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Rosi Wallner

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Beschreibung

Das Unrecht des Vaters - Was er auf dem Sterbebett beichtet, zerstört Kathrins Glück


Schon seit Jahren hat Kathrin Marsteiner keinen Kontakt mehr zu ihrem Vater und lebt in der Stadt ihr eigenes Leben. Eigentlich wollte sie ihn nie wiedersehen, doch als er im Sterben liegt, bittet er seine Tochter, in ihre Bergheimat zurückzukehren.

Und dann beichtet der Todkranke ihr seine große Schuld, die er in seinem Leben auf sich geladen hat. Viele Familien aus Aichhofen hat er aus Raffgier um Hab und Gut gebracht und sie in schweres Unglück gestürzt. Nun bereut er seine Schandtaten zutiefst, und es ist sein Letzter Wille, dass seine Tochter bei den Geschädigten für Wiedergutmachung sorgt. Dazu soll ihr Erbe dienen.

Kathrin verspricht es ihm und ahnt nicht, welch dunkle Schatten die kriminellen Machenschaften ihres Vaters bald auf ihr eigenes Leben werfen werden ...

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Inhalt

Cover

Impressum

Das Unrecht des Vaters

Vorschau

BASTEI ENTERTAINMENT

Vollständige eBook-Ausgabe der beim Bastei Verlag erschienenen Romanheftausgabe

Bastei Entertainment in der Bastei Lübbe AG

© 2018 by Bastei Lübbe AG, Köln

Programmleiterin Romanhefte: Ute Müller

Verantwortlich für den Inhalt

Titelbild: Michael Wolf

Datenkonvertierung eBook: Blickpunkt Werbe- und Verlagsgesellschaft mbH, Satzstudio Potsdam

ISBN 978-3-7325-6757-7

www.bastei-entertainment.de

Das Unrecht des Vaters

Was er auf dem Sterbebett beichtet, zerstört Kathrins Glück

Von Rosi Wallner

Schon seit Jahren hat Kathrin Marsteiner keinen Kontakt mehr zu ihrem Vater und lebt in der Stadt ihr eigenes Leben. Eigentlich wollte sie ihn nie wiedersehen, doch als er im Sterben liegt, bittet er seine Tochter, in ihre Bergheimat zurückzukehren.

Und dann beichtet der Todkranke ihr seine große Schuld: Viele Familien aus Aichhofen hat er aus Raffgier um Hab und Gut gebracht und sie in schweres Unglück gestürzt. Nun bereut er seine Schandtaten zutiefst, und es ist sein Letzter Wille, dass seine Tochter bei den Geschädigten für Wiedergutmachung sorgt. Dazu soll ihr Erbe dienen.

Kathrin verspricht es ihm und ahnt nicht, welch dunkle Schatten die kriminellen Machenschaften ihres Vaters bald auf ihr eigenes Leben werfen werden …

Kathrin Marsteiner setzte ihre Reisetasche und den Rucksack ab, nachdem sie aus dem Bus gestiegen war, der sie in ihr abgelegenes Heimatdorf gebracht hatte.

Eine beschwerliche Reise lag hinter ihr, bis sie schließlich in Aichhofen angekommen war. Zweimal war sie umgestiegen und hatte zuletzt den Anschluss versäumt, sodass sie lange auf einem trostlosen Busparkplatz hatte warten müssen.

Auch die Fahrt in dem klapprigen Gefährt über eine unbefestigte, holprige Straße war quälend für sie gewesen, weil sie so übermüdet war.

Und nun stand Kathrin an der Haltebucht, und der Bus hatte sich bereits wieder in Bewegung gesetzt. Suchend sah sie sich um, doch eigentlich hätte sie es besser wissen müssen. Wer hier ausstieg und auf einem der Gehöfte außerhalb lebte, war auf sich selbst angewiesen.

Seufzend lud sie sich den Rucksack auf und ergriff die schäbige Reisetasche, sie würde den Weg zum Marsteinerhof zu Fuß zurücklegen müssen.

Als Kathrin die Dorfstraße entlangschritt, stellte sie fest, dass sich kaum etwas verändert hatte, obwohl sie den Ort seit Jahren nicht mehr besucht hatte. Die altertümlichen Häuser waren gut instand gehalten, Geranien flammten auf den Fensterbrettern, und der Eingang des Wirtshauses »Zum Lamm« war sogar mit bepflanzten Terrakottatöpfen geschmückt.

Zwei Männer standen rauchend vor dem stattlichen Gebäude, und als Kathrin sie grüßte, wandte der eine den Kopf ab, und der andere tat so, als habe er nichts gehört. So hatte sich auch das nicht geändert – die Marsteiners waren immer noch so verhasst im Dorf wie früher. Denn die beiden Männer hatten sie sehr wohl erkannt, davon war sie überzeugt.

Nun öffnete sich der kleine Marktplatz vor ihr, der Mittelpunkt des Ortes mit der Kirche mit dem Zwiebelturm und dem Rathaus, das einen Anbau erhalten hatte, der sich gut in das Gesamtbild einfügte. Neu war außerdem ein kleines Café mit Stühlen und Tischen auf dem Platz davor, bunte Sonnenschirme spendeten Schatten. Offensichtlich ein Anziehungspunkt für die Dorfjugend, dem lebhaften Treiben, das dort herrschte, nach zu schließen.

Ein wehmütiges Lächeln umspielte Kathrins Lippen. Sie war immer aus der Dorfgemeinschaft ausgegrenzt worden, hatte nie eine Freundin gehabt. Und das hatte nicht nur daran gelegen, dass sie schon früh ein Klosterinternat besucht hatte, in dem sie auch später meistens während der Ferien geblieben war.

Kathrin hatte mittlerweile die Landstraße erreicht und schritt zügig voran. Einmal hielt ein Lastwagenfahrer an und musterte sie grinsend von oben bis unten.

»Dich tät ich überall hinbringen. Wie wär’s? Steig ein!«, meinte er anzüglich.

»Geradewegs hoch ins Gebirge? Glaub mir, wo ich hingeh, dort willst du net hin«, gab sie ungerührt zur Antwort.

»Schad drum«, meinte er bedauernd und setzte seine Fahrt fort, nicht ohne noch einmal Abschied nehmend zu hupen, ehe er aus ihrem Blickfeld verschwand.

»Diese Mannsleut aber auch«, murmelte Kathrin und schüttelte den Kopf.

In einer Haltebucht blieb sie aufatmend stehen. Sie bereute es nun, sich im Dorf nicht noch ein Getränk besorgt zu haben, denn in der Flasche, die sie aus der Reisetasche gezogen hatte, befand sich nur noch ein ungenießbarer Rest. Sie verspürte brennenden Durst, und so trank sie noch ein paar Schlucke, ehe sie wieder aufbrach. Die anstrengendste Wegstrecke zum Marsteinerhof lag noch vor ihr.

Kathrin bog in die unwegsame Abkürzung ein, die zu einem Wirtschaftsweg führte, der sich zu dem Gehöft hoch schlängelte. Jeder Schritt war eine Qual. Auf dem Wirtschaftsweg war ein besseres Fortkommen, aber als sie an dem Marterl an der Wegkreuzung anlangte, ließ sie sich auf die verwitterte Bank, die daneben aufgestellt war, niedersinken. Ein großer, ausladender Bergahorn spendete angenehmen Schatten.

Von hier aus hatte man eine herrliche Aussicht über das Bergtal, bis hin zu der Gebirgskette, die es begrenzte. Die Gletscher, von der Abendsonne rot überhaucht, glitzerten und gleißten, bald aber würden Dunstschleier die Gipfel umhüllen.

Tränen stiegen ihr in die Augen. Wie schön ihre geliebte Bergheimat war! Immer hatte sie die Erinnerung daran und ihr Heimweh verdrängt, denn sie war überzeugt davon gewesen, dass sie niemals wieder nach Aichhofen zurückkehren würde.

Kathrin lehnte sich zurück und genoss die Stille, die sie umgab. Nur ein Raubvogelpaar kreiste mit sehnsüchtigen Schreien am tiefblauen Himmel umeinander, von Ferne klang Hundegebell auf, aber sonst war alles ruhig. Wie sich das von dem Getöse und der Hektik der Großstadt unterschied, in der sie nach ihrem Schulabschluss gelebt hatte. Ihr Arbeitsplatz, ein Forschungslabor, zeichnete sich zwar auch durch eine ruhige Atmosphäre aus, aber gelegentlich brandete doch Erregung auf, wenn man glaubte, zu einem Ergebnis gekommen zu sein.

Und wenn sie erst an ihre Studienzeit zurückdachte …

Eine schöne Zeit war das gewesen, voller Abwechslung und Turbulenzen. Aber trotz der geistigen Bereicherung hatte sie immer das unbestimmte Gefühl gehabt, im Grunde genommen ein anderes Leben führen zu wollen. Es war wohl das Blut ihrer bäuerlichen Vorfahren, das sein Recht einforderte.

Ein kühler Lufthauch streifte sie, und Kathrin erhob sich. Sie hatte nun genug Kraft gesammelt, den Rest des Weges schnell zurückzulegen, und bald stand sie auf der kleinen Anhöhe, von der aus sie den Marsteinerhof überblicken konnte.

»Maria und Josef«, entfuhr es ihren Lippen.

In ihrer Erinnerung war der Hof ein stattliches Anwesen, mit blühenden Geranien vor den Fenstern, idyllisch inmitten von Streuobstwiesen gelegen. Doch was sich jetzt ihren Augen bot, war ein heruntergekommenes Gehöft mit schadhaftem Dach und Fensterrahmen, die eines Anstrichs bedurften. Der riesige Hausbaum dahinter war wohl einem Blitzeinschlag zum Opfer gefallen. Doch man hatte sich nicht die Mühe gemacht, ihn zu fällen, sodass sich kahle geschwärzte Äste trostlos gen Himmel reckten.

Auf dem Hofplatz wucherte hohes Unkraut zwischen den Steinen, der Brunnen war offensichtlich versiegt, und auch die Hundehütte daneben war verwaist. Wie hatte es nur so weit kommen können?

Erschüttert ging Kathrin auf das Anwesen zu, das schon seit Generationen im Besitz ihrer Familie war. Ihr Vater war immer so stolz auf den Marsteinerhof gewesen, einen der prächtigsten und größten im ganzen Tal.

Als sie näher kam, sah sie erst das ganze Ausmaß der Vernachlässigung. Verrostetes Gerät lag vor der Scheune herum, ein übler Geruch wehte ihr entgegen, und als sie in den offenen Stall trat, entdeckte sie, dass er leer stand.

Wo waren die gesunden Milchkühe geblieben, mit denen ihr Vater so manchen Preis gewonnen hatte?

Spinnweben hingen von der Stalldecke herunter, und der Boden war verschlammt, sodass sie angeekelt zurückwich. Auch sonst war kein Lebewesen sichtbar, weder die muntere Gänseschar noch die Hühner, die den Hofplatz bevölkert hatten. Und auf der Hausbank neben der Tür rekelte sich auch keine der Nachkommen der geliebten Katzen, mit denen sie in Kindertagen so gern gespielt hatte.

Wüst und öde war der Marsteinerhof geworden, es fielen ihr keine anderen Ausdrücke dafür ein. Die Haustür stand halb offen, und es kostete Kathrin einige Überwindung, den Flur zu betreten. Auch hier drang ein feuchter, scharfer Geruch auf sie ein, der sie unwillkürlich zurückschrecken ließ.

»Vater«, rief sie, nachdem sie sich endlich ein Herz gefasst hatte.

Sie hörte einen undeutlichen Laut, wie ein Gurgeln, dem sie in die Stube folgte.

In einer Ecke, unter dem Fenster, befand sich auf einem alten Sofa das behelfsmäßige Lager, wo Valentin Marsteiner auf mehrere Kissen gebettet war. Über sich hatte er Decken gebreitet, doch er schien immer noch zu frieren, so als ob sein ganzer Körper von einem nicht enden wollenden Frösteln ergriffen wäre.

Kathrin schrak beim Anblick ihres Vaters so zusammen, dass sie kein Wort über die Lippen brachte. Valentin Marsteiner, vor nicht allzu langer Zeit von allen noch als ein Urbild männlicher Kraft gepriesen und noch keine fünfzig, war nicht mehr wiederzuerkennen.

Hochgewachsen und breitschultrig war er immer gewesen, keiner hatte es gewagt, sich mit diesem Mann mit der beeindruckenden Erscheinung anzulegen. Er hatte immer als Schürzenjäger gegolten, auch noch, als er schon verheiratet gewesen war, denn er hatte früher gut geschnittene, markante Züge und volles, lockiges Haar gehabt. Außerdem konnte er, wenn er es darauf anlegte, sehr charmant sein und war um keine Ausrede verlegen.

Das wusste Kathrin, denn als Kind hatte sie zufällig eine Auseinandersetzung ihrer Eltern belauscht, als ihre Mutter ihm seine Treulosigkeit vorgeworfen hatte.

Aber trotz seines Charmes hatte er noch eine andere Seite. Er konnte tagelang düster vor sich hin brüten, gefolgt von Wutausbrüchen und einer bösartigen Gewalttätigkeit, die vor nichts Halt machte.

Noch nicht einmal vor seiner Frau, obwohl er immer wieder beteuert hatte, dass er sie als Einzige – trotz seiner Seitensprünge – liebte. Kathrins Mutter hatte unter der unerträglichen Tyrannei gelitten und zu kränkeln begonnen, und mit jeder Demütigung, jedem Streit war immer mehr Lebenskraft aus ihr gewichen.

Als Kind hatte Kathrin in anhaltender Furcht vor ihrem Vater gelebt und war immer ängstlicher geworden, bis es ihrer Lehrerin aufgefallen war und sie ihre Eltern in die Schule gerufen hatte. Daraufhin wurde Kathrin in das Internat geschickt, wo sie unter der Obhut der strengen, aber auch fürsorglichen Schwestern geradezu aufgeblüht war.

Nun schien alle Kraft aus Valentin Marsteiner gewichen zu sein. Seine Züge, die eingesunken waren und von gelblicher Haut überspannt, ließen ihn wie einen Greis wirken. Die einst so üppigen Haare standen ihm nur noch büschelweise vom Kopf und gaben die Kopfhaut frei.

Von seiner Gestalt war nur noch eine schwache Erhebung wahrnehmbar, die Schultern ragten knochig hervor, und die Hände umklammerten krallenartig den Saum der Decke, die er weit nach oben gezogen hatte.

»So hast du also wirklich noch hergefunden«, krächzte er mühsam und versuchte vergeblich, den Kopf zu heben.

»Du hast mir geschrieben, dass ich unbedingt kommen müsste. Aber ich hab net gewusst, dass es dir so …« Ihre Stimme versagte.

Ein unheimliches, röchelndes Lachen brach aus seinem verzerrten Mund.

»Von dir hab ich ja nie viel gehabt. Nichts hat dich je gekümmert. Dann kannst du mir ja wenigstens noch beim Sterben zusehen, nicht wahr?«

Kathrin zuckte zusammen. Die Ungerechtigkeit dieser Anklage traf sie, denn es war ihr Vater gewesen, der sie letztendlich aus der Heimat vertrieben hatte. Ein Madl war in seinen Augen nichts wert, darüber hatte er sich immer wieder höhnisch ausgelassen.

»Warum bist du zu Hause und nicht in einer Klinik?«, fragte sie nüchtern, ohne auf seine Anwürfe einzugehen.

»Da verrat ich dir etwas. Weil es sinnlos ist. Ich verfaule bei lebendigem Leib, der Krebs frisst mich innerlich auf. Und ein Marsteiner stirbt zu Hause, wie es sich gehört.«

»War heut schon der Doktor da? Ich seh doch, dass du Schmerzen hast, Morphiumpflaster können sie lindern …«

»Den hab ich aussi geworfen, den Doktor. In ein Hospiz wollt er mich abschieben. Aber net mit mir! Ich bleib auf dem Hof bis zum letzten Atemzug«, fiel er ihr ins Wort, und seine Augen sprühten vor Zorn.

Hinter sich nahm Kathrin eine Bewegung wahr, und sie fuhr herum.

»Branko!«, kam es ungläubig über ihre Lippen.

Da ihre ganze Aufmerksamkeit auf ihren Vater gerichtet gewesen war, hatte sie nicht auf die massige Gestalt geachtet, die in der Ecke hinter ihr auf einem alten Sessel kauerte.

Branko, ein Mann unbestimmbaren Alters, wirkte noch abschreckender als früher. Seine riesenhafte, unförmige Gestalt strahlte unbezähmbare Wildheit und Kraft aus, seine Züge, die wie grob gehauen wirkten, verrieten nichts von seinen Gefühlen. Die dunklen Haare fielen ihm in die niedrige Stirn, und seine dichten schwarzen Brauen waren über der Nase zusammengewachsen.

Meistens starrte er dumpf vor sich hin, doch wenn ihn jemand reizte, dann funkelte etwas in seinen Augen auf, eine jähe Grausamkeit, die sein Gegenüber vor Furcht erstarren ließ.

Branko war vor Jahren hin und wieder als Erntehelfer in Aichhofen aufgetaucht, niemand wusste richtig, woher er kam. Allein Valentin Marsteiner hatte ihm Arbeit gegeben, und schließlich war er auf dem Hof geblieben. Manchmal verschwand er für einige Zeit, fand sich aber immer wieder ein.

Wenn er in der weiten dunkelblauen Arbeitskleidung, die er immer trug und die ihn noch gewaltiger erscheinen ließ, durch das Dorf ging, was selten geschah, machte sich die Dorfjugend über ihn lustig.

»Der nützliche Branko«, lästerten sie, vermieden es aber tunlichst, in seine unmittelbare Nähe zu kommen.

Ihre Spötteleien konnten nicht darüber hinwegtäuschen, dass jeder im Dorf Furcht vor Branko hatte. Immer wieder gingen Gerüchte herum, warum Branko für den Marsteiner so von Nutzen war.

Nun also war er da, wachte eifersüchtig über seinen sterbenden Herrn, denn als solchen betrachtete er Valentin Marsteiner, und nichts hätte ihn dazu bewegen können, seinen angestammten Platz zu verlassen.

Statt einer Begrüßung stieß Branko einen knurrenden Laut aus, musterte Kathrin von oben bis unten mit einem nur schwer erklärbaren Gesichtsausdruck und ließ sich dann wieder zurücksinken.

»Soll ich dir etwas kochen?«, fragte Kathrin etwas hilflos, eine große Erschöpfung schien von ihr Besitz zu ergreifen.

Marsteiner verzog angeekelt das Gesicht.

»Nein, ich kann nichts mehr essen, die Bauchspeicheldrüse. Das Bier und der Selbstgebrannte haben mir halt immer zu gut geschmeckt. Aber ein kaltes Quellwasser wär recht, ich hab ständig Durst«, fügte er dann hinzu.

Kathrin beeilte sich, das Gewünschte zu bringen, doch als sie ihm beim Trinken helfen wollte, schlug er ihre Hand beiseite. Valentin Marsteiner würde sich, solange noch Leben in ihm war, treu bleiben.

»Ich geh jetzt meine Sachen auspacken. Wenn du etwas brauchst …«

Marsteiner wies nur mit dem Kopf auf Branko, sie nickte und verschwand aus dem Raum, dessen abgestandene Luft sie zu ersticken drohte.

Kathrin stieg die schmale, enge Treppe bis zum Obergeschoss hoch, wo die Kammer war, in der sie einst als Kind gewohnt hatte. Als sie die Tür öffnete, fand sie den Raum fast gänzlich leer geräumt vor. Nur ein schmaler Schrank und ein Bettgestell mit einem Rost standen noch darin. Alles war mit Staub bedeckt, und die freundliche Blumentapete, die sie so geliebt hatte, war bis zur Unkenntlichkeit verblasst.

Ob Branko wohl auch nachts bei seinem Herrn schlief, ging es ihr durch den Sinn.

In einer anderen Kammer fand sie eine ordentliche Matratze, die sie auf den Bettrost hob. Sie konnte sich noch erinnern, wo ihre Mutter das Bettzeug aufbewahrt hatte, und tatsächlich fand sie in der Wäschekammer alles Notwendige. Sie wischte Staub, lüftete und bezog das Kissen und das Federbett, zuletzt räumte sie ihre Kleidung in den Schrank.

Kathrin hatte nur das Notwendigste mitgenommen, denn sie wusste nicht, wie lange sie bleiben würde. Sie hatte eigens ihren knapp bemessenen Urlaub vorverlegt, nachdem sich ihr Vater nach langer Zeit mit so dringlichen Worten bei ihr gemeldet hatte.

Eigentlich hatte sie geglaubt, nie wieder von ihm zu hören.

Anscheinend hatte er sich, da er nun im Sterben lag, auf sie besonnen. Sie war die Einzige, die noch von seiner Familie übrig geblieben war. Und trotz des Grolls, den sie auf ihn empfand, war sie doch so erzogen worden, dass sie ihrem Vater nicht ihre töchterliche Hilfe versagen wollte.

Kathrin ging hinunter in die Küche, die sie überraschend aufgeräumt vorfand, wahrscheinlich Brankos Werk. Die Essensvorräte waren allerdings mehr als dürftig, sie würde sich mit einer Eierspeise und Brot begnügen müssen. Hungrig schlang sie das bescheidene Mahl hinunter, danach sah sie wieder nach ihrem Vater.

Valentin lag in einer Art Halbschlaf da, röchelnde Atemzüge erfüllten den Raum. Etwas krampfte sich bei diesem Anblick in ihr zusammen, und zu ihrem Erstaunen spürte sie, dass ihr Tränen in die Augen stiegen. Sie wartete, bis diese Aufwallung sich gelegt hatte, dann erst wandte sie sich zu Branko um.

»Willst du etwas essen?«

Er schüttelte verbissen den Kopf. Ihre plötzliche Gemütsbewegung schien ihm nicht entgangen zu sein, denn er kniff die Augen zusammen und betrachtete sie mit einer gewissen Neugier.