz zu Ihrem Chef gewinnen, erobern Sie Ihre Unabhängigkeit zurück. Eine Übung aus dem Coaching, wenn Sie dazu neigen, Ihren Chef unbedingt »umerziehen« zu wollen: Stellen Sie sich einen Bildschirmschoner vor, auf dem das Textband läuft: »Werde ich dafür bezahlt? Ist es meine Aufgabe?«, und wenn die Antwort »Nein« lautet, dann heißt es für Sie: Hände weg!
Den eigenen Anteil erkennen
Worin besteht eigentlich Ihr Anteil an der Situation? Keine Sorge, Sie können die Stacheln gleich wieder einfahren: Bei dieser Frage geht es mir nicht darum, wer »schuld ist« oder ob Sie womöglich die grenzwertige Behandlung durch Ihren Chef selbst verursacht haben. Wenn wirklich Entscheidendes vorgefallen wäre, wüssten Sie das. Man hätte Sie mit Fehlern oder Versagen konfrontiert, es gäbe mindestens ein Kritikgespräch, vielleicht eine Abmahnung. Von all dem reden wir hier nicht. Sondern davon, dass Sie unter Ihrem Chef leiden, mit ihm hadern, die Zusammenarbeit mit ihm als Zumutung empfinden. Was hat das mit Ihnen persönlich zu tun?
Mit Ihrem Anteil an der Geschichte meine ich zwei andere Punkte. Der Erste: Warum berührt, erschreckt, beeinträchtigt Sie das Verhalten Ihres Vorgesetzten eigentlich so? Dass es auch um Sie geht, erkennen Sie, wenn Sie der einzige Kollege sind, der extrem unter dem Chef leidet, während die anderen sagen, »Schon nervig, aber sooo schlimm ist das nun auch wieder nicht.« Das deutet darauf hin, dass Sie selbst hier einen wunden Punkt haben. Wenn ich im Coaching frage, »Was löst dieses Chefverhalten in Ihnen aus?«, schauen Klienten oft unwillkürlich zurück auf ihr Leben, ihre Kindheit und Jugend und haben sehr schnell eine emotionale Assoziation zur Vergangenheit hergestellt. Manchmal fällt ihnen auf, dass sie das Verhalten ihres Vorgesetzten an jemanden erinnert, mit dem sie bis heute hadern. Ein |21|Abteilungsleiter beispielsweise fühlte sich durch seinen sehr peniblen Chef wie von jenem Lehrer behandelt, unter dem er jahrelang gelitten hatte. Deshalb konnte er nicht gelassen darüber hinwegsehen, wenn der Vorgesetze einmal wieder auf einem Kommafehler auf Seite 3 unten in einem ansonsten brillanten Strategiepapier herumritt. Sein Groll wuchs mit jeder Erbse, die der Chef zählte. In solchen Situationen hilft es schon sehr, sich zu vergegenwärtigen, dass Sie heute im Gegensatz zu früher nicht hilflos und abhängig sind. Heute können Sie sich wehren, Sie sind frei und viel besser aufgestellt als damals. Sie sind erwachsen. Häufig führen dieser Grundgedanke und der Versuch, die eigene Reaktion in kleinen Schritten zu verändern, sogar dazu, mit der alten Geschichte endlich abzuschließen.
Der zweite Punkt steckt in dem lebensklugen Spruch »It takes two to tango«. Zum Tangotanzen braucht man immer zwei. Wenn einer nicht mitmacht, endet der Tanz. Das gilt auch für viele Verstrickungen im täglichen Umgang. Der eine brüllt, der andere duckt sich. Was ist die Folge? Der Erste brüllt noch ein bisschen mehr, weil er es sich offenbar erlauben kann. Oder: Der eine kontrolliert, der andere sagt sich, »Was soll ich mich anstrengen, der findet doch immer ein Haar in der Suppe.« Also passieren weitere Fehler, und der andere kontrolliert noch schärfer. Ändern wird sich erst etwas, wenn einer von beiden aus dem Spiel aussteigt und zu verstehen gibt, »Ich stehe dafür nicht mehr zur Verfügung«. So sucht sich ein cholerischer Chef möglicherweise ein anderes Lieblingsopfer, wenn der Mitarbeiter, den es bisher traf, anfängt, den Anfall einfach an sich abprallen zu lassen. Und der Kontrolletti-Chef im Beispiel oben entspannte sich, als mein Klient sich bei ihm für sein aufmerksames Auge bedankte, die Tür für das Feedback sozusagen weit öffnete und die Kommata in seinen Texten ab sofort etwas ernster nahm. Und wenn Sie einen solchen Chef dann noch höflich von sich aus bitten, »noch mal ganz kritisch drüberzuschauen«, steuern Sie selbst die Diskussion und sind nicht mehr das ohnmächtige Opfer der Situation. Die größte Chance, dass Ihr Gegenüber sein Verhalten ändert, haben Sie, wenn Sie den ersten Zug machen und ihm ein anderes Verhaltensangebot machen.
Handeln statt jammern
»Love it, change it or leave it« – diesen Spruch kennen Sie wahrscheinlich. Dass er oft lapidar dahingesagt wird, macht ihn nicht weniger wahr. Beherzigt wird |22|er leider selten. Grundsätzlich tut es gut, sich klarzumachen, dass wir tatsächlich immer diese drei Möglichkeiten haben: die Dinge zu lieben und mit voller Überzeugung zu tun, sie (oder uns) zu verändern oder, wenn beides nicht funktioniert, die Situation zu verlassen. Wenn Sie jetzt einwenden, Sie könnten nicht einfach kündigen, weil das Haus, das Auto und der Urlaub schließlich finanziert werden müssten: Doch, Sie können! Wir haben immer die Wahl und zahlen immer irgendeinen Preis. Die Frage ist, welcher Preis uns am wenigsten schmerzt. Wenn Sie auf all das unter keinen Umständen verzichten möchten, ist Ihr Job möglicherweise doch nicht so schlimm, weil er Ihnen den gewünschten Lebensstandard ermöglicht? Dann nähmen Sie es bewusst als Teil eines Deals in Kauf. Das wiederum machte es zu einer bewussten Entscheidung und Sie wären dann eher Täter als Opfer und schon einen ganzen Schritt weiter auf dem Weg zu mehr Energie.
Auch wenn Sie unter einem unerträglichen Chef leiden, haben Sie diese drei Optionen: zu schauen, ob es irgendetwas gibt, was gut an der Situation ist. Gibt es etwas, das Sie »lieben« könnten? Das kann der Erfahrungszuwachs sein, die persönliche Weiterentwicklung, eine Karriereperspektive, die tollen Kollegen, das interessante Produkt, das Renommee des Unternehmens. Wenn Sie da nichts finden: Können Sie an der Situation etwas ändern? Ihr Verhalten gegenüber dem Vorgesetzten, Ihre Arbeitsweise, die Gewichtung der Arbeit in Ihrem Leben? Könnte ein offenes Gespräch die Situation erträglicher machen? Wenn auch das nicht funktioniert, bleibt am Ende die Variante »leave it«. Grundsätzlich gilt hierfür (also für eine Kündigung oder Versetzung), dass Sie eine solche Entscheidung nicht in einer akuten Krise treffen sollten. In einer Krisensituation stehen wir unter Stress und handeln unüberlegt. Besser ist, sich erst zu beruhigen und die Situation zu entschärfen, um anschließend eine besonnene Entscheidung zu treffen. Auf diese Weise müssen Sie nichts bereuen und räumen auch nicht als Verlierer das Feld. In der Regel besteht kein wirklicher Zeitdruck, nur emotionaler Druck. Auf ein paar Monate mehr oder weniger kommt es fast nie an und meist entspannen wir uns schon in dem Moment, in dem wir (endlich) die Entscheidung getroffen haben, zu gehen, ab dann fühlt sich alles schon anders und oft erträglicher an. Bereits das klare Bekenntnis, sich zuzugestehen, beim nächsten Mal wirklich zu gehen, lässt den Druck schwinden, weil wir aus der Opferrolle heraus kommen. Oft spürt das Gegenüber dies und lässt dann ebenfalls im Druck nach. Ein interessantes Phänomen.|23|
Die eigenen No-Gos definieren
Sie haben es wahrscheinlich längst bemerkt: Mein Rat geht dahin, nicht passiv zu leiden, sondern sich aktiv mit der eigenen Lage auseinanderzusetzen. Dabei bewährt es sich, in einer ruhigen Stunde über die persönlichen »No-Gos« nachzudenken und diese aufzuschreiben: Was können oder wollen Sie nicht ertragen? Wo ist für Sie die Schmerzgrenze erreicht? Dann müssen Sie nicht bei jedem Vorfall wieder neu mit sich verhandeln, ob Sie dies nun noch hinnehmen wollen oder nicht. Manche Klienten halten diese No-Gos auf einer Liste fest und vergeben »Schmerzpunkte«, was wie gravierend für sie ist.
Es hängt von Ihren Werten und Ihrer Persönlichkeit ab, wo die rote Linie für Sie verläuft. Diese Grenze zu kennen und zu wissen, was man einfach abhaken kann und wo man aktiv werden muss, wenn man nicht seelischen Schaden nehmen will, räumt mit dem ständigen Ärgern über Kleinigkeiten auf. Und es hilft bei der Entscheidung, wann es Zeit ist, die Situation zu verlassen oder energische Gegenmaßnahmen zu ergreifen. Das kann die Beschwerde bei der Geschäftsführung sein oder das Gespräch mit Personalmanagement bzw. Betriebsrat. Wenn Sie sich offen gegen Ihren Chef zur Wehr setzen, sollten Sie notfalls auch eine Kündigung in Kauf nehmen können. Hilfreich ist es, wenn Sie in gravierenden Fällen nicht alleine losziehen, sondern sich mit anderen Betroffenen zusammentun. Allerdings wird der Vorgesetzte sich in den meisten Fällen das schwächste Glied der Kette greifen und unter Druck setzen. Freuen Sie sich über Verbündete, aber seien Sie nicht überrascht, wenn die Front plötzlich bröckelt. Ich habe in meiner fast 30-jährigen Erfahrung im HR-Business äußerst wenige Fälle erlebt, wo das Unternehmen wirklich handelte. Dies galt ausschließlich bei extremen Situationen wie sexueller Belästigung, regelmäßigem Kontrollverlust oder plötzlichen psychischen Erkrankungen. Also immer dann, wenn der Ruf des gesamten Unternehmens gefährdet war. Sollten Sie also in diesen Konflikt einziehen, dann fürchten Sie vielleicht zu Recht um Ihren Job. Im dritten Kapitel (»Innere Konflikte«) wird es auch um die Angst vor dem Jobverlust gehen und um Anzeichen, die einen erkennen lassen, dass man tatsächlich auf der Abschussliste steht.|24|
Prävention für das nächste Mal
Sollte es tatsächlich zur Trennung kommen, nutzen Sie die schmerzliche Erfahrung, um für das nächste Mal vorzubauen. Schauen Sie genau hin, wie sich der nächste Chef, die neue Chefin präsentiert, und loten Sie schon im Bewerbungsgespräch mögliche Konfliktpunkte aus. Hilfreich sind beispielsweise die folgenden Fragen an den Vorgesetzten in spe:
Was brauchen Sie von mir, um richtig zufrieden zu sein?
Was mögen Sie gar nicht, wogegen sind Sie allergisch?
Was ist der Schwerpunkt meiner Tätigkeit, worauf soll ich den Fokus richten?
Wenn Sie darauf Antworten bekommen, die auch nur ein Nackenhaar kräuseln, hören Sie besser auf Ihre innere Stimme. Meist hat sie recht, auch ohne dass der Kopf sagen könnte, warum. Das Gleiche gilt, wenn Ihr Gegenüber ähnliche Fragen stellt und bei Ihren Antworten das Gesicht verzieht. Die Fragen oben können Sie übrigens auch im laufenden Beschäftigungsverhältnis stellen. Zu Beginn einer kritischen Phase lässt sich damit die Situation entschärfen, bevor die Beziehung völlig verfahren ist. Sie signalisieren, dass Ihnen eine gute Zusammenarbeit wichtig ist. Wenn Sie die Formulierung eigener Erwartungen erst einmal zurückstellen, wirkt das oft sehr entspannend. Und solange »Abrüstung« noch möglich ist, sollten Sie Ihre Chance nutzen. Womöglich sehen Sie sich beim nächsten Chef ohnehin nur mit neuen Ärgernissen konfrontiert. »Es ist egal, für wen und wo Sie arbeiten«, behaupten jedenfalls Volker Kitz und Manuel Tusch in ihrem »Frustjobkillerbuch«.11 Das klingt wie eine Provokation, doch da ist viel dran. Von den schon erwähnten Psychopathen und anderen Extremfällen einmal abgesehen, gilt: Reibungspunkte und Probleme gibt es in fast jeder Zusammenarbeit. Daraus lässt sich nur ein Schluss ziehen: Es ist klüger, die eigene Einstellung zu ändern, als bis zum Sankt-Nimmerleins-Tag auf einen Traumchef oder auf einen plötzlichen Sinneswandel beim jetzigen Vorgesetzten zu hoffen. Leichter gesagt als getan, finden Sie? Dann lassen Sie uns gemeinsam schauen, wie das funktionieren könnte.|25|

Einfache Tools für mehr Distanz zum Chef

Wie erträgt Ihr Chef sich nur?!
Eine sehr lebenskluge Seminarteilnehmerin äußerte im Rahmen meiner eigenen Weiterbildung mal einen Satz am Rande, der mich sehr amüsierte und der mir seitdem hilft, gelassener mit unangenehmen Zeitgenossen umzugehen. »Der muss sich und sein Verhalten noch ein ganzes Leben ertragen, ich ihn nur die nächste Stunde.« Das finde ich ermutigend und entlastend zugleich. Für uns sind Begegnungen mit schwierigen Mitmenschen oder eben Chefs begrenzt auf ein Meeting, einen Konferenztag, einen kurzen Austausch auf dem Flur. Wir stecken glücklicherweise nicht in der Haut des anderen und müssen nicht so durchs Leben gehen. Daneben deutet der Spruch mit der Formulierung »sich ertragen« noch auf etwas anderes Wichtiges hin: Menschen, die uns auf die Nerven gehen (wir kommen im Folgenden noch zu konkreten Ausprägungen und der jeweiligen Lösung), leiden nicht selten auch an sich selbst. Sie fühlen sich ungerecht behandelt, sind verbittert, einsam, manchmal vom Leben enttäuscht und voller Komplexe. Und sie sehen leider keine Möglichkeit, damit umzugehen, als die, die sie gewählt haben. Oft schauen sie insgeheim neidvoll auf Kollegen, die beliebter und erfolgreicher im Umgang mit Menschen sind. Wenn es Ihnen gelingt, mit etwas Abstand eine solch einfühlende Haltung gegenüber schwierigen Menschen einzunehmen, sind Sie einen großen Schritt weiter. In die gleiche Richtung zielen zwei andere »Haltungsübungen«, die sich übrigens nicht nur bei Chefs bewähren, sondern auch bei anstrengenden Kollegen, Mitarbeitern oder anstrengenden Kunden.
Andererseits … (Reframing)
Ihr Chef stresst Sie, nervt Sie, setzt Sie mit seinen Anforderungen unter Druck, verletzt Sie durch seinen barschen Ton – was auch immer. Sie leiden darunter, Sie regen sich auf. Stopp! Gäbe es noch eine Möglichkeit, das Problem anders zu sehen? Natürlich nicht, werden die meisten von Ihnen sagen: Was nervt, das nervt eben. Allerdings sind wir Menschen glücklicherweise keine Automaten, bei denen immer dasselbe herauskommt, wenn man auf einen bestimmten Knopf drückt. Wir können unsere Einstellung wählen. Anders wäre kaum erklärbar, warum manches Ärgernis uns im Zustand akuter Verliebtheit wenig ausmacht und wir darüber schmunzeln können, dasselbe uns in einer anderen Situation aber sehr zusetzt.|26|