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Hanni Birkmoser

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Beschreibung

Enttäuschtes Männerherz - Bewegender Heimatroman um eine Liebe in Gefahr


Franz Kirchmoser soll im Wald von Kössen gewildert haben, und nun wird ihm der Prozess gemacht. Die Indizien sprechen gegen ihn, und sein Alibi ist mehr als dürftig. Er habe sich in jener Nacht in der Nähe des Kronsbühlerhofes aufgehalten, um seiner verflossenen Liebe nahe zu sein, beteuert er. Als der Richter ihn noch einmal nach Zeugen befragt, erhebt sich plötzlich eine helle, klare Mädchenstimme.

"Ja, er hat eine Zeugin. Franz Kirchmoser war in jener Nacht bei mir", erklärt Lena Kronsbühler dem Gericht.

Die Aussage geht ihr leicht über die Lippen. Lena ist von Franz’ Unschuld überzeugt, und zudem hat sie ihn einmal sehr geliebt. Auch wenn sie jetzt einem anderen versprochen ist, spürt sie in ihrem tiefsten Inneren, dass sie Franz helfen muss. Dass ihr Leben durch diese Falschaussage eine dramatische Wendung nimmt, das ahnt Lena freilich nicht ...

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Seitenzahl: 142

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Inhalt

Cover

Impressum

Enttäuschtes Männerherz

Vorschau

BASTEI ENTERTAINMENT

Vollständige eBook-Ausgabe der beim Bastei Verlag erschienenen Romanheftausgabe

Bastei Entertainment in der Bastei Lübbe AG

© 2018 by Bastei Lübbe AG, Köln

Programmleiterin Romanhefte: Ute Müller

Verantwortlich für den Inhalt

Titelbild: Bastei Verlag / Michael Wolf

Datenkonvertierung eBook: Blickpunkt Werbe- und Verlagsgesellschaft mbH, Satzstudio Potsdam

ISBN 978-3-7325-7179-6

www.bastei-entertainment.de

www.lesejury.de

Enttäuschtes Männerherz

Bewegender Heimatroman um eine Liebe in Gefahr

Von Hanni Birkmoser

Franz Kirchmoser soll im Wald von Kössen gewildert haben, und nun wird ihm der Prozess gemacht. Die Indizien sprechen gegen ihn, und sein Alibi ist mehr als dürftig. Er habe sich in jener Nacht in der Nähe des Kronsbühlerhofes aufgehalten, um seiner verflossenen Liebe nahe zu sein, beteuert er. Als der Richter ihn noch einmal nach Zeugen befragt, erhebt sich plötzlich eine helle, klare Mädchenstimme.

»Ja, er hat eine Zeugin. Franz Kirchmoser war in jener Nacht bei mir«, erklärt Lena Kronsbühler dem Gericht.

Die Aussage geht ihr leicht über die Lippen. Lena ist von Franz’ Unschuld überzeugt, und zudem hat sie ihn einmal sehr geliebt. Auch wenn sie jetzt einem anderen versprochen ist, spürt sie in ihrem tiefsten Inneren, dass sie Franz helfen muss. Dass ihr Leben durch diese Falschaussage eine dramatische Wendung nimmt, das ahnt Lena freilich nicht …

Das blonde junge Mädchen mit dem Korb voller Pilze trat aus dem Wald hinaus auf die schmale Straße, die in Serpentinen den Hang hinunterführte. Der schwarze Asphalt glitzerte in der Sonne, und hier, außerhalb der hohen grünen Tannen, war es drückend schwül.

Eine gute halbe Stunde war es zu gehen bis hinunter nach Kössen und zum Kronsbühlerhof, wo die Mutter schon bald die Mittagsglocke läuten würde.

Gerade zwanzig Jahre alt war Lena Kronsbühler, ein hübsches Mädchen mit großen blauen Augen und einem roten Mund, der gern lachte. Seit einem halben Jahr war sie mit dem Kirchmoser-Franz befreundet.

Lena schwenkte ihren Korb und sang leise vor sich hin, doch in der nächsten Kurve blieb sie wie angewurzelt stehen. Ein Motorrad lag quer über der Straße, weit und breit war kein Mensch zu sehen.

Das junge Mädchen schaute sich um, während es rasch weiterging, konnte aber nicht entdecken, wem die schwere Maschine gehörte. Lena stellte ihren Korb beiseite und berührte das blitzende Chrom. Bis sie plötzlich einen Laut vernahm, der wie ein menschliches Stöhnen klang.

Sie ging dem Geräusch nach und sah vor sich im hohen Gras einen Mann liegen. Ein Schrei des Entsetzens kam über ihre Lippen. Das Gesicht war blutüberströmt, er hatte die Augen geschlossen, und seine Hände krallten sich in das hohe Gras. Aus den geöffneten Lippen kamen gurgelnde Laute.

Von oben hörte sie einen Wagen kommen. Hastig lief sie die wenigen Meter zurück zur Straße und stellte sich winkend in die Mitte. Es war ein großer Wagen mit einem Stadtkennzeichen, und der Mann, der am Steuer saß, hielt sofort an. Lena wies mit bleichem Gesicht zur Seite.

»Sie müssen helfen, dort liegt ein Mann, schwer verletzt. Er muss vom Motorrad gestürzt sein.«

»Bleiben Sie bei ihm«, sagte der Fremde, »ich verständige den Rettungsdienst.«

Lena lief zurück zu dem Verletzten, dessen Stöhnen ganz leise geworden war. Sie kniete sich in das Gras und hob vorsichtig seinen Kopf auf ihren Schoß.

Behutsam strich sie ihm das blutverkrustete Haar aus der Stirn. Seine Hose und sein Hemd waren zerrissen. Die Schuhe lagen im Gras.

Für Lena dehnten sich die Minuten zur Ewigkeit. Endlich näherte sich der Rettungswagen, dem einige Fahrzeuge folgten. Zwei weiß gekleidete Männer hasteten mit einer Trage über die Straße auf sie zu. Vorsichtig hoben sie den Verletzten hoch, der jetzt keinen Laut mehr von sich gab. Der Notarzt beugte sich über ihn.

»Lebt er noch?«, fragte Lena mit banger Stimme.

Der Mann nickte und sah sie kurz an.

»Gehören Sie zu ihm?«

»Nein, ich hab ihn hier gefunden. Das Motorrad scheint ihm zu gehören.«

»Immer diese jungen Burschen mit ihrer Raserei!« Der Mann, der den Rettungsdienst verständigt hatte, schüttelte den Kopf. »Diese Höllenmaschinen gehören alle verboten.«

»Er lebt, aber er scheint schwer verletzt. Wir müssen seine Personalien feststellen und ihn sofort ins Krankenhaus bringen. Wahrscheinlich besteht Lebensgefahr.«

Lena stand auf der Straße und sah zu, wie die Trage in den Wagen geschoben wurde. Sie schien man vergessen zu haben, der Wagen fuhr ab. Dafür trat der Dorfgendarm, der ebenfalls gekommen war, zu ihr hin.

»Es kann sein, dass ich von dir noch ein paar Aussagen brauche, Lena. Du bist die einzige Zeugin des Unglücks.«

Das blonde Mädchen schüttelte den Kopf.

»Wie es passiert ist, hab ich nicht gesehen, Gendarm. Als ich gekommen bin, hat er schon dort im Gras gelegen. Wisst ihr schon, wer er ist?«

»Ja, wir haben das Kennzeichen seines Motorrads durchgegeben und seinen Namen und seine Adresse erfahren. Er heißt Bernd Raschler, und seinem Vater gehört das Hotel ›Weißer Adler‹ drüben in St. Johann. Sein Vater ist verständigt worden und sicher auf dem Weg ins Krankenhaus.«

Lena sah dem Rettungswagen nach, bis er in der Kurve verschwunden war.

Auch der Mann, der ihn verständigt hatte, war in seinen Wagen gestiegen und davongefahren.

»Ich nehme dich mit hinunter ins Dorf, Lena. Steig ein«, sagte der Gendarm.

Sie suchte nach ihrem Korb, den sie achtlos im Gras hatte stehen lassen.

»Hoffentlich bleibt er am Leben«, sagte sie leise. Das bleiche Gesicht des jungen Burschen wollte ihr nicht mehr aus dem Sinn. Der Gendarm seufzte.

»Mit diesen Teufelsmaschinen riskieren sie Tag für Tag ihr Leben. Ich hoff auch, dass er durchkommt. Die Ärzte werden ihr Möglichstes tun.«

Das Mittagessen wollte Lena daheim an diesem Tag nicht schmecken, und die Mutter drängte nicht weiter in sie.

Das, was sie mit wenigen Worten erzählt hatte, schien der Tochter recht nahezugehen. Am Nachmittag hielt es Lena nicht mehr aus. Sie gab vor, im Dorf einige Besorgungen machen zu wollen, und schlug dann den Weg zum neuen Krankenhaus, etwas außerhalb von Kössen, ein.

Es war ein moderner weißer Bau, der nicht so recht in die liebliche Gebirgslandschaft passen wollte. An der Pforte gab man dem Mädchen Auskunft. Der verunglückte Motorradfahrer sei mehrere Stunden operiert worden und noch nicht bei Bewusstsein. Sein Vater sei schon eine Weile bei ihm, leider dürfe man niemand anderen vorlassen.

Wie betäubt verließ Lena das Krankenhaus. Da drinnen lag ein junger Mensch, der vielleicht nie mehr den blauen Himmel und die Sonne sehen würde. Sie hätte ihm so gern geholfen.

Rasch machte Lena im Dorf ein paar Besorgungen und ging dann zurück zum Kronsbühlerhof. Tief in Gedanken versunken hörte sie nicht die Schritte hinter sich und erschrak, als sich zwei Hände auf ihre Augen legten.

»So allein des Weges, schöne Maid?«, fragte eine Männerstimme lachend.

Jetzt erhellte sich Lenas Gesicht, und sie wandte sich zu dem Mann um, der sie in seine Arme zog.

»Ich geh schon eine Weile hinter dir her, Lena! Aber du warst in Gedanken weit weg und hast mich weder gesehen noch gehört. Gehört sich das für ein verliebtes Mädchen?«

Lena bot ihm die roten Lippen zum Kuss. Seit einem halben Jahr war Franz Kirchmoser verliebt in die schöne Tochter des Kronsbühlerbauern, und er wusste, dass sie und keine andere einmal seine Frau werden sollte. Bald würde er sie um ihr Jawort bitten. Seinem Vater würde die blonde Lena eine willkommene Schwiegertochter sein.

»Du hast sicher von dem Unglück auf der Passstraße gehört«, sagte das Mädchen. »Ich hab den schwer verletzten Burschen gefunden und mich jetzt im Krankenhaus nach ihm erkundigt … Es steht schlecht um ihn, und deswegen hab ich mir Gedanken gemacht.«

Das Lachen verschwand aus dem Gesicht des jungen Mannes. Besorgt sah er sie an.

»Das war sicher schlimm für dich, Lena! Ja, ich hab davon gehört. Es soll ein ganz Narrischer gewesen sein mit seinem Motorrad. Die sind selber schuld, wenn so etwas passiert. Sie riskieren net nur ihr Leben, sondern auch das fremder Menschen.«

»Trotzdem hoff ich, dass er wieder gesund wird.« Lena ging weiter, ihre Hand in der des Mannes. Immer wieder blieb er stehen, um sie in die Arme zu nehmen und zu trösten.

Franz spürte aber, dass ihre Gedanken bei dem anderen hilflosen Mann waren, und zum ersten Mal stieg Eifersucht in ihm auf. Bisher war er sich ihrer immer ganz sicher gewesen.

Plötzlich schien sich Lena wieder seiner zu besinnen. Zärtlich strich sie über seine Wange und schmiegte sich an ihn.

»Sei net bös, Franzl, dass ich heut ein bisserl abgelenkt bin. Aber das Ganze war halt doch ein gehöriger Schock für mich.«

»Ich versteh dich schon, Lena, aber es tut halt weh, wenn ich spür, dass deine Gedanken bei einem anderen sind.«

»Du weißt doch, dass ich dich lieb hab«, erklärte sie mit einem zärtlichen Lächeln, »und dass es nix anderes ist als Mitleid, das mich an ihn denken lässt. Schau, da vorne ist schon unser Hof, und jetzt reden wir nimmer drüber. Komm mit herein, die Eltern werden sich freuen, dich zu sehen. Dem Vater ist der Kirschenschnaps heuer besonders gut gelungen. Du musst ihn unbedingt probieren.«

Als der Kirchmoser-Franz dann Minuten später zwischen dem alten Kronsbühler und Lena saß, hatte er vergessen, dass es den anderen Mann gab.

Sie hingegen dachte noch immer an den Schwerverletzten im Krankenhaus.

***

Josef Raschler war die kurvige Straße von St. Johann nach Kössen in Höchstgeschwindigkeit gefahren. Nun saß er seit Stunden am Krankenbett seines einzigen Sohns.

Noch nicht ein einziges Mal hatte Bernd die Augen aufgeschlagen. Sein Kopf war bis weit in die Stirn mit einer weißen Mullbinde umwickelt, und auf der rechten Wange klebte ein breites Pflaster. Die Ärzte hatten dem Vater gesagt, dass die unmittelbare Lebensgefahr gebannt, der Zustand seines Sohns aber nach wie vor sehr ernst sei.

Bernd hatte schwere innere Verletzungen und eine Gehirnerschütterung davongetragen, von den Prellungen und Schürfwunden ganz abgesehen. Für Josef Raschler wäre der Verlust seines Sohnes mehr, als er hätte ertragen können. Er hatte doch nur noch ihn!

Vor fünf Jahren war ihm seine Frau Maria davongelaufen. Nach zwanzig Jahren Ehe und unermüdlicher Arbeit wollte sie irgendwo im Ausland ein neues Leben beginnen. St. Johann war ihr zu klein und zu eng geworden. Auch ihr gemeinsamer Besitz, das stattliche Hotel »Weißer Adler«, hatte sie nicht halten können.

Nur ein Abschiedsbrief war Josef Raschler von ihr geblieben. Er wusste nicht, wo sie lebte und ob es wieder einen Mann in ihrem Leben gab. Um die Scheidung hatte sie ihn nie gebeten.

Bernd, der einzige Sohn, hatte bald nach dem Fortgehen der Mutter seine Leidenschaft für Motorradrennen entdeckt und sich vom Vater und dessen Bitten und Beschwörungen nicht abhalten lassen, daran teilzunehmen. Pokale und Kelche für gewonnene Rennen standen im »Weißen Adler«, und der Vater betrachtete sie oft mit bitterer Miene. Er hatte Angst, dass ihm dieser mörderische Sport einmal seinen Buben nehmen könnte.

Nun war es fast dazu gekommen, und er konnte nicht verhindern, dass ihm die Tränen über die Wangen liefen. Er würde das Krankenbett nicht eher verlassen, bis Bernd die Augen aufschlug und ihn erkannte.

Der leidgeprüfte Mann musste sich gedulden. Am Abend richtete ihm die Schwester ein Bett im Nebenzimmer her, aber Josef Raschler machte kein Auge zu. Er lauschte auf jedes Geräusch aus dem Krankenzimmer und stand jedes Mal auf, wenn er glaubte, Bernd sei erwacht.

Doch der Sohn lag immer regungslos in der gleichen Stellung. Als ein wunderschöner Morgen über Kössen anbrach, saß der Vater wieder am Bett seines Sohns, unrasiert und mit rot umränderten Augen.

Die Ärzte kamen, nickten ihm stumm zu, fühlten den Puls des Bewusstlosen und sprachen leise miteinander. Eine Schwester brachte Josef schwarzen Kaffee.

Dann gegen elf Uhr begann sich der Verletzte zu bewegen. Seine Hände griffen in die Luft, als suche er etwas, sein Kopf ging unruhig auf dem Kissen hin und her.

»Bernd, mein Bub!« Josef Raschler glitt vom Stuhl und sank vor dem Bett in die Knie.

Der junge Bursche öffnete die Augen. Irritiert wanderte sein Blick durch den Raum und blieb schließlich am Vater hängen.

»Wo bin ich, Vater?«, fragte Bernd, aber noch ehe dieser ihm antworten konnte, hatte er schon wieder die Augen geschlossen, und sein Kopf fiel zur Seite.

Der alte Mann stürzte hinaus auf den Flur und rief eine Schwester. Sie kam mit ihm und fühlte den Puls des Verletzten. Dann lächelte sie.

»Beruhigen Sie sich, Herr Raschler, Ihr Sohn wird bald wieder ganz zu sich kommen. Dass er Sie erkannt hat, ist ein gutes Zeichen.«

Bernd Raschler erlangte sein Bewusstsein noch am selben Nachmittag wieder. Der Vater hatte sich keine Minute von seinem Bett fortbewegt. Als der Sohn ihm jetzt matt zulächelte, standen ihm Freudentränen in den Augen.

»Ich weiß, wie es passiert ist, Vater. Ich hab für das Rennen am Samstag trainiert. Plötzlich in der Kurve ist ein Hase über die Straße gelaufen. Ich wollte ausweichen und hab die Gewalt über die Maschine verloren. Dann ist es schwarz um mich herum geworden. Wer hat mich hierhergebracht?«

»Ein Mädchen aus dem Dorf soll dich gefunden und den Rettungswagen gerufen haben«, erklärte der Vater. »Ich kenne weder ihren Namen, noch weiß ich, wo sie wohnt.«

Sekundenlang schien der Kranke zu überlegen, dann versuchte er sich in den Kissen aufzurichten. Erschrocken drückte ihn der Vater zurück.

»Du sollst dich net bewegen, Bernd! Bleib ruhig liegen!«

»Bring mir dieses Mädchen her, Vater. Ich möcht es kennenlernen und mich bedanken. Es hat mir das Leben gerettet.«

»Das hätte ich auch getan«, sagte der Vater, »obwohl ihre Hilfe unbezahlbar ist. Ich werde mich nach ihrem Namen erkundigen.«

Bernds dunkle Augen starrten auf das Kruzifix in der Ecke.

»Ich weiß, dass ich dir mit meiner Fahrerei großen Kummer bereite, Vater. Aber mein ganzes Herz hängt daran, ich kann net aufhören damit. Ich würde mich meines Lebens nicht mehr freuen.«

»Das musst du mit dir selber abmachen, Bub«, erwiderte der Vater, »ich kann dir nix mehr verbieten. Aber denk daran, dass ich auch schon deine Mutter verloren hab. Wenn du nun auch noch …«

»Red net von ihr, ich hasse sie«, sagte Bernd, und seine Augen brannten, »hörst du, ich will, dass du sie vergisst, ebenso wie ich. Ich hab keine Mutter mehr.« Erschöpft schloss er die Augen. Sein Kopf schmerzte höllisch.

Damals, als seine Mutter gegangen war, hatte sich Bernd in seinem Zimmer eingeschlossen, und man hatte es gewaltsam aufbrechen müssen. Apathisch und unansprechbar hatte er auf seinem Bett gelegen.

Nach acht Tagen war die Apathie einer großen Hektik gewichen. Der Junge hatte ständig auf seinem Motorrad gesessen und die Nächte mit Freunden durchgefeiert.

Als der erste große Schmerz sich ein wenig gelegt hatte, hatte er sich wieder auf den Vater besonnen. Er hatte ja nur noch ihn. Von der Mutter aber durfte nicht mehr gesprochen werden. Der Sohn, der sie abgöttisch geliebt hatte, hasste sie aus tiefstem Herzen für das, was sie ihm und dem Vater angetan hatte.

Als Bernd eingeschlafen war und sein Atem ruhig und leise ging, verließ Josef Raschler das Krankenzimmer für kurze Zeit. Er wollte herausfinden, wer das Mädchen war, dem sein Sohn die Rettung verdankte.

***

Lena hatte die langen blonden Haare unter einem bunten Tuch versteckt, als sie mit dem Vater und dem Gesinde hinaus aufs Feld gegangen war.

Auf dem Traktor saß Hans, ihr um vier Jahre älterer Bruder. Man hätte sie für Zwillinge halten können, so ähnlich waren sie sich in ihrem Aussehen. Blond und die Augen groß und von einem tiefen Blau.

Seit ihrer Kindheit verstanden sie sich bestens, und Lena wusste, dass sie immer einen Platz im Haus haben würde, auch wenn der Bruder vielleicht schon bald sein Erbe antreten und den Kronsbühlerhof übernehmen würde. Der Vater sprach in letzter Zeit häufig davon, sich aufs Altenteil zurückzuziehen, damit er und die Mutter noch etwas von ihrem Lebensabend hatten.

Die Augustsonne stand hoch am Himmel. Hoffentlich hatten sie Glück, und es gab in den nächsten beiden Tagen kein Gewitter, damit sie das Korn trocken einfahren konnten.

Georg Kronsbühler betrachtete den städtisch gekleideten Mann, der über das Feld kam, mit argwöhnischen Blicken.

»Dass sie es net lernen, die Wege zu benutzen«, schimpfte er, »man kann doch net überall Verbotsschilder hinstellen.«

»Reg dich net auf, Vater«, erwiderte Lena. »Vielleicht hat er sich verlaufen und will nur nach dem Weg fragen. Schau, er kommt direkt auf uns zu.«

Der Mann war um die sechzig Jahre alt, etwas untersetzt, mit einem braun gebrannten Gesicht und offenen Zügen.

»Ich will Sie net lang stören«, sagte er freundlich und reichte dem Kronsbühlerbauern die Hand. »Ich bin Josef Raschler aus St. Johann und suche eine gewisse Lena Kronsbühler.«

»Die bin ich«, erklärte Lena.

Josef Raschler trat auf sie zu und griff nach ihren beiden Händen. Bewegt schaute er sie an. Lena konnte es nicht verhindern, dass sie unter seinem durchdringenden Blick errötete.

»Sie haben meinem Sohn das Leben gerettet, Fräulein Kronsbühler. Sie waren es doch, die ihn auf der Passstraße gefunden hat?«

Jetzt erinnerte sich Lena wieder an den Namen des Verletzten, den ihr der Gendarm genannt hatte. Sie erwiderte den Händedruck des Fremden fest.