Alpengold 269 - Rosi Wallner - E-Book

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Rosi Wallner

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Beschreibung

Die letzte Erinnerung, die Sylvester Riedbacher an Ruth Brunner hat, ist an ein dickliches, mürrisches Madl, richtig zum Abgewöhnen! Aber als er sie dann auf einer Hochzeitsfeier im Dorf wiedersieht, verschlägt’s dem Schürzenjäger die Sprache. Ruth hat sich in eine wunderschöne junge Frau verwandelt. Und Sylvester ist sofort klar: Sie muss die Seine werden!

Doch schon beim ersten vorsichtigen Annäherungsversuch bekommt er zu spüren, wie stolz und unversöhnlich Ruth sein kann ...

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Seitenzahl: 133

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Inhalt

Cover

Impressum

Ruth Brunners dunkle Ahnung

Vorschau

BASTEI ENTERTAINMENT

Vollständige eBook-Ausgabe der beim Bastei Verlag erschienenen Romanheftausgabe

Bastei Entertainment in der Bastei Lübbe AG

© 2018 by Bastei Lübbe AG, Köln

Programmleiterin Romanhefte: Ute Müller

Verantwortlich für den Inhalt

Titelbild: Michael Wolf

Datenkonvertierung eBook: Blickpunkt Werbe- und Verlagsgesellschaft mbH, Satzstudio Potsdam

ISBN 978-3-7325-6360-9

www.bastei-entertainment.de

Ruth Brunners dunkle Ahnung

Ein hochdramatischer Bergroman um Schuld und Sühne

Von Rosi Wallner

Die letzte Erinnerung, die Sylvester Riedbacher an Ruth Brunner hat, ist an ein dickliches, mürrisches Madl, richtig zum Abgewöhnen! Aber als er sie dann auf einer Hochzeitsfeier im Dorf wiedersieht, verschlägt’s dem Schürzenjäger die Sprache. Ruth hat sich in eine wunderschöne junge Frau verwandelt. Und Sylvester ist sofort klar: Sie muss die Seine werden!

Doch schon beim ersten vorsichtigen Annäherungsversuch bekommt er zu spüren, wie stolz und unversöhnlich Ruth sein kann …

»Ja, schau nur, der Sylvester! Bist du auch wieder im Land. Wir haben dich schon beim Schafkopfen vermisst.«

»Und die Madln werden sich erst freuen!«

Mit solchen und ähnlichen Ausrufen wurde Sylvester Riedbacher begrüßt, als er nach längerer Abwesenheit zum ersten Mal wieder das Gasthaus »Zur Sonne« in seinem kleinen Heimatdorf betrat.

»Komm, setz dich nieder.«

Bereitwillig wurde ihm am Stammtisch Platz gemacht, damit er sich zu seinen Spezeln setzen konnte, und mit einem erleichterten Atemzug ließ er sich niedersinken.

»Endlich wieder daheim!«

»Ach geh, Sylvester. Du wirst doch net sagen, dass es dir in der Stadt net gefallen hat. Wir haben schon gedacht, du kommst überhaupt nimmer zurück. Die Madln sollen dort doch noch fescher und auch net grad so zimperlich sein«, meinte Franz Hofstetter, ein massiger Jungbauer, mit gutmütigem Spott.

»Das ist doch das richtige Pflaster für dich. Und wenn’s brenzlig wird, kannst du schnell wieder die Flucht ergreifen. Selbst wenn dir eine hierher folgt, im Stall will keine von den feinen Madln mit den hochhackerten Schuhen stehen«, warf ein anderer ein.

»Wie ihr wieder daherredet! Eine Schand ist das«, sagte Anni, die Tochter des Sonnenwirts, die sich inzwischen dem Stammtisch genähert hatte.

Obwohl Missbilligung in ihrer Stimme mitschwang, konnte sie nicht verhindern, dass sich ein Lächeln auf ihre hübschen Züge stahl, als sich Sylvester ihr zuwandte.

»Anni! Du hast mir auch gefehlt …«

»Red keinen Schmarrn«, fiel ihm Anni heftig ins Wort. Tiefe Röte stieg ihr in die Wangen, die niedliche Grübchen zeigten, wenn sie lachte.

»Denn bei unseren Madln weiß man halt, was echt ist«, schloss er den Satz und versenkte seinen Blick in dem tiefen Ausschnitt ihres eng anliegenden Mieders.

»Euer Weißes könnt’s beim Vater bestellen«, stieß Anni grimmig hervor und wollte schon davoneilen, als Sylvesters weiche Stimme sie zurückhielt.

»Ich wollt dich net kränken, Anni, ganz im Gegenteil. Sei uns net gram …«

»Dann benehmt euch auch.«

Anni war einigermaßen besänftigt und brachte ihnen flink eine Runde Weißbier, die auf Sylvester ging.

Sylvester berichtete nun von seinem Lehrgang, den er in München absolviert hatte, und seine Freunde hörten interessiert zu. Daraus entspann sich anschließend eine angeregte Unterhaltung, denn die Erfahrungen der Jungbauern deckten sich nicht unbedingt mit dem, was die »Studierten« vertraten.

»Ich glaub einfach, dass der Klimawandel noch ganz andere Folgen hat, da können die Großkopferten reden, was sie wollen«, schloss Franz düster und nahm einen tiefen Schluck aus seinem Seidel.

Ziemlich spät traf Loisl Bichler ein, Sylvesters engster Freund. Seit der Schule waren die beiden unzertrennlich, obwohl sie sich so unterschiedlich entwickelt hatten. Loisl, der in absehbarer Zeit die Sägemühle seines Vaters übernehmen würde, war ein zurückhaltender, besonnener junger Mann. Niemand hätte sich vorstellen können, dass er jemals über die Stränge schlug – ganz im Gegenteil zu seinem Freund Sylvester.

Als der Sohn und Erbe der Riedbachers in der Neujahrsnacht geboren worden war, hatten sie sich entschlossen, ihn auf den Namen Sylvester zu taufen. Und dieser Name passte zu ihm, spotteten die Dörfler, denn wenn irgendwo gefeiert wurde, dann war Sylvester sofort zur Stelle.

Der junge Riedbacher war von überschäumender Lebenslust und Daseinsfreude, und nur Loisl war imstande, mäßigend auf seinen übermütigen Freund einzuwirken, der allzu gern über die Stränge schlug.

Doch er hatte keinen Einfluss darauf, dass Sylvester, der mit seiner hochgewachsenen Gestalt, den markanten Zügen und dem wirren dunklen Lockenhaar die Blicke der Frauen auf sich zog, sich den Ruf eines Schürzenjägers erworben hatte. Er konnte keiner Verlockung widerstehen, verstand es aber, jede feste Bindung zu vermeiden.

Da er aber keinem seiner Freunde den Schatz ausspannte, war er bei seinen Spezeln beliebt und wurde sogar für seinen Erfolg bei den Frauen bewundert.

»Na, hast du dich endlich von der Leni losreißen können?«, wurde Loisl geneckt, und dieser errötete verlegen.

»Und so ist es dir wirklich ernst und du willst in den Stand der Ehe treten«, sagte Sylvester mit gekünstelt salbungsvoller Stimme.

»Ja, Sylvester. Heute haben die Leni und ich die Tischordnung fürs Hochzeitsessen festgelegt. Und ich kann dir sogar sagen, wer neben dir sitzt«, erwiderte Loisl Bichler unbeeindruckt.

»Ach ja?«

»Die Brunner-Ruth, die Tochter von eurem Nachbarn. Die wirst du ja wohl noch kennen, oder?«

Sylvester, der sich in angespannter Neugier nach vorne gebeugt hatte, ließ sich enttäuscht zurücksinken.

»Ach geh.«

»Was gibt’s denn an der Ruth auszusetzten? Hast du sie überhaupt mal gesehen in der letzten Zeit?«

»Nein, wie denn auch! Erst war sie auf der Klosterschule, dann im Ausland und ich war ja auch eine Weile weg. Aber ich kann mich noch dran erinnern, dass sie ein dickliches, mürrisches Madl war, richtig zum Abgewöhnen.«

»Das ist aber hart«, erwiderte Loisl missbilligend, und in seinen Augen stand ein Ausdruck, der Sylvester mit Misstrauen erfüllte.

Es sah fast aus, als wollte sich sein Freund, der ihm bisher immer so treu ergeben gewesen war, über ihn lustig machen, und daran musste er sich erst gewöhnen.

Seitdem der Loisl sich in Leni verliebt hatte, war eine Veränderung mit ihm vorgegangen. Er gab sich mehr Mühe mit seinem Äußeren, wirkte nun straff und sportlich und hatte an Selbstbewusstsein gewonnen. Ohne Zweifel war er aus Sylvesters Schatten getreten.

Loisl und Leni ergänzten sich gut; das hübsche, lebhafte Mädchen, das das Herz auf dem rechten Fleck hatte, und der manchmal in sich gekehrte Loisl. Wenn jemand dafür geeignet war, einem Mann das Ehejoch zu versüßen, dann war es Leni. Außerdem waren ihre Eltern recht wohlhabend, sodass auch in dieser Hinsicht »alles passte«.

»Du wirst dir doch am End net noch ein Kuppelpelzchen verdienen wollen«, meinte Sylvester argwöhnisch.

Diese Vermutung löste am Stammtisch allgemeine Heiterkeit aus.

»Jesses! Wo es dir doch so schwerfällt, mit einem Madl anzubandeln«, brachte Franz mit gerötetem Gesicht hervor und begann wieder zu lachen.

Sylvester stimmte schließlich auch in das Gelächter ein, denn er war nicht übelnehmerisch, und rief Anni herbei.

»Darauf trinken wir noch einen!«

***

Zur gleichen Zeit berieten sich Ruth Brunner und ihre Freundin Ursel Bichler eifrig in der behaglichen Dachstube, die ihnen seit Beginn ihrer Freundschaft als Zuflucht gedient hatte. Dort hatten sie ihre Jungmädchenträume ausgesponnen, sich ausgemalt, wie es sein würde, wenn sie sich zum ersten Mal verliebten und dann mit dem Liebsten vor dem Altar stehen und für immer glücklich sein würden.

Viele dieser Träume waren inzwischen zerstoben, hatten der Realität nicht standgehalten, aber immer noch trafen sich die beiden auf dem Brunner-Hof, wenn sie sich besprechen oder eine Entscheidung treffen wollten.

»Mei, Ruth, hab ich dich vermisst«, sagte Ursel Bichler unvermittelt und umschlang ihre Freundin.

»So ist’s mir auch gegangen«, seufzte Ruth.

»Du warst so weit weg, hast so viel gesehen, wird’s dir net eng und langweilig werden hier auf dem Dorf?«, fragte Ursel.

»Ich hab mir immer gewünscht, mehr von der Welt zu sehen, und das ist dann ja in Erfüllung gegangen. Das war eine gute und abwechslungsreiche Zeit. Aber es war auch hektisch, und ich hatte allmählich das Gefühl, meine innere Ruhe verloren zu haben. Schließlich hab ich immer mehr Heimweh gehabt – nach der Stille der Berglandschaft und der Natur.«

Ruth verstummte, den Blick in die Ferne gerichtet. Dann aber fasste sie sich wieder und lächelte.

»Jedenfalls bin ich froh, wieder hier zu sein. Und ich freu mich auch schon auf die Hochzeit von deinem Bruder, endlich wieder mal ein zünftiges Fest.«

»Ja, das soll groß gefeiert werden, eine Erinnerung fürs Leben halt. Das haben beide so gewollt«, sagte Ursel mit leichter Wehmut.

»Und du bist eine der Brautjungfern. Wie schaut denn dein Kleid aus? Das musst du mir ganz genau beschreiben, ja?«

Das tat Ursel dann in aller Ausführlichkeit, sodass Ruth sich vorstellen konnte, wie ihre Freundin mit ihren üppigen blonden Locken und dem reizenden herzförmigen Gesicht darin aussehen würde.

»Das wird dir gut stehen! Blau passt ja gut zu deinen Augen«, meinte Ruth. »Vielleicht bekommst du am End sogar den Brautstrauß zugeworfen. Du hast doch inzwischen sicher einen Schatz gefunden.«

Ursel errötete und senkte den Kopf.

»Komm, du wirst doch deiner besten Freundin sagen, wem du dein Herzerl geschenkt hast, Ursel.«

»Ich bin mir halt net sicher …«

»Du musst mir auf der Stelle alles erzählen«, drängte Ruth ungeduldig.

Ursel, die in der Gemeindeverwaltung der Kreisstadt arbeitete, berichtete, dass der neue Bauamtsleiter inzwischen seinen Dienst angetreten hatte.

»Er ist ein fescher junger Mann, aber sehr pflichtbewusst. Als ich ihn zum ersten Mal gesehen hab, hat er mir gleich gefallen, er sieht net nur gut aus, sondern er ist auch sehr freundlich im Umgang …«

»Und? Hat er dich schon eingeladen?«, unterbrach Ruth die Freundin ungeduldig.

Ursel schüttelte enttäuscht den Kopf.

»Du meinst, du weißt überhaupt net, ob du ihm gefällst?«

»Er hat mich ein paar Mal so angeschaut, du weißt schon, was ich meine. Ich glaub, er ist halt schüchtern.«

»Dass es so was noch gibt.«

Ursel ging auf den Spott ihrer Freundin nicht ein.

»Und vor ein paar Tagen hat jemand einen Blumenstrauß, so hübsch gebunden, auf meinen Schreibtisch gestellt. Ich wüsste net, wer das sonst getan haben sollt. Aber ich bin mir net sicher, wie ich mich verhalten soll.«

»Dann bedank dich halt bei ihm. Dann ergibt sich schon alles von allein.«

»Aber wenn er es doch net war?«

»Dann sagst halt was von einem Missverständnis. Jedenfalls hat er dann die Gelegenheit, mit dir zu reden.«

Ursel seufzte, doch dann erschien unvermittelt ein schelmisches Lächeln auf ihrem hübschen Gesicht.

»Aber etwas weiß ich gewiss – nämlich, wer neben dir sitzt bei der Hochzeit. Da wirst du staunen!«

»Ach so? Mach’s net so spannend, Ursel.«

Aber in Wirklichkeit hielt sich ihre Neugier in Grenzen. Wahrscheinlich würde es einer der Großbauernsöhne sein, dem sie dann von ihren Reiseerlebnissen erzählen musste, weil er zu der Unterhaltung nichts beizusteuern hatte. Daher fuhr sie auf, als Ursel schließlich den Namen nannte.

»Was, der Riedbacher-Sylvester? Wie seid ihr denn darauf verfallen?«, stieß Ruth empört hervor.

»Was ist denn so falsch dran? Er ist ein fesches Mannsbild, und er ist einer der wenigen, die gut tanzen können«, verteidigte Ursel Sylvester.

»Ein ausgschamter Hallodri ist das, ein Schürzenjäger, wie er im Buche steht«, ereiferte sich Ruth.

»Du tust ja, als wollte man dich mit ihm verkuppeln«, erwiderte Ursel gekränkt.

»Wer weiß. So einen tät ich eh nie nehmen, da müsst ich ja immer befürchten, dass er mich betrügt und mich zum Gespött der Leute macht. Das könnt ich net ertragen, nie und nimmer«, bekräftigte Ruth mit flammendem Blick.

Ursel war sichtlich erschrocken über diesen heftigen Ausbruch ihrer Freundin, obwohl sie wusste, wie stolz und unversöhnlich Ruth Brunner sein konnte. Und sie neigte offensichtlich auch zur Eifersucht, wie sich nun zeigte.

»Und weißt du, wie er mich mal genannt hat? Ein klumpertes Salzburger Nockerl, aber kein bisserl süß«, fügte sie aufgebracht hinzu.

Ursel unterdrückte nur mit Mühe einen Lachanfall.

»Das hast mir gar net erzählt. Umso mehr wird er sich wundern, wenn er dich jetzt zu Gesicht bekommt. Wahrscheinlich wird er dich gar nimmer wiedererkennen, so, wie du dich verändert hast.«

»Meinst du?«

Ruth trat vor den altmodischen Schrankspiegel, in dem sie sich, als sie heranwuchs, so oft kummervoll betrachtet hatte. Hässlich hatte sie sich gefunden mit ihrer formlosen Gestalt und den ungebärdigen kupferbraunen Haaren, die ihr immer in die Stirn fielen.

Und überdies hatte sie eine wenig zierende Zahnspange getragen, die ihr riesig vorkam und ihren Mund verformte. Niemals würde sie einen Liebsten finden und als unglückliche alte Jungfer enden, hatte sie dann gedacht und war oft genug in Tränen ausgebrochen.

»Wie ein altmodischer Telefonklappschrank hab ich ausgeschaut«, murmelte Ruth und seufzte in der Erinnerung auf.

»Dafür bist du jetzt eine richtige Schönheit, die allen Burschen den Kopf verdrehen wird. Ich kann es kaum erwarten, was die für Gesichter machen werden, wenn du dich zum ersten Mal wieder im Dorf blicken lässt«, sagte Ursel und kicherte.

Ruth legte den Kopf schief und fand, dass sie inzwischen mit ihrem Spiegelbild wahrhaft zufrieden sein konnte. In den letzten beiden Jahren hatte sie ständig an Gewicht verloren.Sie hatte gelernt, sich gesund zu ernähren und stopfte keine Süßigkeiten mehr oder zu fettes Essen in sich heinein, wie sie es vorher getan hatte.

Und es hatte sich gelohnt – Ruths Figur war nun schlank und ebenmäßig mit reizvollen weiblichen Formen. Die Konturen ihres schön geschnittenen Gesichts traten klarer hervor, grünblaue Augen und ein geschwungener Mund zogen die Blicke auf sich. Ihre üppigen Haare waren in Form geschnitten und fielen lockig auf die Schultern herab, wie dunkles Kupfer leuchteten sie im warmen Licht der Lampe.

»Was der Sylvester dazu sagen wird«, meinte Ruth nachdenklich.

»Jetzt kannst du es ihm ja heimzahlen, nur so zum Spaß«, schlug Ursel vor und kicherte bei der Vorstellung.

»Vielleicht sollt ich ihm die kalte Schulter zeigen. Aber erst bin ich ganz freundlich zu ihm, damit er nimmer weiß, wo ihm der Kopf steht.«

»So ein böses Madl bist geworden, das hätt ich net von dir gedacht«, meinte Ursel und schnalzte mit der Zunge.

»Rache ist halt süß, meinst net auch?«

Ruth wandte sich lächelnd ihrer Freundin zu.

»Wenn sich’s in Grenzen hält.«

»Bist alleweil so vernünftig, Ursel«, spöttelte Ruth liebevoll. »Der Mann, der dich zur Frau bekommt, kann dankbar sein.«

»Ich wär schon froh, wenn er mich überhaupt bemerken tät, sonst wird da nichts draus. Und einen anderen mag ich net«, erwiderte Ursel, und aller Übermut war von ihr abgefallen.

»So ernst ist es dir?«

»Ja.«

Die beiden Freundinnen umarmten sich, ein Trost, der noch nie seine Wirkung verfehlt hatte. Die jungen Frauen wandten sich dann wieder alltäglichen Dingen zu, und Ruth legte das neue Festtagsdirndl heraus, das sie erst kürzlich in München erstanden hatte.

»Ich hab gedacht, das zieh ich zu der Hochzeit deines Bruders an. Was meinst du dazu?«, fragte sie Ursel.

»Das ist ein wunderbares Gewand. So edel – und doch wirst net herausgeputzt darin ausschauen«, gab Ursel beeindruckt zur Antwort und strich über den kostbaren Seidenstoff, der in Blaugrün schimmerte.

Das eng anliegende Oberteil war im selben Dunkelblau wie die Schürze abgesetzt. Die Ärmel bauschten sich, und der weit schwingende Rock war knöchellang, wie es sich für ein traditionelles Dirndl gehörte. »Was wirst du denn an Schmuck dazu tragen?«

»Nur die Granatohrringe von der Großmutter selig. Die Mutter hat sie mir geschenkt, als ich volljährig geworden bin. Ich will die Haare hochgesteckt tragen, dann kommen die Ohrringe gut zur Geltung. Und das Kleid ist so aufwändig, da wär jeder Schmuck zu viel und tät den Eindruck verderben«, gab Ruth Auskunft.

Ursel dachte bei sich, dass Ruth auch gelernt hatte, sich zu kleiden, denn zu den Zeiten, als sie mit ihrem Ausehen haderte, hatte sie immer kittelartige Gewänder mit unförmigen Wollwesten getragen.

»Ja, da hast recht. Ich kann es kaum erwarten, dich bei der Hochzeit darin zu sehen«, sagte sie jedoch laut.

»Magst du über Nacht hierbleiben? Es ist schon dunkel. Wir haben uns halt mal wieder verplaudert.«

In früheren Zeiten hatte Ursel oft auf dem Brunner-Hof übernachtet, und die Freundinnen hatten eng aneinandergekuschelt in Ruths breitem, gemütlichem Bett geschlafen. Die Brunners hatten Ursel gern und waren froh, dass ihre einzige Tochter eine so gute Freundin gefunden hatte, die immer zu ihr stand und sie nicht um ihren künftigen Reichtum beneidete.