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Ein lebenslustiges, fröhliches Mädchen wächst ohne Liebe und Geborgenheit, ohne Verständnis und Nähe auf. Ihre Liebe im Herzen möchte sie so gerne jemandem geben, der sie auch liebt und versteht und ihr die gleichen Gefühle entgegenbringt. Aus einer Liebe wird Freundschaft und dann kommt der Tod des kleinen Jungen. Neue Liebe, neue Sehnsüchte, neues Leben. Doch auch das wird missbraucht. Kann man an so einer Beziehung kaputtgehen? Darf man aufgeben? Darf man Suizidgedanken haben? Darf man Suizid begehen? Man hat doch zwei Kinder, für die muss man da sein. Aber wer denkt an sie? Ein Leben voller Höhen und Tiefen, Kummer und Liebe und … Suizidgedanken! Wird sie die Kurve kriegen? Oder sollte der Teufel in ihr siegen? Der Teufel, der ihr sagt, dass ihr Leben nicht mehr lebenswert sei.
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Seitenzahl: 333
Veröffentlichungsjahr: 2025
Impressum
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Die Deutsche Nationalbibliothek verzeichnet diese Publikation in der Deutschen Nationalbibliografie.
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© 2025 novum publishing gmbh
Rathausgasse 73, A-7311 Neckenmarkt
ISBN Printausgabe: 978-3-903468-78-8
ISBN e-book: 978-3-903529-16-8
Lektorat: Laura Oberdorfer
Umschlagfoto: Nastia1983 | Dreamstime.com
Umschlaggestaltung, Layout & Satz: novum publishing gmbh
www.novumverlag.com
Auf in die Zukunft
Nun habe ich es tatsächlich getan.
Ich liege im warmen Wasser meiner Badewanne und habe mir tatsächlich die Pulsadern aufgeschnitten.
Es pocht in meinem Kopf. Es fühlt sich gut an. So still und so endgültig und so wahnsinnig friedlich. Ich merke, wie mir das Blut über meine Hand läuft. Dann tropft es auf den Boden im Badezimmer. Ein rotes Handtuch hatte ich dort hingelegt, damit nicht das ganze Badezimmer versaut wird.
Und nun grüble ich wieder, ob ich doch lieber einen Abschiedsbrief hätte schreiben sollen.
Da kommen doch schon wieder die Gedanken für andere in mein Hirn.
Nein, ich will sie nicht in meinem Kopf. Ich will meine Ruhe und endlich schlafen.
Das Wasser in der Badewanne ist noch heiß und ich fühle mich entspannt.
Ich fühle mich sehr zufrieden und innerlich ruhig.
Und ich habe keinen Abschiedsbrief hinterlassen.
Nun werden sich alle aus meiner Familie fragen, warum ich das getan habe.
„Tja“, kann ich nur sagen, „wenn ihr euch alle einmal ein wenig um mich bemüht hättet und mir mal zugehört oder auf Anzeichen meiner Depression geachtet hättet … Ich war irgendwie immer für alle da und keiner für mich.“
Vielleicht, weil ich immer alles mit mir allein ausgemacht habe?
Mein Hang nach Anerkennung, Liebe und Gefühlen.
Nach außen immer hart und unverletzbar gelten.
Tja, das war ich nicht. Das habe ich jetzt eingesehen.
Ich, die Kämpfernatur habe keine Kraft mehr und vor allem auch keinen Willen mehr.
Warum auch?
Natürlich wird es Familienmitglieder geben, die mich auch vermissen werden, aber sollte das tatsächlich Liebe sein?
Leider habe ich das nicht gespürt. Eigentlich noch nie, aber es war mir früher vielleicht nicht so aufgefallen. Durch die viele Arbeit und die Schufterei damit alle Wünsche der Kinder erfüllt werden könnten. Die meiste Zeit meines Lebens als alleinerziehende Mutter.
Meinen Kindern wollte ich immer alles ermöglichen. Der Urlaub zweimal im Jahr war mir wichtig. Im Sommer und im Herbst.
Sogar jetzt, wo die Kinder schon lange aus dem Haus sind, fühle ich mich wie eine melkende Kuh, oder unverstanden. Einfach nur als jemand, dem man Dinge an den Kopf werfen kann, ohne zu merken, wie man ihn verletzt hat?
Ja, so kann man das ausdrücken.
Der eine sagt mir schon am Monatsanfang, dass er pleite ist. Die andere sagte mir, was für Reisepläne sie hat und der Ehemann sagt unter dem Weihnachtsbaum, dass er lieber eine Drohne hätte als eine Uhr.
Hat mich eigentlich jemand gefragt, was ich mir wirklich wünsche?
Hat mir eigentlich eines dieser Familienmitglieder mal etwas geschenkt, was ich mir wirklich gewünscht habe?
Ne, es hat ja niemand zugehört.
Und die Worte: „Deine Mutter kann sich das alles selbst kaufen.“
Danke!
Es ist alles sehr fatal. Aber das geht mich ja jetzt zum Glück nichts mehr an. Ich bin dann mal weg …
Noch bin ich voll bei Bewusstsein und mir geht es gut. Ich kann noch gut denken und ich fühle mich sehr wohlig und warm.
Meine Gedanken streifen ab und ich muss an verschiedene Vorkommnisse denken.
Meine Tochter und ich hatten einmal ein Gespräch über Selbstmord.
Meine Tochter sagte mir, dass das feige wäre. Jemand, der Selbstmord begeht, ist feige.
Dem muss ich widersprechen.
Darum möchte ich hiermit erklären, dass es durchaus nicht feige ist, sich umzubringen. Es hat mit viel Mut zu tun.
Das Messer in der Hand zu halten, es dann an die Pulsader zu legen und dann ratsch … ist es passiert. Da es nicht wehtut, merkt man es erst gar nicht.
Die einzige Sorge, die ich immer hatte, ist die, dass doch jemand gerade dann bei mir klingelt, oder ein Familienmitglied einfach reinkommt und mich dann findet.
Das wäre mir sehr unangenehm und peinlich. Dann hätte ich selbst meinen Tod versaut.
Ob es eine Erlösung ist, weiß ich nicht, aber das Gefühl ist wirklich Entspannung.
Und ich sehe meine Tat als meine Lösung für mich. Aber das Wichtigste ist, dass eine gehörige Portion Mut dazu gehört und dass es auf keinen Fall feige ist.
Man kann sich nicht einfach umbringen und gut ist es, ne, es muss ja auch sicher sein.
Man überlegt: „Pulsadern aufschneiden?“
Ne, zu unsicher. Meistens werden diese Kandidaten in letzter Sekunde gerettet und das will ich ganz sicher nicht. Und außerdem empfinde ich es als unnötige Schweinerei im eigenen Haus.
Tja, was bleibt?
Aufhängen?
Ich denke, dass ich selbst die Schlaufe vermassele, die auch wirklich hält.
Vom Hochhaus oder von der Brücke springen?
Ja, das ist es eigentlich, aber dann sehe ich mich auf dem Geländer sitzen oder stehen und zum Absprung bereit. Ich kann die Angst nicht überwinden und höre es klatschen und krachen. Das kriege ich nicht hin. Also bleibt nur, sich vor den Zug schmeißen.
Der richtige Moment und den Mut haben zu springen. Das finde ich krass. Das halte ich für absolut mutig, vor einen fahrenden Zug zu springen und auf der anderen Seite halte ich das für gedankenlos und rücksichtslos, da es ja auch noch andere Menschen gibt, die das Betreffen würde.
Den Zugführer zum Beispiel.
Meistens bekommen diese Menschen einen Schock fürs Leben. Und dann könnte es auch noch Verletzte geben durch die Notbremsung.
Ne, das ist nichts für mich. Lieber allein und für sich aus dem Leben schreiten.
Die Entscheidung ist nun auch gefallen.
Seit über zwei Jahren habe ich den Gedanken gefasst, mich umzubringen.
Warum?
Weil ich nicht mehr will!
Ich kann nicht mehr, ich will nicht, ich habe alles so satt.
Es kotzt mich alles nur noch an und ich bin des Kämpfens müde. Ich bin leer, ausgelaugt und mein Kopf ist schwer. Wie eine Kugel. Durchsichtig und schwer.
Und das sage ich, die Kämpfernatur.
Aber vielleicht ist es ja auch nur so, weil ich genug gekämpft habe und irgendwann weiß man einfach, dass man nicht mehr kämpfen möchte. Loslassen können ist viel, viel schwieriger …
Ich habe Tage geweint und mir den Kopf zerbrochen.
Vor allem war die Frage da, warum willst du dich umbringen?
Bin ich depressiv?
Oder heute nennt man das ja Burn-out.
Habe ich das? Bin ich diejenige, die diese Zeilen schreibt? Ein lebenslustiger, fröhlicher Mensch von Natur aus? Wer hat mich krank gemacht? Wer hat mich kaputt gespielt? Oder war ich das selbst? Konnte ich nicht Nein sagen? Warum habe ich das alles zugelassen?
Vor zwei Jahren war ich schon sehr dicht dran, mich umzubringen. Doch zu diesem Zeitpunkt dachte ich dann an meine Tochter. Sie stand vor ihrem 18. Geburtstag. Und diesen 18. Geburtstag wollte ich doch noch gerne erleben. Nachdem sie 18 Jahre alt geworden war, stand das Abitur vor der Tür. Das möchte doch eine Mutter noch erleben, … das Abitur der Tochter. Und sie war so eine gute Schülerin! Ich kann besonders stolz auf sie sein.
Dann sagte ich mir, erst muss sie einen Studienplatz haben und dann der Umzug, … jetzt ist alles erledigt. Jetzt kann ich gehen. Endlich kann ich meine Ruhe haben und muss nicht für jeden da sein! Endlich kann ich frei sein und endlich kann ich mich frei bewegen, ohne irgendeinen Gedanken im Kopf, was wo zu tun und zu erledigen ist. Endlich angekommen.
Endlich in Gottes Armen!
Es fing alles in einem kleinen Ort am Mittellandkanal an. Dort wuchs ich auf, dort ging ich zur Schule, dort hatte ich meine Freundinnen und Freunde und dort lernte ich meine große Liebe kennen …
Meine Freundin und ich waren in unserem Dorf schon etwas Besonderes. Wir kleideten uns auffälliger als andere. So gingen wir zum Fußballtraining unserer A-Jugend, um etwas aufzufallen und anzugeben.
Wir hatten Cowboyhüte auf und lange Mäntel an. Sie mit langen, dunklen Haaren und ich mit lockiger Blondschopfmähne. Wir waren beide schlank und groß und selbstverständlich drehte sich jeder nach uns um. Das war es ja, was wir bezweckt haben.
So auch an dem Tag, als ich mit ihr wieder auf dem Sportplatz war und endlich die Schwester meines großen Schwarms kennenlernte.
Es war schwierig, Kontakt zu meinem Schwarm zu bekommen, da er nichts mit dem Dorfleben am Hut hatte. Er gehörte zu den besseren Kreisen, wie man sagte, und eigentlich sagte man auch, dass ich keine Chance bei ihm hätte.
Ich komme aus der Arbeiterklasse.
Ja, so etwas gab es damals noch. Aber darum machte ich mir keine Gedanken. Ich fand, dass meine Eltern viel geschafft hatten in ihrem Leben. Sie waren beide fleißig und es ging uns finanziell gut. Wir konnten uns viele Dinge leisten, die sich andere nicht leisten konnten. Ich hatte die neuesten Klamotten, das beste Spielzeug und vor allem immer die neueste Mode an.
Ne, dass ich nicht aus der gleichen Schicht kam wie er, war mir egal.
Mein Selbstbewusstsein hatte ich schon immer.
Ich hatte mir diesen jungen Mann, der mit der Nummer elf links außen lief und lief und lief, ausgeguckt.
Er war ein blasser, sportlicher, durchtrainierter, gutaussehender, langhaariger, junger Mann. Sehr blass mit einem kantigen Gesicht und ausgeprägter Nase. Ein sehr interessantes Gesicht.
Er hatte echte Fußballbeine mit diesem berüchtigten „O“. Also kurz gesagt: O-Beine!
Sein Gesichtsausdruck war immer ernst. Ein Lachen hatte ich bis dato nicht gesehen.
An diesem Tag hatten wir Glück. Es war ein Frühlingstag. Es war ein Donnerstag und so gegen 18.00 Uhr. Meine Freundin und ich standen am Spielfeldrand und unterhielten uns mit einigen aus unserem Dorf. Da sah ich die Schwester von meinem Jugendschwarm. Ich dachte mir: „Jetzt oder nie.“ Ich ging also so rein zufällig an ihr vorbei und sprach sie an. Ich fragte sie, ob sie die Schwester von diesem wahnsinnigen Fußballspieler sei und verwickelte sie in ein belangloses Gespräch. Da sie bejahte, dass sie die Schwester sei, freute mich das sichtlich und ich wurde noch eine Spur netter.
Natürlich, wie ich später erfuhr, freute sie sich vor allem, dass ich ihr den Weg in unsere Clique ebnen würde. Ich fragte sie, ob wir uns mal außerhalb des Spielfeldes mal treffen wollen.
Und da sie bejahte, verabredeten wir uns für einen Nachmittag in der kommenden Woche. Das war innerlich für mich das höchste Glücksgefühl. Endlich hatte ich eine Verabredung mit der Schwester meines Jugendschwarms. Hoffentlich ist ihr geliebter Bruder auch da, wenn ich sie besuchen komme? Ich tanzte vor Freude innerlich.
Da ich mit ihr am Fußballfeld sprach, grüßte mich ihr Bruder von Weitem und mein Herz schlug schneller. Ich war so begeistert von ihm, so angetan, und endlich hatte ich ja auch die Gelegenheit, ihn zu Hause anzutreffen und vielleicht ihn auch einmal allein zu sprechen
Endlich konnte ich ihm in die Augen schauen.
Es war einfach fantastisch!
Ich musste nur die Zeit bis dahin überstehen.
Meine Freundin und ich gingen auf eine Konfirmandenparty. Die fand immer freitags in unserem Dorfgemeinschaftshaus statt.
Meine Freundin hatte inzwischen ihren Peter bekommen. Sie „gingen“ nun zusammen. Er wiederum hatte einen Freund, den ich superinteressant fand. Doch dieser wollte nur das Eine.
Er wollte mit mir schlafen und mich entjungfern. Wie er es nannte. Er war der Meinung, ich müsste ihm beweisen, dass ich für ihn bereit war und bevor ich nicht mit ihm geschlafen habe, würde nichts aus uns.
Damals war ich hin- und hergerissen. Ich sagte mir, dass es eigentlich ja egal wäre, denn irgendwann ist es immer das erste Mal.
Warum nicht er?
Wir verabredeten uns für den nächsten Samstag. Zelten war am Baggersee angesagt. Ich durfte zwar dort nicht zelten, das hätten meine Eltern niemals erlaubt, aber ich durfte tagsüber dort sein.
Er holte mich ab, ich sollte nur eine Decke mitnehmen und dann würde im Zelt am Baggersee gevögelt, was das Zeug hergab.
Ich war tatsächlich an dem Treffpunkt, allerdings ohne Decke.
Ich stieg zu ihm aufs Motorrad und es ging zum Baggersee.
Was mir alles durch den Kopf ging, weiß ich nicht mehr. Auf der einen Seite wollte ich ihn unbedingt für mich gewinnen. Auf der anderen Seite ist es idiotisch, seine Beine breit zu machen, nur um ihn als Freund zu haben. Auf der anderen Seite reizte mich auch der Sex.
Seine Freunde, die auch meine Freunde waren, wussten natürlich Bescheid. Jetzt war ich dran. Ich musste jetzt alles geben, sonst wollte er mich nicht als Freundin.
Als ich dann im Zelt lag in meinem Bikini, er mir die Träger löste, wir heiß knutschten und ich seinen steifen Schwanz an meinem Oberschenkel spürte, wurde mir ganz anders.
Ich war erregt, wie er auch. Es war ein schönes Gefühl. Mal ging es heiß unter meiner Haut entlang und mal erregte mich der Kuss sehr. Doch mein Kopf war nicht ganz dabei.
Die Situation war mehr als komisch und plötzlich fand ich mich mehr als lächerlich.
Wie konnte ich mich in diese Situation bringen. Was bildete sich dieser Typ ein?
Zwei Freunde von uns saßen vor dem Zelt und passten auf, dass uns niemand störte, und sie hörten natürlich auch unser Geknutsche und das leichte Stöhnen. Wie absurd.
Ich zitterte am ganzen Körper und ich wollte auf der einen Seite auch, aber auf der anderen Seite wollte ich nicht.
Die Situation war nicht richtig. Und ehe ich mich versah, hörte ich die Worte aus meinem Mund plappern. Ich sagte meinem Lover, dass ich nicht mit ihm schlafen würde.
Er könne mich jetzt nach Hause fahren.
Er legte sich auf den Rücken, starrte mich an. Dann flüsterte er leise, dass er mich nach Hause fahren würde und es kein Wiedersehen mehr gäbe. Das sollte ich mir doch unbedingt überlegen.
Wie er so da lag, kam er mir mehr als dumm vor. Ich fühlte mich genauso dumm und unreif und bescheuert.
Natürlich hatte ich damit gerechnet, dass er das sagen würde, aber wenn es denn dann wirklich ausgesprochen wird, tut das schon weh. Und es ist enttäuschend.
Ich war hin- und hergerissen. Am liebsten hätte ich losgeheult und ihn angeschrien. Mein Herz zog sich zusammen. Es tat so weh. Ich war der Meinung, dass ich sehr verliebt bin in ihn und er auch in mich und fragte mich, warum er dann diese Forderung stellt?
Doch auf seine Frage hin, nickte ich nur den Kopf. Zog mein Bikinioberteil wieder an und richtete mich auf. Ich zog den Reißverschluss vom Zelt auf und kroch hinaus.
Draußen glotzten mich alle an und warteten darauf, dass mein Lover auch herausgekrabbelt käme und sagte, dass er mich geknackt hätte. Was für eine dumme Situation und Lage.
Ich schaute die anderen an und schüttelte verneinend den Kopf. Nun wussten alle, dass da nichts gelaufen ist.
„Ich habe es nicht zugelassen,“ sagte ich zu meinem Freund gewandt.
Alle gucken erstaunt und fassungslos.
Als mein Loverboy aus dem Zelt kam, zog er sich an, holte seinen Helm und winkte mir kurz zu, dass wir jetzt fahren würden, und dann fuhr er mich nach Hause.
Ohne ein Wort stieg ich von seinem Motorrad und ohne ein Wort ging ich fort. Kein einziges Wort kam von ihm.
Sollte das mein Schicksal sein?
Natürlich wusste ich, dass sie jetzt über mich lachen würden.
Die eingebildete Tussi, die sich nicht knacken ließ. Ich hörte es förmlich in meinem Kopf.
Zuerst dachte ich, was ich doch für ein Feigling war. Ich zweifelte an mir, ob ich das richtig entschieden hatte und ob ich wirklich auf ihn verzichten wollte.
Und dann kam es ganz plötzlich, dieses Sicherheitsgefühl aus meinem Bauch. Mein Bauchgefühl hat mich noch nie im Stich gelassen. Es sagte mir: „Er ist es nicht wert. Gib dich nicht für so einen Kerl hin. Er ist es nicht wert.“
Ich fühlte mich beschissen. Enttäuscht von mir. Wollte ich doch Liebe, aber diese Liebe war es gar nicht wert. Es war ja auch überhaupt keine Liebe. Doch ich wollte geliebt werden und dachte, wenn ich mich hingebe, liebt mich wenigstens einer.
Doch zum Glück hatte ich noch ein wenig Verstand, der mir sagte, dass es kein Mann wert ist, das zu tun, nur weil man geliebt werden möchte.
Trotzdem habe ich an mir gezweifelt. Wie immer.
Aber die Entscheidung war die richtige.
Eine Freundin von mir kam noch vorbei und ich erzählte es ihr. Ich fragte sie, ob ich denn nun ein Versager sei, oder ein Feigling, oder wie auch immer man das nennen kann.
Und sie meinte, sie hätte es wahrscheinlich auch nicht gemacht, doch sie war auch der Meinung, dass man es aus Liebe ruhig tun könnte. Irgendwann sei es sowieso das erste Mal. Jeder sei doch einmal dran.
Als wir so darüber redeten, wurde mir leichter ums Herz. Jetzt war mir klar, der Typ hatte mich nicht verdient! Diesem Blödmann hätte ich meine Jungfräulichkeit geschenkt. Ich hätte sie auch gleich aus dem Fenster werfen können. Gott sei Dank habe ich es nicht gemacht.
Die nächste Woche kam und die Verabredung mit der Schwester meines Schwarms rückte näher. Ich ging an dem besagten Nachmittag zu ihr und hoffte natürlich, dass ihr Bruder da sein würde.
Es war schon komisch, als ich erst einmal vor der Tür des Hauses mit dem Pool und großen Garten stand. Das hat mich schon etwas beeindruckt.
Ich war etwas unsicher, aber dann klingelte ich und sie machte die Tür auf.
Sie war etwas kleiner als ich, zwei Jahre jünger und hatte schöne, kräftige, lange, glatte, dunkelblonde Haare. Die gingen bestimmt bis zu den Armbeugen. Das fand ich bei ihr so schön. Sie waren so fest und gesund. Das Haar sah so wunderschön aus. Gern hätte ich auch so lange, glatte Haare gehabt. Aber ich habe Naturlocken. Meine Haare werden immer lockiger, aber nicht länger.
Es wurde die Tür geöffnet und sie freute sich sichtlich, begrüßte mich überschwänglich und bat mich hinein.
Wir gingen in ihr Zimmer und quatschten ein wenig.
Ich war beeindruckt von diesem Haus, von ihrem Zimmer und dem Architektenhaus mit großem Wohnzimmer, schönen Essbereich und sogar Kaminbereich. So schöne
verwinkelte Ecken und eine herrlich große Glasfront im Wohnzimmer zum Garten mit Pool.
Ich fand das Größenverhältnis der einzelnen Zimmer ungerecht. Ca. 50 m² maßen der Wohn- und Essbereich, während die Kinderzimmer gerade mal 10 m² groß waren.
Daran konnte man sehen, was man von Kindern früher hielt. Das war aber damals vollkommen normal.
Wir wohnten nur in einer Werkswohnung mit drei Zimmern. Aber mein Zimmer war mindestens 16 m² groß.
Ich empfand das immer als Luxus. Als Arbeiterkind. Mein Vater verdiente sein Geld als Schweißer bei einem großen Automobilhersteller. Hier arbeitete er in der Früh- und Spätschicht. Meine Mutter war Fleischereifachverkäuferin und sie arbeitete wohl zu der Zeit 30 Stunden in der Woche. Wir waren zu Hause ein eingespieltes Team.
Mein Vater war zur Frühschicht schon um 5.00 Uhr morgens aus dem Haus. Meine Mutter verließ das Haus um 7.00 Uhr. Dann stand ich auf und es ging zur Schule. Wenn ich nach Hause kam und meine Mutter noch nicht da war, wurde erst von mir Staub gewischt, gesaugt und aufgeräumt. Dann kam meine Mutter. Sie kochte für uns und meinen Vater das Essen. Ich aß mit meiner Mutter und dann ging sie wieder ins Geschäft und ich wartete meistens auf meinen Vater. Wenn er gegessen hatte, verschwand ich. Ich traf mich mit meinen Freundinnen.
Ich war nicht gern mit meinem Vater allein. Er war wortkarg und stellte immer irgendwelche Forderungen, oder gab als Äußerung nichts Gutes von sich. Egal ob er fragte, wie es in der Schule läuft und was wir da so machen. Es war alles Scheiße, dummes Zeug und ich sollte mich mehr anstrengen.
Die Leute, mit denen ich mich traf, waren nicht in Ordnung, sie hingen alle nur auf der Straße herum. Die Jungs würden schon rauchen und sollten sich lieber einen Job suchen neben der Schule, als draußen herumzuhängen.
Es gab nie ein nettes Wort, oder Verständnis, oder Mitgefühl. Wir waren alle zu blöd für die Welt und kriegen sowieso nichts auf die Reihe.
Darum sah ich lieber zu, dass ich nach dem Essen aus dem Haus ging. Keine Diskussionen und Erklärungen.
Wir saßen also in ihrem Zimmerchen und erzählten von der Clique. Sie fand jemanden aus unserer Gang sehr interessant. Da er mein bester Freund war, sagte ich ihr nur, dass sie keine Chance bei ihm hätte. Er war ein einfacher, junger Mann, der nicht in ihre Welt passte. Und ich kannte meinen Freund nur zu gut. Er wäre dieser, ihrer, Welt nicht gewachsen.
Sie war enttäuscht und traurig. Aber sie gab nicht auf. Sie wollte ihn unbedingt kennenlernen und ich sollte das Treffen organisieren.
Rein zufällig natürlich.
Sie würde gern in unsere Clique aufgenommen werden. Sie würde sich ändern, auch ihren Charakter anpassen, sogar Ihren Lebensstil würde sie für unsere Gemeinschaft anpassen. Sie könnte sich anpassen, ganz bestimmt.
Ich wollte ihr sagen, was sie ändern müsste, damit man sie in unserem Kreis aufnähme. Das sagte ich aber nicht.
Ich gab ihr zu verstehen, dass sie unbedingt so bleiben sollte, wie sie war. Jemandem, der sie nicht haben wollte, dem müsste sie sich nicht an den Hals werfen.
Das, was ich gerade hinter mir hatte, wollte ich auf keinen Fall für sie. Ich wusste innerlich, dass es falsch war, sich zu ändern, nur weil man jemanden gefallen möchte.
Bis zu diesem Zeitpunkt wusste ich nicht, dass ihre Mutter auch zu Hause war.
Plötzlich jedoch rief ihre Mutter die Treppe hoch, dass sich ihre Tochter nicht anpassen müsste für das herkömmliche Volk.
Sie könnte stolz darauf sein, dass sie ein so hübsches Mädchen war und dass die Jungs und Mädchen aus dem Dorf sowieso keine Ahnung hätten, aus was für einem guten Haus sie käme. Diese Leute seien es nicht wert, ihre Tochter kennenzulernen, geschweige denn, dass sich ihre Tochter irgendwie anpassen müsste. Und das nur, um in dieser Dorfgemeinschaft aufgenommen zu werden.
Erst einmal war ich etwas sprachlos, als ich diese Worte hörte.
War das jetzt ein Angriff auf meine Clique? Auf meine Freunde? Auf meine Herkunft?
Das lasse ich mir nicht gefallen, kam es mir in den Kopf.
Was bildete sich diese Dame eigentlich ein? Mit welchem Recht verurteilte sie Menschen, die ihr tägliches Brot mit fleißiger Arbeit verdienten?
Auch sie geht wie alle anderen zum Scheißen auf die Toilette.
Wahrscheinlich glotzte ich mein Gegenüber ungläubig an, bevor diese die Tür aufriss und ihrer Mutter entgegen schrie, dass sie sich gefälligst aus ihren Angelegenheiten heraushalten und sich um ihre Dinge kümmern sollte.
Dann knallte sie die Tür wieder zu, setzte sich mir gegenüber wieder hin und sagte mir nur, dass ich mir daraus nichts machen sollte, und vor allem sollte ich das den anderen aus der Clique nicht weitererzählen.
Ich fand die Situation etwas merkwürdig, eher machte es mich nachdenklich. Wenn sie schon mit der Clique ein Problem hatte, was würde sie dann sagen, wenn ich ihren Sohn näher kennenlernen würde?
Leider war mein Traummann nicht da. Er war auf Klassenfahrt in England. So eine Scheiße! Den ganzen Nachmittag verbrachte ich mit einem Mädchen, die ich nicht unbedingt als Freundin bezeichnen würde. Und das nur, weil ich ihren Bruder kennenlernen wollte. So ein Mist.
Ich war natürlich enttäuscht, doch nicht ohne Hoffnung. Es war mir ein wichtiges Anliegen, ihren Bruder kennenzulernen und das wollte ich auf jeden Fall durchziehen.
So verabredeten wir uns für das Wochenende.
Ihr Bruder sei dann wieder da und im Partykeller in ihrem Haus würde eine kleine Feier stattfinden.
Ich fragte, ob ich noch jemanden mitbringen durfte und sie sagte, dass ich dies gerne tun könnte.
Ich freute mich auf das Wochenende.
Eigentlich war ich vollkommen aufgeregt bis dahin. Auf der einen Seite war mir etwas mulmig im Magen, da ich nicht wusste, wie er so drauf ist und wie er auf mich reagiert. Ob er mich überhaupt mag?
Oh, das war alles sehr aufregend.
Zwei von meinen Freundinnen nahm ich mit und zwei Freunde aus dem Dorf, die ihr Bruder auch vom Fußball her kannte.
Wir gingen also hin und da stand er nun, mein Traumtyp.
Er war freundlich, zuvorkommend und ich war begeistert von ihm. Sein blasses Gesicht und seine ausgeprägte Nase, die leichten, dunklen Augenringe und seine helle Haut mit den stechenden Augen… ich war einfach hingerissen.
Mein Herz sagte mir, dass dies der richtige Mann für mich ist.
Als er dann etwas später Bongos zu Nazareth spielte und sein Freund dazu Gitarre, war es um mich geschehen.
Eine Musikrichtung, die ich bis dato nicht kannte, aber supi fand.
Ich fand ihn faszinierend. Seine langen Haare in seinem hellen Gesicht. Seine markanten Gesichtszüge und die hohen Wangenknochen. Er war einfach traumhaft schön für mich.
Später am Abend hörte ich, wie eine Klassenkameradin von ihm sagte, dass einige aus unserer Clique doch ziemlich dumm wären, proletenhaft; oder so ähnlich drückte sie sich aus.
Ausgerechnet ich musste das hören und da kam dann mein Bauchgefühl wieder durch.
Wie konnte sie es wagen, einen von uns als Proleten zu bezeichnen? Sie kannte uns doch gar nicht. Wie dreist war das von ihr?
Sofort drehte ich mich um und fragte sie, worauf sie sich etwas einbilden würde?
Schön wäre sie nicht und intelligent anscheinend auch nicht, denn dann würde sie so etwas nicht von sich geben.
Darauf plusterte sie sich auf und die anderen aus ihrer Clique stimmten ihr zu, wir wären einfache Dorfkinder und mussten froh sein, dass wir überhaupt hier sein durften.
Wir sollten dankbar sein, dass eine intelligente Clique den Dorfkindern eine Chance geben würde, einen anderen Stand der Gesellschaft kennenzulernen.
Oh, das war nicht gut. Das durfte und konnte man mit mir nicht machen.
Wir sind alle gleich! Das war immer beim Credo.
Da wieder alle nur durcheinander murmelten und sich aufregten, drehte ich mich einfach nur um, zeigte den anderen aus meiner Clique mit dem Finger die Tür und so gingen wir geschlossen heraus und verließen die Party.
Die Schwester meines Traummannes wollte mich zurückhalten, denn sie sah ihre Felle wegschwimmen.
Da sich die anderen mir angeschlossen hatten, war auch für sie der Abend gelaufen. Das wollte sie nicht und versuchte es immer und immer wieder, auf mich einzureden und mich zum Bleiben zu überreden. Es tat mir auch leid für sie, aber niemand beleidigte mich oder meine Freunde. Niemand. Ich hätte gern noch mit meinem Traummann gesprochen, aber stolz wie ich nun einmal bin, verzichtete ich lieber auf ihn, bevor ich mich von anderen Leuten als minderbemittelt betiteln ließ.
Wenn ich mich einmal zu etwas entschlossen hatte, dann war das für mich so und das zog ich auch durch.
Ich versuchte immer gerecht zu sein und hasste Unaufrichtigkeiten. Dann konnte ich auch meinen Mund nicht halten bzw. musste meinem Bauchgefühl folgen.
Der Abend also war gelaufen.
Mitte der nächsten Woche rief mich seine Schwester an und fragte mich im Auftrage ihres Bruders, ob ich zu seiner Schulparty mitkommen würde.
Ich war erst einmal überrascht und fragte, wie ich denn zu dieser Ehre kommen würde?
Sie sagte mir, dass ich seinen Bruder sehr beeindruckt hätte mit meiner Haltung an diesem Abend im Partykeller.
Ich sollte also mit ihr gemeinsam zu der Schulparty kommen.
Er würde in der Schule auf mich warten, da er schon dort sei, um alle Vorbereitungen zu treffen, da er für die Musik zuständig sei.
Erst überlegte ich, ob es wirklich gut wäre, wenn ich wieder auf diese Leute träfe und wenn die wieder so etwas von sich geben würden. Ob ich diesen Leuten gewachsen sei. Ich wäre dann auch völlig auf mich gestellt. Irgendwie hatte ich ein komisches Gefühl in meinem Bauch.
Auf der anderen Seite wollte ich ihren Bruder kennenlernen.
Und jetzt hieß es erst einmal, meinen Eltern beizubiegen, dass ich zu einer Party möchte, die nicht in unserem Dorf ist.
Dass ich mit der Straßenbahn fahren würde und vielleicht nicht pünktlich um 22.00 Uhr zurück sei.
Ein schwieriges Unterfangen. Ich redete also mit Engelszungen und durfte nur fahren, weil ich zugesichert habe, dass ich pünktlich um 22.00 Uhr wieder zu Hause sei.
Ich wusste von vornherein, dass ich das nicht schaffen würde, aber es war mir egal.
Das ich Ärger bekommen würde, war mir klar. Also ob ich nun 1 Minute zu spät käme, oder 15 Minuten. Von daher ging ich das Risiko ein und die Strafe, die mich erwarten könnte, nahm ich in Kauf.
Auf der Fahrt zur Party in der Straßenbahn kam das komische Gefühl hoch, dass die Person, die die letzte Party gesprengt hatte, auch dort sein könnte. Ob ich dem gewachsen war? Ob ich mich gerecht verhalten würde? Ich war allein und musste ggfs. mich und die Dorfkinder verteidigen. Wollte ich das?
Musste das sein?
Mein Bauch sagte mir, es muss sein!
Mein Bauch sagte mir, ich schaffe das schon!
Nun saß ich bereits in der Straßenbahn.
Ich wollte auch kein Feigling sein.
Okay, ich sagte mir innerlich, dass ich das schon schaffen würde.
Als wir die Halle betraten, kam auch gleich ihr Bruder auf mich zu. Er umarmte und küsste mich, als wenn wir uns schon ewig kennen würden. Als wenn wir ein Paar sind. So als wenn er nur auf mich gewartet hätte.
Und tatsächlich waren wir ab diesem Tag an ein Paar.
Natürlich kam ich an diesem Abend zu spät nach Hause und natürlich bekam ich richtigen Ärger mit meinen Eltern. Vor allem meinem Vater. Ich war 20 Minuten zu spät. Es war gar nicht meine Schuld. Der Bus von der Straßenbahnhaltestelle fuhr nicht mehr und mein Supertyp hatte seine Mutter angerufen und die holte uns von der Straßenbahn ab und fuhr mich nach Hause. Besser ging es nicht. Doch davon wollten meine Eltern nichts hören. Ich war zu spät und von daher würde es keine Party mehr außerhalb des Dorfes geben.
Ehrlich gesagt, es war mir egal. Es war ein toller Abend und dass ich Ärger bekommen würde, war mir vorher schon klar. Ich war dankbar, dass mein Vater mich nicht geschlagen hat. Das konnte er in solchen Fällen immer besonders gut.
Als ob das etwas ändern würde. Aber so war es halt bei uns zu Hause.
Mein Supertyp und ich hatten Höhen und Tiefen in all den Jahren. So wie jedes normale Paar.
Er hatte es mit mir sehr schwer, denn ich war es nicht gewohnt, über irgendetwas zu reden bzw. zu diskutieren. Ich war eher still und zog mich zurück. Ich machte alles mit mir aus. Ich war es nicht gewohnt, darüber zu reden.
Wenn ich unter Menschen war oder auf Partys, dann war ich so lustig, völlig unkompliziert und fröhlich. Ich tanzte gern, ob allein oder mit einem Partner. Das war mir egal. Ich liebte Musik. Da ich mich zur Musik einfach sehr leicht und schmiegsam bewegen konnte, war ich auch oft der Hingucker auf der Tanzfläche. Da spürte ich Energie in meinem Körper und Musik machte mich so frei, so glücklich. Dann fühle ich mich selbstbewusst und cool.
Mit der Zeit krempelte mich mein Traummann um. Ich lernte zu diskutieren, meine Wünsche zu äußern, mein Missfallen auszusprechen und Ungerechtigkeiten anzusprechen.
Er steckte im Abitur und ich begann meine Ausbildung.
Gern wäre ich Modezeichnerin geworden. Das Talent dazu besaß ich, was ein Preisausschreiben in der Brigitte, dieser Frauenzeitschrift, bewies. Dort belegte ich mit meinen eingereichten Modellen 3 Plätze von insgesamt 20. Ich hatte den 12., den 8., und ich glaube den 22. Platz gewonnen mit meinen Modellen. Darauf war ich stolz.
Aber meine Mutter machte mir einen Strich durch die Rechnung.
Für die Ausbildung hätte ich nach Hamburg gemusst, zur Modefachschule. Da sie mich dann nicht unter Kontrolle halten konnte, verbat sie es einfach.
Ich musste in einem Büro meine Ausbildung beginnen. Es hat mich niemand gefragt. Dafür musste ich dankbar sein, dass ich durch die Schwester meiner Mutter diesen Ausbildungsplatz bekommen hatte.
Es wurde für mich entschieden.
Innerlich war ich todunglücklich. Gern hätte ich etwas Kreatives gearbeitet. Mode war meine Welt. Zeichnen war meine Welt.
Wie oft habe ich als Kind mit meiner Mutter am Sonntag Fernsehen geguckt und die Kleider dabei skizziert, die ich im Fernsehen sah. Von diesen Skizzen gab es hunderte in meinem Zimmer.
Ich schneiderte diese Kleider auch nach für meine Barbie-Puppen. Oft konnte ich genau sagen, aus welchem Film das Kleid ist und welche Schauspielerin es wann getragen hat.
Das war meine eigene kleine, heile Welt.
Meine Mutter war sehr jung, als sie meinen Vater kennenlernte. Und mit 18 Jahren hatte sie mich schon bekommen.
Mir konnte es theoretisch genauso ergehen und dann hätte ich keine Ausbildung. Das waren die Sorgen meiner Mutter. Dass ich so dumm sei, geschwängert werde und dann gar nichts habe.
So ein Blödsinn. Doch damals hätte ich mich nicht durchsetzen können.
Was meine Eltern sagten, war Gesetz.
Da hätte ich weder mit meinem Vater noch mit meiner Mutter reden können. Ich hätte es gar nicht gewagt, dagegen zu halten, das hätte nur Ärger eingebracht und zuletzt dann die üblichen Ohrfeigen. Weil ich halt anderer Meinung war als meine Eltern. Das kannte ich schon zur Genüge.
Also fuhren mein Vater und ich mit einer Freundin zur Beratungsstelle im Arbeitsamt.
Ich konnte es nicht fassen, was als Ergebnis herauskam.
Geeignet sei ich, um den Beruf der Friseurin zu erlernen.
Das konnte ich gar nicht glauben. Ich, die absolut nichts mit Haaren anfangen konnte. Kein bisschen kreativ war, was Haare anging und ich hätte mich geekelt, anderen Leuten die Haare zu waschen.
Doch wie ich schon sagte, meine Mutter brachte mich im Büro unter. Ich erlernte also Bürokauffrau in der Firma, in der die älteste Schwester meiner Mutter Chefsekretärin war.
Also unter Aufsicht!
Erinnern kann ich mich noch an einem Vorfall im Winter. Ich hatte hohes Fieber und Schüttelfrost und bin damit zur Arbeit gefahren. Mir ging es sehr schlecht.
In der Mittagspause traf ich meinen Traummann, der – wenn es zeitlich passte – ab und zu vorbeikam, um mich in der Mittagspause zu sehen.
Er stellte dann fest, dass ich nicht auf die Arbeit gehöre, sondern ins Bett. Er redete so lange auf mich ein, bis ich nach Hause fuhr. Und danach noch zum Arzt.
Als ich in meinem Bett lag und meine Mutter von der Arbeit kam und ich ihr sagte, dass ich krankgeschrieben wäre, drehte diese beinahe durch.
Sie machte mir Vorwürfe. Krank sein gab es bei ihr nicht. Schon gar nicht, wenn man in der Ausbildung sei. Nur wegen eines grippalen Infektes bleibt niemand zu Hause. Schließlich könnte man seinen Arbeitsplatz verlieren und wie ich nur so dumm sei, dass zu riskieren.
Das waren schon heftige Vorwürfe. Ich kannte diese zwar aber durch meinen Traumtypen hatte ich mich einfach überreden lassen, doch lieber krank im Bett zu liegen als im Büro zu bleiben.
Doch mein Traummann, der am Nachmittag zu mir kam, hat meiner Mutter gesagt, dass man keinen Arbeitsplatz verliert, nur weil man krank ist. Für eine Erkrankung konnte man nichts und man durfte seine Gesundheit auch nicht einfach so aufs Spiel setzen.
Sie hat das wohl nicht verstanden, da sie gleich beim Eintreffen meines Vaters die Tirade losratterte.
Doch er fand auch, dass ich ins Bett gehörte.
Glück gehabt.
So empfand ich das. Dies hätte viel, viel schlimmer ausgehen können. Normalerweise habe ich damit gerechnet, dass meine Mutter wieder heulend meinem Vater erzählt, dass ich höchstwahrscheinlich jetzt meinen Job verlieren werde. Ich würde bestimmt nur krank machen und sei gar nicht krank. Mit einer Erkältung kann man doch zur Arbeit gehen. Ja, das hatte ich mir vorgestellt.
Doch dieses Mal blieb ich verschont.
Da ich das schon so oft während meiner Schulzeit gehört hatte, war ich gespannt und nun positiv überrascht.
Normalerweise hat sich meine Mutter immer durchgesetzt. Sie konnte meinen Vater immer um den Finger wickeln und ihm einreden, was ich für ein „Früchtchen“ wäre. Viel, viel Ärger mit meinem Vater hatte ich dank meiner Mutter. Sie hat sich oft bei ihm ausgeheult, weil sie fand, ich sei ein undankbares Geschöpf und ich wäre auch frech ihr gegenüber. Und würde ich den ganzen Tag nur herumlungern.
Ach, was weiß ich, was sie ihm immer gesagt hat.
Dabei hasste ich eigentlich nur ihre Unselbstständigkeit und ihre Neugier. Und die Fehler, die sie wegen ihrer Dummheit machte, hängte sie mir an.
Ein Beispiel, damit man das verstehen kann:
Ich war ca. zwölf Jahre alt und sollte für meine Mutter zur Drogerie gehen, um ihr kleine Binden zu kaufen. Bis zu diesem Tag hatte ich mich damit noch nicht auseinandergesetzt und ging in die Drogerie und kaufte die falschen Binden. Mir war nicht klar, dass es so viele verschiedene gab. Jedenfalls kam ich mit den falschen nach Hause und was sagte sie zu mir?
„Schickst du Scheiße, bekommst du Scheiße!“
Aber nun weiter in dem Alltag von damals.
Mein Traummann jobbte bei der Tankstelle bei uns im Ort. Er verdiente richtig Geld und wollte ab diesem Zeitpunkt sein Abitur nicht mehr beenden.
Ich redete mit Engelszungen auf ihn ein, aber er wollte seinen Kopf durchsetzen und Geld verdienen. Das Abitur fand er überflüssig und überbewertet. Dabei stand er kurz davor.
Ich hätte selbst gern das Abitur gemacht und wäre selbst gern auf die höhere Schule gegangen. Leider wurde mir das nicht erlaubt. Meine Eltern hielten das für unnötig. Da Sie kein Abitur hatten, benötige ich auch keins.
Woher sollte ich denn die Intelligenz besitzen?
Damit musste ich nun einmal leben.
Doch mein Traummann durfte seine Möglichkeiten nicht wegwerfen, sein Abitur zu machen, nur um an der Tankstelle zu arbeiten. Das konnte ich nicht zulassen.
Mir hat man in der Familie immer gesagt, dass ich viel zu blöd wäre, um ein Abitur zu machen. Wie sollte ich ein Abitur schaffen, wenn das kein anderer aus der Familie geschafft hatte?
Das machte sprachlos und man resignierte.
Wie oft habe ich mir gewünscht, dass man mein Talent erkennt und auch meine Auffassungsgabe. Es müsste nur gefördert werden. Doch damit konnte ich in unserer Familie nicht rechnen.
Doch mein Traumtyp sollte es wenigstens machen.
Selbst seine Mutter, zu der ich nicht unbedingt ein gutes Verhältnis hatte, sprach mich an und fragte mich, ob ich nicht Einfluss auf ihren Sohn nehmen könnte. Ich versicherte ihr, dass ich das sowieso täte. Ich wollte auch, dass er das Abitur machte … Was er dann auch getan hat. Es hätte besser sein können, aber er hat es geschafft.
Eines Tages lagen mein Traummann und ich in der Sonne in seinem Garten, nachdem wir im Pool waren. Seine Mutter kam von der Terrasse, setzte sich neben uns und sagte, dass sie gern nach Lanzarote in den Urlaub fliegen wollte, aber ihr Mann dagegen wäre.
Es wäre ihm zu teuer. Dabei konnte sich jeder verschissene Arbeiter einen Urlaub leisten und diese Familie, ein Hotelier mit seiner Frau als Zahnärztin, nicht?
Da blieb mir fast die Spucke weg.
Ich drehte mich um und sagte zu ihr: „Lieber ein Arbeiter und Urlaub als Hotelier und keinen Urlaub.“
Dann sprang ich auf, zog mich an und ging.
Da konnte mein Traumtyp auch auf mich ein reden wie er wollte. Ich war wie von Sinnen. Was sich diese Frau anmaßt und einbildet? Das höre ich mir nicht länger an. Diese Arroganz!
Da ich auch nicht diskutieren wollte, lief ich einfach weg.
Ein anderes Mal war unsere Cliquen im Partykeller und wir grillten.
Ein Freund von meinem Traummann und ich waren der Meinung, wir müssten der Mutter meines Freundes eine Bratwurst hochbringen. Also gingen wir mit guten Absichten durch den Garten zur Terrassentür hinein. Wir riefen, aber niemand antwortete. So sagten wir uns, stellen wir die Bratwurst einfach auf den Esstisch.
Wir gingen also diese drei Schritte in das Esszimmer und stellten dort den Teller auf dem Tisch ab.
Gerade als wir wieder gehen wollten, kam die Mutter meines Freundes in BH und Strumpfhose die Treppe herunter.
Sie sah uns und war völlig hysterisch. Sie rief, was uns wohl einfallen würde, einfach durch die Terrassentür in ihr Haus zu kommen und nicht durch die Tür. Wir wären schließlich Fremde in ihrem Haus. Das ging so gar nicht und das würde sie sogleich klären. Sie käme gleich nach unten.