Annales Diaboli - C.K. Sinclair - E-Book

Annales Diaboli E-Book

C.K. Sinclair

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Beschreibung

1295: Arnfried von Ehrfeld, ein ehemaliger Tempelritter, hat seinem Orden und Glauben den Rücken gekehrt. Verbittert und entwurzelt durchstreift er das Land auf der Flucht vor sich selbst. Doch das Schicksal scheint noch nicht fertig mit Arnfried zu sein. Als sein ehemaliger Mentor und Kampfgefährte brutal ermordet wird, holen ihn die Schatten der Vergangenheit ein. Auf der Suche nach dem Mörder findet sich Arnfried bald in einem ungleichen Kampf wieder, der älter als die Menschheit selbst ist. Denn seinen Widersachern stehen scheinbar die Mächte der Hölle zur Seite.

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Seitenzahl: 177

Veröffentlichungsjahr: 2019

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C. K. Sinclair

ANNALES DIABOLI

Neumond

Buchbeschreibung: 1295: Arnfried von Ehrfeld, ein ehemaliger Tempelritter, hat seinem Orden und Glauben den Rücken gekehrt. Verbittert und entwurzelt durchstreift er das Land auf der Flucht vor sich selbst. Doch das Schicksal scheint noch nicht fertig mit Arnfried zu sein. Als sein ehemaliger Mentor und Kampfgefährte brutal ermordet wird, holen ihn die Schatten der Vergangenheit ein. Auf der Suche nach dem Mörder findet sich Arnfried bald in einem ungleichen Kampf wieder, der älter als die Menschheit selbst ist. Denn seinen Widersachern stehen scheinbar die Mächte der Hölle zur Verfügung.

Über den Autor: C.K. Sinclair, Jahrgang 1981, ist Diplom Verwaltungswirt (FH) und seit frühester Kindheit an Geschichte im Allgemeinen und dem Mittelalter im Besonderen interessiert. Er lebt mit seiner Familie im Schwarzwald.

Kein Teil des Werks darf in irgendeiner Form (durch Fotografie oder andere Verfahren) ohne schriftliche Genehmigung der Autorin reproduziert oder durch Verwendung elektronischer Systeme verarbeitet, verbreitet oder vervielfältigt werden.

Alle Personen und Handlungen sind frei erfunden. Ähnlichkeiten zu lebenden oder verstorbenen Personen sind in keiner Weise erwünscht oder gewollt und zufällig.

Verlag & Druck: tredition GmbH, Halenreie 40-44, 22359 Hamburg

ISBN

Paperback:

978-3-7497-4921-8

e-Book:

978-3-7497-4923-2

Copyright © 2019 C. K. Sinclair

Publishing Rights © 2019 C. K. Sinclair

Covergestaltung: Jennifer Schattmaier, Schattmaier Design Lektorat und Korrektorat: Marlon Baker, AutorenServices.de Buchsatz: AutorenServices.de

Alle Rechte vorbehalten.

C. K. Sinclair

c/o AutorenServices.de

Birkenallee 24

36037 Fulda

[email protected]

www.cksinclair.de

Twitter: @CKSinclair2

Für Patrick und Elisa

Und es erhob sich ein Streit im Himmel: Michael und seine Engel stritten mit dem Drachen; und der Drache stritt und seine Engel, und siegten nicht, auch ward ihre Stätte nicht mehr gefunden im Himmel. Und es ward ausgeworfen der große Drache, die alte Schlange, die da heißt der Teufel und Satanas, der die ganze Welt verführt, und ward geworfen auf die Erde, und seine Engel wurden auch dahin geworfen.

- Offenbarung des Johannes Kapitel 12; Vers 7 -9

Prolog

Kloster St. Ulrich, Schwarzwald

Heinrich von Speichen schreckte auf. Er war eingeschlafen. Schlaftrunken rieb er sich die Augen. Das Komplet war längst vorbei. Silbriges Mondlicht fiel durch das Fenster in die Kammer, die ihm als Arbeitszimmer diente. Wie lange hatte er geschlafen? Sein Blick glitt zu der Kerze, die vor ihm auf dem Tisch stand. Sie war zur Hälfte heruntergebrannt. Es musste demzufolge kurz vor Mitternacht sein.

Der Abt von St. Ulrich erhob sich und streckte die steifen Glieder. Heinrich erstarrte in der Bewegung. War da nicht ein Geräusch? Er kniff die Lider zusammen und spähte in die Dunkelheit. Da war es wieder. Ein leises Rascheln. Dann war alles still. Heinrich stand an seinem Platz. Starr wie eine Säule. Er hielt den Atem an. Doch alles, was er hörte, war sein eigener Herzschlag. Sicher nur eine Maus, die über den Holzboden gehuscht war. Er schaute auf das Buch, das aufgeschlagen neben der Kerze lag. Sein Puls beschleunigte sich. Kälte umschloss sein Herz. Ihm war, als würde eine Aura der Verderbtheit von dem in schwarzes Leder eingeschlagenen Folianten ausgehen. Er überflog die rote Schrift. Fühlte, wie das Gift der Worte sich langsam in seine Seele zu fressen begann. Hastig bekreuzigte er sich und klappte den Deckel zu. Je eher es im Skriptorium war, umso besser.

Verschlossen vor dem Zugriff der Brüder. Dieses Buch war böse. Und doch war es der Schlüssel bei seinen Nachforschungen gewesen. Er wusste nun, was nötig war, um Satans Priester aufzuhalten. Wie er dessen Diener der weltlichen und göttlichen Gerechtigkeit zuführen konnte. Holz knarrte. Sein Kopf ruckte zur Tür, die derzeit im Dunkeln lag. Er kannte den Laut. Er erzeugte ihn jedes Mal, wenn er über den alten Dielenboden ging. Sein Magen zog sich zusammen.

»Ist da jemand? Walther, bist du das?«

Er lauschte in die Nacht. Nichts. Seine Hände wurden feucht und ein heißer Stein begann langsam in seine Eingeweide zu sinken.

»Gottfried, bist du das?«

Stille.

»Tritt ins Licht, damit ich dich sehen kann.« Er hörte das Zittern der eigenen Stimme und mahnte sich zur Ruhe. An diesem heiligen Ort gab es nichts, wovor er sich fürchten musste. Sein Blick streifte das schwere goldene Kreuz, das neben dem zugeklappten Buch stand. Heinrich griff nach der Kerze und hielt sie in die Dunkelheit. Die Schatten wichen widerspenstig zurück. Drängten sich in die Ecken, um dort lauernd zu verweilen. Schemenhaft konnte er die schwere Eichentür erkennen. Sie war verschlossen. Er atmete erleichtert aus.

Die viele Arbeit schien ihren Tribut zu fordern. Er wollte sich abwenden, als er eine Bewegung in den Schatten bemerkte. Ein erstickter Schrei entfuhr seiner Kehle. Dort im Umriss einer Säule stand ein Mönch. Der Bruder hatte die schwarze Kapuze tief in das Gesicht gezogen. Heinrichs angespannte Muskeln begannen sich zu lösen. Selbstsicherheit kehrte zurück.

»Weshalb drückst du dich in der Dunkelheit herum wie ein Dieb?«

Der Bruder blieb, wo er war. Heinrich hob die Kerze und blinzelte in das Halbdunkel.

»Wer bist du? Ich befehle dir zu antworten.« Festen Schrittes ging er auf den Mann zu. »Hörst du nicht? Was willst du hier?«

»Deinen Tod.« Die Stimme klang tief und heiser. Bevor Heinrich etwas erwidern konnte, packten zwei kräftige Hände seine Oberarme und hielten ihn fest. Panik stieg in ihm empor. Er wollte schreien. Eine Hand legte sich fest über seinen Mund. Presste ihm die Luft ab. In Todesangst wand sich Heinrich unter dem stählernen Griff. Er stieß einen verzweifelten Laut aus, der durch die Handfläche nahezu unterdrückt wurde. Die unheimliche Gestalt kam langsam auf ihn zu. Heinrich erstarrte, als er mit geweiteten Augen sah, was der vermeintliche Bruder in seiner Hand hielt. Eine Schlinge.

***

1.

Grafschaft Markfurt

Arnfried sah die Lanzenspitze auf sich zukommen. Er riss den Schild in die Höhe. Der Aufprall traf ihn bis ins Mark. Die Füße lösten sich aus den Steigbügeln. Augenblicklich presste er seine Schenkel zusammen, um nicht aus dem Sattel katapultiert zu werden. Er schwankte. Kippte zur rechten Seite. Ein anschwellendes Raunen ging durch die Menge. Doch er blieb im Sattel.

Schweiß lief ihm wie ein Wasserfall übers Gesicht. Brannte in seinem gesunden Auge. Das Tuch, das die rechte Augenhöhle bedeckte, war ein Stück weit verrutscht. Die Hitze unter dem Topfhelm glich dem Feuer der Hölle. Seine Haare klebten an der Stirn. Einzelne Strähnen hatten sich aus der Lederschnur gelöst, mit der er sie im Nacken zusammengebunden hatte und behinderten seine Sicht.

Arnfried stieß einen derben Fluch aus. Er blinzelte die salzigen Tropfen so gut es ging fort. Als er das Ende der Bahn erreichte, wendete er sein Pferd durch festen Druck der Schenkel. Am gegenüberliegenden Ende der Bahn hatte sein Gegner das Schlachtross ebenfalls gewendet.

Es war ein prächtiges Tier. Schwarz wie die Nacht. Für die Schlacht gezüchtet. Im Gegensatz zu dem Ackergaul, den er ritt. Es grenzte an ein Wunder, dass das altersschwache Tier noch auf den Beinen war. Weißer Schaum kräuselte sich um sein Maul. Lange würde der Fuchs nicht mehr durchhalten. Eine, vielleicht zwei Runden noch. Wenn der Kampf überhaupt solange dauern würde. Einen weiteren Treffer wie den letzten würde er nicht einstecken können.

Sein Schildarm fühlte sich taub und nutzlos an. Ihm verblieb genügend Kraft, ihn gegen den Körper zu pressen. Keinesfalls aber wäre er in der Lage, ihn zu heben. Für weitere Gedankengänge war es zu spät. Sein Gegner gab dem kolossalen Biest die Sporen.

Im Angaloppieren legte der Ritter die Lanze an. Arnfried tat es ihm gleich. Sein Pferd schnaubte. Er war weit gekommen in diesem Turnier. So weit, dass er das Preisgeld schon in seinem Beutel glaubte. Nun würde er in den nächsten Herzschlägen wie ein nasser Sack in den Sand fallen. Unter dem Johlen und Jubelrufen der Zuschauer.

Er verzog sein Gesicht zu einer zornigen Grimasse. Arnfried fixierte die Lanze seines Gegners. Versuchte, den Punkt vorherzusagen, wo sie auf seinen Körper träfe. Gleichzeitig suchte er nach einer Lücke in der Verteidigung. Und fand keine. Ein gezielter Treffer war alles, was zwischen Sieg und Niederlage stand. Zwischen Freiheit und Knechtschaft.

Arnfried sah die gespreizte Spitze auf sich zufliegen. Er wusste, dass er der Wucht des Stoßes nichts entgegenzusetzen hatte. Unerheblich, wo sie ihn treffen würde. Die altersschwache Rüstung würde dem Aufprall nicht standhalten. Das Donnern der Hufe und das Keuchen seines Wallachs drangen durch den Helm an sein Ohr. Seit er ein Schwert in der Hand halten konnte, war ihm beigebracht worden, der Gefahr sehenden Auges zu trotzen. Dem Unaufhaltsamen die Brust zuzuwenden und standhaft zu bleiben. Er würde nicht weichen. Sein Blick lag auf dem nahenden Ritter. Schild und Lanze waren optimal ausgerichtet. Arnfried schloss die Augen. Ein Versuch. Mehr blieb ihm nicht. Er folgte dem Körper, nicht den Gedanken.

Das Hämmern der Hufe begann zu verblassen. Auch die Menge war verstummt. Gespannt verfolgte sie den unmittelbar bevorstehenden Zusammenstoß. Arnfried öffnete das Auge. Sah die Spitze auf sich zu schießen. Schnell und unaufhaltsam wie ein Pfeil.

Warten. Die Zeit schien still zu stehen. Erdklumpen spritzten unter den Hufen der Pferde empor. Warten. Er hörte seinen eigenen Herzschlag wie Kirchenglocken in seinen Ohren dröhnen. Warten. Die Lanzenspitze war noch einen Fingerbreit von seinem Körper entfernt.

Jetzt. Hastig drehte Arnfried den Oberkörper zur linken Schulter. Wirkungslos schoss die Spitze des Ritters an ihm vorbei. Seine Lanze folgte der Bewegung. Die Zuschauer kreischten auf, als sein Gegner ihn passierte.

Nun zählte jeder Lidschlag. Er drehte sich weiter ein, hob den Arm und hievte die Lanze an seinem Kopf vorbei. Ein Ruck erschütterte seinen Arm, als das stumpfe Ende der Stangenwaffe auf Widerstand traf. Die Menge zog hörbar die Luft ein. Arnfried verlangsamte den Ritt und wendete das völlig erschöpfte Tier. Sein Gegner saß weiterhin im Sattel.

»Komm schon, du verfluchter Bastard.«

Das Schlachtross war in einen gleichmäßigen Trab verfallen. Sein Reiter hüpfte bei jeder Bewegung mit. Stille hatte sich über dem Platz ausgebreitet. Niemand, Arnfried eingeschlossen, traute sich, zu atmen. Als das gewaltige Tier das Ende der Bahn erreichte, glitt der Ritter lautlos aus dem Sattel. Die Menge brach in einen taumelnden Jubel aus. Knappen eilten ihrem Herrn zu Hilfe, der regungslos im aufgewühlten Sand lag.

Arnfried stieß einen erleichterten Seufzer aus und ließ die Lanze kraftlos zu Boden fallen. Er lenkte das Pferd zur Haupttribüne. Dort, wo der Graf von Markfurt mit Familie und dem adeligen Gefolge das Schauspiel verfolgte. Dieser hatte sich erhoben und forderte die Menge mit erhobenen Armen auf, sich zu beruhigen.

»Was für ein imponierendes Schauspiel. Fürwahr. Du hast dir den Sieg redlich verdient.« Der Graf wurde durch die johlende Menge unterbrochen. Arnfried nutzte die Gelegenheit und zog sich den schweren Helm vom Kopf. Ein lauer Wind wehte ihm über das verschwitzte Gesicht. Sein gesundes Auge fixierte den Grafen. »Wie lautet dein Name?«

»Arnfried von Ehrfeld, Herr.«

»Wohlan.« Der Graf nickte ihm zu, »dann erkläre ich dich, Arnfried von Ehrfeld zum Sieger unseres Turniers.«

Lautstarker und anhaltender Beifall war die Folge. Der Graf hob erneut die Hände. »Fünfundzwanzig Mark Preisgeld sollen dein Lohn sein. Und ein Ehrenplatz an unserer Tafel heute Abend.«

Arnfried nickte dem Grafen ehrerbietig zu. Dabei streifte sein Blick die Tribüne. Neben der Gräfin saß eine junge Frau. Vermutlich die Zofe. Sie trug ein grünes Kleid und ein silberfarbenes Schapel über der Stirn. In ihr blondes Haar waren rosafarbende Bänder eingeflochten. Ihre Blicke trafen sich für einen Lidschlag.

Sie verzog ihre Lippen zu einem verheißungsvollen Lächeln.

Freiburg im Breisgau

Das Haus lag in völliger Dunkelheit. Kein Laut drang auf die Straße. Ein paar Straßen weiter bellte ein Hund, während der Rest der Stadt schlief. Pater Ortwin drückte sich an die Mauer. Sein Blick war auf den gräflichen Hauptmann gerichtet.

»Wenn Ihr mich fragt, Pater, sieht alles ruhig aus.« Ortwin lugte hinter der Mauer hervor. Es stimmte. Im zweistöckigen Fachwerkhaus war es stockdunkel. Nirgendwo brannte Licht, alles sah friedlich aus. Konnte es sein, dass er sich irrte? Dass sie der falschen Spur gefolgt waren? Hatte er das Leben des Mädchens vergebens riskiert?

Er atmete flach ein und aus. Er schloss die Augen. Nein. Die Spurenlage war eindeutig gewesen. Die Schrift, der teure Wein und das Messer. Sie waren ihnen gefolgt und hierher geführt worden. Zu diesem Haus. Dessen ungeachtet nagten Zweifel an ihm.

»Seid Ihr sicher, dass er der Mörder ist, Pater? Wenn Ihr Euch irrt, dann …«

Absolut sicher? Nein. Herr, lenke meine Hand.

»Ja«, Ortwin wischte sämtliche Zweifel rüde beiseite, »Ich bin mir sicher. Dort werden wir das Mädchen und den Paktierer finden.«

»Der Herr Konrad ist ein einflussreiches Mitglied der Zunft und genießt das Vertrauen des Grafen«, gab der Hauptmann zu bedenken.

»Was ihn nicht daran gehindert hat, Mädchen auszuweiden.«

»Seid Ihr sicher, dass er ein Mensch ist?«

»Der Dämon befällt den Geist. Manipuliert den Verstand und verleiht ein großes Maß an Kraft. Keine Unsterblichkeit.«

Ortwin konnte die Furcht in den Augen des Mannes erkennen. Er bereute die harschen Worte. Was er brauchte, waren mutige Männer. Keine Zauderer.

»Und wenn er doch teuflische Kräfte besitzt?«

»Für den Fall bin ich gerüstet. Habt Vertrauen in den Herrn. Er wird uns schützen.« Ortwin wies auf die beiden Waffenknechte an seiner Seite. »Falk und Hartmann sind erprobte Kämpfer. Sie wissen, was in solchen Fällen zu tun ist.«

Der Hauptmann nickte zaghaft und wandte sich an seine vier Männer. »Habt keine Furcht. Die Straße ist abgesperrt. Er kann uns nicht entkommen. Bleibt zusammen. Gott ist mit uns.« Er schaute zu Ortwin und dieser nickte zustimmend.

»Wir müssen uns beeilen. Er tötet immer vor Morgengrauen.« Die Männer zogen die Schwerter. Ortwin schlug das Kreuzzeichen über ihren Köpfen.

»Der Herr hüte und beschütze euch.«

Geduckt und im Schutze der Schatten der umstehenden Häuser liefen sie los. Die Büttel voran. Gefolgt von Falk und Hartmann. Ortwin bildete die Nachhut. Sie erreichten das Tor und der Hauptmann schlug mit dem Schwertknauf gegen das Holz.

»Im Namen des Grafen von Freiburg, aufmachen!«

Es dauerte eine Weile, bis sich die Luke im Torflügel öffnete. Ein verschlafenes bärtiges Gesicht blinzelte ihnen entgegen. In der Hand trug er eine Fackel.

»Was wollt ihr zu dieser unchristlichen Zeit?«

»Wir müssen deinen Herrn sprechen.«

»Der schläft längst.«

»Mach die Tür auf, sonst schlagen wir sie ein.«

Krachend flog die Luke zu. Alles war wieder still. Mehrere Herzschläge tat sich nichts. Ortwin begann zu argwöhnen, dass der Diener sich wieder schlafen gelegt hatte, als der Riegel krachend zurückgezogen wurde. Blitzartig stürmten die Männer durch das geöffnete Tor. Sie schoben den verängstigten Mann rüde beiseite.

»Gibt es hier eine Werkstatt?« Ortwin schaute sich suchend um.

»Dort, Pater.« Der Mann zeigte auf ein Wirtschaftsgebäude zu ihrer Linken. In wenigen Sätzen waren die Männer dort. Ohne zu zögern, traten sie die Tür ein und strömten ins Innere. Ortwin folgte mit dem Knecht. Auf das Schlimmste vorbereitet. Der Raum, der von der Fackel des Dieners erhellt wurde, war leer. Ortwins Kehle wurde trocken. Er hatte sich geirrt.

»Nichts.«

»Ihr werdet Euch vor dem Grafen erklären, Pater.« Der Hauptmann steckte sein Schwert in die Scheide und stieß den Knecht wütend aus dem Weg. Er befand sich im Türrahmen, als ein gellender Schrei ertönte.

Als Arnfried das Zelt betrat, wurde er bereits erwartet. Graf Andreas von Markfurt hatte die Arme vor der breiten Brust verschränkt. Vier Bewaffnete hatten im Hintergrund Aufstellung bezogen und warfen ihm misstrauische Blicke zu. Er verbeugte sich knapp. »Wie ich sehe, habt Ihr von Eurem Recht als Turniersieger vollumfänglich Gebrauch gemacht.« Der Graf deutete auf das Schlachtross. Zwei Knappen legten in diesem Moment Kettenrüstung und Plattenrock über den Sattel.

»Meine Rüstung ist rostig und mein Gaul hätte es keine zwanzig Meilen mehr geschafft«, zuckte er gleichmütig mit den Schultern, »ich hatte keine Wahl.«

Der Graf winkte ab. »Bronnrück kann es sich leisten. Seid versichert. Sofern er nicht stirbt.«

Arnfried schaute flüchtig zum eindrucksvollen Zelt des Ritters. »Er ist bewusstlos. Der Wundheiler ist guter Dinge und glaubt, dass der Ritter überleben wird.«

»Das freut mich zu hören. Er ist ein herausragender Kämpfer und ein treuer Vasall.«

»Dann wollt Ihr Euch sicher von seinem Wohlergehen persönlich überzeugen.« Er machte Anstalten zu gehen. Doch der Graf von Markfurt stellte sich ihm scheinbar zufällig in den Weg.

»Ich bin wegen Euch hier, Herr Arnfried. Euer Knappe sagte mir, dass ich Euch hier fände.«

»Er ist nicht mein Knappe. Nur ein Bauernjunge, der auf meine Sachen aufpasst.«

»Wie auch immer. Ich bin hier, um Euch ein Angebot zu machen.«

Arnfried runzelte die Stirn. Ein ungutes Gefühl beschlich ihn bei diesen Worten.

»Ein Angebot, Herr?«

Der Graf nickte. »Ihr seid ein Mann, der es versteht zu kämpfen. Wo habt Ihr das gelernt?«

»Im Heiligen Land.«

»Ihr wart ein Kreuzfahrer?«

»Ich habe Heiden getötet, wenn Ihr das meint.«

Die Augen des Grafen bewegten sich hektisch in den Höhlen. Offenbar war er direkte Worte nicht gewohnt.

»Ich will Euch in meine Dienste nehmen, Herr Arnfried. Ich zahle Euch den Sold eines Hauptmanns.«

Er fühlte einen heißen Stich in der Magengegend und schüttelte den Kopf. »Ich fürchte, das ist nicht möglich, Herr.«

Die Augen von Markfurts verengten sich für einen Lidschlag. »Seid so gütig und klärt mich auf. Ihr tragt niemandes Wappen und seid somit nicht gebunden.«

»Die Zeiten, wo ich mein Schwert in fremde Dienste stellte, sind vorbei. Ich kämpfe nur noch für mich. Wenn ich den Tjost verloren hätte, wäre mir keine Wahl geblieben, als Euer Angebot anzunehmen. Nun stehen die Dinge anders …«

Der Graf ließ die Zunge langsam über die Zähne gleiten. Missfallen hatte sich auf die zuvor heiteren Züge gelegt. »Und wenn ich Euch ein Lehen in Aussicht stelle?«

»Würde das nichts an meiner Entscheidung ändern, Herr. Land macht abhängig. Ich bin lieber frei.«

Der Graf nickte versonnen. »Eure Entscheidung betrübt mich, Herr Arnfried. Ihr hättet es weit in meinem Dienst gebracht.«

»Damit muss ich leben, Herr.«

»Das müsst Ihr. Ich werde das Angebot nicht wiederholen. Sicher werdet Ihr verstehen, dass ich Euch unter diesen Bedingungen nicht an der hohen Tafel dulden kann.«

Arnfried nickte knapp. Er hatte mit einer derartigen Reaktion gerechnet. Der Graf trat zur Seite und gab ihm durch einen Wink zu verstehen, dass er sich entfernen durfte. Er hatte, bis auf das Schwert, alles eingefordert, was ihm als Sieger zustand. Zusammen mit dem Preisgeld und dem Erlös aus dem Verkauf der alten Rüstung hatte er ein kleines Vermögen erstritten. Es würde ihm für die nächsten Jahre ein bequemes Leben sichern, wenn er keine größeren Ausgaben tätigte. Er führte das Pferd zu seinem Zelt und rief nach dem Jungen. Nichts rührte sich.

»Verfluchter kleiner Bastard. Hurt vermutlich mit meinem Geld herum, statt auf mein Zeug aufzupassen.«

Er band das Pferd an und griff nach der schweren Rüstung. Er legte sie behutsam ins Gras. Er würde sie später forträumen. Nachdem er sich von Schweiß und Staub befreit hatte. Arnfried trat ins Innere.

Augenblicklich schnellte die Hand zum Schwertgriff. Eine kräftige Gestalt löste sich aus den Schatten und kam langsam auf ihn zu. Die Kettenringe der Rüstung klirrten leise bei jedem Schritt. Sein Griff entspannte sich, als er das rote Kreuz auf dem weißen Wappenrock erkannte. Die Gestalt schlug die Kapuze seiner Gugel zurück. Zum Vorschein kam ein weißhaariger Schopf, der zu einer Tonsur geschnitten war.

»Es war nicht einfach, dich zu finden, Bruder.«

Ortwin fuhr zusammen. Der Schrei kam aus der Werkstatt. Schwerter wurden gezogen. Männer schauten sich suchend um. Von Panik und Tatendrang gleichermaßen erfasst. Der Hauptmann griff den Diener unsanft am Kittel und stieß ihn gegen die Wand. »Dein Herr schläft also? Wo ist er?« Furcht schwang in der Stimme des Soldaten. Der Diener zuckte zusammen und stieß einen erschreckten Schrei aus.

»Ich weiß es nicht.«

Ortwin wandte den Blick von den Männern ab, die anfingen, Regale umzuwerfen. Er ging auf den verängstigen Mann zu und setzte eine grimmige Miene auf.

»Deine Loyalität ist lobenswert. Aber sie ist verschwendet. Du wirst neben deinem Herrn hängen und in der Hölle schmoren, wenn du uns nicht hilfst.«

»Ich …«, der Mann schluckte hart und senkte den Blick. Ortwin konnte sich ausmalen, wie groß die Angst vor dem Zunftmeister sein musste. Und sie war nicht unbegründet, wie er eingestehen musste. Er hatte gesehen, wozu der Mann fähig war. Die Kaltblütigkeit und Lebensverachtung. Sein geschultes Auge erkannte, dass er mit Drohungen nicht weiterkäme. Er legte dem zitternden Diener die Hand auf die Schulter.

»Der Herr vergibt denen, die das Rechte tun. Ich weiß, dass du an den Morden nicht beteiligt warst. Doch wenn du schweigst, klebt das Blut des Mädchens auch an deinen Händen.« So wie an meinen, fügte er in Gedanken hinzu.

Der Mann hob den Kopf. Angsterfüllte Augen blickten ihm entgegen. Schauten an ihm vorbei. Zu einer Werkbank zu seiner Linken. Ortwin folgte dem Blick.

»Hebt die Werkbank an,« wies er zwei Soldaten an, die ihr am nächsten standen.

»Hartmann, Falk. Ihr geht voran.« Er fühlte, wie sein Innerstes sich zusammenzog. Ohne Zweifel hatte der Zunftmeister ihre Schritte gehört. Möglicherweise gar ihre Worte. Er würde in jedem Fall wissen, dass sie kämen. Herr, halte deine schützende Hand über die Krämertochter.

»Was sollen wir mit diesem Wurm hier machen?« Der Hauptmann hielt den Diener noch immer am Kittel gepackt. Ortwin folgte dem Blick des Mannes.

»Bindet und bewacht ihn. Gottes Gerichtsbarkeit wird ihm vergeben. Bei der Weltlichen bin ich mir da nicht sicher.« Er wandte sich ab und schritt zur mittlerweile freigelegten Luke. Hinter sich hörte er den Diener aufschreien und um Gnade winseln.