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Auf der Bühne war er perfekt. Schwarzer Frack, makelloser Ton, stehende Ovationen. Im Hotelzimmer danach war er nur noch ein Mann mit einer Flasche. Dieses Buch ist das schonungslose Memoir eines deutschen Orchestermusikers, der im klassischen Musikbetrieb Karriere machte – und dabei in eine schwere Alkohol- oder Drogensucht rutschte. Er erzählt vom Drill im Konservatorium, vom gnadenlosen Wettbewerb um Solo-Stellen, von Dirigenten, die Demütigung für ein legitimes Arbeitsmittel halten. Alkohol begann als Hilfsmittel gegen Lampenfieber, wurde zum Ritual nach dem Konzert und schließlich zur Bedingung, überhaupt noch auftreten zu können. Proben, an die er sich kaum erinnert. Konzerte, in denen der Körper weiterspielte, während der Geist längst weg war. Als erste Einsätze verschwammen und Kollegen schwiegen, solange die Leistung stimmte, wurde klar: Die Sucht war kein privates Problem mehr, sondern Teil eines Systems, das Schwäche nicht kennt. Der Autor beschreibt den Absturz – zusammenbrechend hinter der Bühne, Notaufnahme statt Nachspiel, verlorene Beziehungen – und den demütigenden Schritt in die Entzugsklinik. Doch das Buch endet nicht im Dunkel. Es erzählt von Rückfällen und Rückwegen, von Therapie, Selbsthilfegruppen und der schwierigen Rückkehr in einen Beruf, der Perfektion verlangt, aber über Menschen schweigt. Er fragt: Wie kann ein System sich ändern, das Zerbrechlichkeit als Makel betrachtet? Und: Ist ein Leben mit Musik ohne Selbstzerstörung möglich? Ein berührendes, unbequem ehrliches Zeugnis über Kunst, Leistungsdruck und die stille Epidemie der Sucht in der klassischen Musik – für Musikerinnen, Angehörige und alle, die wissen wollen, was hinter dem Vorhang wirklich passiert.
Das E-Book können Sie in Legimi-Apps oder einer beliebigen App lesen, die das folgende Format unterstützen:
Veröffentlichungsjahr: 2025
Table of Contents
Chapter 1: Auf der Bühne: Der Glanz und der Druck
Der Zauber der Bühne
Der Druck der Perfektion
Wettkampf und Konkurrenz im Musikbetrieb
Der Beginn der Flucht: Alkohol als Hilfsmittel
Chapter 2: Schule des Schmerzes: Der Weg durch das Konservatorium
Der Druck der Perfektion
Die Rolle der Tutoren
Proben und die Suche nach Fokus
Erste Anzeichen der inneren Kämpfe
Chapter 3: Das erste Glas: Alkohol als Trost
Der Beginn: Ein Glas Bier nach dem Auftritt
Der schleichende Einfluss der Sucht
Der Druck im klassischen Musikbetrieb
Wenn das Konzert zur Herausforderung wird
Das Unvermögen zu erkennen
Chapter 4: Der schleichende Abstieg: Wenn die Sucht zur Gewohnheit wird
Die ersten Symptome: Wenn der Genuss zur Flucht wird
Die Normalisierung der Abhängigkeit
Der rote Alarm: Verlust der Kontrolle
Die Proben, an die ich mich nicht erinnere
Der Moment der Erkenntnis: Von der Bühne auf den Boden
Chapter 5: Der Preis des Erfolgs: Isolation und Einsamkeit
Die Illusion des Erfolgs
Die Distanz zu Kollegen
Emotionale Kosten der Sucht
Rückblick auf Beziehungen
Der Weg zur Selbsthilfe
Chapter 6: Stille Schreie: Der Moment der Erkenntnis
Der Verlust der Kontrolle
Der Moment der Erkenntnis
Die Entscheidung zur Therapie
Die Reise zur Heilung
Chapter 7: Der Schritt ins Ungewisse: Meine Zeit in der Klinik
Der Abschied von der alten Welt
Erste Tage in der Klinik
Die Macht der Gemeinschaft
Auseinandersetzung mit der Vergangenheit
Rückfälle und Rückschläge
Rückkehr in die Realität
Chapter 8: Rückschläge und Fortschritte: Ein unvollkommenes Leben
Wegmarken der Rückschläge
Unterstützung und Verständnis
Die Macht der Reflexion
Perspektivenwechsel: Ein neues Verständnis von Erfolg
Der Weg der Selbstakzeptanz
Chapter 9: Die Rückkehr zur Musik: Ein neuer Anfang
Der erste Schritt zurück
Der Weg zur Selbstfindung
Die Herausforderung der Perfektion
Ein neuer Zugang zur Musik
Chapter 10: Die Kraft der Gemeinschaft: Selbsthilfe und Unterstützung
Die Bedeutung von Gemeinschaft
Selbsthilfegruppen: Ein sicherer Raum
Unterstützung durch Familie und Freunde
Positive Geschichten und Modelle
Chapter 11: Ein Leben mit Musik ohne Selbstzerstörung?
Über den Druck der Perfektion
Sucht als Teil des Lebens
Der schmerzhafte Fall
Therapie und Selbsthilfegruppen
Rückkehr zur Musik
Eine neue Perspektive auf Kunst und Schmerz
Chapter 12: Hoffnung und Die Suche nach Veränderung
Die Notwendigkeit eines Wandels
Empowerment durch Gemeinschaft
Therapeutische Ansätze für Musiker
Die Rolle der Ausbildung
Ein Neuanfang: Die Melodie des Lebens
Die Magie der Bühne zieht nicht nur das Publikum in ihren Bann, sondern setzt auch den Künstler unter einen enormen Druck. In diesem Kapitel erfahre ich, wie der anfängliche Zauber der klassischen Musik meine Leidenschaft entfachte und gleichzeitig die hohen Erwartungen an mich als Orchestermusiker gewachsen sind. Was anfänglich wie ein Traum erschien, entpuppte sich bald als ein zermürbender Wettlauf um Perfektion, bei dem jeder Auftritt ein Balanceakt zwischen Erfolg und Versagen war.
Die Bühne hat eine unwiderstehliche Anziehungskraft. Für viele Musiker ist sie der Höhepunkt ihrer Karriere. Hier erlebe ich das erste Mal den euphorischen Moment, wenn der Vorhang aufgeht und das Publikum applaudiert. Es ist ein Augenblick, in dem alles zusammenspielt: Talent, harte Arbeit und Leidenschaft. Doch dieser Zauber hat auch eine Schattenseite, die sich erst später offenbaren wird.
Magische Momente auf der Bühne
Der Auftritt auf der Bühne ist mehr als nur eine Darbietung von Musik; er ist ein emotionales Erlebnis, das sowohl Künstler als auch Publikum verbindet. In diesen magischen Momenten fühle ich, wie die Musik durch meine Finger fließt und die Noten zum Leben erweckt werden. Das Licht, das auf das Instrument scheint, die geduldigen Augen der Zuhörer und der aberwitzige Moment vor dem ersten Ton sind unerlässlich für jeden Musiker.
Es gibt nichts Vergleichbares, wenn die Musik erklingt und das Publikum darauf reagiert. Die stehenden Ovationen sind nicht nur das Ergebnis harter Arbeit, sondern auch eine Bestätigung meiner Leidenschaft und Hingabe. Diese unvergleichlichen Augenblicke fügen sich in mein Gedächtnis ein und motivieren mich, immer weiterzumachen. Gleichzeitig weiß ich jedoch, dass solche Höhepunkte auch Erwartungen wecken, die zu einem gefährlichen Druck werden können.
Die Energie des Publikums als Antrieb
Die Reaktion des Publikums hat eine transformative Kraft. Sie nährt den Künstler und verleiht dem Auftritt eine Dynamik, die kaum zu beschreiben ist. Wenn ich auf der Bühne stehe, spüre ich die Energie der Menschen, die mir aufmerksame Blicke zuwerfen und mitfiebern. Diese kollektive Aufregung ist ein unsichtbarer Motor, der mich anspornt, mein Bestes zu geben.
Jeder Applaus, jedes Lachen und jeder nachdenkliche Moment im Publikum spornen mich an, Risiken einzugehen und über meine Grenzen hinauszuwachsen. Diese Rückmeldungen sind wie ein Echo, das mir sagt, dass meine Musik gehört und gefühlt wird. Doch je stärker dieser Antrieb wird, desto mehr wird mir klar, wie wichtig es ist, die Balance zwischen dieser Energie und dem Druck, der entsteht, zu bewahren.
Erster Applaus und die damit verbundenen Erwartungen
Den ersten Applaus zu erleben, ist ein unbeschreibliches Gefühl, das ich nie vergessen werde. Es war der Moment, in dem ich spürte, dass all die harten Proben und Mühen belohnt werden. Allerdings brachte dieser erste Beifall auch die damaligen Erwartungen mit sich, meinen eigenen Erfolg ständig neu zu definieren und zu erreichen. Als ich am Ende des Konzertes auf die hinausstieß, schwoll die Freude über den Applaus an.
Mit der Zeit stellte ich fest, dass dieser Moment nicht nur Freude, sondern auch Druck mit sich brachte. Der Drang nach ständiger Verbesserung und der Vergleich mit anderen Künstlern ließen einen Schatten auf meine Begeisterung fallen. Die übergroßen Erwartungen – sowohl von mir selbst als auch von Außenstehenden – führten zu einem ständigen Gefühl der Unsicherheit und des Wetteiferns, das mich bei jedem Auftritt begleitete.
Der Traum vom erfolgreichen Musiker
Der Traum, als erfolgreicher Musiker auf einer großen Bühne zu stehen, beginnt oft in der Kindheit. Dieser Traum war für mich ein Antrieb, aber auch eine immense Verpflichtung. Die Vision, berühmt zu werden und auf der ganzen Welt aufzutreten, ist eine Quelle der Inspiration gewesen. Doch während ich diesen Weg verfolgte, wurde mir klar, dass Erfolg nicht nur durch Talent, sondern auch durch unaufhörlichen Druck und den Wettbewerbsdruck im klassischen Musikbetrieb geprägt ist.
Je näher ich dem Traum kam, desto mehr stellte ich fest, wie spröde der Faden zwischen Erfolg und Misserfolg ist. Dies führte zu einem ständigen Spannungsfeld aus Hoffnungen und Ängsten. Diese Ambivalenz machte es mir schwer, die Freude an der Musik zu bewahren. Der Traum, den ich einst mit voller Hingabe verfolgt hatte, verwandelte sich allmählich in eine Quelle des Stresses und der inneren Unruhe, die mich schließlich in die tiefen Abgründe meiner Sucht führte.
Mit dem Erfolg kommt sofort der Druck, immer perfekt zu sein. Jeder Fehler wird nicht nur von den Dirigenten, sondern auch von Kollegen und dem Publikum wahrgenommen. Hier schildere ich, wie dieser Druck nicht nur meine Auftritte beeinflusst hat, sondern auch mein gesamtes Leben. Ich habe gelernt, dass Perfektion oft illusionär ist.
Der ständige Vergleich mit anderen Musikern
Im klassischen Musikbetrieb wird der Vergleich mit anderen Musikern zur täglichen Realität. Jeder Auftritt ist eine Gelegenheit, die Leistung anderer zu bewerten und sich selbst zu hinterfragen. Diese ständigen Vergleiche können sowohl motivierend als auch verheerend sein. Während sie den Anreiz bieten, sich ständig zu verbessern, können sie auch zu einem lähmenden Gefühl der Unzulänglichkeit führen.
Ich erinnere mich an die Zeiten im Konservatorium, als meine Kommilitonen und ich uns gegenseitig beobachteten, immer auf der Suche nach Fehlern, die wir in unseren eigenen Darbietungen vermeiden wollten. Der Druck, über einen bestimmten Standard hinauszuwachsen, fühlte sich oft erdrückend an. Statt die Musik gemeinsam zu feiern, hantierten wir mit einem Wettbewerb, der uns in eine Spirale des ständigen Unbehagens stürzte.
Diese Vergleiche schufen eine Kultur der Unsicherheit, in der jeder Fehler – sei er noch so klein – nicht nur meine Leistung, sondern auch meine Identität als Musiker in Frage stellte. Ein solches Umfeld führte dazu, dass ich oft mehr Zeit damit verbrachte, mich mit anderen zu messen, als meine eigene Musik zu genießen.
Die Angst vor dem Misserfolg
Die Angst vor dem Misserfolg war ein ständiger Begleiter auf meinem Weg als Orchestermusiker. Jeder Auftritt, jedes Konzert und jede Probe wurden von der furchtbaren Vorstellung überschattet, nicht zu genügen. Diese Misserfolgsangst schlich sich in jeden Aspekt meines Lebens ein und hinterließ kaum einen Raum für Fehler.
Selbst in Momenten, in denen ich mein Bestes gab, durchdrang die Furcht vor dem Versagen meinen Geist. Was, wenn ich einen Notenfehler machte? Was, wenn ich mich nicht im Einklang mit dem Dirigenten bewegte? Diese Fragen nagten unaufhörlich an mir. Die beklemmende Vorstellung, dass ein missratener Auftritt das Ende meiner Karriere bedeuten könnte, hielt mich in einem permanenten Zustand der Anspannung.
Schließlich führte diese Angst nicht nur zu einem Verlust des Genusses an der Musik, sondern auch zu einer isolierenden Erfahrung, in der ich mich von meinen Kollegen und sogar meiner Kunst entfremdete. Diese ständige Anspannung minderte meine Leistung und trug zur Entwicklung meiner Sucht bei, da ich nach Wegen suchte, die immense Drucksituation zu bewältigen.
Die Illusion der Perfektion und deren Auswirkungen
Im klassischen Musikbetrieb wird oft das Bild der Perfektion propagiert – sowohl in der Technik als auch in der Darbietung. Diese Illusion der Perfektion hat tiefgreifende Auswirkungen auf das Selbstbild vieler Musiker. Oft wird die beste technische Leistung mit Erfolg gleichgesetzt, während kleinere Unzulänglichkeiten als inakzeptabel gelten.
Während meiner Zeit im Orchester stellte ich schnell fest, dass das Streben nach Perfektion nicht nur an den Nerven zerrte, sondern auch eine unrealistische Erwartungshaltung erzeugte. Jeder Takt, jede Note musste tadellos sein; Fehler waren schlichtweg nicht erlaubt. Dieses Dogma entblößte die Unsicherheiten der Künstler und lähmte die Kreativität.
Die Suche nach Perfektion führte dazu, dass ich meine eigene künstlerische Identität in Frage stellte. Diese Illusion machte die Liebe zur Musik oft zu einem unerträglichen Unterfangen, bei dem der Druck, zu glänzen, die Freude am Musizieren überlagerte. Das Gefühl, immer mehr leisten und ständig funktionieren zu müssen, stellte sich als äußerst destruktiv heraus – für meine Kunst, mein Wohlbefinden und letztlich auch meine Gesundheit.
Innere Konflikte und Selbstzweifel während der Aufführungen
Die Bühne war oft ein Schauplatz innerer Konflikte, die mir inmitten eines glänzenden Auftritts zusetzten. Während ich spielte, voll von Anmut und Präzision, tobte in mir ein Kampf zwischen Selbstzweifeln und dem Drang, perfekt zu sein. Jeder Ton und jede Passage wurde gewichtig auf die Waage gelegt, teils im Einklang mit meiner Darbietung, teils in dreifacher Besorgnis über das, was nicht stimmte.
Fragen über mein Können und meine Entscheidung, Musiker zu werden, schlichen sich ein. Hatte ich wirklich das Zeug dazu, auf dieser Bühne zu stehen, oder war ich nur ein Betrüger, der wartet, dass die Wahrheit ans Licht kommt? Diese inneren Konflikte waren oft fruchtbar für kreative Gedanken, konnten jedoch auch lähmend sein, wenn sie überhandnahmen.
Die Kluft zwischen meinen Erwartungen und der Realität war unerbittlich. Während ich mich zu Höchstleistungen anstrebte, merkte ich, dass ich während der Aufführungen nicht immer mit mir im Reinen war. Der Druck, die Musik perfekt zu gestalten, führte zu intensiven emotionalen Kämpfen, die nicht selten in der Flucht in Alkohol endeten – eine Möglichkeit, die inneren Zweifel zu betäuben und den Druck kurzzeitig zu lindern.
Der klassische Musikbetrieb ist ein heiß umkämpftes Feld. In diesem Abschnitt teile ich meine Erfahrungen über die Wettbewerbe und Auswahlverfahren, die unmenschlich erscheinen. Die ständige Hinterfragung der eigenen Fähigkeiten führte oft zu einem Gefühl der Unzulänglichkeit, das mir nicht nur im Beruf, sondern auch im Privaten zu schaffen machte.
Auswahlverfahren und die harte Realität
Die Auswahlverfahren im klassischen Musikbetrieb sind oft gnadenlos. Junge Talente treten in Wettbewerb um begehrte Plätze, sei es in einem renommierten Orchester oder bei Wettbewerben. Diese Prozesse sind nicht nur eine Prüfung der technischen Fertigkeiten, sondern spiegeln auch die psychischen Belastungen wider, die mit dem Streben nach Perfektion einhergehen.
Die Realität ist, dass nicht immer die besten Musiker ausgewählt werden. Oft spielen äußere Faktoren eine entscheidende Rolle: der persönliche Eindruck, die Sympathie des Auswahlgremiums und sogar politische Einflüsse können den Ausgang bestimmen. Diese Unberechenbarkeit verstärkt den Druck, unter dem die Musiker stehen.
Für viele bedeutet dies, dass sie sich in einem ständigen Zustand der Unsicherheit befinden. Der Traum, auf der großen Bühne zu stehen, wird schnell von der Angst überschattet, die eigene Karriere könnte scheitern, bevor sie richtig begonnen hat. Ich habe selbst erfahren, wie frustrierend und entmutigend diese Auswahlverfahren sein können.
Konkurrenzkampf zwischen Kollegen und das Gefühl der Isolation
Die Konkurrenz unter den Orchestermusikern wird oft als hypnotisierende Verlockung beschrieben. Einerseits motiviert sie zu Bestleistungen, andererseits führt sie schleichend zur Isolation. Der ständige Vergleich mit den Kollegen – wer spielt besser, wer hat das Solo öfter – kann zu einem gnadenlosen Wettkampf führen, der nicht nur auf der Bühne, sondern auch hinter den Kulissen stattfindet.
Diese Rivalität kann lähmend wirken. Statt eines unterstützenden Miteinanders entsteht ein Gefühl der Einsamkeit. Wo früher Freundschaft und Gemeinschaft herrschten, machen sich Zweifel und Argwohn breit. Man hat das Gefühl, sich in einem ständigen Zustand der Überwachung zu befinden, und das Karrierenetzwerk wird mehr zu einem Kampfring als zu einem unterstützenden Raum.
Die Isolation verstärkt die emotionale Belastung und führt nicht selten zu einem Rückzug, der sich nicht nur auf berufliche, sondern auch auf private Beziehungen auswirkt. Es ist ein Kreislauf, der schwer zu durchbrechen ist, und ich habe gelernt, dass diese Einsamkeit oft ein stilles, aber heftiges Leiden verursacht.
Ressentiments und Eifersucht innerhalb des Orchesters
Im Orchestermilieu können Ressentiments und Eifersucht schnell aufkommen. Wenn einzelne Musiker im Mittelpunkt stehen und besondere Anerkennung erhalten, leiden andere darunter und fühlen sich zurückgesetzt. Diese Emotionen entladen sich manchmal in verletzenden Bemerkungen oder einem abgekühlten Verhältnis zu den betroffenen Kollegen.
Die Dynamik innerhalb des Orchesters kann stark variieren. Während einige Musiker den Konkurrenzkampf als Anreiz betrachten, führen andere das Gefühl, nicht genug gewürdigt zu werden, zu Unsicherheiten und inneren Konflikten. Ich habe Momente erlebt, in denen der Zusammenhalt geschwächt war und statt einer Gemeinschaft jeder für sich kämpfte, was die Atmosphäre vergiftete.
Diese Verbitterung untergräbt nicht nur die moralische Unterstützung innerhalb der Gruppe, sondern kann auch die kreative Zusammenarbeit stark beeinträchtigen. Letztlich bleibt die Frage: Wie kann man trotz dieser Herausforderungen ein harmonisches und motivierendes Umfeld schaffen? In meinen leidvollen Erfahrungen habe ich hoffentlich einige Erkenntnisse gesammelt, um einen Ausweg aus diesem Schattenreich zu finden.
Die ständige Angst, den Platz an der Spitze zu verlieren
Die Angst, den eigenen Platz an der Spitze zu verlieren, ist allgegenwärtig im klassischen Musikbetrieb. Der Druck, sich ständig zu beweisen und tägliche Höchstleistungen zu liefern, kann erdrückend sein. Man wird von der Vorstellung verfolgt, dass jeder schwächere Auftritt die Möglichkeit mindern könnte, für zukünftige Konzerte oder Projekte engagiert zu werden.
Dieser ständige Druck führt zu einer Form der Selbstentzweiung. Man beginnt, sich selbst als bloßes Instrument in der großen Maschinerie des Musikbetriebs zu sehen, das ständig auf der Probe steht. Die Angst vor dem Versagen kann so überwältigend werden, dass sie sich auf das gesamte Leben auswirkt – nicht nur auf die musikalische Leistung, sondern auch auf das persönliche Wohlbefinden.
Ich habe erlebt, wie diese Sorgen die Freude an der Musik trüben können. Was einst Leidenschaft und Ausdruck war, wird zur Choreografie unter enormem Druck. Man fragt sich: Wie lange kann ich dieser Anspannung standhalten? Und wird es mir jemals gelingen, den schmalen Grat zwischen Exzellenz und innerer Ruhe zu finden?
Um dem Druck standzuhalten, suchte ich nach Wegen, um mich zu entspannen. Hier beschreibe ich, wie Alkohol anfänglich als ein Werkzeug gegen Lampenfieber auftauchte und wie es schnell zur Gewohnheit wurde. Es war der Beginn eines langen und schmerzhaften Weges der Abhängigkeit, den ich nicht sofort wahrnahm.
Alkohol als kurzfristige Lösung für Lampenfieber
Für viele Musiker, einschließlich mir, wird Lampenfieber zu einem ständigen Begleiter. Es kommt in Wellen, pulsierend durch den Körper und hindert uns daran, klar zu denken. Um diese Nervosität zu besiegen, griff ich zunächst zu Alkohol. Ein Glas Wein oder ein kleiner Schnaps schien die perfekte Lösung zu sein, um den Druck zu mildern. Es gab mir das Gefühl, die Kontrolle zurückzugewinnen, das Selbstbewusstsein aufzubauen, das vor dem Auftritt oft schwindet.
In diesen Momenten fühlte es sich an, als wäre Alkohol mein bester Freund, der mir half, die Vorstellung auf der Bühne zu überstehen. Täglich erlebte ich, wie der erste Schluck mein Unbehagen linderte und die Musik zu fließen begann. Diese kurzfristige Lösung war verlockend und schien mir einen Ausweg aus dem inneren Chaos zu bieten.
Das Ritual nach dem Konzert
Nach jedem erfolgreichen Auftritt fanden sich immer mehr Musiker in der überfüllten Bar wieder, um das Erlebte zu feiern. Ein Glas nach dem anderen folgte, und bald wurde es zu einem Ritual, das fest zu meinem Musikeralltag gehörte. Diese gemeinsamen Feiern schienen mir eine Art von Gemeinschaft zu bieten; es gab das Gefühl, dass wir alle im selben Boot saßen und bereit waren, die Erfolge, aber auch die Misserfolge miteinander zu teilen.
Was bei den ersten Malen als harmloses Feiern begann, nahm jedoch bald eine andere Wendung. Die Barbesuche wurden länger, die Gespräche über Musik immer betrunkener. Ich erkannte nicht, dass ich mich nicht mehr nur entspannte, sondern dass ich den Alkohol brauchte, um mit dem Stress umzugehen. Es war eine Flucht, die ich nicht sofort wahrnahm, angesteckt von dem allgemeinen Konsumverhalten in der Musikszene.
Die verhängnisvolle Normalisierung des Trinkens in der Musikszene
In der Welt der klassischen Musik schien Trinken nicht nur akzeptiert, sondern sogar erwartet zu werden. Die Konzerte endeten oft in einem Rausch aus Lärm, lauten Gesprächen und einem ständigen Nachschub an Alkohol. Jeder von uns kannte den Drill; die Rufe nach einem Glas Wein, um das Adrenalin des Auftritts zu besänftigen.
Es wird als Teil der Kultur dargestellt, als Zeichen der Zugehörigkeit. Diese Normalisierung dehnte sich nicht nur auf die Künstler, sondern auch auf Dirigenten und Kollektivmitglieder aus, die sich gegenseitig ermutigten, den Stress durch Alkohol zu bewältigen. Ich war gefangen in einem System, in dem man das Trinken nicht hinterfragte, in dem das Bedürfnis nach Genuss und Entspannung zu einer Art Routine mutierte, die uns letztendlich in die Abhängigkeit führte.
Der schleichende Übergang von Genuss zur Abhängigkeit
Was anfangs ein Weg zur Entspannung erschien, entwickelte sich schleichend zu einer Abhängigkeit. Die Nebeneffekte des Trinkens blieben anfänglich unbemerkt. Ich spielte weiter, bestätigte meine Leistungen und täuschte mich über meine Grundstimmung hinweg. Doch je mehr ich trank, desto weniger Kontrolle hatte ich über meine Emotionen und mein Spiel.
Die Konzerte, die einst Freude bereiteten, wurden zu einer Belastung. Ich erkannte nicht, dass das Gefühl von Euforie, das ich vor dem Auftritt erlebt hatte, verloren ging. Die regelmäßigen Getränke, die zur Gewohnheit geworden waren, begannen, meine Fähigkeit zu sabotieren, mich auf meine Musik zu konzentrieren. Der Genuss verwandelte sich in einen Zwang, was schließlich den Beginn meiner schmerzhaften Reise in die Abhängigkeit markierte.
