Among Us - Verrat im Weltall - Laura Rivière - E-Book

Among Us - Verrat im Weltall E-Book

Laura Rivière

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Beschreibung

Ein Abenteuer aus der Welt von Among Us Allein im Weltall – mit einem Verräter an Bord! Ein kleines Raumschiff im endlosen Weltall. Alles scheint friedlich. Doch plötzlich geschehen immer mehr seltsame und beunruhigende Dinge an Bord. Jemand muss das Raumschiff vorsätzlich sabotieren! Aber es kommt noch schlimmer: Ein Crewmitglied wird tot aufgefunden. Die Besatzung muss dringend herausfinden, wer hinter den dunklen Machenschaften steckt, bevor es zu spät ist – denn es gibt kein Entkommen …  Ein aufregender Actionroman auf Basis der Gaming-Sensation Among Us. Das spannende Krimiabenteuer für Mädchen und Jungen ab 12 Jahren mit vielen tollen ganzseitigen Illustrationen. Für Fans von fesselnden Krimis und für Gamer!

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Inhalt

TEIL 1

Kapitel 1 – Verflixt, jetzt habe …

Kapitel 2 – Zeit für Fragen …

Kapitel 3 – Am nächsten Morgen …

Kapitel 4 – Ein paar Tage …

Kapitel 5 – NIEMAND WIRD VON BORD GEWIESEN

Kapitel 6 – Nachdem wir unsere …

Kapitel 7 – »Wusstet ihr, was …

TEIL 2

Kapitel 8 – Nach Henrys Rauswurf …

Kapitel 9 – Ich schleppe meine …

Kapitel 10 – Ich verlasse die …

Kapitel 11 – Zur großen Erleichterung …

Kapitel 12 – In der Cafeteria …

Kapitel 13 – ERGEBNIS WIRD BERECHNET

TEIL 3

Kapitel 14 – Es dauert nur …

Kapitel 15 – Als ich am …

Kapitel 16 – »Es handelt sich …

Kapitel 17 – Ein paar Minuten …

Kapitel 18 – Ich muss die …

Kapitel 19 – NIEMAND WIRD VON BORD GEWIESEN

Kapitel 20 – Alice und Flavius …

Über die Autorin und den Illustrator

Weitere Infos

Impressum

TEIL 1

Kapitel 1

Verflixt, jetzt habe ich mich schon wieder verirrt. Ich tippe die Karte auf dem Touchscreen meines Helms an. Es dauert keine Sekunde und sie öffnet sich direkt auf dem Visier. Das Raumschiff ist das reinste Labyrinth! Ich wüsste nur zu gern, auf wessen Mist der Grundriss gewachsen ist. Mit den Qualitätsansprüchen, die man sich bei Mira, dem Konzern, für den ich arbeite, auf die Fahnen schreibt, hat die Raumaufteilung jedenfalls nichts zu tun. Die Skeld wirkt, als hätte jemand irgendwo ein marodes Schiff aufgetrieben und notdürftig zusammengeflickt, sodass es halbwegs hinnehmbar aussieht und man wieder damit fliegen kann. Aber im Ernst? Das Konzept ist mangelhaft. Die Betten zum Beispiel befinden sich in Röhren, die wiederum in dem Gang in die Wand eingelassen wurden, der von der Cafeteria zum oberen Motor führt. Wer denkt sich so was aus? Niemand schläft gut zwischen Maschinengedröhne und Kantinendüften. Außerdem wirken selbst die Pritschen auf der Krankenstation bequemer als diese Kapseln, in die man sich acht Stunden am Tag verkriechen soll. Man meint, der Architekt hätte die Kajüten vergessen und dann schnell noch irgendwo Schlafgelegenheiten hingequetscht. Na ja. Ich werde mich schon noch daran gewöhnen.

Bis es endlich so weit ist, drehe ich hier jedenfalls die x-te unnötige Ehrenrunde. Eigentlich soll ich in den Frachtraum, aber stattdessen lande ich unversehens auf der Brücke. Die übrigens seltsam leer ist. Hat Janelle nicht heute Nachmittag hier zu tun? Gerade, als ich mich zum Gehen wende, stoße ich beinahe mit ihr zusammen. Das schrille Pink ihres Raumanzugs tut jedes Mal in den Augen weh. Ich weiche unwillkürlich zurück.

»Violet! Wow, hast du mir einen Schrecken eingejagt! Was tust du hier? Ich dachte, du wärst im Frachtraum«, stößt sie ein wenig atemlos hervor.

»Ja, ich auch.«

»Hä, was? Wie meinst du das?«

»Ich dachte auch, ich wäre im Frachtraum. Ich habe mich schon wieder verlaufen.«

Mein Humor ist leicht fragwürdig und ich weiß, dass Janelle nicht viel für meine Witze übrighat. Sie zwingt sich trotzdem zu einem Lachen.

»V, du bist jetzt seit drei Wochen an Bord. So allmählich solltest du es mal lernen. Die Ausrede wird nämlich langsam alt, mein Herr.«

Sie schiebt ihren Worten ein Augenzwinkern hinterher und tritt aus der Tür, um mich vorbeizulassen. Ich wende mich nach rechts. Der Karte zufolge ist dieser Weg zurück der schnellste. Aber nach nur wenigen Metern ertönt in meinem Rücken noch einmal Janelles Stimme.

»Ähm, wohin willst du?« Sie klingt nervös.

»Ich kürze durch die Cafeteria ab, das ist der einfachste Weg, um …«

»Durch die Cafeteria? Nein! Ich, äh, muss im Funkraum was überprüfen. Sollen wir zusammen gehen?«

Was hat sie bloß? Sie verhält sich eigenartig. Wäre sie nicht lesbisch und liiert, dann würde ich darauf wetten, dass sie mich gerade anbaggert. Sie redet, ohne mich anzuschauen, und weicht meinen Blicken aus. Widerstrebend willige ich in ihren Vorschlag ein. Ich habe schon genug Zeit verloren. Allerdings ist meine Neugier geweckt und während wir nebeneinander den Gang entlanglaufen, frage ich sie: »Was willst du denn im Funkraum?«

»Ich muss was herunterladen«, erwidert sie ein wenig zu schnell.

»Schon wieder? Das hast du doch erst heute Morgen gemacht.«

»Stimmt, aber ich war noch nicht fertig. Ich, äh, wurde unterbrochen.«

Ihre Geschichte ergibt keinen Sinn …

»Von Livia«, fügt sie hinzu. Sie schreit es fast.

Ah. Mehr will ich gar nicht wissen. Wirklich nicht. Was auch immer diese »Unterbrechung« beinhaltet haben mag, ich hoffe, die beiden waren dabei diskret genug, um es nicht vor laufender Überwachungskamera zu tun …

Vor dem Funkraum trennen sich unsere Wege. Janelle setzt sich vor einen der Bildschirme. Vom Gang aus kann ich nicht ausmachen, ob sie wirklich etwas herunterlädt. Als sie sich umdreht, um zu schauen, ob ich noch da bin, beeile ich mich, meinen Weg fortzusetzen. Sie soll nicht bemerken, dass ich sie beobachtet habe. Ich würde gerne noch im Gang herumlungern, denn ich wette, sie hat gelogen und verlässt den Funkraum wieder, sobald ich um die Ecke gebogen bin. Aber ich bin mit meinen Tagesaufgaben auch so schon weit genug in Verzug geraten, also lasse ich es gut sein. Hoffentlich ergibt sich später eine Chance, Licht in die Angelegenheit zu bringen.

Im Frachtraum treffe ich auf Flavius, der mitten im Raum steht und Löcher in die Luft starrt. Sein gelber Raumanzug ist ausnahmsweise blitzsauber. An den Helm hat er wie immer eine rosa Plastikblume geklemmt. Er zuckt zusammen, als er mich bemerkt. Bin ich echt so Furcht einflößend? Ich frage mich, was er hier treibt. Warum steht er untätig herum? Es ist schon das dritte Mal, dass ich ihn in diesem Bereich des Raumschiffs sehe. Ich weiß, dass er neu ist. Er hat seine Ausbildung im Mira-Hauptquartier beendet und das hier ist seine allererste Mission. Trotzdem. Ich finde, er verhält sich seltsam.

»Bist du mit deinen Aufgaben fertig?«, frage ich unschuldig.

»Ja. Das heißt, fast. Ich muss nur noch was in der Verwaltung erledigen. Da … gehe ich jetzt mal hin. Bis später dann, Violet!«

»Sag ruhig V zu mir. So nennen mich hier alle.«

»Ah, okay. Dann also bis später, V.«

Und schon ist er weg, die Hände in den Hosentaschen, ohne auch nur irgendetwas angefasst zu haben. Warum verhalten sich heute alle so komisch? Erst Janelle, jetzt Flavius … Was ist da los? Ich werde nachher mal mit Doc darüber sprechen, wenn ich Feierabend habe. Für Klatsch und Tratsch hat sie immer ein offenes Ohr.

Bis dahin versuche ich mich mit Arbeit abzulenken. Ich habe für heute fast alles erledigt. Als Letztes widme ich mich dem Frachtraum, denn das ist eine der Aufgaben, die ich am meisten hasse. Es dauert ewig und macht einfach keinen Spaß. Ich muss Treibstoff in den Motoren nachfüllen und davor graust es mir. Selbst durch den dicken Raumanzug spüre ich, wie klebrig und glitschig das Zeug ist. Ich mag unsere Anzüge, sie sehen gut aus und lassen einem viel Bewegungsfreiheit, aber die Handschuhe könnten besser sein. Für manche Aufgaben sind sie schlicht und ergreifend ungeeignet und diese hier ist eine davon. Wer– so wie ich – große Hände hat, für den ist der Griff am Treibstoffkanister mit Handschuhen nämlich viel zu eng. Ich muss das riesige Ding mit beiden Armen umfassen, aufpassen, dass es mir nicht abrutscht, und es wie ein watschelnder Pinguin zu einem der beiden Motoren schleppen, in meinem Fall zum unteren. Jetzt kommt der schwierigste Teil: Ich muss die Treibstoffwanne auffüllen und den glitschigen Kanister dabei genau im richtigen Winkel ansetzen, ohne dass er mir entgleitet. Das kann eigentlich nur schiefgehen. Aber was will ich machen? Ich greife den Kanister diagonal, eine Hand oben, eine unten. Erfahrungsgemäß halte ich ihn so am sichersten. Ich nähere mich mit der Tülle der Eingießöffnung und … oh nein! Ich habe vergessen, sie aufzumachen. Vorsichtig stelle ich den Behälter noch einmal ab, halte meinen Handschuh an den elektronischen Erkennungsmechanismus und die kleine Klappe öffnet sich. Jetzt aber! Ich hieve den Kanister hoch und lasse die Flüssigkeit in den Motor gluckern. Je leerer er wird, umso spitzwinkliger kippe ich ihn. Ich muss so lange in dieser Position verharren, bis der Kraftstoffanzeiger meldet, dass die Arbeit getan ist. Mein Ächzen hallt durch den Raum.

Ich bin ungefähr bei der Hälfte angekommen, als ein unangenehm schrilles Piepen ertönt. Vor Schreck fahre ich zusammen – und lasse den Kanister los, der polternd zu Boden fällt. Schwarzer Treibstoff ergießt sich über meine Füße.

»Scheibenkleister.«

Was soll der Unfug? Das regelmäßige, durchdringende Piepen geht weiter. Im selben Takt blinken überall rote Lämpchen. Oh. Jetzt weiß ich wieder. Das ist der Alarm, der die Crew in Notfällen zusammentrommeln soll. Damit ist nicht zu spaßen. Jetzt muss ich die Pfütze erst mal Pfütze sein lassen. Ich war schon bei mehreren Einsätzen im Weltraum dabei, aber diesen Alarm habe ich noch nie gehört. Panik steigt in mir auf. Was ist passiert? Ist das Schiff in Gefahr? Ich bin mit meinen nicht mal zwanzig Jahren viel zu jung, um zu sterben! Mein Herz schlägt so laut, als wolle es zerspringen. Okay, ich putze hier später. Ich zögere nicht länger, sondern düse in Richtung Cafeteria. Dort ist nämlich der Sammelpunkt bei Notfällen. Eine Premiere für mich – auch wenn ich mir was Schöneres vorstellen könnte …

Auf dem Gang in Richtung Cafeteria begegnet mir niemand. Seltsam. Sind etwa alle schon drin? Ich beschleunige meine Schritte zu einem Sprint. Die Tür zur Cafeteria ist zu. Ich halte kurz inne, um zu verschnaufen und mich zu besinnen. Was erwartet mich hinter dieser Tür?

Nichts. Jedenfalls erst mal nichts. Das hier ist überhaupt nicht die Tür zur Cafeteria! In all der Hektik bin ich schon wieder falsch abgebogen – und stehe jetzt im Funkraum. Janelle ist natürlich nicht mehr da, wenn sie überhaupt länger als ein paar Sekunden geblieben ist. Ich vermute ja immer noch, dass sie mich angelogen hat. In meinem lilafarbenen Raumanzug gerate ich allmählich so richtig ins Schwitzen. Wenn ich mich nicht beeile, dann krepiere ich hier – und zwar mutterseelenallein! Ich tippe den Touchscreen meines Helms an, um mir auf dem Visier die Karte anzeigen zu lassen. Das Problem ist nur: An meinen Handschuhen klebt Sprit. Die Finger glitschen über die Scheibe. Binnen Sekunden ist alles voller schwarzer Schmiere. Vor meinen Augen öffnen sich all meine Dokumente, nur eben nicht das, was ich brauche. Als die Karte nach einer gefühlten Ewigkeit endlich aufleuchtet, entfährt mir vor Erleichterung ein Seufzer. Die Freude hält allerdings nicht lange an. Ich weiß jetzt zwar, in welche Richtung ich muss, aber mein Visier ist derart verschmiert, dass ich keine dreißig Zentimeter weit sehen kann. Wie soll ich damit die Tür finden, geschweige denn den richtigen Korridor? Ich will das Visier hochklappen, um wieder den Durchblick zu bekommen, bremse mich aber im letzten Moment. Was, wenn der Alarm ausgelöst wurde, weil mit der Atemluft im Raumschiff etwas nicht stimmt? Was, wenn der Sauerstoff ausgegangen oder, schlimmer noch, ein giftiges Gas ausgetreten ist? Das wäre der denkbar bescheuertste Tod. Nicht umsonst lernt man schließlich schon als Kind Lektion Nummer eins: Bei Gefahr oder Alarm klappt man auf keinen Fall sein Visier hoch, zieht den Helm vom Kopf oder die Sauerstoffflasche vom Rücken.

Mein Herz schlägt wie wild. Wenn es so weitermacht, büxt es noch aus und fliegt davon. Ich taste mich zitternd vorwärts – da ist der Ausgang! Ich wende mich nach links und manövriere mich an der Wand entlang. Jetzt muss ich eigentlich nur noch zurück bis zum Frachtraum und dann weiter geradeaus – ein Kinderspiel! Trotz eingeschränkter Sicht kann ich jetzt bestimmt auch rennen.

Haha, denkste! Kaum im Frachtraum angekommen, macht mein Knie eine unerfreuliche Begegnung mit einer großen Metallkiste und es haut mich hin. Sollte ich hier je lebend wieder rauskommen, muss ich unbedingt ein Memo für die Crew hinterlassen: Dringend aufräumen!

Ich rappele mich mühsam auf. Das penetrante Piepen durchbohrt mein Trommelfell und von dem Blinken, das durch die ölige Schicht gedimmt durch mein Visier fällt, wird mir ganz schwindelig. Oh bitte, mach, dass es aufhört und ich nicht jämmerlich sterbe! Irgendwie– wie genau, weiß ich auch nicht – schaffe ich es in den richtigen Korridor. Jetzt steht mir nichts mehr im Weg. Ich sprinte los – schließlich hängt mein Leben davon ab! Gleichzeitig brülle ich in einer Lautstärke, dass mir die Lungen bersten wollen: »Wo seid ihr? Hallo? Ist da jemand?«

Meine Stimme hallt seltsam verzerrt über meine Kopfhörer wider. Ansonsten ist da nichts – nur Rauschen. Seitdem der Alarm losgegangen ist, bin ich niemandem begegnet. Wo sind denn alle? Haben sie sich schon in Sicherheit gebracht? Gibt es für Fälle wie diesen irgendeine Verhaltensregel, die ich vergessen habe? Werde ich hier sterben, allein und mit Schmieröl bekleckert? Ich bereite mich mental darauf vor, dass mein letztes Stündlein geschlagen hat.

Als ich endlich die Cafeteria betrete, sind tatsächlich schon fast alle da. Ich sehe Doc, die Stark-Lius, Flavius, JC, Janelle und ihre Freundin. Alle Blicke richten sich auf mich. Die Mienen sind ernst. Was mag nur vorgefallen sein?

Kapitel 2

Zeit für Fragen bleibt mir keine, denn jetzt geht in der Cafeteria ohne Vorwarnung das Licht aus. Mein Herz setzt für ein paar Schläge aus. Das auch noch? Gerade als ich geglaubt hatte, das Schlimmste läge hinter mir! Mein Leben zieht vor meinen inneren Augen vorbei. Alles, was ich erlebt, alles, was ich versäumt habe … Heute ist wirklich kein guter Tag, um zu sterben!

Ich höre, wie die anderen sich durch den Raum bewegen. Schritte. Gegenstände, die über den Boden gerückt werden. Dann JCs Stimme – er ist unser mehr oder weniger selbst ernannter Chef: »V, wir brauchen Strom! Schnell!«

Strom, Strom! Sehr witzig. Ein paar Sekunden verharre ich wie festgefroren und als ich mich endlich in Bewegung setze, stoße ich mich an allem Möglichen, unter anderem an der Wand. Dieses verflixte Raumschiff! Aus der Ferne spöttelt JC: »Na komm, V, du bist doch kein blutiger Anfänger mehr. Wie ein Sicherungskasten funktioniert, weißt du, oder?«

Natürlich weiß ich das. Ich weiß auch, wie er aussieht. Aber im Dunkeln in diesem Labyrinth von einem Raumschiff, auf dem ich mich immer noch nicht auskenne, gestaltet sich die Sache zwangsläufig etwas schwierig. Ich muss mich beherrschen, um nicht sauer zu werden. Aber bestimmt wartet JC auf nichts anderes, damit er mir eins auswischen kann. Also hole ich tief Luft und konzentriere mich auf die Suche.

»Links von dir, glaube ich.« Ein leises, aber deutlich vernehmbares Murmeln. Das ist Docs Stimme. Sie ist immer zur Stelle, wenn ich mal Hilfe brauche. Ich folge ihrem Rat und voilà, da ist der Sicherungskasten. Der Hauptschalter klemmt und ich muss ein wenig Gewalt anwenden, aber dann kippt er endlich. Ein Klacken ertönt, der Strom geht wieder an – und es ward Licht. Ich grinse über beide Ohren und finde, ich kann stolz auf mich sein.

Als ich mich umdrehe, steht die Crew hinter einem der Kantinentische. Durch mein klebriges Visier erkenne ich, dass die Mehrzahl von ihnen bunte, lächerlich aussehende Hütchen aufgesetzt hat. Neben JCs schwarzem Raumanzug entdecke ich Ballons in allen Farben. Auf der Tischdecke stehen Getränke. Was soll dieser Hokusp…

»Alles Gute zum Geburtstag, lieber V!«, erschallt es im Chor.

Ich schwankte zwischen Freude und blanker Wut. Einerseits bin ich hin und weg, dass meine Kollegen an mich gedacht und mir sogar eine kleine Überraschung vorbereitet haben. Andererseits könnte ich sie allesamt erwürgen. »Der ganze Stress DAFÜR?«, möchte ich schreien. Weil mir aber sehr wohl bewusst ist, dass mir diese Reaktion nichts als Scherereien bringen würde, entscheide ich mich für die sanftmütigere Variante.

»Wow … Danke. Wenn ich das geahnt hätte!«, bringe ich schließlich hervor.

In Wahrheit fühle ich mich beschämt. Wenn meine Kollegen wüssten, was mir alles durch den Kopf geschossen ist! Immerhin war ich bis vor fünf Minuten davon überzeugt, Aliens hätten die Kontrolle über das Schiff übernommen oder einer von uns hätte einen Rappel gekriegt und würde mit einer Axt auf die anderen losgehen. Etwas Katastrophales in dieser Größenordnung jedenfalls. Zum Glück kann ich meine verworrenen Theorien für immer in den Tiefen meiner Hirnwindungen verschwinden lassen, dort, wo sie niemand findet.

»Habe ich es nicht gesagt?«, kommentiert JC. »Er sieht nicht gerade beglückt aus.«

»Doch, doch. Ich freue mich. Wirklich.«

»Echt?«, fragt Flavius. »Es wirkt aber nicht so.«

»Doch, na klar. Es ist nur …«

»Wir haben dir ganz schön Angst eingejagt, was?«, grinst Janelle.

»Kein bisschen!«, kommt meine Antwort wie aus der Pistole geschossen – viel zu schnell, als dass mir irgendjemand glauben würde.

»Du kannst es ruhig zugeben, V. Ich habe genau gesehen, wie mulmig dir zumute war, als wir uns auf der Brücke begegnet sind.«

»Als du mich im Frachtraum gesehen hast, warst du auch misstrauisch«, fügt Flavius hinzu.

»Mann!« Jetzt werde ich doch laut. »Ist heute mein Geburtstag oder wollt ihr mir hier den Prozess machen?«

So bin ich. Wenn ich mich gehänselt fühle, gehe ich an die Decke. Das ist mit Sicherheit eine meiner größten Schwächen. Ich arbeite dran, okay? Aber es ist nicht immer ganz leicht, sich seinem Naturell zu widersetzen.

»Jetzt essen wir erst mal den Kuchen, ehe die Glasur noch völlig schmilzt«, unterbricht uns Doc.

Ein Glück gibt es Doc. Ich weiß gar nicht, wie ich die Jahre überlebt habe, in denen wir uns aus den Augen verloren hatten. Es hat mir wahnsinnig gefehlt, jemanden zu kennen, auf den ich mich zu hundert Prozent verlassen kann.

Janelle schneidet den riesigen Kuchen an (er wird uns garantiert tagelang reichen) und Henry, der Älteste von uns, macht sich in seinem blütenweißen Raumanzug daran, die Stücke auf Teller zu stürzen und an uns zu verteilen.

Mein Puls nähert sich allmählich wieder einer gesunden Frequenz an. Es wäre in meinem eigenen Interesse, wenn Situationen wie eben nicht allzu häufig vorkämen. Ich weiß nämlich nicht, ob mein Herz das auf Dauer verkraften würde. Ich bin von Natur aus ein ängstlicher Mensch. Überraschungen und unvorhergesehene Zwischenfälle stressen mich. Ich vermeide sie, wo ich nur kann. Genau deshalb habe ich auf einem Patrouillenschiff angeheuert. Bei diesem Job passiert nichts Aufregendes. Alles ist Routine. Ich erfülle jeden Tag meine Aufgaben und lebe in aller Ruhe mein Leben, ganz einfach. Klar, wenn man sich ein Raumschiff mit der dazugehörigen Crew teilt, dann birgt das Potenzial für Reibereien. Ganz zu vermeiden ist das wohl nie. Es sei denn, man lebt allein wie ein Einsiedler, wozu ich mich dann doch wieder nicht in der Lage fühle. Im Leben muss man Kompromisse schließen, stimmt’s?

»Sorry. Esch war meine Idee.« Doc setzt sich neben mich, die Backen voller Kuchen. Sie hat das Visier ihres braunen Raumanzugs hochgeklappt, während sie isst. Meines ist, wie mir dabei auffällt, noch immer geschlossen und verschmiert. Dieser blöde Alarm!

»Hm?«, mache ich schließlich.

»Die Überraschung. Entschuldige. Es war meine Schuld. Ich dachte, du freust dich«, sagt sie zwischen zwei Bissen.

»Ach, mach dir bitte keinen Kopf. Das ist total lieb von euch, wirklich. Es ist bloß …« Ich breche mitten im Satz ab.

Dann seufze ich. »Ich bin es einfach nicht gewohnt.«

»Oh. Hattest du keine Geburtstagsfeier mehr, seit …?«

Ich nicke.

»Es tut mir echt leid. Ich wollte keine hässlichen Erinnerungen wecken.«

»Schon okay, Doc, ehrlich. In Wirklichkeit tut es sogar gut, sich wieder auf die schönen Dinge einzulassen, glaube ich. Und selbst damals haben wir meinen Geburtstag eigentlich nie gefeiert. Sie waren ja kaum da.«

Doc legt ihren Löffel auf den Teller und dann ihren linken Arm um mich. Ich lächle unter meinem Helm, um nicht zu weinen. Mit dem verdreckten Visier könnte ich zwar unbemerkt ein paar Tränen vergießen, aber ein kleiner Rest an Selbstachtung bleibt mir noch. Doc drückt mich beinahe unmerklich noch etwas fester an sich. Ich glaube, in gewisser Weise fühlt sie sich schuldig. Schuldig, weil sie in den schweren Jahren nicht für mich da war. Sie konnte es ja nicht wissen …

Ich erinnere mich an ihr Gesicht, als ich es ihr ein paar Tage nach unserem großen Wiedersehen an Bord des Raumschiffs gesagt habe. Zuerst war sie ganz aus dem Häuschen, wollte mir unbedingt alles erzählen, von ihrem Biomedizinstudium, von ihrem erfolgreichen Abschluss, was ihre Eltern inzwischen machen … Als sie mich dann schließlich fragte: »Und du?«, da ist etwas in mir kaputtgegangen. Ich? Tja, mich hat man von Onkel zu Tante zu entfernten Bekannten weitergereicht, nachdem meine Väter bei einer Mission ums Leben gekommen sind. Diese Information habe ich ihr vor den Latz geknallt, einfach so, ohne Warnung oder Vorrede. Selbst nach all den Jahren weiß ich nie so recht, wie ich das Thema anschneiden soll. »Hallo, ich bin seit acht Jahren Waise«, das eignet sich als Aufhänger für ein Gespräch nur so mittelprächtig. Ich bin nicht gut darin, die Story spannend aufzubereiten oder mich gestelzt auszudrücken.

Doc stand der Schock ins Gesicht geschrieben, das habe ich selbst durch den Helm erkannt. Sie war wie erstarrt. Ihr fehlten die Worte. Das letzte Mal, als sie mich gesehen hatte, war ich der gewitzte elfjährige Nachbarsjunge, der ihr überall hinterherlief und für sie wie ein kleiner Bruder war. Sie kannte meine Väter damals gut. Na ja, sofern man sie gut kennen konnte – sie waren mal länger, mal kürzer, mal öfter, mal seltener weg.

Docs Fassungslosigkeit war bei unserem Wiedersehen trotzdem nur von kurzer Dauer. Sie hatte sich schnell wieder im Griff. Und seitdem sind wir Freunde, wie damals. Als wäre nichts gewesen, als hätten wir uns nie aus den Augen verloren, als wären keine acht Jahre vergangen.

Unser Schweigen, merke ich, ist auf einmal bleiern. Ich muss was sagen, um die Stimmung aufzulockern.

Ich versuche es mit: »Deiner Meinung nach muss man für eine gelungene Geburtstagsüberraschung also das Raumschiff sabotieren und den Alarm auslösen?«

Doc lässt den Arm sinken. »Nicht unbedingt. Ich wollte dir einfach nur eine Überraschung organisieren. Also habe ich bei den anderen nachgefragt und auch gleich ein paar willige Komplizen gefunden.«

»Flavius und Janelle?«

»Unter anderem. Es waren alle eingeweiht. Aber Janelle hat unser kleines Projekt erst so richtig in Gang gebracht.«

»Ich kann kaum glauben, dass JC euch das hat machen lassen«, sage ich matt.

»Dir ist schon klar, dass JC nicht wirklich unser Chef ist, oder? Er hat nur einfach die meiste Erfahrung. Aber vertraglich stehen wir alle auf derselben Stufe. Wir haben auf demokratischem Wege entschieden und eine überwältigende Mehrheit war dafür, unserem lieben V eine Geburtstagsüberraschung zu organisieren.«