„Archipele“ des Ausnahmezustands - Alona Gordeew - E-Book

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Alona Gordeew

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Beschreibung

Studienarbeit aus dem Jahr 2010 im Fachbereich Geowissenschaften / Geographie - Bevölkerungsgeographie, Stadt- u. Raumplanung, Note: 1,5, Ruprecht-Karls-Universität Heidelberg (Geographisches Institut), Veranstaltung: Räume im Ausnahmezustand, Sprache: Deutsch, Abstract: „Spaces of Exception“ oder auf deutsch „Ausnahmeräume“ rücken zunehmend in das Forschungsfeld der Geographie. In diesem Zusammenhang werden auf Konferenzen und in wissenschaftlichen Arbeiten solche Themen aus geographischer Sicht behandelt, die klassisch weniger der Geographie angehören als anderen wissenschaftlichen Disziplinen. So beschäftigen sich Geographen aktuell mit „Sonderräumen“ wie beispielsweise mit dem weitgehend von der Öffentlichkeit abgeschirmtem Gaza-Krieg, mit dem Gefangenenlager Guantánamo Bay und mit diversen Flüchtlingslagern, die man auf der ganzen Welt antrifft. Die sicher am weitesten verbreitete Form dieser Ausnahmeräume bilden die verschiedenen Arten von Lagern. Heutzutage handelt es sich dabei hauptsächlich um Flüchtlingslager; in der ersten Hälfte des letzten Jahrhunderts jedoch spielten vor allem die Konzentrationslager des Dritten Reichs und der Gulag der Sowjetunion eine große Rolle. Diese zwei Lagersysteme gelten aufgrund ihrer Systematik und ihres großen Ausmaßes an Häftlingszahlen als die Prototypen des Lagerwesens und bilden damit eine einschneidende Rolle in der Entwicklung der Lager. Ihr gewonnenes „Fachwissen“ wird bis heute noch in Gefangenenlagern angewendet – oft unter einer vollkommen anderen Ideologie und Weltanschauung. So verwendeten bzw. verwenden Gefangenenlager aus der jüngeren Vergangenheit verschiedene Elemente und Bezeichnungen jener Lagersysteme und ziehen damit Nutzen aus dem Know-How der zwei großen Lagersysteme. Beispielsweise lassen sich die Verhörmethoden der CIA nachweislich auf Erkenntnisse aus nationalsozialistischen Menschenversuchen zurückverfolgen, welche bis in die heutige Gegenwart noch weiter perfektioniert wurden. übernommen – insbesondere mit ihren deutschen Bezeichnungen. In einer ähnlichen Form hat der Gulag Spuren hinterlassen: Die Bezeichnung „Gulag“ wird synonym für Gefangenenlager in anderen Diktaturen – ja sogar für das von den demokratischen USA betriebene Gefangenenlager in Guantánamo Bay – verwendet, woran auch die hervorstechende Bedeutung des Gulagsystems deutlich zu erkennen ist. Aufgrund der großen Bedeutung für spätere Lager sowie insgesamt in der Geschichte des Lagerwesens sollen in dieser Arbeit die zwei Prototypen des Lagers näher untersucht und hinsichtlich verschiedener Geographien analysiert werden.

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Veröffentlichungsjahr: 2011

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Inhaltsverzeichnis
1. Einleitung
2. Agambens Analyse der Ausnahmeräume und der Lager.
3. Historische Vorläufer des KZs und des Gulag.
4. Das Gulagsystem in der Sowjetunion
4.1 Die Entstehung und Entwicklung des sowjetischen Gulags
4.1.1 1918-1927.
4.2 Der Gulag als eigener Hierarchieraum.
4.4 Der Gulag als Raum mit eigenen Werten und seine Spielregeln.
4.5 Stand der Forschung.
5. Das System der Konzentrationslager im Dritten Reich
5.1 Die Entstehung und Entwicklung der deutschen Konzentrationslager.
5.1.1 1933 -1935.
5.1.2 1936-1938.
5.1.3 1939-1941.
5.1.4 1942-1945.
5.2 Das nationalsozialistische Lager als eigener Hierarchieraum
5.4 Das NS-Lager als Raum mit eigenen Werten und seine Spielregeln.
5.5 Der Stand der Forschung.
6. Gemeinsamkeiten und Unterschiede zwischen dem Gulag- und KZ-System

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1. Einleitung

„Spaces of Exception“ oder auf deutsch „Ausnahmeräume“ rücken zunehmend in das Forschungsfeld der Geographie. In diesem Zusammenhang werden auf Konferenzen und in wissenschaftlichen Arbeiten solche Themen aus geographischer Sicht behandelt, die klassisch weniger der Geographie angehören als anderen wissenschaftlichen Disziplinen. So beschäftigen sich Geographen aktuell mit „Sonderräumen“ wie beispielsweise mit dem weitgehend von der Öffentlichkeit abgeschirmtem Gaza-Krieg, mit dem Gefangenenlager Guantánamo Bay und mit diversen Flüchtlingslagern, die man auf der ganzen Welt antrifft. Die sicher am weitesten verbreitete Form dieser Ausnahmeräume bilden die verschiedenen Arten von Lagern. Heutzutage handelt es sich dabei hauptsächlich um Flüchtlingslager; in der ersten Hälfte des letzten Jahrhunderts jedoch spielten vor allem die Konzentrationslager des Dritten Reichs und der Gulag der Sowjetunion eine große Rolle.

Diese zwei Lagersysteme gelten aufgrund ihrer Systematik und ihres großen Ausmaßes an Häftlingszahlen als die Prototypen des Lagerwesens und bilden damit eine einschneidende Rolle in der Entwicklung der Lager.1Ihr gewonnenes „Fachwissen“ wird bis heute noch in Gefangenenlagern angewendet - oft unter einer vollkommen anderen Ideologie und Weltanschauung. So verwendeten bzw. verwenden Gefangenenlager aus der jüngeren Vergangenheit verschiedene Elemente und Bezeichnungen jener Lagersysteme und ziehen damit Nutzen aus dem Know-How der zwei großen Lagersysteme. Beispielsweise lassen sich die Verhörmethoden der CIA nachweislich auf Erkenntnisse aus nationalsozialistischen Menschenversuchen zurückverfolgen, welche bis in die heutige Gegenwart noch weiter perfektioniert wurden.2

übernommen - insbesondere mit ihren deutschen Bezeichnungen. In einer ähnlichen Form hat der Gulag Spuren hinterlassen: Die Bezeichnung „Gulag“ wird synonym für Gefangenenlager in anderen Diktaturen - ja sogar für das von den demokratischen USA betriebene Gefangenenlager in Guantánamo Bay - verwendet, woran auch die hervorstechende Bedeutung des Gulagsystems deutlich zu erkennen ist.

Aufgrund der großen Bedeutung für spätere Lager sowie insgesamt in der Geschichte des Lagerwesens sollen in dieser Arbeit die zwei Prototypen des Lagers näher untersucht und hinsichtlich verschiedener Geographien analysiert werden. Dazu wird zunächst das theoretische

1Baumann 1999, 56.

2Dies ist Thema in dem 2008 erschienenen Buch von Edgar Koch „Die CIA-Lüge. Folter im Namen der

Demokratie“.

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Konzept Agambens zu Ausnahmeräumen und speziell zu Lagern betrachtet und ein Einblick in die Lagergeschichte in der Moderne bis zum Aufkommen der hier zu behandelnden Lagersysteme gegeben. In der eigentlichen Analyse wird auf Entstehung und Entwicklung der beiden Lagersysteme eingegangen und im Anschluss bestimmte Aspekte und sich daraus ergebende Geographien näher betrachtet. Diese sollen im Schlussteil gegenübergestellt werden, ohne dass die Regimes gleichgesetzt und die unterschiedlichen Ideologien außer Acht gelassen werden.

2. Agambens Analyse der Ausnahmeräume und der Lager

Agamben greift in seiner Trilogie „Homo sacer“, was mit „heiliger“ aber auch „verfluchter Mensch“ übersetzt werden kann, politische und staatsrechtliche Fragen des Ausnahmezustandes auf und widmet dabei dem Lager in seinem ersten Werk ein ganzes Kapitel. Das dritte Werk der Trilogie „Was von Auschwitz bleibt“ beschäftigt sich sogar ausschließlich mit dem Phänomen Auschwitz. Dazu verwendet er die Metapher desHomo saceraus dem römischen Recht als Unterscheidung zwischenBíosundZoé,dem vergesellschaftlichen Wesen und dem bloßen, nackten Leben, in welche er die Identität des Menschen gespaltet sieht. Diese Unterscheidung, die auf Aristoteles' Nikomachische Ethik zurückgeht, kennzeichnet bis heute nach Agambens Theorie das politische Denken des Westens.3