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Rena Bergstein

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Beschreibung

Rückkehr in die verlorene Heimat

Roman um Schuld und die Hoffnung auf Vergebung

Von Rena Bergstein

"Helfen könnt’ dem Hof nur eine junge Bäuerin mit stattlicher Mitgift. Mit einer, die hinten und vorn nix hat, brauchst du also gar net daherzukommen. Wie es mit uns steht, weißt du ja, da hab ich dir nie etwas vorgemacht.«
Regungslos hat Jörg Hartlinger seinem Vater zugehört, doch jetzt kann er nicht länger an sich halten. Er will nicht länger vor diesem Mann kuschen, den er nie geliebt hat. Ein Trinker ist er und Versager.
Es kommt zum Drama ...

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Inhalt

Cover

Impressum

Rückkehr in die verlorene Heimat

Vorschau

BASTEI ENTERTAINMENT

Vollständige eBook-Ausgabeder beim Bastei Verlag erschienenen Romanheftausgabe

Bastei Entertainment in der Bastei Lübbe AG

© 2019 by Bastei Lübbe AG, Köln

Programmleiterin Romanhefte: Ute Müller

Verantwortlich für den Inhalt

Titelbild: Bastei Verlag / Michael Wolf

eBook-Produktion:3w+p GmbH, Rimpar (www.3wplusp.de)

ISBN 9-783-7325-8823-7

www.bastei-entertainment.de

www.lesejury.de

www.bastei.de

Rückkehr in die verlorene Heimat

Roman um Schuld und die Hoffnung auf Vergebung

Von Rena Bergstein

Niemand weiß, wer der sonderbare Kauz ist, der vor einigen Monaten ins Dorf kam und sich nun mit dem kargen Lohn eines Schäfers durchs Leben schlägt. Er aber kennt sie alle, denn vor dreißig Jahren war er einer von ihnen, bis der eigene Bruder ihn vom Hof vertrieb. Nun hat das Heimweh den alten Mann nach all den Jahren in der Fremde zurück nach Kirchbichl geführt. Hier möchte er seinen Lebensabend verbringen und zur letzten Ruhe gebettet werden.

Niemand soll erfahren, wer er in Wahrheit ist. Doch sein alter Widersacher Xaver Mittlinger erkennt ihn wieder. Und er hasst Hubert Hartlinger noch genauso wie vor dreißig Jahren, und eines Tages bricht sich sein aufgestauter Hass Bahn …

„Helfen könnte dem Hof nur eine junge Bäuerin mit stattlicher Mitgift. Mit einer, die hinten und vorn nix hat, brauchst du mir gar net daherzukommen. Wie es mit uns steht, weißt du ja, da hab ich dir nie etwas vorgemacht.“

Jörg Hartlinger, ein hochgewachsener, braun gebrannter Bursch mit hellen Augen unter einem dichten blonden Haarschopf, rieb sich Gesicht und Arme trocken. Dabei trafen den Vater bitterböse Blicke.

„Mir brauchst du nix vorzujammern, Vater! Dass ich net schuld bin, dass es mit unserem Hof immer weiter bergab geht, das weiß jeder im Dorf. Es vergeht kein Tag, an dem du net betrunken aus dem Wirtshaus kommst. Erst gestern hat mich der Wirt wieder angemahnt. Über siebzig Euro hast du net zahlen können. Die ganze Gaststube voller Männer hast du eingeladen und nur ein paar Cent dabeigehabt.“

Dicht war der Hartlingerbauer an seinen Sohn herangetreten. Sein Gesicht war rot angelaufen vor Zorn, die blauen Augen blitzten.

„Hast du vergessen, dass der Hof noch immer mir gehört und ich auch noch lang net ans Übergeben denk? Und wenn du weiter den Mund so aufreißt und mich beschuldigst, dann kannst du deine Sachen packen. Ich komme auch allein zurecht.“

Jörg hatte seine Lippen zu einem mitleidigen Lächeln verzogen.

„Einmal ist schon einer gegangen vom Hartlingerhof. Einer, der ihn net so bergab gewirtschaftet hätte wie du. Und er ist net freiwillig gegangen, wie ich gehört hab. Also überleg es dir, ob du mich fortschickst. Ob du auf mich verzichten kannst, wenn du oben liegst in deiner Kammer und deinen Rausch ausschläfst.“

Für Sekunden sah es aus, als wolle der Vater ihm ins Gesicht schlagen, die Hand hatte er schon erhoben. Aber dann besann er sich und wandte sich ab.

„Davon verstehst du nix, Jörg! Niemand hat meinen Bruder gezwungen zu gehen. Und dass er sich nie mehr um seinen Hof und uns gekümmert hat, das zeigt doch, wie wenig er sich aus seiner Heimat gemacht hat. Irgendwo in der Welt wird er sein und ein besseres Leben führen als ich. Er kann froh sein, dass ich alles übernommen habe.“

„An dich gerissen hast du, was dir net gehört hat“, sagte Jörg, „denn Hubert war der Ältere von euch beiden. Die Mutter hat es mir erzählt. Du hast ihn um sein Erbe gebracht, darum ist er gegangen.“

„Ein Wort noch und ich vergreife mich an dir.“ Voller Wut war der Bauer herumgefahren, und Jörg blickte in ein vom Zorn entstelltes Gesicht. Aber er blieb ruhig. Er hatte keine Angst vor diesem Mann, den er nie geliebt hatte. Ein Trinker war er und Versager.

Wortlos wandte sich Jörg ab. Die alte Martha würde in der Küche schon mit dem Essen warten. Der Vater schlüpfte in sein kariertes Hemd und schickte ihm einen lauten Fluch nach. Als er sich allein sah, holte er aus der Hosentasche ein flaches Fläschchen mit Schnaps. Er setzte es an die Lippen und trank es in einem Zug leer. Das scharfe Zeug brannte in der Kehle, aber hinterher ging es ihm immer wieder besser. Und Hunger verspürte er bei dieser Hitze eh keinen.

Die beiden in der Küche sahen ihn über das Feld davongehen. Kopfschüttelnd stellte die Magd den Teller beiseite, den sie für den Bauern hingestellt hatte.

„Jetzt trägt er wieder seinen letzten Cent zum Wirt. Dabei hat er mir schon für zwei Monate keinen Lohn mehr zahlen können. Ein Kreuz ist es, Bub. Es wird ein böses Ende nehmen mit ihm.“

Erschrocken schaute Jörg in das runzelige Gesicht mit den wasserhellen Augen. Seit dem Tod der Mutter vor zehn Jahren war die alte Magd für ihn an ihre Stelle getreten. Zu ihr hatte er mit all seinen großen und kleinen Sorgen kommen können. Sie hatte ihn vor seinem jähzornigen Vater beschützt und ihn über den ersten großen Liebeskummer hinweggetröstet.

„Keinen Lohn, sagst du? Aber Martha, warum bist denn net zu mir gekommen? Du weißt doch, dass ich immer ein bisserl Geld hab.“

Die alte Frau lachte und fuhr ihm zärtlich über den Haarschopf.

„Was brauche ich alte Frau schon viel Geld, Jörg? Ein Dach über dem Kopf und zum Essen hab ich hier bei euch. Behalt du nur dein bisserl Geld, du bist jung und sollst was vom Leben haben. Hast eh noch net viel schöne Zeiten kennengelernt.“

„Lass das Geschirr stehen und bleib bei mir sitzen, Martha“, sagte der junge Bursch. „Erzählst mir, wie es damals war, als du als junge Magd auf diesen Hof gekommen bist. Vom Streit zwischen dem Vater und seinem Bruder. Von der Mutter hab ich nie viel erfahren, das Reden ist ihr schwergefallen, weil es ihr der Vater verboten hat. Aber du hast doch alles miterlebt, Martha. Und ich weiß, dass du es net vergessen hast.“

Das Gesicht der alten Frau wurde abweisend. Man hatte ihr damals befohlen, zu niemandem über die Geschehnisse auf dem alten Hof zu reden.

„Wenn dir die Mutter selig nix gesagt hat, Jörg, kann ich es auch net. Außerdem bin ich eine alte Frau und kann mich nimmer recht erinnern an das, was damals passiert ist.“ Sie stand auf und wollte das Geschirr abräumen. Doch Jörg hielt sie in der Arbeit auf.

„Jetzt sagst du mir net die Wahrheit, Martha, ich sehe es dir an. Schau, ich hab doch niemanden mehr als dich. Auf den Vater ist kein Verlass mehr, seine Trunksucht wird jeden Tag schlimmer. Bald wird der Hof in meiner Hand liegen, und ich weiß net, was ich tun soll, um ihn über Wasser zu halten. Ich bitte dich inständig, erzähl mir etwas von dem, was du weißt. Niemand soll es erfahren, Martha, das verspreche ich dir.“

Zögernd setzte sich die alte Frau wieder auf ihren Stuhl. Voller Mitleid schaute sie auf den jungen Mann. Sie liebte diesen Burschen wie ihren eigenen Sohn. Das Schicksal, das er zu tragen hatte, war net leicht.

Wahrscheinlich blieb Jörg nichts anderes mehr übrig, als den Hof seiner Ahnen zu verkaufen. Den schönen, einstmals so stolzen Hof. Wie glücklich war sie gewesen, als sie damals als junge Magd angestellt worden war noch beim alten Bauern, dem Vater des jetzigen.

„Also gut, wenn du mir versprichst, dass auch du schweigen wirst, Bub. Dann will ich dir erzählen, was ich noch weiß von damals.“

Jörg drückte ihre Hand.

„Dein Geheimnis wird bei mir gut aufgehoben sein, Martha, ich verspreche es dir.“

Ganz leise und immer wieder stockend begann die alte Frau zu reden.

Sie war damals auf den Hof gekommen als junges Madl, kurz nach der Hochzeit des jüngeren Sohnes Viktor mit der Anna vom Großholzbauern. Nicht Viktor, sondern sein älterer Bruder Hubert war Erbe des Hartlingerhofes, so war es Tradition, und so wollte es der alte Hartlingerbauer, der seinen Älteren dem leichtsinnigen Viktor stets vorgezogen hatte.

Viktor wollte dem Bruder aber das Erbe streitig machen. Er wollte Bauer sein, und Hubert sollte sich auszahlen lassen und fortgehen. Gut verstanden hatten sich die beiden Brüder nie, einmal hatte Viktor im angetrunkenen Zustand seinen Bruder halb totgeschlagen.

Doch es schien, als hätte es das Schicksal so gewollt, dass Viktor den Hof bekam. Mit seinem Motorrad war Hubert schwer verunglückt und hatte fast ein Jahr lang im Krankenhaus gelegen. Im selben Jahr war der alte Hartlingerbauer gestorben, und Viktor war an seinen Platz getreten, wie er es immer gewollt hatte.

Als Hubert nach einem Jahr heimgekommen war, krank und schwach, da hatte nicht viel dazugehört, ihn zu vertreiben. Zwar hatte im Testament des verstorbenen Bauern gestanden, dass einzig und allein er der Erbe des Hofes sein sollte, aber Viktor hatte keine Intrige gescheut, um dem Bruder sein Erbe zu nehmen. Und der hatte nicht die Kraft gehabt, um zu kämpfen.

Bei Nacht und Nebel war Hubert verschwunden, und seit nunmehr dreißig Jahren hatte niemand mehr etwas von ihm gehört.

„Er soll ein Mädchen gehabt haben hier im Dorf. Wer es war, hat man nie erfahren. Einen halb fertigen Abschiedsbrief hat man gefunden, aber daraus net lesen können, an wen er gerichtet war. Glaub mir, Jörg, ich hab nie im Leben einen verzweifelteren Menschen gesehen als Hubert. Wäre dein Großvater am Leben geblieben, der hätte deinen Vater davongejagt. So hat Hubert gehen müssen, weil ihm der eigene Bruder das Leben zur Hölle gemacht hat.“

Jörg war erschüttert. Und er empfand wieder einmal Hass auf den Mann, der Unglück über die ganze Familie gebracht hatte.

„Und meine Mutter, Martha? Warum hat sie nix dagegen getan? Sie muss doch gesehen haben, dass mein Vater seinem Bruder unrecht getan hat.“

Die alte Magd seufzte.

„Deine Mutter war deinem Vater ausgeliefert, Jörg. Eigenen Willen hat er um sich herum nicht gelten lassen. Auch bei ihr net. Vielleicht hat sie ihn anfangs wirklich geliebt. Aber die Ehe war net glücklich, nur du hast sie davon abgehalten davonzugehen. Sie hat sich mit ihrem Schwager gut verstanden, sie waren sich sehr ähnlich. Still und fleißig und hilfsbereit. Sie hat versucht, ihm zu helfen, hat ihn nach dem Krankenhausaufenthalt zu Hause weitergepflegt, bis dein Vater es gemerkt und sie geschlagen hat. Furchtbar war es.“

Martha suchte nach einem Taschentuch in ihrer Schürze, um die aufsteigenden Tränen aus den Augen zu wischen.

„Der Hof hat dem Vater kein Glück gebracht, Martha“, sagte der junge Bursch, „er wird es längst eingesehen haben. Aber nun ist es zu spät. Wenn ich einen Anhaltspunkt hätte, wo mein Onkel zu finden ist, ich würde ihn zurückholen und dafür sorgen, dass er sein Erbe bekommt. Der Hartlingerhof gehört ihm, auch heute noch nach dreißig Jahren.“

Die alte Frau zuckte mit den Schultern.

„Vielleicht ist Hubert gar nimmer am Leben. Nix gehört hat man mehr von ihm, und die Dörfler haben ihn vergessen. Nur das Mädchen, das er damals geliebt hat, die müsste sich noch erinnern. Aber niemand weiß halt, wer es gewesen ist, der sein Herz gehört hat. Er hat sich niemandem anvertraut und von seiner Liebe gesprochen.“

Jörg stand auf und legte seinen Arm um die Schultern der Alten.

„Ich danke dir, dass du mir so viel erzählt hast, Martha. Ich weiß, dass du an dem alten Hof hängst, als gehörtest du zur Familie. Und ich verspreche dir, dass ich alles tun werde, um ihn zu erhalten, und wenn ich Tag und Nacht dafür arbeiten muss. Vielleicht kommt Hubert Hartlinger eines Tages zurück, und dann soll er nicht vor dem Nichts stehen. Das bin ich ihm, dem man so viel Unrecht getan hat, schuldig.“

„Du bist ein guter Bub, Jörg“, murmelte die Alte, „und ich bete jeden Abend zum Herrgott, dass er dich glücklich werden lässt. Einmal müssen doch die Wolken über dem Hartlingerhof davonziehen.“

***

Graue Wolken ließen den Schäfer, der draußen vor dem Dorf seine Herde weiden ließ, besorgt zum Himmel schauen. Ein Gewitter würde es geben, und es war besser, die Tiere in den Stall zu bringen.

Der Schafstall war weit außerhalb des Dorfes an der Straße von Kirchbichl nach Wörgl. Der Mann war im Frühjahr in das Dorf gekommen und hatte um Arbeit gefragt. Die Bauern in Kirchbichl hatten bei seinem Anblick den Kopf geschüttelt. Als Knecht wollte keiner den weißhaarigen Mann, der mager und krank aussah und einen Bart trug, anstellen.

„Hubert Reschler“, hatte er sich vorgestellt. Papiere hatte er keine bei sich gehabt.

Man hatte ihn aus Mitleid ein oder zwei Nächte im Gemeindehaus übernachten lassen, und zum Essen war er ins Pfarrhaus gegangen. Sein Geldbeutel war leer und durchlöchert gewesen, ein armer Teufel ganz zweifellos.

Er war ein Landsmann, man hörte es an seiner Aussprache, aber auf die Frage nach seiner Heimat hatte er immer nur den Kopf geschüttelt. Ein merkwürdiger Kauz, so hatten alle gedacht, aber schließlich hatte einer gewusst, wo er Arbeit finden könnte.

Der alte Schäfer wollte aufhören, weil ihn das Rheuma zu sehr geplagt hatte. Hubert Reschler hatte sich bereit erklärt, die Schafherde für einen geringen Lohn zu übernehmen, und war auch mit der armseligen Behausung draußen vor dem Dorf einverstanden gewesen.

Die Dörfler kümmerten sich nicht weiter um ihn, und niemand sah ihn, wenn er nachts, meistens spät nach Mitternacht, seine Behausung verließ und den Schäferhund als Wache bei den Schafen zurückließ. Dann ging er mit schnellen Schritten durch das Dorf und blieb unweit des Hartlingerhofes stehen.

Stundenlang stand er da und starrte mit wehmütigen Blicken hinüber zu dem alten Hof. Dreißig Jahre waren eine lange Zeit, dreißig Jahre, in denen er mit Heimweh und Hass hatte kämpfen müssen. Jetzt war nichts mehr in ihm übrig geblieben von dem Hass, aber das Heimweh hatte er nicht besiegen können. Deshalb war er heimgekommen in das Dorf, in dem er geboren worden war. Zu den Menschen, von denen ihn nicht einer mehr erkannt hatte.

Der Wind wurde stärker, als die ersten Tropfen fielen. Hubert Reschler kniff die Augen zusammen, denn vom Wald her sah er eine Frau über die Wiese kommen. Sie trug Kannen in ihren Händen, und ihre Last musste sehr schwer sein, denn sie kam nur langsam vorwärts.

Von Ferne kam der erste Donner, die Frau blieb einen Augenblick stehen und schaute zum Himmel hinauf. Ein Blitz zuckte durch die Luft.

Die Schafe waren bei ihrem Stall angelangt, der Hund hatte sich vor die Schäferhütte gesetzt und wartete auf seinen Herrn. Der stand noch immer auf dem Feld und sah jetzt, dass die Frau, die näher kam, ein junges Mädchen war.

Langes braunes Haar fiel ihr über die Schultern. Sie trug ein kurzärmeliges buntes Kleid, das die braun gebrannten Arme freigab. Das Mädchen hatte ein schmales Gesicht, und dunkelbraune Augen blickten ihn unsicher an.

Der Schäfer ging ihr entgegen und nahm ihr die Kannen ab.

„Komm mit in meine Hütte, den Weg bis zum Dorf schaffst du nimmer. In ein paar Minuten ist der Teufel los.“

Als er ihr Zögern sah, lachte er spöttisch.

„Brauchst keine Angst zu haben, ich tu dir nix.“

Das Mädchen nickte schließlich. Als sie an der Hütte waren und der Regen prasselnd auf das niedere Schindeldach fiel, war sie froh, auf ihn gehört zu haben.

Die Hütte bestand aus einem winzigen Raum, der Küche und Schlafraum in einem war. Obwohl die Einrichtung armselig war, glänzte alles vor Sauberkeit. Der Holzfußboden war frisch gebohnert, die Kacheln über dem Ofen blitzblank. Der Schäfer warf seinen langen dunklen Umhang beiseite und deutete auf die schmale Bank an der einen Wandseite.

„Setz dich, ich koche uns einen Tee. Aber erst muss Harro sein Wasser haben.“ Der Hund kam mit hängender Zunge und schlürfte gierig aus dem Napf, den der Mann ihm hinstellte.

„Wer bist du? Ich kenne dich net“, sagte er, während er den Teekessel aufsetzte.

Das Mädchen lachte, die Unsicherheit war verflogen. Der Mann, der so furchterregend aussah, war gutmütig und freundlich.

„Ich bin die Christl vom Mittlingerbauern“, erwiderte sie fröhlich.

„Xaver Mittlinger ist dein Vater?“, fragte er verwundert.

„Ja, kennst du ihn denn?“, wollte das Mädchen wissen.

„Nein“, gab der Mann mit rauer Stimme zurück, „ich kenn net allzu viele Bauern hier im Dorf. Ich bin ja erst seit dem Frühjahr hier. Aber du kannst mir ruhig ein bisserl mehr von dir erzählen, Christl! Ich freue mich, wenn ich höre, was im Dorf so vor sich geht. Zu mir traut sich keiner, für die Dörfler bin ich ein Sonderling, ein komischer Kauz.“

„Das bist du net“, widersprach sie. „Du müsstest ganz einfach mehr unter die Leute gehen. Sie kennen dich net, und kaum einer weiß deinen Namen.“

„Hubert Reschler heiß ich. Du kannst Hubert zu mir sagen.“ Er schenkte ihre Tasse voll und hielt ihr die Zuckerdose hin.

„Woher kommst du?“, wollte das Mädchen wissen.

„Das ist net wichtig, Madl. Ich bin um die ganze Welt gezogen. Jetzt bin ich müde, und Mitte fünfzig muss der Mensch sesshaft werden. Hier in diesem Dorf bin ich am Ziel, hier möchte ich begraben werden.“

Christl fuhr erschrocken zusammen, als ein Donner die ganze Hütte erzittern ließ. Sekundenlang legte der Mann seinen Arm um ihre Schultern.

„Es ist bald vorüber, Christl, brauchst keine Angst zu haben. Was ist mit deiner Mutter? Erzähl mir von ihr!“, bat er.