Alpengold 318 - Monika Leitner - E-Book

Alpengold 318 E-Book

Monika Leitner

0,0
1,99 €

-100%
Sammeln Sie Punkte in unserem Gutscheinprogramm und kaufen Sie E-Books und Hörbücher mit bis zu 100% Rabatt.
Mehr erfahren.
Beschreibung

Carolin Endhofer hat sich in der Großstadt nie wohl gefühlt. Als sie den Marhof von ihrem Onkel erbt, weiß sie, dass sie zur Bäuerin geboren ist.
Der Hof liegt einsam, ist verwahrlost, das Land ringsum aber wunderschön. Hier will sie für immer bleiben, leben und arbeiten.
Doch Carolin ahnt nicht, welche Schwierigkeiten auf sie zukommen. Denn auf dem Hof lastet ein Geheimnis ...

Das E-Book können Sie in Legimi-Apps oder einer beliebigen App lesen, die das folgende Format unterstützen:

EPUB
MOBI

Seitenzahl: 137

Bewertungen
0,0
0
0
0
0
0
Mehr Informationen
Mehr Informationen
Legimi prüft nicht, ob Rezensionen von Nutzern stammen, die den betreffenden Titel tatsächlich gekauft oder gelesen/gehört haben. Wir entfernen aber gefälschte Rezensionen.



Inhalt

Cover

Impressum

Wer die Berge liebt …

Vorschau

BASTEI ENTERTAINMENT

Vollständige eBook-Ausgabeder beim Bastei Verlag erschienenen Romanheftausgabe

Bastei Entertainment in der Bastei Lübbe AG

© 2020 by Bastei Lübbe AG, Köln

Programmleiterin Romanhefte: Ute Müller

Verantwortlich für den Inhalt

Titelbild: Michael Wolf

eBook-Produktion:3w+p GmbH, Rimpar (www.3wplusp.de)

ISBN 9-783-7325-9159-6

www.bastei-entertainment.de

www.lesejury.de

www.bastei.de

Wer die Berge liebt …

Sie fand ihr Glück im Einödhof

Von Monika Leitner

Carolin Endhofer hat sich in der Großstadt nie wohl gefühlt. Als sie den Marhof von ihrem Onkel erbt, weiß sie, dass sie zur Bäuerin geboren ist.

Der Hof liegt einsam, ist verwahrlost, das Land ringsum aber wunderschön. Hier will sie für immer bleiben, leben und arbeiten.

Doch Carolin ahnt nicht, welche Schwierigkeiten auf sie zukommen. Denn auf dem Hof lastet ein Geheimnis …

Als Carolin Endhofer den Brief des Rechtsanwalts bekam, erschrak sie. Auch sie dachte sofort an etwas Unangenehmes, wie es die meisten Leute taten, wenn sie einen solchen Brief bekamen. Die Mutter hatte ihn ihr übergeben, als sie am späten Nachmittag von der Arbeit nach Hause gekommen war.

Schnell überschlug Carolin in Gedanken die vergangenen Wochen, ob etwas Besonderes geschehen war, aber es kam ihr nichts in Erinnerung.

Ihr Leben verlief gleichförmig, fast zu gleichförmig. Jeder Tag war wie der andere.

Sie lebte mit ihren Eltern in München. Die Stadt war schön, aber zu groß. Carolin hatte oft Sehnsucht nach dem Lande, besonders, wenn sie nach einem Ausflug von dort zurückgekehrt war.

Sie leistete sich allerdings nur wenige solcher Ausflüge, denn sie sparte. Eigentlich war ihr gar nicht bewusst, für was sie sparte. Irgendwo musste ein Ziel sein, verschwommen und wie von Nebel eingehüllt. Aber es war da, sie konnte es nur nicht benennen – noch nicht.

Außerdem war sie sparen gewöhnt. Auch die Eltern taten es, und zwar so sehr, dass es oft die ganze Woche kein Fleisch zu essen gab, nur Kartoffeln und Gemüse, das gerade am billigsten war, oder dicke Suppen und einfache Mehlspeisen.

Aber die Eltern hatten ein festes Ziel. Sie hatten vor Jahren am Rand der Stadt ein kleines Grundstück erworben. Jetzt war die Stadt hinausgerückt und das Grundstück immer wertvoller geworden. Dort wollten sie sich ein Häuschen bauen. Ein Häuschen in der Stadt, die sie liebten und in der sie sich wohlfühlten.

Carolins Vater war aus den Bergen gekommen, hatte sich aber immer gewünscht, in einer großen Stadt zu leben und hatte auch eine Städterin zur Frau genommen, Carolins Mutter.

„Warum schaust du so versonnen drein?“, fragte sie jetzt. „Willst du den Brief nicht aufmachen?“

„Ach so, ja, den Brief.“

Carolin war ein wenig unruhig, als sie ihn öffnete. Schnell überflog sie die Zeilen, und je länger sie las, desto mehr hellte sich ihr Gesicht auf.

„Oh, wie herrlich!“, rief sie dann plötzlich, sprang auf und schwang den Brief wie eine Fahne. „Mama, du wirst staunen, lies!“ Sie reichte der Mutter den Brief.

Frau Endhofer las ihn. Sie blieb ruhig, als sie ihn zusammenfaltete.

„Und?“, fragte sie nur. „Was wirst tun?“

„Annehmen natürlich, was denn sonst? Das ist ein großer Glücksfall für mich, Mama.“

Die Augen der Mutter weiteten sich vor Erstaunen.

„Du wirst doch nicht damit sagen wollen, dass du in die Berge ziehst und den Hof bewirtschaften willst?“

„Doch, genau das.“

Die Frau blieb kühl. Carolin dachte daran, dass die Mutter immer kühl gewesen war, soweit sie sich zurückerinnern konnte. Kaum etwas vermochte sie zu begeistern, aber auch kaum etwas aufzuregen. Das war das Positive.

Sie, Carolin, war genau das Gegenteil. Sie war wie der Vater, und schon öfter hatte sie sich gefragt, wie wohl ihre Eltern, als so gegensätzliche Naturen, zusammengefunden hatten.

„Das kannst du doch nicht machen.“

„Du weißt, dass ich vor fünf Jahren einen landwirtschaftlichen Kurs absolviert hab, und dann kann mir der Vater alles erklären, was ich wissen muss.“

„Ich bin mir nicht sicher, ob das genügen wird.“

„Ich werd’s schaffen, Mama, ganz bestimmt. Ich weiß es. Und nun weiß ich auch, dass mein größter Wunsch in Erfüllung gegangen ist.“

„Dein größter Wunsch?“

„Ja.“ Carolin nickte. „Ich würd’ so gern auf dem Lande leben, dort etwas Eigenes haben und arbeiten. Und nun hat mir der Onkel das Anwesen vermacht, obwohl Vater schon lange keine Verbindung mehr zu ihm hatte.“

„Du hast nie etwas von einem solchen Wunsch erzählt.“

„Wozu auch? Dieser Wunsch war ein Traum. Und jetzt geht er in Erfüllung. Ich kann’s noch gar nicht fassen.“

Plötzlich verschattete sich das Gesicht des Mädchens.

„Der Onkel ist gestorben, wir haben es nicht gewusst und konnten nicht zu seiner Beerdigung. Und trotzdem hat er mir das Anwesen vermacht. Er muss ein guter Mensch gewesen sein“, sagte Carolin nachdenklich.

„Er hat es deinem Vater übel genommen, dass er mich, die Städterin, geheiratet hat“, erklärte sie. Ihre Stimme klang fast hart.

In diesem Augenblick wusste Carolin, dass es von der Mutter ausgegangen war, die Verbindung abzubrechen. Ein solches Verhalten war ihr fremd.

„Der Onkel hat anscheinend nicht geheiratet und hatte auch keine Kinder!“

„Das sieht ihm ähnlich“, meinte Frau Endhofer. „Er ist schon immer ein Sonderling gewesen.“

„Ein Sonderling?“

„Na ja, er war ein wenig komisch, so ganz anders als dein Vater.“

Carolin ahnte, dass sie das, was die Mutter sagte, nicht ganz wörtlich nehmen durfte. Sie hatte den Schwager nicht gemocht.

***

Als Josef Endhofer nach Hause kam, staunte er über den Brief, war überrascht und zugleich betroffen. Carolin freute diese Regung, zeigte sie doch, dass sein Herz nicht so hart war wie das der Mutter.

„Mein Bruder ist gestorben, und ich hab’s nicht gewusst“, murmelte er.

„Er ist doch sicher vorher krank gewesen“, meinte die Frau. „Warum hat er dich davon nicht verständigt? Weil er dich gar nicht dort haben wollte“, gab sie sich selbst die Antwort.

„Es bedrückt mich, dass er gestorben und begraben worden ist, ohne dass ich davon wusste. Wir werden hinfahren zu seinem Grab“, erklärte der Vater.

Carolin nickte.

„Zuerst muss ich den Besuch beim Rechtsanwalt machen, um den er mich gebeten hat. Dort erfahre ich dann Näheres.“

„Was machst du dann mit deinem Erbe? Verkaufst du es?“

„Verkaufen? Aber nein, Vater! Ich werde auf dem Anwesen leben und arbeiten.“

Die Mutter verzog den Mund.

„So eine verrückte Idee.“

„Die Idee ist gar nicht so verrückt. Wenn ihr der Sinn danach steht, warum soll sie es nicht tun?“

„Vater“, sagte Carolin ernst, „mein heimlichster Wunsch ist in Erfüllung gegangen. Ich werd’ nun auf dem Land leben und ganz so sein wie die Leute dort.“

„Du gehst ganz nach meinem Bruder, Carolin, du siehst auch so aus wie er, als er jung gewesen ist.“

„Irgendwie freut mich das, Vater. Ich hätt’ den Onkel gern kennengelernt, und es hätt’ viel bedeutet, wenn ich meine Ferien hätt’ dort verbringen können.“

Josef Endhofer sagte nichts. Er presste nur die Lippen zusammen und warf einen Blick auf seine Frau, die sich nun abwandte.

„Du wirst dich um sein Grab kümmern“, sagte er dann.

„Ja, das werd’ ich ganz bestimmt.“ Sie ging an eins der hohen Fenster und blickte auf die graue Straße hinunter. Ohne sich umzuwenden, sagte sie: „Ihr werdet bald euer Ziel erreichen und zu bauen beginnen, und ich hab mein Ziel schon gefunden, den Bauernhof im Sargental.“

Jetzt wusste sie, dass es dieses Ziel war, auf das sie gespart hatte. Wenn sie auch noch nicht sehr viel zusammengebracht hatte mit ihren fünfundzwanzig Jahren, etwas konnte sie schon damit anfangen.

Später dann, als Carolin in ihrem kleinen Zimmer im Bett lag, konnte sie lange nicht einschlafen, und sie wollte es auch gar nicht. Sie war noch immer ganz aufgeregt. Die Gedanken schwirrten durch ihren Kopf, sie dachte über alles nach.

Irgendwo über den Dächern musste der zunehmende Mond stehen. Ein karger Schein fiel gegen das Fenster. Wie der Mond wohl im Sargental schien? Ob er dort auch so weiß war wie hier?

Sie malte sich aus, wie schön es sein würde, auf dem Hof zu leben. Sicher war er hübsch anzusehen, hatte viele Kammern und einen großen Stall. Auf diesem Hof war der Vater aufgewachsen, und sie hatte nie ein Bild davon gesehen, wusste nicht, wie das Sargental aussah, war noch nie in dieser Gegend gewesen.

Carolin Endhofer war nicht so naiv, dass sie sich nicht denken konnte, in Zukunft viele körperliche Arbeit verrichten zu müssen. Das war sie nicht gewöhnt, aber sie war trotzdem sicher, dass sie es schaffen würde. Sie hatte viel guten Willen, die nötige Liebe und Begeisterung.

Irgendwann schlief sie ein. Aber dann hatte sie einen merkwürdigen Traum. Als sie den Hof suchte, fand sie eine Ruine, zwischen deren Mauern hoch das Unkraut wuchs.

***

Carolin Endhofer rief vom Büro aus den Rechtsanwalt an und bekam schon für den nächsten Tag einen Termin. Sie nahm sich zwei Stunden frei und suchte die Kanzlei auf. Dort erfuhr sie dann alles Nähere.

Der Onkel hatte ihr den Hof vermacht mit allem lebenden und toten Inventar, außerdem auch noch etwas Geld. An das Erbe war nur die Bedingung geknüpft, für das Grab zu sorgen.

„Ich habe mich mit dem Bürgermeister in Verbindung gesetzt“, sagte der Anwalt, „und erfahren, dass das Vieh einstweilen bei einem anderen Bauern untergebracht ist. Gegen eine Übernahme des Hofes Ihrerseits gibt es keine Einwände. Die dazu erforderlichen Maßnahmen wurden schon von Ihrem Onkel eingeleitet. Es ist bekannt, dass Sie einmal eine landwirtschaftliche Schulung absolvierten. Der Bürgermeister will Ihnen auch mit Rat zur Seite stehen, falls es nötig ist.“

Es wurde noch einiges besprochen, dann ging Carolin mit dem Dokument nach Hause. Sie ging die ganze Strecke zu Fuß. Sie wollte sich jetzt nicht in den Bus zwängen. Dort hätte sie ihren Gedanken nicht so freie Bahn geben können wie hier auf der Straße. Die Leute, die an ihr vorübergingen, sah sie kaum. Ganz und gar war sie schon bei dem Hof, bei ihrem Hof.

Es war ein eigentümliches und wundersames Gefühl für sie, dass sie ein Haus, Grund und Boden und Vieh auf dem Land besaß.

In Dankbarkeit gedachte sie des Onkels, den sie nie gekannt hatte. Dass das der Fall war, daran hatte die Mutter schuld, das erkannte sie deutlich. Das Fremdheitsgefühl gegen die Mutter, das sie schon manchmal empfunden hatte, verstärkte sich.

Die Länge des Heimwegs war ihr gar nicht bewusst geworden. Plötzlich befand sie sich vor dem Haus in der grauen Straße. Und ein Glücksgefühl ohnegleichen durchströmte sie bei dem Gedanken, das hier bald verlassen zu können.

Nicht, dass sie sich zu Hause nicht wohlgefühlt hätte, aber jetzt, da sich ihr solche Aussichten eröffneten, konnte sie es kaum noch erwarten, nach Hochschrann zu kommen.

Carolin sagte der Mutter schnell Bescheid, ließ das Dokument dort und begab sich wieder an ihre Arbeitsstelle, die nicht weit entfernt war. Dort erledigte sie die Sache mit der Kündigung und stieß auf großes Erstaunen.

„Darf ich dich heimbegleiten, Carolin?“, fragte nach Arbeitsschluss Helmut Breitner, ein Kollege, den sie ganz gern mochte. „Vielleicht trinken wir unterwegs irgendwo einen Kaffee?“

„Gern“, erwiderte sie mit einer heiteren Gelassenheit, die ihr selbst fast fremd war.

Dann saßen sie sich in einem kleinen Café gegenüber.

„Du hast wegen dieses geerbten Bauernhofs nun deine sichere Stellung gekündigt?“

„Ja“, erwiderte sie und nickte.

„Und jetzt gehst du von hier weg und schuftest dort auf dem Hof?“

„Ja“, antwortete sie wieder nur.

„Das kann ich nicht begreifen.“

„Warum nicht?“

„Du – so ein hübsches Mädchen, in der Stadt aufgewachsen, als Bäuerin! Das ist einfach absurd.“

„Es ist nicht absurd, Helmut. Ich bin im Grunde keine Städterin. Ich liebe das Land, und mein Wunsch war es schon immer, dort zu leben. Aber nie habe ich eine Möglichkeit gesehen. Und nun ist dieser Glücksfall für mich eingetreten! In vollem Umfang gehen damit alle meine Wünsche in Erfüllung.“

„Und an mich denkst du dabei gar nicht? Dass du fortgehst und wir uns wohl kaum mehr wiedersehen werden?“

„Warum soll ich dabei an dich denken? Ich hab dir früher schon einmal gesagt, dass aus uns nix Ernstes werden kann, verstehst du? Ich kann dich doch nicht einfach heiraten, weil du mir sympathisch bist. Zum Heiraten gehört viel mehr.“

Er schüttelte den Kopf. „Das glaub’ ich nicht. Das, was du meinst, sind Dinge, die wieder vergehen, nach zwei, drei Jahren, vielleicht erst nach fünf Jahren, aber sie vergehen. Zu einem Zusammensein für ein ganzes Leben gehört mehr.“

„Eben, Helmut, das meine ich auch. Und gerade das ist bei uns nicht vorhanden.“

Er schwieg und starrte in seine halb geleerte Tasse. Nach einer Weile hob er den Kopf.

„Ich werd’ dich sehr vermissen, Carolin, denn ich hab dich gern. Und jetzt kann ich’s mir eigentlich noch gar nicht vorstellen, dass du nicht mehr hier in München sein wirst.“

„Daran wirst du dich gewöhnen. Und eines Tages wirst du ein Mädchen zum Heiraten finden und erkennen, dass das Gefühl, das du für mich empfunden hast, zu wenig für eine Heirat gewesen wäre. Aber wenn bei mir alles in Ordnung gekommen ist und ich auf dem Laufenden bin, kannst du mich einmal übers Wochenende besuchen. Sicher ist auf dem Hof eine Stube für dich, in der du schlafen kannst.“

Sein Gesicht hellte sich auf.

„Ja? Würdest du das mögen?“

„Warum denn nicht? Wir sind doch gute Freunde.“

„Ja, leider ist nicht mehr daraus geworden“, antwortete er bekümmert.

Sie legte ihre Hand auf die seine.

„Ich kann schon zum übernächsten Wochenende meine Stellung verlassen. Sie bekommen für mich leicht jemand anderes.“

„Zum übernächsten Wochenende schon?“, fragte er überrascht.

„Ja“, nickte sie, „der Chef war einverstanden, als ich ihn darum gebeten habe.“

Helmut Breitners Gesicht verschattete sich. Er presste den Mund schmal zusammen.

„Ja – da kann man nix machen.“

„Nein, Helmut.“ Sie trank ihre Tasse leer. „An diesem Wochenende werd’ ich nach Hochschrann fahren und mir alles anschauen. Ich bin furchtbar gespannt!“

Plötzlich musste sie an den seltsamen Traum denken, den sie gehabt hatte. Und in ihre Freude mischte sich mit einem Mal ein wenig Angst. Angst vor dem Ungewissen, Unbekannten, das sie erwarten würde.

„Gehen wir?“, fragte sie unvermittelt und erhob sich.

Vor ihrer Wohnung angekommen, reichte sie ihm die Hand.

„Wir sehen uns ja morgen.“

Sie stieg nur sehr langsam die Treppe hinauf. Die Erinnerung an den seltsamen Traum hielt sie gefangen.

***

Am darauffolgenden Samstag in aller Frühe fuhr Carolin Endhofer mit dem Zug ins Gebirge. Als sie an einer Station den Zug wieder verließ, um in den Bus überzuwechseln, der sie ins Sargental bringen sollte, erfuhr sie, dass er erst in einer Stunde abfuhr. Sie stellte ihr kleines Köfferchen unter und schlenderte durch den Ort. Das Wetter war gut, und hohe weiße Wolken schmückten den Himmel.

Carolin hatte zu Hause durchgesetzt, dass sie heute hatte allein fahren können. Der Vater hatte an das Grab seines Bruders wollen, aber sie hatte ihn überreden können, dies am nächsten Wochenende zu tun.

Die kleine Stadt war von Bergen umkränzt, wirkte freundlich und hell. Es gab ein paar hübsche Geschäfte, Cafés und Biergärten, die von alten Kastanienbäumen beschattet waren.

Die Stunde verging sehr schnell, und dann saß Carolin im Bus, der ins Sargental fuhr, das hier bei der Kreisstadt vom großen Tal abzweigte.

Der Bus durchfuhr ein Dorf um das andere, aber Hochschrann kam noch immer nicht in Sicht. Zu beiden Seiten des Tals rückten die Berge näher, stiegen höher an.

Plötzlich überkam Carolin ein banges Gefühl. Sie wusste nicht genau warum und konnte sich nicht dagegen wehren. Es war einfach da. War es vielleicht deswegen, weil das Tal jetzt irgendwie düsterer wirkte, die Berge wuchtiger erschienen?

Die Straße wurde schlechter. Der Bus rumpelte in Schlaglöcher, und jetzt erst bemerkte sie, dass die Fensterscheiben schmutzig waren. Die meisten Leute waren schon ausgestiegen, außer ihr befanden sich nur noch ein alter Mann und eine Frau in mittleren Jahren im Bus.

Nun rückten die Hänge links und rechts nahe an die Straße heran.

Dieses Hochschrann schien am Ende der Welt zu liegen. Das bange Gefühl in Carolins Herz verstärkte sich noch. Aber als dann später die Wälder wieder zurückwichen, die Straße ein wenig an Höhe nahm, das Tal sich etwas lichtete und weiter wurde, wich das bange Gefühl wieder. Und als sie dann am Talschluss den weißen Berg in seiner ganzen Herrlichkeit erblickte, der wie ein König über allen anderen Gipfeln zu thronen schien, wurde ihr wundersam ums Herz.

Sie konnte das Dorf jetzt schon sehen.

Der Bus hielt an einem kleinen Platz vor einem Wirtshaus, das „Zum schwarzen Adler“ benannt war. Das Dorf wirkte nun nicht mehr so freundlich, wie es von Weitem ausgesehen hatte. Die hohen Berge warfen ihre Schatten.