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Rosi Wallner

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Beschreibung

Das Familiengeheimnis
Warum die Wahrheit nie herauskommen durfte
Von Rosi Wallner

Niedergeschlagen sitzt Marisa in der kleinen Dachkammer, die ihr schon so lange als Heimstatt dient. Das matte Licht einer Lampe erhellt den trostlosen Raum mit den schäbigen Möbelstücken. Lediglich eine hübsche Tagesdecke und ein paar Kuscheltiere, die unten auf dem Bett aufgereiht sind, erinnern an bessere Zeiten.
Ob es ihr jemals gelingen wird, dieser niederdrückenden Umgebung zu entfliehen?
Das Madl weiß, dass es nutzlos ist, sich solchen verzweifelten Gedanken hinzugeben. Dabei ist Marisa selbst nicht einmal schuld an dieser elendigen Lage - sondern ihre eigene Mutter!

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Inhalt

Cover

Impressum

Das Familiengeheimnis

Vorschau

BASTEI ENTERTAINMENT

Vollständige eBook-Ausgabeder beim Bastei Verlag erschienenen Romanheftausgabe

Bastei Entertainment in der Bastei Lübbe AG

© 2019 by Bastei Lübbe AG, Köln

Programmleiterin Romanhefte: Ute Müller

Verantwortlich für den Inhalt

Titelbild: Michael Wolf

eBook-Produktion:3w+p GmbH, Rimpar

ISBN 9-783-7325-8116-0

www.bastei-entertainment.de

www.lesejury.de

www.bastei.de

Das Familiengeheimnis

Warum die Wahrheit nie herauskommen durfte

Von Rosi Wallner

Niedergeschlagen sitzt Marisa in der kleinen Dachkammer, die ihr schon so lange als Heimstatt dient. Das matte Licht einer Lampe erhellt den trostlosen Raum mit den schäbigen Möbelstücken. Lediglich eine hübsche Tagesdecke und ein paar Kuscheltiere, die unten auf dem Bett aufgereiht sind, erinnern an bessere Zeiten.

Ob es ihr jemals gelingen wird, dieser niederdrückenden Umgebung zu entfliehen?

Das Madl weiß, dass es nutzlos ist, sich solchen verzweifelten Gedanken hinzugeben. Dabei ist Marisa selbst nicht einmal schuld an ihrer elendigen Lage – schuld ist ihre eigene Mutter, die keine Moral kannte!

„Willst du noch ein bisserl von dem Geselchten?“, fragte Luzia Holldauer und lächelte ihren Sohn an.

Es war nicht zu übersehen, wie glücklich sie war, ihren geliebten Markus endlich wieder daheim zu wissen, denn er hatte ein Semester im Ausland studiert, und sie hatte ihn während seiner Abwesenheit sehr vermisst. Nun aber saß er wieder bei ihnen am Mittagstisch, worüber er augenscheinlich nicht weniger froh war.

Auch der Blick Vera Holldauers, seiner jüngeren Schwester, flog immer wieder zu ihm hin, und dann kräuselten sich ihre schön geschwungenen Lippen zu einem Lächeln. Die Geschwister hatten sich immer gut verstanden, und dass Markus nun für einige Zeit auf den elterlichen Hof zurückgekehrt war, erfüllte sie mit echter Freude.

„Ich will nichts mehr“, machte sich Annerl, das Nesthäkchen der Familie, bemerkbar.

Das fast zehnjährige Mädchen war ein entzückendes Kind, sodass sie meistens nicht Annerl, sondern Engerl genannt wurde. Vor allem, weil ihr süßes Gesichtchen mit den enzianblauen Augen von einer Wolke weißblonder Löckchen umgeben war, die im Sonnenlicht silbrig schimmerten.

„Warum denn net?“, fragte ihre Mutter.

„Weil ich lieber ganz viel von der Nachspeis essen will“, gab Annerl zur Antwort und lächelte verschmitzt.

„Wie hast du denn das wieder herausbekommen, dass es einen Nachtisch gibt? Das sollte doch eine Überraschung sein“, rief Luzia halb lachend, halb verärgert.

„Ja, unser Engerl steckt halt ihr Näschen in alles hinein, ein richtiger Naseweis ist’s“, meinte Markus, der eine ganz besondere Zuneigung zu Annerl hegte.

Auch Alban Holldauer, der Hofbauer, musste schmunzeln, was seine etwas herben Züge weicher machte. Er war ein hochgewachsener, kraftvoller Mann mit vollem dunkelbraunem Haar, das nur an den Schläfen einen grauen Schimmer aufwies.

Sein Sohn war ihm von der Statur her sehr ähnlich, auch er hatte üppige braune Haare, die ihm fast bis auf die Schultern herabfielen. Aber seine Züge waren regelmäßiger und feiner geschnitten. Markus war ein ausnehmend attraktiver Mann.

Noch mehr unterschied er sich vom Wesen her von seinem Vater. Während Alban etwas in sich Gekehrtes an sich hatte, war Markus temperamentvoll, anderen Menschen zugewandt und von heiterer Natur.

Die Einzige, die an dem großen, runden Tisch in der Stube saß und noch kein einziges Wort von sich gegeben hatte, war die Altbäuerin Regula Holldauer. Von ihr hatte ihr Sohn das verschlossene Wesen geerbt, sie waren beide Menschen, bei denen man nie genau wusste, was in ihnen vorging.

Ihr Alter war schwer zu schätzen, denn sie war tief gebräunt, und um den Mund hatten sich Furchen eingegraben. Die umschatteten Augen waren fast schwarz, und wenn sie unvermittelt jemanden ansah, erschrak man beinahe über die Intensität ihres Blickes. Es war, behaupteten manche, als könne sie ihrem Gegenüber in die Seele schauen.

Manchmal sprach sie tagelang nicht, sondern kauerte in ihrer schwarzen Witwenkleidung auf der Ofenbank. Dann aber brach etwas aus ihr heraus, dessen Wahrheitsgehalt alle erschütterte. Die Dörfler schrieben ihr sogar das „Zweite Gesicht“ zu, doch davon wollte Regula nichts wissen. Sie wurde sogar zornig, wenn jemand sich darüber ausließ.

Die Unterhaltung war inzwischen sehr lebhaft geworden. Markus, der Agrarbiologie studierte, berichtete von seinen Erfahrungen in England. Er hatte dort moderne biologische Anbaumethoden kennengelernt, die er für richtungsweisend hielt. Und im Anschluss schilderte er noch einige Absonderlichkeiten des englischen Universitätslebens, die besonders Vera zum Lachen brachten.

Sein Vater zog kritisch die dunklen Brauen zusammen, denn er hing an den alten Traditionen, mit denen er immer gut gefahren war. Aber er behielt seine Einwände für sich, denn er wollte die Stimmung nicht verderben. Regula schien den Worten des Enkels nachzulauschen, schwieg aber ebenfalls.

„Aber über die Semesterferien bleibst du doch hier bei uns“, wollte seine Mutter wissen. Der Gedanke, dass er vielleicht nach wenigen Tagen wieder nach München zurückkehren würde, bedrückte sie.

„Keine Angst, Mutterl, du darfst mich jetzt eine ganze Weile füttern und verwöhnen“, spöttelte Markus. „Außerdem will ich doch bei der Ernte mithelfen, wie jedes Jahr. Ich hab ja die Heumahd schon versäumt.“

Sein Vater machte eine wegwerfende Handbewegung.

„Hat halt ein bisserl länger gedauert. Und bei den Hängen hat mir der Mosacher geholfen. Der ist älter als ich, hat aber noch viel Schwung mit der Sense.“

„Gut, dass wir so einen Nachbarn haben, das ist leider keine Selbstverständlichkeit“, meinte Markus.

„Und mit der Mosacher-Regina bin ich auch noch befreundet, obwohl wir in letzter Zeit nimmer so viel Zeit miteinander verbracht haben wie früher. Sie muss halt jeden Tag in die Kreisstadt fahren, um ihren Abschluss zu machen. Aber sie hat sich äußerlich sehr verändert, muss ich sagen“, fügte Vera hinzu.

„Tatsächlich“, erwiderte Markus gleichmütig.

Vera lächelte nur. Du wirst schön staunen, wenn du sie wiedersiehst, dachte sie bei sich.

Der Hofbauer stand auf, was bedeutete, dass die Mahlzeit zu Ende war, ein Augenblick, den Annerl immer sehnlichst herbeiwünschte. Kaum hatten sich die anderen ebenfalls erhoben, so war sie schon zur Tür hinausgehuscht, und sie hörten, wie sie draußen zu dem Hofhund Berni sprach, der ihr besonderer Liebling war.

Gemeinsam wurde der Tisch abgeräumt, dann eilte Markus polternd die Stiege zu seiner Kammer hoch, denn er hatte sein Gepäck noch nicht vollständig ausgepackt. Nachdem er alles eingeräumt hatte, ging er an das offene Fenster, von wo er eine weite Aussicht über die herrliche Berglandschaft hatte.

Trotz aller Ablenkungen hatte er die Heimat sehr vermisst, und nun wurde ihm endlich wieder leicht ums Herz. Sein Blick schweifte über die sattgrünen Almwiesen, zwischen denen der kleine Ort Niederkirchfelden eingebettet war, dann zu dem dunklen Bergwald, hinter dem die schrundigen grauen Felswände des Gebirgsmassivs im Hintergrund aufwuchsen. Die Gletscher funkelten und gleißten in der Mittagssonne, ein wolkenloser tiefblauer Himmel überspannte das Tal.

Das Studentenleben in München genoss er. Der Englische Garten, die Cafés in Schwabing, die Floßfahrten auf der Isar – an all das würde er sich später gerne zurückerinnern. Nicht zuletzt an die feschen Münchnerinnen …

Aber hier war er zu Hause, hier gehörte er hin, und bald würde er wieder ganz zurückkehren und mit dem Vater zusammen den Hof bewirtschaften. Das würde nicht immer leicht werden, aber dennoch war er voller Zuversicht. Auch wenn er es nicht zeigte, so hielt Alban Holldauer doch große Stücke auf seinen Sohn.

Markus liebte zudem seine Familie. Zu seinen Eltern hatte er immer ein gutes Verhältnis gehabt, er wurde sogar oft damit aufgezogen, dass er ein Muttersöhnchen sei. Aber das war ihm gleich. Seine Mutter mochte ihn verwöhnen, aber sie hatte ihn mit ihrer Zuneigung nie eingeengt. Sein Vater hatte ihm immer Rückhalt geboten, selbst in schwierigen Zeiten.

Seine Eltern waren sich immer noch in Liebe verbunden und gingen rücksichtsvoll und herzlich miteinander um. Luzia war in ihrer Reife eine schöne Frau, die sehr anziehend wirkte. Für ihn waren sie ein Vorbild, so wollte er auch leben. Mit einem Menschen, dem er zugetan war und auf den er sich verlassen konnte. Und er sehnte sich auch nach Kindern, die die Familienlinie fortführen würden.

Natürlich war er auch gern mit seinen beiden Schwestern zusammen, denen er immer ein guter Bruder gewesen war. Mit Vera führte er lange Unterhaltungen, mit ihr konnte er über alles sprechen. Das Engerl war eben das Engerl, man musste sie einfach lieb haben.

Eigentlich hatte er heute Mittag seinem Vater helfen wollten, doch der hatte abgewinkt.

„Ruh dich erst mal richtig aus, dir steckt ja immer noch die lange Rückreise in den Knochen“, hatte Alban gesagt.

Das stimmte. Markus fühlte sich trotz des Gefühlsüberschwangs über seine Heimkehr doch sehr erschöpft. Er legte sich angezogen auf sein Bett und schloss die Augen, und unversehens glitt er in einen leichten Schlaf.

Als er wieder erwachte, erkannte er sofort, dass es schon gegen Abend ging. So lange hatte er nicht schlafen wollen. Von unten hörte er Stimmen, anscheinend hatte sich die Familie zum Abendbrot zusammengefunden. Er ging in das kleine Bad nebenan und erfrischte sich, dann polterte er die Treppe hinunter.

„Da bist du ja, Markus. Ich hab schon gedacht, ich müsst hochgehen und dich wecken“, sagte seine Mutter.

„Ich bin rechtzeitig aufgewacht, anscheinend habe ich einen Instinkt dafür entwickelt, wann es etwas Gutes zu essen gibt“, meinte er.

„Schlafmütze“, rief Annerl und lächelte ihn schelmisch an.

Nachdem sich alle Luzias Abendessen hatten munden lassen, kam es wieder zu einem lebhaften Tischgespräch.

„Was hast du denn heut vor? Triffst du dich mit deinem Schatz?“, fragte Markus seine Schwester.

Vera errötete tief, und er dachte unwillkürlich, wie schön sie war. Ganz die Mutter mit ihren kupferfarbenen Haaren und den großen samtdunklen Augen. Und ihre Figur hatte wohlgerundete weibliche Formen angenommen.

„Du weißt doch, dass ich keinen Schatz hab“, stieß sie hervor.

„Vielleicht einen heimlichen? Ich kann mir net vorstellen, dass so ein sauberes Madl wie du keinen Verehrer hat“, erwiderte er.

„Es kann ja auch sein, dass ich keinen mag. Mir gefällt es so, wie es jetzt ist“, gab sie trotzig zurück.

„Jesses, du willst doch net gar eine alte Jungfer werden?“, zog Markus seine Schwester auf und lachte, was diese sichtlich aufbrachte.

„Vera hat noch genug Zeit“, mischte sich Luzia ein und warf ihrem Sohn einen Blick zu, der ihn zum Verstummen brachte.

„Es wird schon einer kommen, der sie unglücklich macht“, kam es unvermittelt aus dem faltigen Mund der Altbäuerin, und alle sahen sie an.

Luzia fasste sich als Erste.

„Aber Mutter, du warst glücklich verheiratet, und dein Sohn hat mich sehr glücklich gemacht. Warum soll die Vreni net auch einen Mann finden, mit dem sie gut leben kann?“

Regula versank wieder in ihre eigene Welt und gab keine Antwort.

„Sicher wird für die Vera bald ein Hochzeiter vor der Tür stehen, ich hab sie ja nur ein bisserl necken wollen. Triffst du dich wieder mit der Mosacher-Regina?“, versuchte Markus hastig die Wogen zu glätten.

Vera zeigte sich rasch versöhnt, und das war etwas, was Markus an seiner Schwester besonders schätzte – sie war nicht nachtragend.

„Ja, aber erst morgen. Wir schauen uns in der Kreisstadt eine Ausstellung an, danach gönnen wir uns noch einen Abstecher ins Parkcafé, bevor wir wieder heimfahren“, gab Vera bereitwillig Auskunft.

„Das hört sich doch gut an. Ich will in den ‚Adler’, meine Spezln hab ich schon ewig nimmer gesehen“, erklärte Markus.

Er hatte die alten Verbindungen und Freundschaften niemals abreißen lassen, denn auf sie würde er angewiesen sein, wenn er endgültig in sein Heimattal zurückkehrte und später einmal den Hof übernahm. Hier war Zusammenhalt notwendig, um auch einmal schlechte Zeiten überstehen zu können.

„Aber trink net so viel“, ermahnte ihn sein Vater.

Markus warf ihm einen überraschten Blick zu, denn die Zeiten, dass sein Vater ihm Ratschläge erteilte, waren eigentlich vorüber. Doch er nahm in Albans Augen einen seltsamen Ausdruck wahr, den er nicht deuten konnte.

„Wenn ich mich halt doch vergess, dann fährt mich der Benno nach Haus. Der trinkt ja nie einen Tropfen, noch net mal Most“, erwiderte Markus.

Benno Hauser litt an einer Alkoholunverträglichkeit, weswegen er schon viel Spott geerntet hatte. Das hatte sich allerdings gegeben, da der gutmütige junge Hofbauer zuverlässig diejenigen nach Hause karrte, die zu tief ins Glas geschaut hatten.

„Der Benno wird ganz schön ausgenutzt“, meinte Luzia.

„Er tut es halt gern. Außerdem kommt es nimmer so oft vor, seitdem die meisten meiner Spezls verheiratet sind und net mit einem Vollrausch vor der Tür stehen dürfen“, sagte Markus nicht ohne eine gewisse Schadenfreude.

„Ja, das Joch der Ehe wird dir auch net erspart bleiben“, hieb nun Vera ihrerseits in die Kerbe und stieß ihren Bruder liebevoll in die Seite.

„Besser als ein alter Krauterer zu werden, der mehr oder weniger im Wirtshaus lebt“, setzte er ihr entgegen, was allgemeines Gelächter zur Folge hatte.

Gut gelaunt eilte Markus die Treppe zu seiner Kammer hoch, um sich für den Wirtshausbesuch umzuziehen. Als er seine geliebte Hirschlederne mit der Charivari-Kette an der Seite anhatte, betrachtete er sich zufrieden im Schrankspiegel. Alles Städtische war nun wieder von ihm abgefallen, er war wieder einer der Burschen aus Niederkirchfelden, der sich auf einen Wirtshausbesuch freute.

***

„Jesses, der Markus! Bist auch wieder im Land? Wir haben schon geglaubt, du wärst verschollen“, schallte es Markus vom Stammtisch in der Ecke entgegen, als er das Wirtshaus „Zum Adler“ betrat.

Die Entstehungsgeschichte des Gasthauses reichte bis in siebzehnte Jahrhundert zurück, und wenn auch die wechselnden Eigentümer den Innenraum neu ausgestattet oder das Gebäude auf der Rückseite erweitert hatten, so war sein ursprünglicher Charakter doch erhalten geblieben. Seit genau neunzehnhundertzwei befand sich der „Adler“ im Besitz der Familie Haslinger, die das Gasthaus außen und innen saniert hatte.

Das Wirtshaus, dessen Eingang mit einem imposanten kunstgeschmiedeten Schild geschmückt war, das einen Adler zeigte, befand sich auf der Dorfstraße in unmittelbarer Nachbarschaft des Marktplatzes. Zusammen mit dem Rathaus, der Dorfkirche mit dem Zwiebelturm, das Werk italienischer Baumeister, und einer Ansammlung von Geschäften, bildete es der Mittelpunkt des Marktfleckens Niederkirchfelden.

Ein idyllischer Ort, besonders wenn der Brunnen mit dem Heiligen in der Mitte am Markttag mit den Ständen der ansässigen Bauern umgeben war, die hier jede Woche ihre heimischen Waren anboten.

„Ich geh schon net verschütt, dafür kehr ich viel zu gern hier ein“, erwiderte Markus lachend und steuerte den Tisch an, wo ihm sofort ein Stuhl zurechtgerückt wurde.

Dann begrüßte er jeden seiner Spezln einzeln mit großer Herzlichkeit, und diese Eigenschaft war es wohl, die Markus so beliebt machte. Er verstand es, auf jeden zuzugehen, und kehrte niemals den reichen Hofsohn heraus.

Am meisten über seine Rückkehr freute sich Benno Hauser, sein engster Freund von frühester Jugend an. Zwei unterschiedlichere junge Männer hätte man sich nicht vorstellen können, schon allein vom Äußeren her.

Im Gegensatz zu Markus war Benno von wuchtiger Gestalt und besaß eine dröhnende Stimme, mit der er alles kundtat, was ihm missfiel, und das manchmal in sehr derben Ausdrücken. Lediglich Markus konnte ihm Einhalt gebieten, wenn er sich erst einmal in Rage geredet hatte.

Zum Zeichen seiner Freude hieb er Markus nun mit seiner gewaltigen Pranke auf den Rücken, dass dieser vor Schmerz zusammenzuckte.

„Sakra! Ohne dich war es echt langweilig!“

Markus bestellte nun eine Runde Weißes, was auf großen Beifall stieß, und der Adlerwirt brachte die Gläser höchstpersönlich an den Tisch, um Markus zu begrüßen. So war es eben, wenn man wieder daheim war.

Nur Benno trank wie üblich Mineralwasser, was angesichts seiner rustikalen Erscheinung etwas seltsam wirkte. Umso besser ließen sich die übrigen ihre Maß schmecken, und da Markus wieder allerhand Geschichten auf Lager hatte, hob sich die Stimmung noch mehr.

Plötzlich bemerkte Markus, dass die Blicke Bennos unruhig durch den Raum schweiften, und auch die anderen schienen ungeduldig auf etwas zu warten.

„Was habt ihr denn?“, fragte Markus schließlich.

„Hier gibt’s seit Neuestem eine Attraktion, die sogar dich überraschen wird“, sagte Benno geheimnisvoll. „Heut ist sie aber spät dran.“

Im selben Augenblick aber tat sich etwas hinter der Theke. Eine schlanke junge Frau nahm dort ihren Platz ein, doch ehe Markus sie genauer in Augenschein nehmen konnte, kehrte das Mädchen ihnen den Rücken zu, und es kam zu einem kurzen, aber heftigen Wortwechsel mit dem Adlerwirt.

„Endlich“, murmelte Benno, und in seine Augen trat ein fast schwärmerischer Ausdruck, was Markus sehr überraschte. „Das ist die schöne Marisa“, fügte Benno erklärend hinzu.