Alpengold 314 - Monika Leitner - E-Book

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Monika Leitner

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Beschreibung

Gefangen auf dem eigenen Hof

Spannender Heimatroman um einen Bergbesessenen


Schon von Kindheit an ist Girgl Voigt eng mit den Bergen seiner Heimat verbunden. Nur wenn er seiner Leidenschaft frönen und kraxeln gehen kann, fühlt er sich glücklich und frei. Stets übernimmt dann sein Bruder Ludwig, ohne zu murren, die viele Arbeit auf dem Hof.
Doch als Girgl sogar in den Bergen unterwegs ist, als ihre geliebte Mutter die Augen für immer schließt, da platzt Ludwig der Kragen. Er schnürt sein Bündel und verlässt im Streit den Hof. Ohne die Hilfe seines Bruders ist Girgl nun gezwungen, von früh bis spät zu schuften. Er fühlt sich wie ein Gefangener auf dem eigenen Hof. Und der Lockruf der Berge wird immer lauter ...

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Inhalt

Cover

Impressum

Gefangen auf dem eigenen Hof

Vorschau

BASTEI ENTERTAINMENT

Vollständige eBook-Ausgabeder beim Bastei Verlag erschienenen Romanheftausgabe

Bastei Entertainment in der Bastei Lübbe AG

© 2020 by Bastei Lübbe AG, Köln

Programmleiterin Romanhefte: Ute Müller

Verantwortlich für den Inhalt

Titelbild: Bastei Verlag / Wolf

eBook-Produktion:3w+p GmbH, Rimpar (www.3wplusp.de)

ISBN 9-783-7325-9155-8

www.bastei-entertainment.de

www.lesejury.de

www.bastei.de

Gefangen auf dem eigenen Hof

Spannender Heimatroman um einen Bergbesessenen

Von Monika Leitner

Schon von Kindheit an ist Girgl Voigt eng mit den Bergen seiner Heimat verbunden. Nur wenn er seiner Leidenschaft frönen und kraxeln gehen kann, fühlt er sich glücklich und frei. Stets übernimmt dann sein Bruder Ludwig, ohne zu murren, die viele Arbeit auf dem Hof.

Doch als Girgl sogar in den Bergen unterwegs ist, als ihre geliebte Mutter die Augen für immer schließt, da platzt Ludwig der Kragen. Er schnürt sein Bündel und verlässt im Streit den Hof. Ohne die Hilfe seines Bruders ist Girgl nun gezwungen, von früh bis spät zu schuften. Er fühlt sich wie ein Gefangener auf dem eigenen Hof. Und der Lockruf der Berge wird immer lauter und lauter …

Etwa dreihundert Meter vom Gipfel des Weitschartenkopfes entfernt musste Girgl Voigt auf einem schmalen Felssockel anhalten und verschnaufen.

Er war über den Schrecksattel zur Nordwand des Berges hochgestiegen und hatte dabei den anstrengendsten Aufstieg zu seinem Ziel gewählt. Jetzt jedoch musste er feststellen, dass er viel langsamer vorankam, als er gehofft hatte.

Jeder Handgriff musste erst sorgfältig ertastet werden, weil das Kalkgestein verwittert war und ständig abbröckelte. Freilich, es gab einen bequemeren Weg auf die Reiteralm hinauf, aber der lockte Girgl nicht. Er wollte seine Kraft und Ausdauer gegen den Berg messen und die Gefahr spüren, die ihn an der steilen Wand umgab.

Nun wandte Girgl sein verschwitztes Gesicht, um nach Westen zu blicken, wo sich dunkle Gewitterwolken hinter dem Großen Häuselhorn zusammenballten und schwefelgelb leuchteten. Es würde höchstens noch eine Stunde dauern, bis das Gewitter losbrach. Dann durfte es ihn nicht in der Wand überraschen, die bei einem Regensturz glitschig und ungemein gefährlich war.

Girgl warf schnell einen Blick ins Saalachtal, das tief unter ihm lag. Wie Spielzeughäuser lagen die verstreuten Gebäude von Oberjettenberg und Schneizlreuth unter ihm. Der Voigthof jedoch war in einer Talmulde verborgen.

Zum Glück hatten sie das Heu am vergangenen Tag noch eingebracht. Der Bauer dachte an seinen jüngeren Bruder Ludwig. Er hatte in der Früh ein langes Gesicht gemacht, als Girgl mit dem Rucksack und den Seilen den Hof verlassen hatte. Als ob der Mensch sich jeden Augenblick lang mit der Landwirtschaft herumärgern sollte.

Girgl wusste, was den Jüngeren so sehr wurmte. Ludwig konnte es noch immer nicht ertragen, dass nicht er es gewesen war, der den Voigthof beim Tod des Vaters übernommen hatte, sondern der Älteste, wie es schon seit jeher der Brauch war.

Für Ludwig gab es nur die Landwirtschaft, die sein ganzes Denken ausfüllte. Und wenn Girgl ehrlich war, musste er zugeben, dass der Bruder der bessere Bauer war und er ohne ihn niemals mit seinen Aufgaben auf dem Hof zurechtgekommen wäre. Ludwig musste jedoch hoffen, eines Tages eine Bauerntochter zu finden, bei der er einheiraten konnte.

Zum Glück war die Richtige noch nicht erschienen, dachte Girgl erleichtert, denn ohne die Hilfe des Bruders wäre es für ihn mit der Bergsteigerei rasch vorüber gewesen.

In der Ferne zuckte der erste Blitz auf. Er musste schleunigst auf den Gipfel hinauf, bevor es gefährlich wurde. Mit Glück konnte er dann noch schnell die Traunsteiner Hütte erreichen und dort Unterschlupf vor dem schlimmsten Wetter suchen. Jetzt war keine Zeit mehr zu verlieren.

Prüfend blickte Girgl an der fast senkrechten Wand hoch, um die beste Route zu erforschen, denn jetzt ging das Wettrennen gegen das Gewitter los. Am einfachsten erschien es über die Felsnase und dann an dem schmalen Spalt entlang, der zum Sattel hinüberführte. Zwar würde er dadurch auf den Gipfelsieg verzichten müssen, doch den konnte er ein anderes Mal nachholen.

Bald kletterte er weiter und warf immer wieder besorgte Blicke nach Westen. Die Gewitterwolken ballten sich immer dichter zusammen und verhüllten längst schon die fernen Gipfel.

Girgl war kein ängstlicher Bursche, kannte aber die Gefahren, wenn ein Bergsteiger vom Gewitter in der Wand überrascht wurde. In dieser Höhe konnte es leicht hageln oder sogar schneien und die Blitze einen Steinschlag auslösen, der ihn in die Tiefe riss.

Er verdoppelte seine Anstrengungen, gönnte sich nicht einmal eine Pause, als er spürte, wie seine Kräfte nachließen. Nun hatte ein kühler Wind auch die schwüle Hitze vertrieben, und er begann zu frösteln. Immer rascher folgte das Wetterleuchten aufeinander, und das entfernte Grollen des Donners rollte über die Berge.

Der junge Bursche war nur noch zwanzig Meter vom Grat entfernt, als die ersten Regentropfen herunterklatschten. Die Alpenvereinshütte würde er nicht mehr trocken erreichen. Der Himmel hatte sich bleiern verfärbt, und der Wind verstärkte sich mit jedem Augenblick.

Kaum hatte Girgl den Grat erreicht, als sich die Schleusen des Himmels öffneten. Bis er den Lodenjanker aus dem Rucksack gezerrt hatte, war er nass bis auf die Haut.

Er hastete weiter, während sich die Wolkenfetzen um ihn herum verdichteten, sodass er bald nur noch einen Schritt vor seinen Füßen sehen konnte. Es war mehr dem Instinkt zu verdanken, dass er bald darauf den schmalen Steig erreichte, der zur Traunsteiner Hütte führte.

Nun war Girgl dem tobenden Gewitter schutzlos ausgeliefert. Es gab keine Bäume, unter denen er Schutz suchen konnte, nicht einmal einen Felswinkel, in dem er das Schlimmste abwarten konnte. Grell zuckten die Blitze um ihn herunter, und die Donnerschläge ließen die Felsen unter seinen Füßen erzittern. Trotz des Lodenjankers war er bis auf die Haut durchnässt und spürte kaum noch seine Finger.

Schritt um Schritt kämpfte er sich weiter über den Weg, der steil abfiel. Im Windschatten wurde es etwas einfacher, auch wenn der Regen noch immer in Strömen heruntergoss. Der Steig unter seinen Schuhen war bereits ganz glitschig, und er musste sich in Acht nehmen, um nicht auszurutschen.

Girgl wusste nicht, wie lange er schon gegen das Unwetter ankämpfte, als sich der Wolkenschleier vor ihm kurz lichtete. Da sah er die verschwommene Silhouette der Berghütte, in der er Zuflucht suchen wollte. Er sammelte seine letzten Kräfte und stolperte weiter, bis er ein erleuchtetes Fenster sah. Dann schleppte er sich zur Tür, riss sie auf und wankte hinein.

***

Drunten im Saalachtal setzte Ludwig Voigt die Sense ab, wischte sich mit dem Unterarm über die verschwitzte Stirn und blickte ebenfalls zum westlichen Himmel.

Seit dem Morgen rührte sich schon kein Lüftchen mehr, und es war bedrückend heiß geworden. Der Watzmann war in einen Hitzedunst gehüllt. Da bedurfte es gar nicht des Anblicks der dunklen Wolken, um das Unwetter zu spüren, das sich zusammenbraute.

Ludwig stieß einen unterdrückten Fluch aus. Immer, wenn man den Girgl brauchte, war er nicht da. Jetzt konnte Ludwig zusehen, wie er das Grünfutter allein einbrachte, und er hatte nicht einmal eine Hilfe, wenn er die Kühe zum Abend melken sollte.

Girgl würde ja doch nicht zurückkehren, bevor diese Arbeit verrichtet war, wenn er überhaupt in dieser Nacht heimkehrte. Statt sich um den eigenen Hof zu kümmern, trieb er sich lieber in den Bergen herum. Dabei schien es ihn nicht einmal zu bekümmern, dass die Mutter in ihrer Kammer lag und dahinsiechte.

Seitdem der Vater gestorben war, hatte sich ihr Gesundheitszustand ständig verschlechtert. Manchmal vermutete Ludwig, dass sie sich heimlich nach dem Tod sehnte, durch den sie wieder mit ihrem Mann vereint zu sein hoffte. Die schwüle Hitze hatte ihr an diesem Tag besonders schwer zu schaffen gemacht, und nun wollte er sie nicht länger als notwendig allein auf dem Hof lassen.

Bald zischte die Sense weiter durch das saftige Gras, bis er genug für eine Ladung hatte, die auch für den kommenden Morgen noch ausreichen würde. Es standen ja nur acht Kühe und zwei Kälber im Stall des Voigthofes. Für mehr Vieh reichten die Wiesen nicht aus.

Nur am Bachgrund hatten sie einen Acker Mais angebaut, und an der Sonnleite droben reifte die Gerste. Der Voigthof war zwar ein schmuckes Anwesen, aber recht bescheiden. Darum hatte es nach dem Tod des Vaters keine Möglichkeit gegeben, den Hof zwischen den beiden Brüdern aufzuteilen. Er konnte nur entweder den einen oder den anderen ernähren.

Im Stillen hatte Ludwig gehofft, er würde die Sternalm und die paar Wiesen, die dazugehörten, erhalten. Dann hätte er nicht mehr als Knecht für den Bruder arbeiten müssen, sondern als Senner auf die Alm ziehen können. Er sollte jedoch einzig und allein das Geld erhalten, das der Verkauf des Holzes einbrachte, sobald das kleine Stück Wald abgeholzt wurde, das zum Hof gehörte.

All das wurmte ihn schon seit einiger Zeit. Kein Wunder, dass er mit wachsendem Ärger beobachtete, wie der Bruder ihm die meiste Arbeit auf dem Hof überließ und es ihn immer wieder in die Berge hinaufzog.

Schon oft hatte Ludwig mit dem Gedanken gespielt, Schneizlreuth zu verlassen und anderswo sein Glück zu versuchen. Er war kräftig und geschickt, kannte sich mit der Landwirtschaft aus und scheute die harte Arbeit nicht, wenn sie nur zu etwas führte.

Wahrscheinlich hätte er seine Absichten umgesetzt, wenn der Wald schon abgeholzt gewesen wäre. Dann hätte er ein paar Euro in den Händen gehabt und sich vielleicht sogar nach einem Pachthof umsehen können, der sich hochwirtschaften ließ. Doch es konnte frühestens im kommenden Herbst ans Abholzen gedacht werden.

Bald hatte er den Anhänger bis hoch hinauf mit dem saftigen Gras der Bergwiesen beladen. Noch einmal warf er einen Blick zum Himmel, bevor er sich in den Sitz der Zugmaschine schwang und dem Hof entgegenfuhr.

Schmuck schaute das Gehöft vor ihm in der Talmulde aus, von einem kleinen Obsthain und einem Gemüsegarten umgeben. Das Erdgeschoss war im Frühjahr frisch geweißelt worden, und das dunkle Braun des Obergeschosses hob sich warm und freundlich dagegen ab. Vom breiten Balkon rankte sich eine Blütenpracht von Geranien und Petunien herunter.

Ludwig lenkte die Fuhre vor den Stall hin, bevor er heruntersprang und zum Haus eilte. Seine Schritte hallten durch den kühlen Flur, während er zur Treppe ging. Als er das obere Stockwerk erreicht hatte, lief er zur Kammer der Mutter und öffnete die Tür.

Sie wandte ihm das faltige Gesicht mit den müden blassblauen Augen zu und lächelte ihn an.

„Bist du wieder da, Bub?“, fragte sie. Sie hatte dem Ludwig immer schon nähergestanden als ihrem Ältesten. Vielleicht lag es daran, dass er im Aussehen seinem Vater nachgeraten war. Er hatte die gleichen dunkelbraunen Augen, das gleiche fast schwarze Haar. Und auch im Wesen war er ganz anders als Girgl.

„Wie geht es dir, Mutter?“, fragte Ludwig. Die graue Farbe ihrer Haut gefiel ihm gar nicht, und er konnte das Keuchen ihrer Atemzüge ganz deutlich hören. „Brauchst du etwas? Willst ein Glas Wasser?“

„Ich hab alles, Bub“, erwiderte die Bäuerin leise. „Ist der Girgl wieder da?“

„Noch net. Und es ist auch gar net gewiss, ob er auf die Nacht noch kommen wird. Es schaut nach einem Gewitter aus, und da wird er vielleicht auf der Hütte übernachten müssen.“

„Dann geh nur“, riet ihm die Mutter. „Du wirst Arbeit genug haben.“

Ludwig eilte wieder nach unten, um den Anhänger abzuladen.

Er war noch immer in diese Aufgabe vertieft, als ihn eine Bewegung herumfahren ließ. Als er das flachsblonde Madl mit den kornblumenblauen Augen vor sich stehen sah, das ihn ernsthaft anblickte, spürte er, wie ihm das Blut ins Gesicht stieg.

„Grüß dich, Ludwig“, sagte das Madl. „Wie geht es deiner Mutter heute?“

Es war die Walcher-Mitzi, vom Nachbarhof, der, nur durch ein paar Wiesen getrennt, etwas tiefer lag.

„Müd schaut sie aus“, antwortete der Bursche verlegen. „Du kannst zu ihr hinaufgehen, wenn du magst. Vielleicht kannst du sie dazu bringen, ein bisserl zu essen.“

Die Nachbarstochter lächelte freundlich, und das steigerte die Befangenheit des Burschen noch mehr. Auch sie war ein Stein des Anstoßes zwischen den beiden Brüdern. Schon seitdem sie zusammen zur Schule gegangen waren, hatte sich Ludwig immer zu dem Madl hingezogen gefühlt.

Doch es war Girgl, der Mitzi den Hof machte und mit dem sie manchmal die verschiedenen Veranstaltungen in der Umgebung besuchte, sehr zu Ludwigs Verdruss. Er selbst hatte nie den Mut aufgebracht, ihr zu gestehen, dass er sie schon seit langer Zeit gernhatte, und nun war es ihm, als verwehrte ihm Girgl den Weg zu all dem, nach dem sich sein Herz sehnte.

„Ich hab euch einen Zwetschgenkuchen gebacken“, verriet Mitzi. „Vielleicht isst sie ein Stückerl davon.“

Jetzt erst sah Ludwig den mit einem Tuch bedeckten Korb, den das Madl bei sich trug.

„Geh, du hättest dir wegen uns doch net die Mühe zu machen brauchen“, sagte er verlegen. „Du hast doch gewiss daheim genug zu tun.“

„So schlimm ist es net. Es ist ja net viel mehr Arbeit, ob ich einen oder zwei Kuchen backe. Wo ist denn der Girgl?“

„Wo wird er denn schon sein“, gab Ludwig fast grob zurück. „In aller Früh ist er schon auf die Berge gegangen.“

„Jessas!“, stieß Mitzi erschrocken hervor. „Doch net bei dem Wetter, wo es bald ein Gewitter geben wird.“

„Es wird ihm schon net schaden, wenn er nass wird“, meinte Ludwig ärgerlich. „So wie ich ihn kenne, wird er schon in einer Hütte sitzen, wenn es zu schütten beginnt, und ich hab die ganze Arbeit auf dem Hof.“

„Dann schau ich schnell nach, wie es der Bäuerin geht“, schlug das Dirndl vor. „Nachher kann ich dir noch eine halbe Stunde beim Melken helfen.“

Noch bevor Ludwig etwas erwidern konnte, hatte sie sich bereits abgewandt und eilte dem Haus entgegen. Ludwig blickte nachdenklich hinter ihr her.

***

Das Pfeifen des Windes und das Zuschlagen der Tür ließen Konrad Löbl, den Hüttenwart, den Kopf wenden. Er hatte vor der Feuerstelle gekniet, um ein Feuer anzuzünden, weil es plötzlich recht kühl geworden war.

Noch ein zweites Gesicht wandte sich Girgl zu. Weil ihm das Wasser noch immer aus dem Haar in die Augen tropfte, sah er nur verschwommen ein herzförmiges Gesicht mit großen dunklen Augen, die ihn musterten.

„Ja, da schau her! Der Girgl!“, meinte der Hüttenwart gedehnt. „Wie eine ersäufte Katz schaust du aus. Wo hat’s dich denn erwischt?“

„Am Weitschartenkopf“, stieß Girgl hervor. „Ist das vielleicht ein Sauwetter.“

Konrad Löbl kam rasch näher und griff nach seinem Arm.

„Komm mit, bevor du dir am Ende noch die schönste Lungenentzündung holst“, schlug er vor und führte den Besucher durch den Aufenthaltsraum.

In der Küche reichte er ihm ein trockenes Handtuch.

„Leg den Rucksack ab und zieh den Janker aus!“, befahl er. „Und dann trocknest du dich erst einmal ab. Ich mach dir gleich einen Glühwein, damit dir wieder warm wird. Du schnatterst ja vor lauter Kälte.“

Girgl ließ sich nicht zweimal bitten. Bald frottierte er die nasse Mähne und trocknete sich das Gesicht. Freilich, Hose und Hemd waren vollkommen durchnässt, aber die konnte er nicht wechseln, weil er am Morgen nicht mit dem Gewitter gerechnet hatte. Er konnte sich nur dicht vor den Ofen stellen und begann bald darauf zu dampfen.

„Also, du hättest doch eigentlich mehr Verstand haben sollen, als dich von dem Wetter überraschen zu lassen“, meinte der Hüttenwart mit verhaltenem Vorwurf. „Ein Glück, dass du überhaupt zu uns gefunden hast.“ Er reichte Girgl das heiße Glas, an dem sich der junge Bauer fast die Finger verbrannte.

Schon nach ein paar vorsichtigen Schlucken spürte Girgl, wie sich eine wohlige Wärme in ihm ausbreitete. Das Zittern und das Klappern seiner Zähne ließen nach.

„Jetzt ist mir schon wieder besser“, sagte er erleichtert. „Hast du gesehen, wie schnell das Gewitter auf einmal da war?“

„Ja, das hab ich“, erwiderte Konrad Löbl. „Hast du dir denn net die Wettervorhersage angehört? Sie haben es doch angekündigt.“

Girgl leerte den Rest des Glases in einem Zug.

„Ich hab doch net gewusst, dass es in der Nordwand so langsam gehen wird.“

Ein Donnerschlag ließ die Hütte erbeben.

„Mei, die Hauptsache ist, dass du da bist. Das wird gewiss noch ein paar Stunden anhalten, und bis dahin wird es schon dunkel sein. Hast du noch andere Bergsteiger gesehen?“

„Nein, niemanden. Hast du einen Haufen Leute da?“

„Nur vier“, erklärte der Hüttenwart. „Die Steffi Thoma draußen und drei Burschen. Aber die sind gestern schon aufs Stadelhorn hinauf und haben ihre Zelte mitgenommen. Das sind alle erfahrene Bergsteiger, die genau wissen, was sie zu tun haben.“

Girgl wandte den Kopf zum Aufenthaltsraum hin und senkte die Stimme.