Androiden 1: Totenozean - Kai Hirdt - E-Book

Androiden 1: Totenozean E-Book

Kai Hirdt

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Beschreibung

Wir schreiben das Jahr 2083 der Neuen Galaktischen Zeitrechnung, mehr als dreitausendsechshundert Jahre in der Zukunft. Seit elf Jahren leben die Bewohner der Milchstraße in einer Phase relativer Ruhe. Zwischen den Sternenreichen herrscht Frieden – doch unter der Oberfläche brodeln die Konflikte weiter ... Das zeigt sich, als die Föderation Normon zu zerbrechen droht. Der demokratische Planetenbund, der vor Jahrtausenden von Menschen begründet worden ist, scheint ins Chaos abzurutschen. Perry Rhodan und der Mausbiber Gucky brechen auf, um zwischen den verfeindeten Teilen der Republik zu vermitteln. Sie wollen die Gegner wieder an den Tisch bringen. Es ist eine heikle Mission, gut 15.000 Lichtjahre von der Erde entfernt. Mitten in ihren diplomatischen Bemühungen erreicht sie ein Notruf. Dieser führt sie zum Planeten Chentap – und tief hinein in den TOTENOZEAN ...

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Nr. 1

Totenozean

Am Rand der Liga Freier Galaktiker – Roboter attackieren eine friedliche Welt

Kai Hirdt

Cover

Vorspann

Die Hauptpersonen des Romans

Prolog: Perry Rhodan und Gucky

1. Drei Wochen zuvor auf Chentap

2.

3.

4.

5.

6.

7.

8.

9.

Epilog: Perry Rhodan und Gucky

Impressum

Wir schreiben das Jahr 2083 der Neuen Galaktischen Zeitrechnung, mehr als dreitausendsechshundert Jahre in der Zukunft. Seit elf Jahren leben die Bewohner der Milchstraße in einer Phase relativer Ruhe. Zwischen den Sternenreichen herrscht Frieden – doch unter der Oberfläche brodeln die Konflikte weiter ...

Das zeigt sich, als die Föderation Normon zu zerbrechen droht. Der demokratische Planetenbund, der vor Jahrtausenden von Menschen begründet worden ist, scheint ins Chaos abzurutschen. Perry Rhodan und der Mausbiber Gucky brechen auf, um zwischen den verfeindeten Teilen der Republik zu vermitteln.

Sie wollen die Gegner wieder an den Tisch bringen. Es ist eine heikle Mission, gut 15.000 Lichtjahre von der Erde entfernt.

Mitten in ihren diplomatischen Bemühungen erreicht sie ein Notruf. Dieser führt sie zum Planeten Chentap – und tief hinein in den TOTENOZEAN ...

Die Hauptpersonen des Romans

Perry Rhodan – Der Terraner empfängt einen Notruf, den es offiziell nicht gibt.

Gucky – Der Mausbiber erfährt von Geschehnissen, die es offiziell nicht gab.

Marlynn Kane – Die Biologin ist auf einer Expedition, die offiziell so nie stattgefunden hat.

Kor Chappal

Prolog

Perry Rhodan und Gucky

Perry Rhodan ächzte.

»Du klingst wie ein alter Mann«, feixte Gucky. Der gut einen Meter große Außerirdische aus dem Volk der Ilts ließ seinen beeindruckenden Nagezahn aufblitzen.

»Ich bin ein alter Mann«, erwiderte Rhodan. Gut 3700 Erdjahre waren seit seiner Geburt vergangen. Das eine oder andere Jahrhundert dabei hatte er durch Zeitreisen, Stasisaufenthalte und derlei mehr gewonnen oder verloren, sodass er selbst nicht mehr sagen konnte, wie alt genau er eigentlich war.

Nach den ersten ein-, zweitausend Jahren war das sowieso nicht mehr so wichtig.

Es war außerdem weniger der Lauf der Zeit, der auf ihm lastete. Er war immer noch so fit wie mit 39, als er unsterblich geworden war. Es waren die diplomatischen Gespräche, die er auf dieser Reise in die Föderation Normon zu führen hatte. Die Föderation hatte sich nach mehr als 700 Jahren Ruhe ziemlich aus heiterem Himmel aufgespalten, und beide Teile beanspruchten als vermeintliche Rechtsnachfolger den Platz in der Liga Freier Galaktiker.

Rhodan bereiste das Gebiet, um die Anführer beider Seiten daran zu erinnern, dass Menschen durch Verständnis und Kooperation gewannen, nicht durch betonköpfiges Beharren auf Maximalforderungen. Bislang allerdings ohne Erfolg.

»Hier ist was, um dich abzulenken«, sagte Gucky. »Hast du die Nachricht gesehen?«

»Welche Nachricht?« Rhodan tippte auf die Arbeitsstation und rief die vier Dutzend Hochprioritätsanfragen auf, die während der letzten zweieinhalb Stunden bei ihm eingegangen waren. Die Künstliche Intelligenz hatte sie thematisch vorsortiert.

Eine stach heraus: ein Hilferuf. »Was zum ...«

Es war keine Holo- oder Audioaufzeichnung, sondern nur eine kurze Textzeile: Chentap. Lebensgefahr. Sie greifen an! Absender war laut der automatischen Kennung eine gewisse Lilja Ryksdottir.

»Sagt dir der Name was?«, fragte Rhodan.

»Nicht das Geringste«, antwortete Gucky. »Wer oder was ist Chentap?«

»Keinen Schimmer.«

Rhodan ließ die Nachricht genauer analysieren. Es war eine Hyperfunkbotschaft, die von außerhalb des Systems gesendet worden war, und nicht spezifisch an ihn und Gucky gerichtet, sondern an jeden Empfänger in Reichweite. Allerdings war sie – anders als bei Notrufen üblich – codiert, sodass außerhalb der terranischen Flotte oder des diplomatischen Dienstes niemand etwas damit anfangen konnte.

Rhodan und Gucky wechselten Blicke. »Dann mal los!«, sagte der Ilt.

Rhodan hielt sich nicht mit komplizierten Recherchen auf, sondern kontaktierte direkt den Terranischen Liga-Dienst. Es gab nicht viel, was der Geheimdienst der Liga Freier Galaktiker nicht wusste. Zwei Namen und ein Codierungsverfahren waren für die Agenten mehr als genug, um eine Untersuchung zu beginnen.

Im Holo erschien Aurelia Binas bevorzugtes Aussehen. Die Stellvertretende Direktorin des TLD präsentierte ein schmales, hübsches Gesicht, ernst, mit dunklen Augen und umrahmt von goldblondem Haar. »Perry«, sagte die positronisch-semitronische Entität. »Ich dachte, du steckst in Verhandlungen.«

»Es läuft schleppend«, sagte Rhodan. »Beide Seiten wollen alles haben und nichts geben, und sie tun sich schwer damit, zu verstehen, dass das wenig zielführend ist. Aber deswegen melde ich mich nicht.«

»Sondern?« Bina zeigte eine so natürlich wirkende interessierte Miene, dass niemand auf die Idee gekommen wäre, dass sie eine hoch entwickelte Maschine war und kein Mensch; ein Roboter, der seine biologischen Hüllen wechseln konnte wie Rhodan seine Kleidung.

»Ein Notruf. Ich leite ihn weiter.« Rhodan nahm die entsprechende Schaltung vor, und in der Dauer eines Wimpernschlags überwand die Nachricht über mehrere Hyperfunkrelais die knapp 15.000 Lichtjahre zur Erde.

»Im Wesentlichen: Flottencode, zwei Namen: Lilja Ryksdottir und Chentap. Habt ihr etwas dazu?«

»Moment, ich schaue nach.« Irritierenderweise bewegte Bina sich dabei nicht, sondern starrte lediglich für einen Sekundenbruchteil ins Leere. In dieser Zeit, wusste Rhodan, hatte sie sich drahtlos mit sämtlichen relevanten Datenbanken des TLD verbunden und Abermilliarden von Datensätzen gefiltert.

»Der Code ist der Explorerflotte zugeordnet«, berichtete sie. »Sonst nichts Ungewöhnliches daran, keine Kennung, die auf ein bestimmtes Schiff verweist. Zum Wort Chentap habe ich nichts. Lilja Ryksdottirs habe ich zwei. Eine lag viele Jahre in einem terranischen Krankenhaus. Sie wurde bei einem Unfall schwer verletzt und ist seitdem körperlich versehrt und komatös. Sie wurde verlegt, ohne je das Bewusstsein wiederzuerlangen, aber ich weiß nicht, wohin. Die andere ist Xenologin auf dem Explorerschiff MUNGO PARK.«

Gucky grinste. »Ich wage zu tippen, welche von den beiden unsere ist.«

»Ich auch«, sagte Rhodan. Er erinnerte sich an den Tag, als er die Explorerflotte ins Leben gerufen hatte. Etwas mehr als dreieinhalbtausend Jahre war das her. In ihren Glanztagen waren mehr als 10.000 Schiffe rund um die Uhr damit beschäftigt gewesen, unbekannte Regionen der Milchstraße zu erforschen. Unzählige Wunder des Kosmos hatten die Einheiten ans Licht gebracht.

Inzwischen war die Flotte zwar kleiner, aber ihre Aufgabe blieb dieselbe. »Wo ist die MUNGO PARK unterwegs?«

»Nicht weit von euch«, antwortete Bina. »Sie untersucht ein System knapp außerhalb der Föderation Normon, etwa vierhundert Lichtjahre von euch entfernt.«

»Routineexpedition oder aus konkretem Anlass?«

Wieder starrte Bina kurz ins Leere. Der Moment war so schnell vorbei, dass die meisten Beobachter es nicht einmal bemerkt hätten. »Aus dieser Raumregion wurde ein sechsdimensionaler Impuls unbekannter Quelle angemessen. Die MUNGO PARK sucht nach dem Ausgangspunkt.«

»Wir kontaktieren das Schiff. Danke!«

»Ich schicke euch die Informationen zum Kommandanten. Viel Erfolg!«

Der Datensatz kam an, und die Verbindung endete.

Rhodan sah Gucky an und hob eine Augenbraue. »Warum, alter Freund, grinst du so hämisch?«

Der Ilt bemühte sich erfolglos um eine Unschuldsmiene. »Tue ich nicht. Natürlich ist ein Notruf, vielleicht eine Leben-und-Tod-Frage, erheblich wichtiger als die Vermittlung zwischen zwei bockigen Geschwisterkindern.«

»Das will ich wohl meinen.«

»Und wenn ich telepathisch eine gewisse Erleichterung verspüre, dass dir eine weitere Runde erst mal erspart bleibt, ist das sicher nur Einbildung.«

»Genau das.« Rhodan aktivierte eine Verbindung zur EX-3776, Eigenname MUNGO PARK.

Das Signal ging mit seiner individuellen Kennung hinaus. Entsprechend nahm der Kommandant des Schiffs, ein Epsaler namens Alpu Zeniq, es ohne Umschweife persönlich entgegen. »Perry Rhodan!« Epsaler hatten normalerweise eine phänomenale Reaktionsgeschwindigkeit. Dieser nicht. Weit aufgerissene Augen verrieten die Verblüffung des Mannes. »Welche Überraschung!«

Wie die meisten Bewohner der terranischen Kolonie Epsal war er aus Rhodans Sicht nur brustgroß, dafür genauso breit gebaut und unfassbar muskulös. Sein eingeschüchterter Blick wollte nicht recht zur Anmutung eines Kraftpakets passen.

Rhodan prüfte, welche Bordzeit wohl gerade auf der PARK herrschte, und wünschte einen Guten Morgen.

»Was verschafft mir die unerwartete Ehre?«, fragte Zeniq.

»Wir haben einen etwas kryptischen Notruf von einem Explorerschiff erhalten, von einer Lilja Ryksdottir. Ich glaube, das ist eines deiner Besatzungsmitglieder?«

»Lilja?« Wenn überhaupt möglich, weiteten sich die Augen des Captains noch. »Wieso ... Was steht denn in der Nachricht?«

»Du weißt nichts davon?«

»Nein.«

»Nur Chentap. Lebensgefahr. Sie greifen an! Sagt dir das etwas?«

Zeniq dachte nach. »Ihr könnt damit nichts anfangen?«

»Uh-oh«, sagte Gucky leise außerhalb von Rhodans Gesichtsfeld. Uh-oh, stimmte Rhodan in Gedanken zu. Die seltsame Rückfrage verhieß nichts Gutes.

»Nein«, sagte Rhodan, »deshalb frage ich.«

»Chentap ist der Eigenname einer Welt, die wir vor Kurzem besucht haben«, erklärte der Captain. »Völlig uninteressant, deshalb wurde der Ergebnisbericht noch nicht an die Flotte übermittelt. Das dort eingesetzte Xenologenteam ist seit Tagen wohlbehalten zurück an Bord. Und ja: Auch Lilja Ryksdottir ist bei mir an Bord. Aber sie ist kein Besatzungsmitglied im eigentlichen Sinne.«

»Was soll das heißen?«

»Ryksdottir ist pflegebedürftig, genauer gesagt: komatös. Ihre einzige lebende Verwandte ist Teil meiner Mannschaft. Deshalb liegt Lilja bei uns auf der Medostation statt in einem planetaren Krankenhaus. Sie hat euch mit Sicherheit keine Nachricht geschickt.«

Damit war zumindest das Rätsel der aus Terrania verschwundenen Patientin geklärt – Binas zwei Fundstellen bezogen sich auf ein und dieselbe Person. Der Notruf aber blieb so rätselhaft wie zu Beginn.

Glaubst du ihm?, hatte Gucky auf eine Folie gekritzelt, die er nun außerhalb des Erfassungsbereichs der Holooptik hochhielt.

Rhodan öffnete seinen Gedankenblock, sodass der Ilt seine Antwort telepathisch erfassen konnte: Nicht ein Wort.

1.

Drei Wochen zuvor auf Chentap

Bericht Marlynn Kane

»Wie weit seid ihr mit dem Packen?«, fragt Lilja über Funk.

»Nur noch die Sensorenphalanx vom Höhleneingang«, gebe ich fröhlich zurück. Natürlich ist der Rest schon fertig verstaut. Bereits seit zwei Tagen, weil ich es nicht erwarten kann, dieses Drecksloch von einem Planeten zu verlassen. Ich freue mich auf mein Quartier in der MUNGO PARK. Ich freue mich auf Privatsphäre.

Ich freue mich, wieder Marlynn Kane sein zu können, Exobiologin, die aufgrund der Familientradition bei der Explorerflotte gelandet ist. Und nicht Marlynn Kane, Räumerin von Sensorphalangen. Das stand nicht in meiner Jobbeschreibung! Vor diesem Einsatz habe ich mir nie klargemacht, was es bedeutet, Teil eines Feldforschungsteams zu sein: einen ganzen Monat wohnen in einem nur vier mal zehn Meter großen Shift. Sich diesen Platz mit drei Kollegen teilen müssen. Und es ist ja nicht so, als hätte jeder ein Viertel des Raums für sich. Der Großteil geht eh drauf für die Steuerzentrale dieses Flugpanzers und das Wissenschaftsmodul.

»Wir warten nur auf dich, Chefin!«, schiebe ich noch hinterher.

Johann Aspra schüttelt den Kopf. »Und der große Preis für Ehrlichkeit und Authentizität bei diesem Einsatz geht an Marlynn Kane«, spottet er. »Kein Satz, der nicht auf die Beurteilung am Ende des Einsatzes schielen würde.«

»Du hast natürlich recht«, gebe ich zurück. »Es wäre viel besser, wenn ich fortwährend Gift spritze und die Stimmung vermiese.«

Das Problem ist: Aspra hat ein Stück weit recht. Große Forschungsleistungen habe ich während dieser Tour nicht vollbracht. Ist auch schwierig, wenn man als Exobiologin seine Forschungsgegenstände nur aus der Ferne betrachten darf. Wenn ich noch einmal eingesetzt werden will, bin ich also tatsächlich von einer guten Bewertung der Expeditionsleiterin abhängig.

Ich betrachte das komplexe und exzellent getarnte Konstrukt, das unser Versteck vor unbemerkter Annäherung schützt. Es wird eine Weile dauern, es zu demontieren, selbst mit Kors Hilfe. Dass Aspra etwas Sinnvolles dazu beiträgt, bilde ich mir gar nicht erst ein. Der Siganese ist gerade so groß, wie meine Hand lang ist. Also nicht gerade eine Bank, wenn viel Ausrüstung transportiert werden muss.

Beim Demontieren der Sensoren könnte er sich aber nützlich machen. Dumm nur: Lilja hat keinen expliziten Befehl dafür erteilt. Ich bin Aspra nominell gleichrangig, aber der Anfänger im Team und habe nichts zu sagen. Und Kor weiß zwar am besten, wie wir schnell und gut vorankommen, ist uns drei Wissenschaftlern aber unterstellt. Er bringt Aspra sicher nicht dazu, einen Finger krumm zu machen, wenn der keine Lust hat.

Aspra ist einer der Gründe, warum ich das Ende dieses Einsatzes herbeisehne. Zuerst hatte ich mich gefreut, dass ein Siganese als Materialwissenschaftler mitkommt. Aus recht eigennützigen Gründen, zugegeben: Wenn man vier Wochen auf engstem Raum mit drei Kollegen zusammenlebt, ist es gut, wenn einer davon nur 13 Zentimeter groß ist. Aber wenn diese 13 Zentimeter geballte Missgunst sind, tausche ich ihn sofort gegen einen zweieinhalb Meter langen, dafür gut gelaunten Ertruser.

»Glaubst du, die Schmeicheltour bringt dir was, wenn du deine Ergebnisse einreichst?«, ätzt Aspra weiter. »Sieh's positiv: Zumindest brauchst du nicht lang für deinen Bericht.«

Ich stehe am Rand des Felssimses. Ganz kurz erwäge ich, ihn über die Kante zu schnippen. Aber das würde sich wirklich nicht gut in der Beurteilung lesen, glaube ich. Außerdem ist das wohl einer der Momente, wo ein Anzug-Antigravprojektor trotz Ortungsrisiko eingeschaltet werden dürfte.

Ein letztes Mal blicke ich in die Tiefe. Niedrige, dunkle Bauten drängen sich dort zwischen die Arme eines Flussdeltas und eine Menge künstlich angelegter Kanäle. Die einzige größere Fläche ohne Wasserlauf ist das Landefeld des kleinen Raumhafens, auf dem gerade eine wasserstoffgetriebene Trägerrakete gebaut wird. Außerdem warten die Chenno dort mehrere Raumshuttles, die sie für den Kontakt mit ihrer Mondstation nutzen.

Groß ist die Siedlung nicht. Wer wie ich in Terrania aufgewachsen ist, auf den wirkt die Siedlung sogar lächerlich. Wenn vierzigtausend Chenno in ihr leben, ist das viel. Lilja kennt bestimmt die genaue Zahl. Sie hat ja im Gegensatz zu mir sinnvoll forschen dürfen.

»Aus dem Weg.« Aspra reißt mich aus meinen Gedanken. Verblüffenderweise hat er sich doch entschieden zu helfen. Allerdings verwendet er einen Antigravitationsprojektor für den Transport, was klar gegen die Einsatzvorschriften für verdeckte beobachtende Feldforschung verstößt.

»Schalt das ab«, sagt Kor schneidend. Sofort wird meine Laune besser. Dass Kor und ich uns nähergekommen sind, war der einzige Lichtblick in diesem ganzen desaströsen Campingtrip. Ich habe ihn nicht kommen hören, obwohl er schwer bepackt ist und er sicher kein Antigravaggregat mit verräterischer Streustrahlung benutzt hat.

»Und wieso?«, fragt Aspra. »Glaubst du, die Kröten können Gravitationswellen anmessen oder energetische Rückstände?«

»Vorschrift ist Vorschrift.« Der Satz passt nicht zu Kor, der eher fünfe gerade sein lässt. Umgekehrt ist eigentlich Aspra der Pedant in unserem Team. Aber wenn es um seine eigene Bequemlichkeit geht, ist er flexibler als im Urteil über seine Teamkollegen.

»Herrje. Die kennen da unten nicht mal Antigravitation«, doziert Aspra. »Die reiten noch mit Wasserstoffraketen auf Feuerbällen zu ihrem Mond und halten das für eine Leistung!«

»Es gibt Lebensformen, die können Gravitationsschwankungen mit ihren natürlichen Sinnen wahrnehmen«, erkläre ich.

»Oh«, sagte Aspra, »unsere Biologin gibt Unterricht! Und, gehören die Chenno dazu? Steht das in deinem Abschlussbericht?«

Ich presse die Lippen aufeinander. Warum muss er darauf herumreiten? Vier Wochen, und nicht einen Chenno habe ich untersuchen können. Einen Abend habe ich vorsichtig die Möglichkeit angedeutet, heimlich einen Verstorbenen zu exhumieren und zu obduzieren. Oh Mann, hat Lilja mir da den Marsch geblasen. Respekt vor fremden Kulturen, Wahrung der Totenruhe, das volle Programm.

Im Ergebnis habe ich: nichts. Vier Wochen Einsatz. Meine erste große Expedition, seit ich bei der Explorerflotte bin. Ich wurde ausgewählt, obwohl ich die mit Abstand jüngste Exobiologin an Bord der MUNGO bin und einige erfahrenere Kollegen ebenfalls scharf auf den Einsatz waren. Aber ich wollte mich profilieren, habe es geschafft, mich durchzusetzen – und komme nun mit leeren Händen zurück; gerade mal mit ein paar Analysen von ungewöhnlich stark phosphoreszierenden Moosen, die ich aus purer Langeweile durchgeführt habe. Was für eine Bauchlandung.

»Und welche bahnbrechenden Entdeckungen hast du gemacht, du Experte?«, fragt Kor. Er ist der einzige Nicht-Wissenschaftler im Team, kümmert sich darum, dass unsere Technik funktioniert. Auf dieser Mission keine gigantische Herausforderung, aber Explorerteams forschen ja nicht nur wie wir hier, sondern auch mal in wesentlich schwierigeren Umfeldern. Und wenn man über Wochen vom Mutterschiff getrennt ist und die lebenswichtigen Systeme ausfallen, braucht man jemanden, der das Wartungshandbuch beiseite feuert und kreative Lösungen findet. Ich bin sicher, Kor Chappal kann einen Hyperantrieb mit Spucke und ein paar Spulen aus einem alten Toaster reparieren.

»Keine«, antwortet Aspra gelassen. »Und ich habe vor, mich bei Zeniq über Ryksdottirs restriktive Missionsleitung zu beschweren. Es ist schon auffällig, dass sie jede Beobachtung machen kann, die sie möchte, während wir kurzgehalten werden und keine Proben nehmen dürfen.«

Was eine Lüge ist – Aspra hat jede Menge Material- und Gesteinsproben analysiert. Lilja hat nur verboten, dass er bestehende, benutzte Architektur und Kunstwerke anbohrt. Dass die Chenno nichts Interessanteres verbauen als Stein und Blei, ist sicher nicht ihre Schuld.

»Tu das, wenn du das für das Richtige hältst«, sage ich kühl. Ich werde bei so einem Quatsch nicht mitmachen. Die Terraner haben das, was sie über die letzten Jahrtausende erreicht haben, nicht geschafft, indem sie sich mit Dienstaufsichtsbeschwerden überzogen haben. Außerdem bin ich 24 Jahre alt und habe noch viele Jahrzehnte in der Flotte vor mir. Ich möchte, dass meine Kollegen mich mögen!

*

Eine halbe Stunde später sind wir fertig, und ich finde mich mit Kor im Innern des Shifts wieder, der die letzten vier Wochen unsere Heimat war. Aspra ist draußen geblieben – er ist beleidigt, dass ich bei seiner Stuhlsägerei nicht mitmache.

Kor und mir soll es recht sein. Mein Freund grinst mich an. »Vielleicht ist es besser, wenn wir jetzt erst mal nicht rausgehen, damit wir nicht von einem wütenden Siganesen angefallen werden. Was können wir bloß anfangen mit der restlichen Zeit in dieser romantischen Unterkunft?«

Ich weiß genau, was er vorhat. »Aber Aspra ...«

Kor schraubt eine Thermoskanne auf und präsentiert mir das leere Innere. »... ist nicht hier.« Deckel wieder drauf.

Ich lache und werfe ein Kissen nach ihm. »Nicht nett!«

»Jeder bekommt, was er verdient«, sagt er schulterzuckend, und ein unerklärlicher Anflug von Trauer huscht über seine Züge.