Als Reporter in Wild-West - Emil Droonberg - E-Book

Als Reporter in Wild-West E-Book

Emil Droonberg

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Beschreibung

Drei Geschichten von einem deutschen "Greenhorn", das auszog, den Yankeereportern endlich zu zeigen, dass sie gegen einen deutschen Journalisten nicht aufkommen können. Coverbild: © Seita/Shutterstock.com

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Emil Droonberg

Als Reporter in Wild-West

BookRix GmbH & Co. KG81371 München

Zum Buch + Mein erster öffentlicher Vortrag

Zum Buch

Emil Droonberg

Als Reporter in Wild-West

 

Coverbild: © Seita/Shutterstock.com

 

 

Mein erster öffentlicher Vortrag

Es gab in meiner Karriere als Reporter in Amerika einen Zeitpunkt, in dem ich bei einem Haar der Feder untreu geworden wäre, um dafür von einem geehrten Publikum mein Haupt mit dem Lorbeerkranze des Vortragsredners bedecken zu lassen. Aber schon der erste Versuch überzeugte mich, dass diese Lorbeerkränze zu sehr einer Dornenkrone gleichen, als dass ich mich zu einer Fortsetzung dieses Erwerbszweiges hätte ermutigt fühlen können.

Die Sache kam so.

Eines Tages befand ich mich in San Franzisko. Zu meinem großen Leidwesen mit leeren Taschen.

Vorher hatte ich ein paar Monate in Arizona an einer Zeitung gearbeitet. Nicht an dem berühmten „Arizona Kicker“; aber um mich herum „kicken“ müssen, hatte ich auch an unserer Zeitung genug. Da aber die Bezugsgelder meist nur in der Form von Eiern eingingen, deren Qualität wir in der Eile nicht immer prüfen konnten, und mein Magen sich zuletzt dieser etwas monotonen Diät nicht länger gewachsen fühlte, war ich eines Tages gezwungen, den Arzt des Ortes aufzusuchen.

Als ich ihm sagte, dass ich unseren „Kicker“ bereits seit drei Monaten redigierte, machte er ein bedenkliches Gesicht, fühlte meinen Puls und ersuchte mich, ihm meine Zunge zu zeigen. Dann fragte er, ob ich Appetit hätte. Und da ich eine Liebenswürdigkeit nicht gern zurückweise, so entgegnete ich ihm: „Wenn er gerade was bei der Hand hätte ... Nur für Eier müsste ich danken.“

Darauf empfahl er mir eine schleunigste Luftveränderung – sein Honorar betrüge zwei Dollars.

Ich liebe es nicht, Schulden zu machen, wenigstens nicht dort, wo man mir keinen Kredit einzuräumen geneigt ist. Deshalb hatte ich mich auch in diesem Falle mit einer ausreichenden Quantität von Eiern, der landesüblichen Zahlungsform, versehen und begann dem Arzt das Honorar auf den Tisch zu zählen. Er musste aber zu den fortgeschrittenen Ärzten gehören, die nicht nur verordnen, sondern ihre Verordnungen gleich selbst ausführen, und da er meinen Fall jedenfalls für außerordentlich dringend ansah, nahm er eine augenblickliche Luftveränderung mit mir vor.

Nachdem ich acht Tage später das Bett wieder verlassen hatte, begann ich, auch den Rat des Arztes sofort auszuführen. Nach der Redaktion ging ich gar nicht erst zurück, denn es wurde mir gesagt, dass dort drei Farmer auf mich warteten, die bei mir persönlich abonnieren wollten. Ich hatte keine Schuld an der ganzen Sache. Sie hatten sich stets geweigert, auf unser Blatt zu abonnieren, und ich hatte mich in einem Leitartikel darüber beschwert. Ich wollte ja auch gar keinen Verdacht gegen sie aussprechen, schon um ihre Familien nicht der Ernährer zu berauben. Aber dass man die drei Eisenbahnräuber, welche im vorigen Jahr den Überland-Express aufgehalten und die Passagiere beraubt hatten, bisher noch nicht entdeckt hatte, war doch Tatsache. Und nun wollten diese drei Farmer bei mir persönlich abonnieren.

Einem Manne, der eben erst das Krankenlager verlassen, kann man aber nicht zumuten, sich dem auszusetzen. So ging ich direkt nach dem Bahnhof und bestieg den nach San Franzisko bestimmten Zug. Als sich dieser in Bewegung setzte, sah ich durch das Fenster die drei Farmer nach der Station eilen. Jeder hatte einen dicken Stock in der Hand, mit dem er in der Luft herumfuchtelte. Wahrscheinlich wollten sie mir auf diese Weise ihre Abschiedsgrüße zuwinken, obwohl man doch sonst in der Regel dazu ein weißes Taschentuch benützt.

So gelangte ich nach San Franzisko.

Da ich kein Geld hatte, musste ich mich nach einer Stellung umsehen, und ich kannte genug von Amerika, um zu wissen, dass ich als unbekannte Größe eine solche in der durch meine finanzielle Position gebotenen Geschwindigkeit nicht würde finden können.

Ich machte daher die Runde bei sämtlichen Redaktionen, und am nächsten Tage verkündeten alle Zeitungen, dass der berühmte deutsch-amerikanische Schriftsteller Soundso in San Franzisko eingetroffen wäre mit der Absicht, für längere Zeit hier Aufenthalt zu nehmen und so weiter. Sie sprachen von mir als von einem Manne der Zukunft. Das imponierte mir damals. Heute machen mich Zukunftsverheißungen immer misstrauisch, denn ich weiß, dass man damit stets um so freigebiger ist, je weniger man jemand in der Gegenwart zu bieten beabsichtigt.

Ich war aber jung damals und hatte mir als Hauptaufgabe gestellt, die Welt zu verbessern. Heute erscheint mir das ein sehr schwieriges Unternehmen zu sein, damals aber, in den Tagen, von denen ich hier spreche, schien mir nichts leichter zu sein als das.

Manchmal, wenn ich abends so allein, denn ich bin ein einsamer Mann, am Kamin sitze und in die züngelnden Flammen schaue, erscheint dieser junge Mann wieder vor mir. Er war ein lustiger flotter Bursche, voll von Idealen und stets bereit, seine Jacke abzuwerfen und mit den Schwachen gegen die Starken zu fechten. Er wusste damals nicht, dass er bestimmt war, zu fallen und inmitten seiner Ideale zu enden. Was ihn überlebte, waren nichts als die allergewöhnlichsten Lebensinstinkte des höher organisierten Tieres. Und der alte Mann von heute fürchtet nichts so sehr wie das Erscheinen des Geistes seiner gestorbenen Jugend, trotzdem er sonst das Fürchten nahezu verlernt hat.

In den Tagen aber, von denen ich hier spreche, gab’s noch keine Geister, und San Franzisko speziell erschien mir wie eine Berliner Schönheit mit hohen Absätzen und sechs Zoll duftiger weißer Spitzen, unter dem rotseidenen Unterrocke hervorschauend.

Da es mir zu dieser Zeit als ein in der Öffentlichkeit stehender Mann notwendig schien, die Ausdehnung meines Kredites zu ergründen, namentlich soweit derselbe durch die Zeitungsartikel vorbereitet war, so mietete ich mir ein Haus, vervollständigte meine Garderobe und füllte meine Vorratskammer mit Lebensmitteln. Mit dem Grocer, der mir die Letzteren geliefert hatte, wäre ich beinahe in Streit gekommen, denn er war so unvorsichtig, mir auch noch Eier zu offerieren.

Nach vierzehn Tagen hatte ich weder eine Stellung gefunden, noch wäre ich imstande gewesen, auch nur einen Cent in meinen Taschen zu entdecken. Der Bailiff, der meinen Schneider vertrat, saß so ernst wie ein chinesischer Hausgötze vor meinem Hause auf den Stufen; sein Kollege, der die Interessen des Grocers wahrnahm, machte es sich im Speisezimmer bequem und tanzte mit meinem japanesischen „Mädchen für alles“ zwischen den Tischen und Stühlen herum. Der Fleischer und Bäcker hatten je einen Vertreter in der Bodenkammer und Küche, und der Hauswirt mit zwei anderen Männern und einem Negerjungen nahm seine Interessen auf dem Dache des Hauses wahr.

Es war nur aus besonderer Gefälligkeit, dass es mir erlaubt war, auf der Strohmatte im Hausflur zu schlafen.

Zu diesem etwas kritischen Zeitpunkte kreuzte der Schatten einer hervorragenden Persönlichkeit meinen Lebensweg, die angab, Vortragsagent zu sein. Nach der Beschreibung des Herrn war ich ein enormes Talent, das nicht im Schatten verkümmern dürfe. Wenn er mir erzählt hätte, dass ich eine einbalsamierte Mumie sei, die im Augenblicke vermittelst Elektrizität wieder zum neuen Leben erweckt werden sollte, würde ich das ebenfalls geglaubt haben, denn ich war gerade auf dem Punkte angelangt, wo ein Mann an alles glaubt, ausgenommen an seine Zukunft, und Vertrauen in alles setzt, außer in sich selbst.

Er fragte mich, ob ich öffentlich sprechen könnte. Ich erklärte, dass ich sicher wäre, sprechen zu können, wenn ich es versuchte, dass mir im gegenwärtigen Augenblicke aber mehr am Essen als am Sprechen läge. Er verstand den Wink, und wir verlegten den Schauplatz unserer weiteren Unterredung nach einem Restaurant. Die Armee der Bailiffs folgte natürlich. Ich hatte eben begonnen, meine fürchterliche Verödung in einer guten kräftigen Mahlzeit zu begraben, als diese Haifische der amerikanischen Gesetzgebung auf mich losstürzten. Sie schienen zu glauben, dass sie an meine Mahlzeit ein ebenso gesetzliches Anrecht hätten wie an meine Möbel. Ich war wütend wie ein Hund, dem man einen Knochen fortnimmt, und ich glaube, ich sah auch danach aus; denn ein nach der neuesten Mode gekleidetes Individuum klopfte mir auf die Schulter. Ich wandte mich überrascht um.

„Soll ich die Gesellschaft hinauswerfen?“, fragte er.

„Selbstverständlich“, entgegnete ich.

„Well, dann mal los“, sagte er.

Die nächsten zehn oder fünfzehn Sekunden waren wirklich wert, gelebt zu werden. Am Ende dieser Zeit waren wir von den Bailiffs befreit, und der elegant gekleidete Herr kassierte von meinem Agenten seine Gebühren.

Später bei einer Flasche Wein entwickelte der Letztere seinen Plan. Ich sollte über Sitten und Gebräuche in Australien sprechen. Er wollte überall Plakate ankleben lassen, einen Saal mieten und alle weiteren Ausgaben bestreiten. Der Reingewinn sollte zwischen uns geteilt werden. Ich akzeptierte seinen Vorschlag ohne Weiteres. Das müsste in der Tat ein merkwürdiger Vorschlag sein, den ich nicht akzeptiert hätte.

Am Nachmittage bereits begann ich, mich auf meinen Vortrag, und der Agent die Stadt auf diesen vorzubereiten. Er mietete alle verfügbaren Ecken und Planken und tapezierte wenigstens eine Quadratmeile der Stadt mit seinen Plakaten. Als ich diese zuerst erblickte, suchte ich unwillkürlich in meinen Taschen nach einem Fahrplan, besann mich aber doch rechtzeitig, dass ich kein Geld für die Fahrkarte besaß. Nach den Erklärungen des Agenten sollte ich über die Fauna und Flora Australiens sprechen, ferner über die Kohlen-, Silber-, Gold-, Kupfer- und Opal-Minen; sollte einen vollen Bericht über die erste Besiedelung der Kolonie, über das Sträflingsleben und seinen dazugehörigen Schrecken liefern. Ferner sollte ich über die Abenteuer mit Eingeborenen, Buschrangern, wilden Pferden und Alligatoren sprechen; im Einzelnen die Jagd auf Kängurus, wilde Hunde und Emus beschreiben, ebenso wie Kricket-, Fußball- und Boxer-Wettkämpfe, Pferderennen und Religion. Bergbau-Sachverständige waren in fetter Schrift eingeladen, durch alle möglichen Fragen meine Sachkenntnis festzustellen; Missionare waren aufgefordert, zu erscheinen und Dinge zu lernen, durch deren Kenntnis sie sich möglicherweise einst aus den Händen von Kannibalen retten könnten. Spieler waren aufgefordert, Eintrittskarten zu kaufen, um zu sehen, wie wenig sie eigentlich von ihrer Kunst verstünden. Ringkämpfer, Geistliche, Politiker, Schauspieler, Schriftsteller und Eisenbahnräuber – an alle war die gleiche Einladung gerichtet. Und über dem allen schimmerte mein Porträt mit meinem gewinnenden süßen Lächeln.

Mein Agent war glücklich.

Ich zitterte.

Ich erklärte dem Agenten, dass ich nichts von der Hälfte der Dinge verstände, die er auf dem Plakat alle aufzählt hätte, aber er versicherte mir, dass er das besser wisse. Er ging noch weiter, indem er schwor, dass er noch niemals einen Vortragenden getroffen hätte, der so viel von der Sache, über die er sprechen sollte, verstanden hätte wie ich. Damals glaubte ich ihm das nicht, heute, nachdem ich eine ganze Reihe von Vorträgen gehört habe, bin ich geneigt, ihm recht zu geben.