Äther - Die Elemente der Magie / Äther - Der Fantasy Bestseller gratis..................... / Äther - Der Fantasy Bestseller gratis - Michelle Madow - kostenlos E-Book

Äther - Die Elemente der Magie / Äther - Der Fantasy Bestseller gratis..................... / Äther - Der Fantasy Bestseller gratis E-Book

Michelle Madow

3,0

Beschreibung

Die Elemente der Magie – fünf magische Schüler kämpfen gegen eine uralte Bedrohung. Die USA Today Besteller Serie jetzt endlich auf Deutsch!"Ein Muss!"– USA TodayInhalt:Scheinbar bin ich eine Halbgöttin – und ich kann mit einer Berührung töten. Doch wenn dieses Geheimnis auffliegt, werde ich für immer eingesperrt. Also muss ich mich verstellen – selbst vor denen, die mir am nächsten stehen.Gar nicht so leicht, wenn ich mit meinen vier Freunden nach Griechenland geschickt werde, um die Titanen daran zu hindern, aus der Unterwelt auszubrechen.Uns stehen Proben bevor, die wir vielleicht nicht alle überleben werden. Und Entscheidungen, die unsere Gruppe zu entzweien drohen. Wie lange wird es dauern, bis ich gezwungen bin, meine dunkle Gabe vor den anderen einzusetzen? Werden meine Freunde mich verraten? Und wird sich Blake von mir abwenden, wenn er die Wahrheit erfährt?Denn Blake hält mich für eine Heilerin mit einem Herzen aus Gold. Wenn er nur wüsste …

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Zuerst 2016 erschienen unter dem Titel The Prophecy of Shadows (The Elementals Book I).

Titel: Äther (Die Elemente der Magie Buch 1)

Autor: Michelle Madow

Übersetzung: Julian Kiefer und Jenny-Mai Nuyen

Verlag: verlag von morgen

Cover: Damonza

Deutsche Erstveröffentlichung: Berlin 2021

ISBN: 978-3-948684-53-2

© 2021 verlag von morgen, Berlin

Alle Rechte vorbehalten.

INHALTSVERZEICHNIS

Kapitel 1

Kapitel 2

Kapitel 3

Kapitel 4

Kapitel 5

Kapitel 6

Kapitel 7

Kapitel 8

Kapitel 9

Kapitel 10

Kapitel 11

Kapitel 12

Kapitel 13

Kapitel 14

Kapitel 15

Kapitel 16

Kapitel 17

Kapitel 18

Kapitel 19

Kapitel 20

Kapitel 21

Kapitel 22

Kapitel 23

Kapitel 24

Kapitel 25

Kapitel 26

Kapitel 27

Kapitel 28

Kapitel 29

Kapitel 30

Kapitel 31

Kapitel 32

Kapitel 33

Kapitel 34

Kapitel 35

Kapitel 36

Kapitel 37

Kapitel 38

Kapitel 39

Kapitel 40

Kapitel 41

Kapitel 42

Nachwort des Verlags

KAPITEL EINS

D

ie Sekretärin wühlte sich durch die Stapel von Papieren auf ihrem Schreibtisch, in denen irgendwo mein Stundenplan vergraben sein musste. „Hier ist er.“ Zufrieden hielt sie ein Blatt Papier hoch und reichte es mir. „Du kannst gern zu mir kommen, wenn du Fragen hast. Ich bin Mrs. Dopkin.“

„Danke.“ Ich schaute auf den Stundenplan, auf dem oben mein Name stand und auf dem meine Kurse und deren Standorte aufgelistet waren. Ich zögerte.

„Stimmt etwas nicht?“, fragte mich die Sekretärin.

Ich hielt den Stundenplan näher heran, als ob er sich dadurch ändern würde. „Da steht, ich bin in allen Leistungskursen.“

Mrs. Dopkin runzelte die Stirn, während sie schon wieder mit etwas anderem beschäftigt zu sein schien und auf ihrem Computer herumtippte. „Dein Klassenlehrer hat ausdrücklich darum gebeten, dass du in die Leistungskurse kommst.“

„Aber ich war an meiner alten Schule in keinem einzigen Leistungskurs.“

„Wir machen an dieser Schule keine Fehler“, sagte sie mit einem festen Lächeln. „Und der Schulgong läutet gleich, wenn du also eine Stundenplananpassung brauchst, komm am Ende des Tages wieder, damit wir das besprechen können. Du bist in Mr. Faulkners Klasse, hinter der Bibliothek. Biege im Gang nach rechts ab und geh den Flur entlang. Auf der rechten Seite siehst du die Bibliothek. Wenn du nach ganz hinten gehst, findest du dort eine Tür und dein Klassenzimmer. Beeil dich, du willst ja nicht zu spät kommen.“

Sie widmete sich wieder ihrem Computer, anscheinend fertig mit mir, also dankte ich ihr für ihre Hilfe und verließ das Büro.

Die Kinsley Highschool fühlte sich kalt an im Vergleich zu meiner Schule in Georgia, und das nicht nur im wörtlichen Sinne. Klobige hellbraune Spinde säumten die Wände, und der Betonboden bestand aus einer seltsamen Mischung von Brauntönen, die mich an Erbrochenes erinnerten. Das Schlimmste war, dass es nirgendwo Fenster gab und damit einen ernsthaften Mangel an Sonnenlicht.

Ich vermisste die warmen grünen Teppiche und offenen Flure an meiner alten Schule. Eigentlich vermisste ich alles an meiner Kleinstadt in Georgia, vor allem das weitläufige Haus und die Pfirsichfarm, auf der wir gelebt hatten. Aber ich gab mir Mühe, meinen Eltern keine Vorwürfe zu machen.

Schließlich erinnerte ich mich an die Art und Weise, wie mein Vater im Wohnzimmer herumgehüpft war, als er uns von seiner Beförderung zum Moderator eines Nachrichtensenders erzählte. Es war sein Traumjob, und es hatte ihm nichts ausgemacht, dass sich die freie Stelle in Massachusetts befand. Meine Mutter war von dem Plan umzuziehen begeistert gewesen, überzeugt, dass sich ihre Bilder besser verkaufen würden, wenn wir näher an einer Großstadt lebten. Meiner jüngeren Schwester Becca hatte die Idee eines Neuanfangs ebenfalls gefallen. Nur ich hatte leider noch nichts Gutes an diesem Umzug gefunden.

Ich merkte erst, dass ich an der Bibliothek angekommen war, als die Doppeltüren vor mir auftauchten. Wenigstens hatte ich sie gefunden, ohne mich zu verirren.

Ich betrat die Bibliothek und stellte erfreut fest, dass sie nicht wie der Rest der Schule aussah. Der goldene Teppich und die hölzernen Wände waren warm und einladend, und das Obergeschoss hatte sogar Fenster. Ich sehnte mich danach, das Sonnenlicht zu genießen, aber der Gong hatte bereits geläutet. Also durchquerte ich die Bibliothek, wie Mrs. Dopkin es mir gesagt hatte. Hoffentlich würde ich als Neue einen Freifahrtschein fürs Zuspätkommen kriegen.

Ich fand die Tür am hinteren Ende der Bibliothek. Aber mit ihrem alten, abblätternden Lack sah sie aus, als führte sie in eine Abstellkammer, nicht in ein Klassenzimmer. Und es gab keine Glasscheibe, also konnte ich nicht hineinschauen. Nun, es war jedenfalls die einzige Tür, es musste also die richtige sein.

Ich legte meine Finger um den Türknauf. Plötzlich zitterte meine Hand.

Es ist dein erster Tag, erinnerte ich mich. Niemand wird dir einen Vorwurf machen, wenn du an deinem ersten Tag zu spät kommst.

Ich öffnete die Tür, halb in der Erwartung, nichts als alte Bücher oder Besen zu entdecken.

Aber ich trat in keine Abstellkammer, sondern tatsächlich in ein volles Klassenzimmer.

Dreißig Schüler starrten mich an. Ich schaute zum vorderen Teil des Raums, wo ein großer, schlaksiger Mann in einem Tweed-Anzug neben einer Tafel stand. Sein graues Haar glänzte im Licht, und seine faltige Haut und sein warmes Lächeln erinnerten mich eher an einen netten Großvater als an einen Lehrer.

Er räusperte sich und drehte ein Stück Kreide in seiner Handfläche. „Du musst Nicole Cassidy sein“, sagte er.

„Ja.“ Ich nickte und mein Blick schweifte über die anderen Schüler. Eine unsichtbare Linie schien durch die Mitte des Raumes zu gehen, die die Schüler in zwei Hälften teilte. Die Schüler in der Nähe der Tür trugen Jeans und Sweatshirts, aber die, die näher an der Wand saßen, sahen aus, als wären sie für eine Modeschau statt für die Schule angezogen. Mir fiel auf, dass manche älter wirkten und andere jünger. Hier waren nicht nur Zehntklässler versammelt.

„Es ist schön, dich kennenzulernen, Nicole.“ Der Lehrer klang, als würde er eine Kollegin oder einen neuen Freund begrüßen und nicht eine Schülerin. „Willkommen in unserer Klasse. Ich bin Mr. Faulkner, aber bitte nenn mich Darius.“ Er wandte sich der Tafel zu, hob die Hand und winkte von links nach rechts. „Du hast wahrscheinlich nicht erwartet, dass alles so normal aussieht, aber wir müssen vorsichtig sein. Wir können nicht riskieren, dass Außenstehende von uns erfahren.“

Plötzlich schimmerte die Tafel – wie Sonnenlicht, das auf dem Meer glänzte – und die morgendlichen Ankündigungen verwandelten sich vor meinen Augen in andere Buchstaben.

KAPITEL ZWEI

I

ch blinzelte ein paar Mal, um sicherzugehen, dass ich nicht halluzinierte. Was ich gerade gesehen hatte, konnte nicht real sein.

Wenigstens hatte die Tafel aufgehört zu schimmern, obwohl sie statt der morgendlichen Ankündigungen nun voll mit Informationen über die Bedeutungen verschiedener Farben war. Ich sah die anderen Schüler an, und obwohl ein paar von ihnen lächelten, wirkten sie größtenteils unbeeindruckt. Sie beobachteten mich einfach und warteten darauf, dass ich etwas sagen würde. Auch Darius stand ruhig da und wartete auf meine Reaktion.

„Wie haben Sie das gemacht?“, fragte ich schließlich.

„Oh das war ganz einfach“, sagte Darius. „Ein wirklich simpler Zauber. Nun, für dich wäre es nicht ganz so einfach gewesen, da du ja erst in der zehnten Klasse bist, aber mit genügend Übung wirst du den Dreh schon rauskriegen.“ Er deutete auf einen Platz in der zweiten Reihe, neben einem Mädchen mit kinnlangen, mausbraunen Haaren. „Dort ist dein Platz, wir setzen den Unterricht fort.“

Ich starrte ihn an und rührte mich nicht. „Ein simpler Zauber? Sie haben … gezaubert?“, fragte ich, wobei mir das Wort fast im Hals stecken blieb. Ich sah mich wieder im Raum um und wartete darauf, dass jemand lachte. Das musste ein Scherz sein. Schließlich hatte mir keine Eule einen Brief in den Kamin geworfen, um mir mitzuteilen, dass ich an einer besonderen Schule aufgenommen worden war, und ich war ganz sicher nicht mit einem verzauberten Zug zur Kinsley High gefahren. „Sehr witzig“, murmelte ich. „Jetzt sagen Sie mir, was Sie wirklich gemacht haben.“

Darius’ Stirn legte sich in Falten. „Du weißt es nicht?“

„Ist das hier ein Sonderunterricht?“, fragte ich. „Und ich wurde irgendwie in einen über … Zaubertricks gesteckt?“

„Das ist kein Trick“, sagte ein athletischer Junge in der Mitte des Raumes. Sein sandfarbenes Haar fiel ihm bis unter die Ohren, und er lehnte sich in seinem Stuhl zurück und schob seine Ärmel bis zu den Ellbogen hoch. „Warum sollten wir Tricks benutzen, wenn wir es auch in echt machen können?“

Ich starrte ihn ausdruckslos an. Das konnten diese Leute doch nicht ernst meinen.

Magie – echte Magie – gab es nicht.

Die müssen sich einen Scherz mit mir erlauben. Um sich über das neue Mädchen lustig zu machen.

Ich würde nicht darauf reinfallen.

„Wo sind dann eure Zauberstäbe?“, fragte ich, hielt einen imaginären Zauberstab hoch und wedelte mit meinem Handgelenk.

Darius putzte seine Brille mit dem unteren Teil seines Pullovers. „Ich hatte angenommen, du hättest schon in deiner früheren Schule mit dem Unterricht begonnen.“ Er runzelte die Stirn und setzte seine Brille wieder auf. „Das scheint wohl nicht der Fall zu sein. Entschuldige bitte, dass ich dich erschreckt habe. Leider gibt es keinen einfacheren Weg, als es direkt zu sagen.“ Er holte tief Luft. „Wir sind Hexen. Du bist auch eine. Und was deine Frage angeht, wir benutzen keine Zauberstäbe, weil echte Hexen sie nicht brauchen. Das ist eine Legende, die Menschen sich ausgedacht haben, um sich sicherer zu fühlen. Sollen sie ruhig glauben, dass ihnen nichts passieren kann, wenn kein Zauberstab in Sicht ist.“ Er lächelte und zwinkerte mir zu.

„Ja, klar.“ Ich lachte nervös und zog an den Ärmeln meines Pullovers. „Selbst wenn Hexen existieren würden – was sie nicht tun –, ich bin jedenfalls keine.“

Ich konnte mich nicht daran erinnern, je etwas Magisches erlebt zu haben. Höchstens dass der Bänderriss, den ich mir letzten Monat beim Tennisspielen im Knie geholt hatte, gleich nach dem Umzug hierher verheilt war. Der Arzt hatte gesagt, es sei ein medizinisches Wunder. Aber das machte es nicht magisch.

„Ich meine es ernst“, sagte Darius. „Wir sind alle Hexen und du auch. Und das hier ist ein Sonderunterricht – er ist für die Hexen der Schule. Obwohl die Verwaltung das natürlich nicht weiß.“ Er gluckste. „Die denken, unser Kurs sei für hochbegabte Schüler. Bitte setze dich auf den Stuhl neben Kate, dann erkläre ich dir mehr.“

Ich schaute mich im Raum um und wartete darauf, dass jemand diesen Unsinn beendete. Aber das braunhaarige Mädchen – Kate – strich sich nur ein paar Strähnen hinter die Ohren und studierte ihre Hände. Der sportliche Junge neben ihr beobachtete mich erwartungsvoll und lächelte, als ich ihn anblickte. Ein Mädchen hinter ihm blätterte in ihren Notizen, und einige andere Schüler rutschten auf ihren Stühlen herum.

Mein Pullover fühlte sich plötzlich eng an, und am liebsten wäre ich einfach nur weggerannt. Es musste sich um einen Fehler handeln. Ich wollte hier raus. Jetzt.

„Ich gehe zurück ins Sekretariat“, erklärte ich. „Die müssen mich in die falsche Klasse gesteckt haben. Aber viel Spaß bei Ihrem Unterricht über …“ Ich schaute wieder zur Tafel. „… Energiefarben und ihre Bedeutungen.“

Die waren ja völlig übergeschnappt.

Ich eilte aus dem Klassenzimmer. Als ich in der Bibliothek stand, hatte ich das Gefühl, endlich wieder atmen zu können. Niemand sonst befand sich hier, also setzte ich mich für einen Augenblick auf einen Stuhl, um meine Gedanken zu ordnen. Ich würde in einer Minute zurück zum Sekretariat gehen. Aber zuerst zückte ich mein Handy. Ich wollte etwas Bekanntes sehen, um mich zu beruhigen. Und um mich zu vergewissern, dass nicht die ganze Welt verrückt geworden war.

Ich scrollte durch meine Social-Media-Apps und sah mir die neusten Fotos meiner Freunde an. Meine Augen füllten sich mit Tränen bei dem Gedanken, dass sie ihr Leben einfach so ohne mich lebten. Es war noch keine Woche vergangen, und sie hatten bereits aufgehört, mir so oft wie sonst zu schreiben. Sie würden in ihrer Welt weiterexistieren und mich schrittweise vergessen.

Ich wollte nicht, dass mich jemand weinen sah, darum wischte ich mir die Tränen weg und schaltete meine Frontkamera an, um mein Aussehen zu überprüfen. Meine Augen waren leicht gerötet, aber nicht so sehr, dass es jemandem auffallen würde. Und mein Make-up war noch intakt.

Ich wollte mein Telefon gerade wieder einstecken, als ich etwas Seltsames bemerkte. Die kleine Narbe über meiner linken Augenbraue – die, die ich in der vierten Klasse bekommen hatte, als ich auf dem Spielplatz gestürzt war – war verschwunden. Ich strich mit dem Zeigefinger über die Stelle, wo die Vertiefung so lange gewesen war. Die Haut war weich und glatt.

Als ob die Narbe überhaupt niemals da gewesen wäre.

Ich senkte das Handy. Narben verschwanden nicht über Nacht, genau wie gerissene Bänder sich nicht in wenigen Tagen selbst reparierten. Und Darius hatte so überzeugt geklungen.

Was, wenn sie tatsächlich glaubten, was er mir erzählt hatte? Dass Magie tatsächlich existierte?

Der Gedanke war absurd. Also steckte ich das Telefon zurück in meine Tasche und stand auf. Ich musste von hier verschwinden. Vielleicht würde ich dann wieder anfangen, klar zu denken.

„Nicole!“, rief plötzlich jemand hinter mir. „Warte mal kurz.“

Ich atmete lange aus und drehte mich um. Das braunhaarige Mädchen, das Darius Kate genannt hatte, lief in meine Richtung. Sie war kleiner, als ich zuerst gedacht hatte, und die vielen Sommersprossen auf ihrer Nase ließen sie genauso alt aussehen wie meine jüngere Schwester Becca, die in die achte Klasse ging. Aber da endeten die Ähnlichkeiten zwischen Kate und Becca auch schon. Denn Kate sah relativ schlicht aus, abgesehen von ihren Augen, die von einem einzigartigen hellen Waldgrün waren.

„Ich weiß, dass sich das da drinnen verrückt angehört haben muss“, sagte sie, als sie mich erreicht hatte. Sie kratzte nervös an ihrem Daumennagel herum.

„Ja. Das hat es.“ Ich wippte auf den Füßen und griff nach dem Riemen meiner Tasche. „Ich weiß, das hier ist Massachusetts und wir sind in der Nähe des legendären Orts Salem, und Hexen sind ein Teil der Geschichte hier, also wenn ihr alle an dieses Zeug glaubt, ist das in Ordnung. Aber ich bin an so etwas nicht interessiert.“

„Sprich leise.“ Sie sah sich um, obwohl sich sonst niemand in der Bibliothek befand. „Was Darius dir erzählt hat, ist wahr. Wie sonst, glaubst du, hat er die Tafel verändert?“

„Mit einem Beamer?“ Ich zuckte die Schultern. „Oder vielleicht ist die Tafel ein Fernsehbildschirm?“

„Es gibt keinen Beamer.“ Sie hielt meinem Blick stand. „Und die Tafel ist kein Fernsehbildschirm, auch wenn das cool wäre.“

„Dann weiß ich es nicht.“ Ich blickte zur Klassenzimmertür. „Aber Magie würde nicht auf meiner Liste von möglichen Erklärungen stehen. Nichts für ungut.“

„Schon okay“, sagte sie. „Aber du wurdest aus einem bestimmten Grund in unsere Klasse gesteckt. Du bist eine von uns. Denk mal darüber nach … passieren dir oder den Menschen in deiner Umgebung denn nicht manchmal seltsame Dinge? Dinge, für die es keine logische Erklärung gibt?“

Ich öffnete meinen Mund, um nein zu sagen, schloss ihn aber wieder. Immerhin galten zwei wundersame Heilungen in ein paar Tagen definitiv als seltsam, obwohl ich nicht so weit gehen würde, es Magie zu nennen.

Aber war das nicht die Definition eines Wunders – etwas, das ohne jede logische Erklärung geschah, verursacht durch etwas Größeres als uns? Etwas Magisches?

„Also doch“, riet Kate lächelnd. „Oder?“

„Ich weiß es nicht.“ Ich verlagerte mein Gewicht von einem Fuß auf den anderen. Ich wollte ihr keine einzelnen Begebenheiten erzählen. Es klang in meinem Kopf schon verrückt genug – wie würde es sich erst anhören, wenn ich es laut aussprach? „Aber die Sekretärin hat vorhin gesagt, dass sie meinen Stundenplan ohnehin nicht vor Ende des Tages ändern kann ...“

„Dann komm doch erst einmal mit zurück in die Klasse.“

Sie lächelte und führte mich zurück ins Klassenzimmer. Wieder starrten mich alle an. Ich hielt meinen Blick gesenkt, während ich zum leeren Stuhl neben Kate schritt. Darius nickte uns zu und wartete, bis wir auf unseren Plätzen saßen. Am Tisch schaute ich mich endlich nach den anderen Schülern um. Der sportliche Junge lächelte mich an, ein Mädchen mit platinblondem Haar feilte unter dem Tisch an ihren Nägeln, und das Mädchen neben ihr sah aus, als wäre sie kurz vor dem Einschlafen. Sie waren alle typische Highschool-Schüler, die auf das Ende des Unterrichts warteten.

Doch mein Blick blieb am Ende der Reihe an einem Typen mit dunklem, zotteligem Haar hängen. Mit seinen Designerjeans und der schwarzen Lederjacke sah er aus, als käme er gerade von einem Mode-Shooting, und die lässige Art, mit der er sich auf seinem Stuhl zurücklehnte, strahlte Selbstbewusstsein und Unbekümmertheit aus. Er merkte, dass ich ihn beobachtete, und schaute mich an. Ich bekam eine Gänsehaut. Seine Augen hatten einen verblüffenden Farbton – ein kräftiges, karamelliges Braun – und sie waren sanft, aber berechnend. Als würde er versuchen, mich zu durchschauen.

Kate stützte einen Ellbogen auf den Tisch und lehnte sich näher zu mir. „Denk nicht mal dran“, flüsterte sie, und ich riss meinen Blick von ihm los. Meine Wangen färbten sich rot, als mir klar wurde, dass ich beim Starren erwischt worden war. „Das ist Blake Carter. Er ist seit letztem Jahr mit Danielle Emerson zusammen. Sie ist die links von ihm.“

Da ich nicht noch einmal starren wollte, sah ich Danielle nur aus dem Augenwinkel an. Ihr kastanienbraunes Haar war supermodelhaft üppig, ihre ozeanblauen Augen so hell, dass ich mich fragte, ob es sich um farbige Kontaktlinsen handelte, und der V-Ausschnitt ihres schwarzen Shirts fiel so tief, wie es für eine Schule eigentlich nicht mehr akzeptabel war.

Natürlich hatte Blake eine Freundin, und natürlich war sie wunderschön.

„Wie ich schon sagte, werden wir heute die Energiefarben besprechen und was sie bedeuten“, sagte Darius und unterbrach meine Gedanken. „Aber bevor wir beginnen, wer kann Nicole erklären, wie wir Energie verwenden?“

Ich sank tiefer auf meinem Stuhl zusammen und hasste es, dass die Aufmerksamkeit wieder auf mich gelenkt worden war. Zum Glück hob der sportliche Junge neben Kate, der vorhin gesagt hatte, dass Magie kein Trick sei, die Hand.

„Chris“, rief Darius ihm zu. „Leg los.“

Chris schob sich die Haare aus der Stirn und sah mich an. Auf seinem T-Shirt war eine wütende Gewitterwolke zu sehen, die einen Blitz wie einen Baseballschläger hielt, darunter stand ‚Trenton Thunder‘. Es war albern und kein Sportteam, von dem ich jemals gehört hatte. Aber sein jungenhaftes Grinsen und seine runden Wangen machten ihn auf eine süße Art attraktiv.

„Hier ist überall Energie.“ Zur Veranschaulichung bewegte Chris seine Hände in einem riesigen Bogen über seinem Kopf. „Die Menschen wissen, dass Energie existiert – sie haben sie zum Beispiel in der Elektronik nutzbar gemacht. Der Unterschied zwischen uns und den Menschen ist, dass wir die Macht haben, Energie selbst anzuzapfen und sie zu nutzen, und die Menschen nicht.“ Er lächelte mich an, als ob ich verstehen sollte, was er meinte. „Ergibt das Sinn für dich?“, fragte er.

„Nicht wirklich“, sagte ich. „Tut mir leid.“

„Es ist einfacher, wenn man es auf etwas Bekanntes bezieht“, sagte er und sprach schneller. „Was passiert mit dem Griff eines Metalllöffels, wenn man ihn in kochendes Wasser legt?“

„Er wird heiß?“ Ich zog eine Augenbraue hoch. Das war etwas, das man in Naturkunde in der fünften Klasse lernte, nicht in der Highschool.

„Und was passiert, wenn der Griff aus Plastik ist?“

„Er wird nicht heiß“, sagte ich langsam. „Er bleibt auf Raumtemperatur.“

„Exakt.“ Er grinste mich an, als hätte ich gerade eine mathematische Gleichung der Astrophysik gelöst. „Menschen sind wie Plastik. Selbst wenn sie in Energie getaucht sind, können sie sie nicht leiten. Hexen sind wie Metall. Wir haben die Fähigkeit, Energie zu absorbieren und sie zu kontrollieren, wie wir wollen.“

„Und wie nehmen wir diese Energie auf?“, fragte ich und verbarg meine Skepsis. Meinetwegen konnte ich ihn genauso gut bei Laune halten.

„Durch unsere Hände.“ Chris drehte seine Handflächen nach oben, schloss seine Augen und nahm einen tiefen Atemzug. Er sah aus wie ein meditierender Buddha. Die Schüler kicherten, und Chris öffnete seine Augen wieder, schob seine Ärmel hoch und lehnte sich auf seinem Stuhl zurück.

„Ooo-kay.“ Ich lachte mit den anderen.

Darius räusperte sich, und die Schüler wurden wieder ruhiger. „Wir können Energie aus dem Universum in unsere Körper leiten“, erklärte er, seine Stimme voller Autorität.

Ein Schauer durchlief mich, und obwohl ich immer noch nichts davon glaubte, lehnte ich mich doch zurück und hörte zu.

„Sobald wir sie nutzbar gemacht haben, können wir sie nach Belieben verwenden. Stellt euch Energie wie Licht vor. Sie enthält verschiedene Farben, von denen jede mit einem Aspekt des Lebens zu tun hat. Ich habe sie an die Tafel geschrieben. Die grundlegendste Übung, die wir in diesem Kurs lernen, besteht darin, diese Energie zu spüren und sie zu absorbieren. Öffnet einfach euren Geist, stellt euch die Farbe vor, auf die ihr euch konzentriert, und wie sie durch eure Handflächen in euren Körper eintritt.“

Ich drehte meine Hand, um meine Handfläche zu betrachten. Sie sah normal aus – nicht so, als würde sie sich gleich öffnen und Energie aus dem Universum absorbieren.

„Wir werden jetzt eine Meditation durchführen“, fuhr Darius fort. „Jeder soll sich eine Farbe von der Tafel aussuchen und sie sich als Energie vorstellen, die in seine Handflächen eintritt. Haltet sie einfach bei euch und absorbiert die Energie – stoßt sie nicht zurück ins Universum. Diese Aufgabe ist zum Üben gedacht.“ Er sah mich an, ein Hauch von Herausforderung lag in seinen Augen. „Wählt jetzt bitte eine Farbe und beginnt.“

Ich blickte durch den Raum, um zu sehen, was die anderen taten. Die meisten Schüler hatten bereits ihre Augen geschlossen, ihre Gesichter wirkten ruhig und entspannt. Sie waren wirklich bei der Sache. Als ob sie wirklich daran glaubten.

Wenn ich nicht wenigstens soaussah, als würde ich es versuchen, würde ich wieder auffallen.

Ich schaute mir die Tafel noch einmal an und überflog die ‚Bedeutungen‘ der Farben. Rot erregte zuerst meine Aufmerksamkeit. Es steigerte offenbar das Selbstvertrauen, den Mut und die Liebe, zusammen mit Anziehung und Verlangen. Die Aussicht darauf ließ mich einen Blick auf Blake werfen, der mit geschlossenen Augen still dasaß, die Lippen vor Konzentration zu einer schmalen Linie gepresst.

Ich las mir die anderen Farben durch und entschied mich für Grün. Es brachte angeblich Wachstum, Erfolg und Glück und half einer Person, ihren Geist zu öffnen, sich alle Möglichkeiten vor Augen zu führen und einen guten Weg zu wählen. Das waren alles Dinge, die ich im Moment gebrauchen konnte.

Ich öffnete meine Handflächen zur Decke und schloss meine Augen. Ich kam mir ziemlich lächerlich vor. Trotzdem machte ich es mir bequem, beruhigte meine Atmung und versuchte, den Kopf freizuräumen.

Aber hatte Darius überhaupt erwähnt, wie man eine Farbe ‚kanalisierte‘? Sich Grün genau vorzustellen, schien ein guter Anfang zu sein, also stellte ich mir meinen Lieblingsgrünton vor. Als ich ihn vor Augen hatte, malte ich mir aus, wie ich dieses Grün aus der Luft in meine Handflächen zog und die Farbe in mir aufleuchten würde.

Nichts geschah.

Natürlich nicht. Meine Gedanken wanderten immer wieder davon und ich musste sie einfangen und wieder zurück zur Farbe Grün lenken. Grün, das aus dem Universum zu mir strömte, mich einhüllte, mich erfüllte.

Plötzlich erklang ein leises Summen in meinen Ohren, das sich ausdehnte und gegen mich drückte, wie Wellen, die über meine Haut schlugen. Bildete ich es mir nur ein? Meine Handflächen kribbelten, und die Energie floss durch meinen Körper, durch mein Blut und durch meine Adern. Sie strömte meine Arme hinauf und hinunter zu meinem Bauch und ergoss sich bis in meine Zehen. Grün leuchtete die Energie hinter meinen Augenlidern, und ich sammelte und sammelte sie immer weiter in mir an, bis ich so viel hatte, dass nichts mehr in mich hineinpasste.

Dann drückte sich die Energie mit solcher Wucht aus meinen Handflächen, dass es sich anfühlte, als müsste sie den ganzen Raum in gleißendes Licht tauchen.

KAPITEL DREI

D

ie Glocke läutete, und meine Augen rissen auf. Ich sah wieder das Klassenzimmer. Blinzelnd wandte ich mich um und nahm den abgewetzten Fliesenboden, die beschriftete Kreidetafel und die weiß verputzten, fensterlosen Wände wahr. Alles sah normal aus. Unverändert. Es gab keinen Beweis dafür, dass das, was ich gerade gefühlt hatte, mehr als ein Hirngespinst gewesen war.

Aber diese Energie, die durch meinen Körper geflossen war, hatte sich so real angefühlt. Ich ballte meine Hände zu Fäusten und öffnete sie wieder, aber nur ein leises Kribbeln war jetzt noch zu spüren. Dann verschwand auch das.

Kate stand auf, ließ ihren Rucksack auf ihren Stuhl fallen und musterte mich. „Deinem Gesichtsausdruck entnehme ich, dass es funktioniert hat“, sagte sie.

„Ich weiß es nicht.“ Ich zuckte mit den Schultern und hob meine Tasche auf. „Ich bin mir nicht sicher, was eigentlich passieren sollte.“ Ich begegnete ihrem Blick und konnte mich zu einem kleinen Lächeln durchringen.

Die Energie, die ich um mich herum gespürt hatte, war anders als alles, was ich je erlebt hatte. Was bedeutete, dass meine Vorstellungskraft außer Kontrolle geriet. Denn es gab keinen Beweis dafür, dass ich etwas getan hatte. Was ich erlebt hatte, war nur in meinem Kopf passiert. Oder?

Kate schaute auf ihre Uhr. „Welches Fach hast du jetzt?“

Ich zog meinen Stundenplan heraus. „Biologie, Leistungskurs.“ Ich rümpfte die Nase bei der Aussicht. „Die haben mich in alle Leistungskurse gesteckt, und ich habe keine Ahnung, warum. An meiner alten Schule war ich in Grundkursen.“

„Ich habe auch Biologie im Leistungskurs“, sagte sie. „Komm mit. Ich erkläre dir die ganze Leistungskurssache auf dem Weg dorthin.“

Ich folgte Kate durch die Bibliothek und den Flur hinunter, der voller Schüler war. Immer wieder stieß ich mit Leuten zusammen, da mir nach dem, was in der ersten Stunde passiert war, immer noch der Kopf schwirrte. Ich hatte während der Meditationssitzung etwas gespürt. Vielleicht war es die Energie, von der Darius gesprochen hatte. Und was, wenn doch dieses Energiezeug der Grund für die wundersame Heilung meines Bandrisses und der verschwundenen Narbe war …?

Ich schob den Gedanken beiseite. Es musste eine andere Erklärung geben. Eine, die Sinn ergab.

Kate ging näher an der Wand entlang, damit ich neben ihr laufen konnte. „Also, wegen der Leistungskurse“, sagte sie und senkte ihre Stimme. „Du hast gesehen, was an der Tafel geschrieben stand. Jede Farbe hat eine andere Bedeutung. Wenn wir gelernt haben, wie man Energie richtig einsetzt, können wir die verschiedenen Farben nutzen, um … Dinge zu tun.“

„Was für Dinge?“, fragte ich.

„Nehmen wir zum Beispiel Gelb – meinen persönlichen Favoriten“, sagte sie. „Gelb erhöht die Konzentration und hilft uns, uns an Informationen zu erinnern. Wenn du gelbe Energie kanalisierst, bevor du für einen Test lernst, wird es nicht so lange dauern, alles durchzunehmen, und du wirst es dir besser merken können. Du wirst fast so etwas wie ein fotografisches Gedächtnis bekommen. Ziemlich cool, oder?“

„Das klingt echt nützlich“, stimmte ich zu. „Obwohl ich euch diesen ganzen Farben- und Energiekram immer noch nicht abkaufe.“

„Gib der Sache Zeit.“ Kate lächelte nachsichtig, als wäre ich ein Kind, das noch reifer werden musste, und blieb vor einem Klassenzimmer stehen. „Wir sind da. Willst du dich zu mir setzen?“

Ich nickte. Sie führte mich zu einem Tisch im vorderen Bereich, und ich setzte mich neben sie, obwohl vorne zu sitzen nicht unbedingt mein Ding war.

„Ich helfe dir nach der Schule mit den Grundlagen“, bot sie an. „Du hattest den Dreh beim Energiekanalisieren schnell raus, also sollte es nicht schwer sein. Manchmal brauchen die Neuntklässler Monate, bis sie genug Energie sammeln, um etwas Bedeutendes zu spüren. Von meinem Sitzplatz aus war es offensichtlich, dass du es bei deinem ersten Versuch geschafft hast. Das war ziemlich beeindruckend.“

„Ich bin mir nicht sicher, ob ich wirklich etwas gemacht habe, aber klar, ich werde nach der Schule mit dir lernen. Danke“, sagte ich. Auch wenn dieser Energiekram verrückt klang, war es nett von Kate, mir gleich ihre Hilfe anzubieten. Ich wollte mir die Chance nicht entgehen lassen, hier meine erste Freundin zu finden. „Ich könnte definitiv Hilfe gebrauchen, wenn ich verdammte Leistungskurse bestehen muss.“

„Großartig.“ Kate strahlte. „Ich bin sicher, du wirst es schnell lernen.“

Weitere Schüler kamen herein, ein paar von ihnen erkannte ich aus der ersten Stunde wieder. Ich dachte gerade, dass es dumm wäre, zu hoffen, dass Blake auch im Bio-Leistungskurs sein würde, doch dann schlenderte er herein, dicht gefolgt von Danielle.

Er fixierte mich und mir stockte der Atem. Wahrscheinlich sah er mich nur an, weil ich neu war. Und weil ich – so peinlich es auch war, es zuzugeben – ja diejenige war, die ihn schon wieder zuerst angestarrt hatte. Also schlug ich mein Lehrbuch bei dem Kapitel auf, bei dem Kate ihres bereits geöffnet hatte, und konzentrierte mich auf einen Abschnitt über dominante und rezessive Gene, als wäre es das Faszinierendste, was ich je in meinem Leben gelesen hatte.

„Ich habe dir in der ersten Stunde gesagt, dass er vergeben ist, weißt du noch?“, flüsterte Kate, als Blake und Danielle weit genug weg waren.

Meine Wangen wurden heiß. „War es so offensichtlich?“

„Dass du ihm nachgeschaut hast?“, fragte Kate, und ich nickte, obwohl ich mich schämte, dass sie es bemerkt hatte. „Ja.“

„Ich mache das nicht mit Absicht“, sagte ich. „Aber … hast du ihn gesehen? Es ist schwer, nicht wenigstens hinzusehen.“

„Ich weiß ja, dass du das nicht mit Absicht machst“, kicherte sie. „Er ist einer der heißesten Typen an der Schule – schon klar. Aber Danielle reagiert nicht so gut darauf, wenn Mädchen mit Blake flirten. Oder Blake anstarren. Oder auch nur so aussehen, als ob sie an Blake interessiert wären. Es ist in deinem eigenen Interesse, dich von den beiden fernzuhalten. Vertrau mir.“

Ich wollte gerade fragen, warum, aber da läutete bereits die Glocke und der Unterricht begann.

KAPITEL VIER

D

ie anderen Zehntklässler aus dem ‚Sonderunterricht‘ gingen auch in die meisten meiner anderen Kurse. Kate saß sogar beim Mittagessen in der Mensa neben mir. Ich war in den Leistungskursen so im Rückstand, dass ich Kates Hilfe nach der Schule dringend nötig hatte.

„Welches Fach hast du als nächstes?“, fragte Kate, als wir nach Spanisch unsere Taschen packten.

Ich zog meinen Stundenplan aus der Tasche. „Keramik.“ Ich stöhnte auf. Ich war nicht schlecht in Kunst, aber ich hätte ein Musik-Wahlfach vorgezogen, da Musik immer mein Lieblingsfach gewesen war. „Was ist mit dir?“

„Theater“, antwortete sie und strich sich die Haare hinter die Ohren. „Ich möchte im Frühjahr bei der Schulaufführung mitmachen, aber ich werde auf der Bühne immer nervös. Hoffentlich wird der Kurs helfen.“

„Du kommst schon rein“, sagte ich. „Außerdem, kannst du nicht dieses Hexenenergie-Zeug benutzen, um den Lehrer zu überzeugen, dir die Rolle zu geben, die du willst?“ Ich überlegte kurz und sagte dann mit wackelnden Augenbrauen: „Oder anderen Leuten beim Vorsprechen einen Strich durch die Rechnung machen, damit sie die Hauptrollen nicht bekommen?“

Ihre Augen huschten durch das Zimmer, das sich allmählich leerte. Dann lehnte sie sich näher und senkte ihre Stimme. „Wir benutzen unsere Kräfte nicht, um anderen zu schaden“, sagte sie, als hätte ich den Vorschlag ganz ernst gemeint. „Ich erkläre dir das später alles. Okay?“

Ich nickte und folgte ihr durch den Kunstflügel. Ich musste dem Drang widerstehen, sie jetzt schon mehr zu fragen. Stattdessen sah ich mich um. Schülergemälde schmückten die Wände, und aus einem Raum in der Nähe ertönte ein Flötensolo. Kate blieb vor den Doppeltüren stehen, die zum Theater führten. „Hier muss ich hin“, sagte sie. „Der Keramikraum ist oben – du solltest ihn gleich sehen, er ist nicht schwer zu finden.“

Wir trennten uns, und genau wie Kate gesagt hatte, war der Keramikraum kaum zu übersehen. Brennöfen säumten eine Seite des Raumes, Töpferscheiben befanden sich am anderen Ende, Ziegelsteine aus Ton stapelten sich in Regalen im hinteren Bereich, und die riesigen Fenster waren eine willkommene Abwechslung zu den stickigen Klassenzimmern, in denen ich bisher gewesen war.

Ich schaute mich um, ob irgendjemand dafür aufgeschlossen schien, dass sich das neue Mädchen zu ihnen gesellte, und ich erstarrte, als ich Blake entdeckte.

Er saß an dem Tisch, der am weitesten entfernt war, mit ausgestreckten Beinen auf seinem Stuhl zurückgelehnt. Der Platz neben ihm war frei. Er nickte mir zu, als ob er mich als Mitglied eines besonderen Clubs anerkennen würde, und ich bemerkte, dass niemand sonst aus der ersten Stunde in diesem Kurs war. Könnte es sein, dass er mich einlud, neben ihm zu sitzen?

Immerhin schienen alle aus dem Sonderunterricht zusammenzuhalten, also nahm ich das als ein Ja und ging auf Blake zu, wobei sich mein Puls mit jedem Schritt beschleunigte. Ich erinnerte mich daran, was Kate mir vorhin über Danielle erzählt hatte … wie besitzergreifend sie in Bezug auf Blake angeblich war. Aber Danielle war nicht hier. Und Blake war der Einzige, der mir ein Zeichen gab, dass ich mich zu ihm setzen durfte. Abzulehnen wäre unhöflich.

Er bewegte seine Beine, um mir Platz zu machen, und ich ließ mich auf dem Stuhl neben ihm nieder. Seine tiefen, schimmernden Augen waren von verschiedenen rotbraunen Schattierungen durchzogen, und er beobachtete mich, als wartete er darauf, dass ich etwas sagte. Ich schluckte, unsicher, wie ich anfangen sollte, und entschied mich für das Offensichtliche.

„Hi.“ Mein Herz pochte so stark, dass ich befürchtete, er könnte es hören. „Du bist in meiner Klasse, richtig?“

„Ja“, sagte er sanft. „Wir haben auch Biologie, Geschichte und Spanisch zusammen.“ Er zählte sie an seinen Fingern ab. „Und da du in Darius’ Kurs bist, hast du in der nächsten Stunde wohl auch griechische Mythologie mit mir. Ich bin Blake.“

„Nicole“, stellte ich mich vor, obwohl Darius das heute Morgen schon vor der Klasse getan hatte. „Stimmt es also, dass alle Schüler in unserem Kurs auch griechische Mythologie belegen müssen? Zum Glück habe ich letztes Jahr in Englisch die Odyssee gelesen, also sollte ich nicht völlig verloren sein.“

„Es gibt einen Grund, weshalb wir griechische Mythologie belegen müssen.“ Er rückte näher an mich heran, als wollte er mir ein Geheimnis verraten, und ich lehnte mich erwartungsvoll vor. „Wir, also alle in unserem Kurs, stammen von griechischen Göttern ab.“

Ich zog eine Augenbraue hoch. „Du meinst Zeus und die anderen, die in einem Schloss auf den Wolken leben?“, fragte ich.

„Genau.“ Er grinste. „Außer, dass sie als ‚die Olympier‘ bezeichnet werden und ihr ‚Schloss in den Wolken‘ der Berg Olymp ist.“

„Du meinst also, dass wir Götter sind?“

„Nein, nein.“ Er lächelte und schüttelte den Kopf. „Aber wir haben verdünntes Götterblut in uns. Das gibt uns unsere Kräfte.“

„Ach so.“ Ich war mir nicht sicher, was ich sonst antworten sollte, und sah auf den Tisch hinunter. Machte er sich über mich lustig? Wollte er sehen, wie leichtgläubig die Neue war?

„Was ist?“ Er sah mich ernst an.

„Ist das wahr?“, fragte ich schließlich. „Für mich klingt alles aus unserer ersten Stunde verrückt. Aber ihr seid alle so ernsthaft bei der Sache, dass es langsam so wirkt, als ob ihr daran tatsächlich glauben würdet.“

„Es ist vermutlich etwas viel auf einmal“, sagte er.

„Das ist die Untertreibung des Tages.“ Ich schabte mit dem Daumennagel ein Stück getrockneten Ton vom Tisch. „Aber Kate hat mir angeboten, mir nach der Schule ein paar Sachen beizubringen. Und sie war wirklich nett, wie sie mich den ganzen Tag herumgeführt hat, also habe ich zugesagt.“

„Kate ist eine Regelbefolgerin“, sagte Blake und verschränkte die Arme. „Sie wird dir nur einen Bruchteil der Dinge erzählen können, die uns möglich sind. Bleib bei uns, und vielleicht zeigen meine Freunde und ich dir, wie du mit unseren Fähigkeiten richtig Spaß haben kannst.“

Eine dicke Lehrerin mit runder Glasbrille trat ein, bevor ich antworten konnte, und das Geschnatter im Raum verstummte. So sehr ich Blake auch fragen wollte, was er meinte, jetzt war nicht die Zeit dafür. Wir sollten nicht über unsere Fähigkeiten sprechen, wenn Menschen uns hören konnten.

Menschen. Hielt ich mich etwa selbst für keinen Menschen mehr?

KAPITEL FÜNF

N

ach griechischer Mythologie gingen Kate und ich gemeinsam zum Klassenzimmer hinter der Bibliothek.

Dort fanden wir Darius, der über seinen Schreibtisch gebeugt ein Dokument studierte. Kate klopfte an der offenen Tür, und Darius zuckte zusammen und hob den Kopf.

„Kate! Nicole.“ Er steckte das Dokument in seine Aktentasche. „Ich bin froh, dass du wieder da bist. Ich wollte mich noch einmal für die dramatische Art und Weise entschuldigen, mit der ich dir heute Morgen alles eröffnet habe. Mir war nicht klar, dass du es noch nicht wusstest.“

„Es war ziemlich dramatisch.“ Ich schaute auf die Tafel, wo sich die Schrift an diesem Morgen vor meinen Augen verändert hatte. Nun wirkte das, was dort stand, ganz unscheinbar. „Und um ehrlich zu sein, bin ich mir immer noch nicht sicher, ob ich irgendetwas davon glaube. Es klingt etwas …“ Ich hielt inne, und suchte nach einem Wort, das nicht beleidigend klingen würde.

„Weit hergeholt?“, vervollständigte er meinen Gedanken. „Ich würde es dir nicht übelnehmen, wenn du das denkst. Aber was sagt dir dein Instinkt?“ Er zwinkerte und packte seine Sachen zusammen, ohne meine Antwort abzuwarten.

„Warten Sie“, sagte ich, weil ich mehr wissen musste. „Wie genau haben Sie das heute Morgen mit der Tafel gemacht? Als Sie die Buchstaben bewegt haben.“

„Ich habe die Buchstaben nicht ‚bewegt‘.“ Er gluckste. „Unsere Kräfte sind mental, nicht physisch. Bevor du hereinkamst, habe ich eine Illusion erzeugt, um zu verbergen, was wirklichauf der Tafel stand. Als ich deine Identität feststellte, entfernte ich die Illusion, damit du es sehen konntest.“

„Eine Illusion“, wiederholte ich kopfschüttelnd. „Ich schätze, ich hätte keine Antwort erwarten sollen, die Sinn ergibt.“

„Es wird Sinn ergeben“, sagte er. „Hab nur Geduld. Immerhin hast du heute Morgen in unserer Übung fantastische Arbeit geleistet. Du hast dich für Grün entschieden, nicht wahr?“

„Ja“, sagte ich und griff nach dem Riemen meiner Tasche. „Woher wissen Sie das?“

„Ich habe gespürt, wie es den Raum erfüllte“, sagte er. „Es war unmöglich, es nicht zu spüren. Nun, zumindest unmöglich für mich. Keiner der anderen Schüler ist so weit fortgeschritten. Aber es war ziemlich beeindruckend, besonders für einen ersten Versuch. Du hast ein besonderes Talent.“

Ich wusste nicht, was ich sagen sollte. Entweder hatte er ausgezeichnet geraten, oder er sagte die Wahrheit.

„Ich werde mit Nicole die Grundlagen durchgehen“, meldete sich Kate zu Wort. „Ich will ihr helfen, aufzuholen.“

„Danke, Kate“, sagte Darius. „Ich weiß, dass du sie auf den richtigen Weg führen wirst. Nun, dann mache ich euch mal den Raum frei. Ich sehe euch beide morgen früh.“

„Bis morgen“, sagte ich, obwohl ich mir nicht sicher war, dass ich morgen in seiner Klasse sein würde. Ich überlegte immer noch meinen Stundenplan ändern zu lassen. „Danke, dass wir den Raum benutzen dürfen.“

„Dieses Zimmer gehört euch genauso wie mir.“ Darius stand auf und ging zur Tür. „Viel Glück, und viel Spaß.“

„Werden wir haben“, sagte Kate.

Nachdem Darius gegangen war, faltete Kate ihre Hände zusammen. Ihre Augen leuchteten. „Was willst du zuerst lernen?“, fragte sie.

Ich zuckte die Schultern. „Du bist die Expertin. Aber die ganze Sache mit dem ‚weniger Zeit zum Lernen brauchen als normal‘ könnte ein guter Anfang sein. Ich bin in Spanisch weit im Rückstand.“

Sie grinste mich an. „Du willst also gleich die Vorteile genießen, was?“ Dann nickte sie. „Okay, lass uns mit ein paar Konzentrations- und Gedächtnisübungen anfangen. Das sind einige der ersten Dinge, die Neuntklässler lernen, um sich Energie zunutze zu machen. Warte kurz.“ Sie ging zu der Reihe von Schränken an der Seite des Raumes und zog eine Schachtel heraus. „Ah, hier ist es.“

„Ist das Trivial Pursuit?“ Ich kicherte beim Anblick des Spiels, das ich früher geliebt hatte, wann immer meine Familie wöchentliche Spieleabende veranstaltet hatte.

„Es hilft beim Auswendiglernen“, sagte sie. „Wie Karteikarten. Und man lernt auch noch einen Haufen lustiger Fakten.“ Sie stellte die Schachtel ab und öffnete sie. „Du wusstest vor heute Morgen also wirklich nichts von alldem?“

„Nein … Inzwischen sollte das offensichtlich sein, oder?“

„Das ist es“, sagte sie. „Es ist nur überraschend, dass deine Eltern es dir nicht gesagt haben. Man sollte meinen, sie hätten dich darauf vorbereiten wollen.“

Ich dachte an meine Eltern. „Ich kann mir nicht vorstellen, dass sie davon wissen.“

Vorausgesetzt, es gibt etwas zu wissen und ihr seid nicht alle wahnsinnig.