Auf Irrwegen zu Dir - Sarah Saxx - E-Book

Auf Irrwegen zu Dir E-Book

Sarah Saxx

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Beschreibung

“Was tust du, um zu retten, was alles für dich bedeutet?“ Das mit Marco und Lena ist Liebe in Rosarot. Kitschig, romantisch, vollkommen. Dachten die beiden zumindest. Denn plötzlich spürt Marco, wie ihm seine große Liebe mehr und mehr entgleitet. Nichts ist mehr, wie es sein soll, und je mehr er versucht, alles wieder ins Lot zu bekommen, umso komplizierter wird es zwischen ihm und Lena. Außerdem ist da Lukas, der neue Reitlehrer, mit dem sich Lena blendend versteht, während sie sich mehr und mehr von Marco abwendet. Doch auch Lena ist wenig begeistert von der vollbusigen Schönheit Tamara, die Marco seit Kurzem in seinem Café auflauert und ihn gehörig ins Schwitzen bringt. Gibt es für Marco und Lena noch eine gemeinsame Zukunft? Oder hat ihr Liebesglück ein jähes Ende gefunden?

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Auf Irrwegen zu Dir

Sarah Saxx

www.sarahsaxx.com

Inhalt

Content Note

Prolog

1. Schönes Leben

2. Turbulenzen

3. Große Pläne

4. Was für eine Schnapsidee

5. Die feuerrote Hexe

6. Ein Fettnäpfchen kommt selten allein

7. Licht ins Dunkel

8. Momente, die die Zukunft ändern

9. Was für ein Arsch!

10. Dampf ablassen

11. Die volle Wahrheit

12. Ein Schritt nach vorne

13. Die Kugel und andere Bälle

14. Losing Lena

15. Wenn weniger mehr ist

16. Glück im Unglück

Epilog

Danksagung

Kennst du schon …

Kennst du schon …

Kennst du schon …

Freu dich auf …

Mehr Sarah Saxx

Über Sarah Saxx

Copyright © 2014, Sarah Saxx

Alle Rechte Vorbehalten.

Eine Kopie oder anderweitige Verwendung ist nur mit schriftlicher Genehmigung von Seiten des Autors gestattet.

Lektorat: Kornelia Schwaben-Beicht, www.abc-lektorat.de

Korrektorat: Sybille Weingrill, www.swkorrekturen.eu

Umschlagfotos: © George Dolgikh / © Vallentin Vassileff - Fotolia.com

Taschenbuch: 978-3-8370-8595-2

www.sarahsaxx.com

Über das Buch

»Was tust du, um zu retten, was alles für dich bedeutet?«

Das mit Marco und Lena ist Liebe in Rosarot. Kitschig, romantisch, vollkommen. Dachten die beiden zumindest. Denn plötzlich spürt Marco, wie ihm seine große Liebe mehr und mehr entgleitet. Nichts ist mehr, wie es sein soll, und je mehr er versucht, alles wieder ins Lot zu bekommen, umso komplizierter wird es zwischen ihm und Lena.

Außerdem ist da Lukas, der neue Reitlehrer, mit dem sich Lena blendend versteht, während sie sich mehr und mehr von Marco abwendet. Doch auch Lena ist wenig begeistert von der vollbusigen Schönheit Tamara, die Marco seit Kurzem in seinem Café auflauert und ihn gehörig ins Schwitzen bringt.

Gibt es für Marco und Lena noch eine gemeinsame Zukunft? Oder hat ihr Liebesglück ein jähes Ende gefunden?

Content Note

Dieses Buch behandelt unter anderem folgende Themen:

Trauer, Verlust, Betrug, toxische Beziehung

Für Stefan, Liebe meines Lebens.

Prolog

Momente …

Es gibt Momente im Leben, die vergisst man nicht. Momente, die so aufregend sind, dass sie sich regelrecht ins Gedächtnis einbrennen, und an die man sich von Zeit zu Zeit immer wieder mal gerne erinnert. Sei es das erste Campingabenteuer mit dem Vater, der erste Kuss, den die Sitznachbarin dir heimlich in der großen Pause schenkt, die bestandene Führerscheinprüfung …

Für mich zählt der Augenblick, als ich Lena das erste Mal sah, auf jeden Fall zu den besten meines Lebens. Als ich zum ersten Mal ihre Augen, ihr strahlendes Lächeln, ihre sinnlichen Lippen bemerkte … Innerhalb weniger Sekunden war ich fasziniert von dieser Frau. Sie hat etwas … Lebendiges an sich, was aber in keinster Weise gekünstelt auf mich wirkt. Im Gegenteil, sie hat eine sehr erfrischende Art.

Als ihr warmes Lachen zum ersten Mal bis zu mir an die Bar vordrang, ging es mir bis tief unter die Haut. Ich musste sie einfach anschauen, und irgendwie schien die Luft zwischen uns elektri­siert zu sein. Etwas an ihr zog mich magisch an, es war fast wie Magnetismus, auch wenn das vielleicht lächerlich klingt. Zuerst bemerkte ich nicht einmal, dass ich meinen Platz hinter der Theke verlassen hatte, um die Tische in ihrer unmittelbaren Umgebung abzuwischen. Erst, als eine meiner Angestellten neben mir stand, mir den Ellenbogen in die Seite stieß und mir eine weitere Bestellung zuraunte, landete ich langsam wieder in der Realität.

Lenas Stimme zog mich unaufhörlich an, ihre funkelnden Augen, die immer wieder Blickkontakt mit mir suchten, und ihr Parfum, das mich so ablenkte, als ich den Zuckerstreuer am Nebentisch nachfüllte.

Ich wollte sie ansprechen, wollte mehr über sie erfahren, woll­te sie kennenlernen. Nur kam mir leider ein Lieferantengespräch dazwischen, und als ich zurückkam, war sie weg. Ich war verzweifelt, hoffte nur, sie irgendwann wieder in meinem Café zu sehen. Doch glücklicherweise ging es ihr so wie mir: Einen Tag später stand sie wieder vor mir. Sie erzählte mir, sie hätte unbedingt noch einmal herkommen und mich ansprechen müssen, denn sie hätte das Gefühl gehabt, anderenfalls etwas zu verpassen.

Und Lena hatte recht. Denn ab diesem Tag schlugen unsere Herzen im selben Takt. Genauso kitschig und rosarot war plötzlich unsere Welt.

Man möchte denken, alles wäre perfekt, wie in einem der Märchen. „Und wenn sie nicht gestorben sind, dann leben sie noch heute“ – glücklich und verliebt wie am ersten Tag. Und ich muss gestehen, ich glaubte in den Monaten danach tatsächlich an ein Märchen. Eines, das so schön und so wahr war, dass es für andere vielleicht unerträglich schmalzig wirken mochte. Alles schien wie eine Never-Ending-Story – erst teilten wir das Bett, dann das Leben, bald eine gemeinsame Wohnung.

Doch jedes Märchen hat einmal ein Ende. Womöglich sogar ein böses, das man den Kindern verschweigt, um sie nicht aufzuregen. Um sie nicht auf das wahre Leben, die knallharte, eiskalte Realität aufmerksam zu machen. Leider nahm auch meine Lovestory diese Wende. Wenn mir einer sagen könnte, wann es passiert war, wohin ich in dem Märchen zurückblättern müsste, um doch noch ein Happy End daraus zu machen – ich würde alles dafür geben.

Alles, was jetzt noch in mir ist, ist dieser Schmerz. Irgendwann ist etwas zwischen uns zu Bruch gegangen, und ich spürte zwar den Aufprall, konnte ihn aber nicht lokalisieren. Jetzt stehe ich da, merke, wie all das, was mir die Welt bedeutet, vor meinen Augen zerbröckelt. Unaufhaltsam. All meine Versuche, mit ihr zu sprechen, alles wieder ins Lot zu bringen, scheinen ins Leere zu verlaufen.

Hilflos sehe ich ihr zu, wie sie ihren Koffer packt und vermutlich endgültig aus meinem Leben verschwindet. Es gibt Momente im Leben, die vergisst man nicht.

1Schönes Leben

„Auf dich – einen schönen Start ins neue Schuljahr.“ Ich stieß mit Lena an und küsste sie zärtlich auf ihre weichen Lippen.

Sie strahlte mich an. „Hoffen wir, dass ich wieder viele süße Kinder habe und dass ihre Eltern nicht allzu nervig sind.“

Sie verdrehte die Augen, und ich musste schmunzeln. Im letzten Schuljahr waren einige ganz spezielle Exemplare dabei gewesen – sowohl bei den Kindern als auch bei den Eltern.

„Und natürlich auf uns alle. Schön, dass ihr gekommen seid.“

Ich prostete unseren Freunden mit meiner Bierflasche zu.

„Danke für die Einladung, Marco, und noch einmal alles Gute zum sechsunddreißigsten Geburtstag.“

Jana lächelte mich an, und alle anderen nickten und erhoben ihre Gläser und Flaschen.

Ich winkte ab. „Das ist doch schon wieder längst vorbei, ihr habt mir doch schon am Montag gratuliert.“

Julian, Lenas Bruder und Janas Freund, klopfte mir freundschaftlich auf die Schulter. „Super, Alter, war nur ein Test. Alzheimer hast du also noch nicht.“

„Du pass mal lieber auf, dass das Fleisch nicht verkokelt.“ Ich grinste breit und deutete mit dem Kopf zum Grill hin, aus dem es schon seit Minuten verdammt lecker roch. Mein Magen knurrte, und das Wasser lief mir bei dem Gedanken an das saftige Steak im Mund zusammen.

Julian, der meinen heutigen Grillassistenten abgab, stand neben mir und half mir dabei, ein kleines Aufflackern des Feuers recht­zeitig mit Bier zu löschen. Damit das gute Gebräu nicht allzu warm wurde, arbeitete er jedoch dagegen an und nippte regelmäßig an dem Getränk. Auch Isas Freund Sebastian nahm einen Schluck Bier aus seiner Flasche.

„Soll ich ein paar Fotos machen?“, bot Isa ihm an.

„Nö, lass nur …“ Er schenkte seiner Freundin ein warmes Lächeln.

„Aber dann wärst du auch auf einigen Bildern drauf.“

„Ja, das wäre eine gute Idee“, meinte nun auch Lena. „An der kahlen Wand im Wohnzimmer würde ich gerne noch einige Fotos von uns allen aufhängen. Und da darfst du natürlich nicht fehlen, Sebastian!“

Sie schenkte ihm ein Lächeln, bei dem kein Mann Nein sagen konnte.

„Reich mal deine Kamera rum, Herr Berufsfotograf, wir machen sie schon nicht kaputt. Und ein paar Fotos von dir sind längst überfällig“, meldete ich mich nun auch zu dem Thema.

Sebastian zögerte einen Moment, gab dann aber seine heilige Kamera in Isas Hände. Lachend drückte sie den Auslöser, während ihr Freund Grimassen schnitt.

Die Sonne stand schon tief über der Stadt und tauchte den Himmel über Linz in ein warmes Orangerot, was von unserer Dachterrasse aus jedes Mal toll anzusehen war.

Jana, Isa und Lena saßen eingemummt in warmen Jacken am gedeckten Tisch und unterhielten sich über die Schule, in der meine Freundin arbeitete. Musik drang aus den Boxen, die ich links und rechts neben der Terrassentür aufgestellt hatte, und Lena wippte mit den Füßen im Takt dazu. Typisch Lena: Sie konnte einfach nicht still sitzen, und manchmal fragte ich mich, woher sie ihre Energie nahm.

Während ich noch einen Schluck Bier trank, sah ich mich zufrieden um: Mein Leben war einfach perfekt.

„Wisst ihr, was ich eben feststelle? Ich bin ein wahrer Glücks­pilz: Ich lebe in einer Wohnung mit einer Dachterrasse, bei der so mancher Gartenbesitzer neidisch werden könnte, und mein Café au Lait läuft so gut wie nie zuvor. In euch hab ich Freunde fürs Leben gefunden, und was am wichtigsten ist: Ich teile dieses geniale Leben mit der umwerfendsten Frau von ganz Linz. Danke für die letzten eineinhalb Jahre, mein Liebling.“

„Hört, hört!“ Julian applaudierte zu meiner kleinen Ansprache, und die anderen stimmten mit lautem Klatschen in das zustimmende Gemurmel ein.

Lenas Blick kreuzte meinen, und ihr besonderes Lächeln, das nur mir galt, ging mir durch und durch. Ich liebte sie so unglaublich, ich hätte nie gedacht, jemals so stark empfinden zu können. Selbst für mich realistischen Menschen fühlte es sich manchmal so an, als würde die Welt einen Moment stillstehen, nur um uns so kleine Augenblicke der absoluten Zweisamkeit zu schenken. Alles, absolut alles konnte ich in diesen besonderen Momenten ausblenden. Dann gab es nur Lena und mich.

Sie stand auf, kam auf mich zu und schmiegte sich fest an mich – für mich der Beweis für diese besondere Verbindung zwi­schen uns, denn genau danach hatte ich mich in diesem Moment gesehnt.

Sie blickte in unsere Runde. „Wir hatten aber auch wirklich Glück, dass mein Bruder damals Jana unbedingt wiedersehen wollte – nachdem so lange Zeit der Kontakt zwischen den beiden abgebrochen war. Sonst wäre ich vermutlich nie in dein Café gekommen.“

„Hab ich gern gemacht, Schwesterherz.“ Julian zwinkerte ihr zu und ging dann zu Jana, die er von hinten umarmte, und ihr anschließend etwas ins Ohr flüsterte.

Doch meine Aufmerksamkeit galt wieder nur Lena. Sie sah mit ihren strahlend blauen Augen, die meinen Blick sofort erneut fesselten, zu mir auf. Ich musste sie unbedingt küssen, jetzt – ich konnte gar nicht anders. Meine Lippen wurden wie von einem Magneten von den ihren angezogen.

„Du schmeckst nach Bier“, kicherte sie und küsste mich noch einmal.

„Vergesst nicht, dass ihr Gäste habt“, hörte ich Isa rufen.

„Und dass das Fleisch nicht völlig verkokeln soll.“ Julian war wieder neben uns und rempelte mich an, um mich an meine Aufgabe als Grillmeister zu erinnern. Belustigt wendete ich das Fleisch.

Manchmal fragte ich mich, ob unsere Freunde uns womöglich für verrückt hielten. Vielleicht verdrehten sie hinter unseren Rücken schon genervt die Augen, weil wir immer noch verliebt waren wie am ersten Tag.

Nein. Das ist so nicht richtig. Denn so wie am ersten Tag fühlte es sich bei Weitem nicht mehr an. Meine Gefühle hatten sich in der Zwischenzeit um ein Vielfaches vermehrt.

Abgesehen davon war es mir egal, was andere dachten. Das war es schon immer. Wenn sich jemand ernsthaft daran störte, dass es mir besser ging als anderen, dann sprach daraus meistens Neid. Und dafür hatte ich weder Mitleid noch Verständnis. Jeder hatte schließlich die Möglichkeit, seine Träume zu verwirklichen.

Und ich war auch überzeugt davon, dass ich mir bei meinen Freunden darüber keine Gedanken zu machen brauchte. Ich wusste, dass es ihnen genauso ging wie mir – zumindest, was den Partner betraf. Jana und Julian waren ebenso lange zusammen wie Lena und ich. Und Isa hatte Sebastian vor einem guten Jahr kennengelernt und seitdem ihrem ausschweifenden Partyleben ohne feste Beziehung den Rücken gekehrt. Ich war so froh, dass meine beiden Freundinnen nun endlich auch ihr Glück gefunden hatten.

„Aber nicht, dass ihr das falsch versteht“, wendete sich Julian an uns, als die anderen wieder in ihre Gespräche versanken. „Ich bin froh, dass meine kleine Schwester so einen guten Fang gemacht hat. Auch wenn ich im ersten Moment so meine Zweifel bei dir hatte – ein Bär von Mann mit südländischem Aussehen, Barchef ... Die Frauen schmachten dich reihenweise an … Ich machte mir anfangs ernsthafte Sorgen um meine Schwester.“

Er lächelte zwar, aber an seiner Stimme konnte ich tatsächlich erkennen, dass er es ernst meinte.

„Aber jetzt weißt du schon, dass mein Herz bei Marco in guten Händen ist, oder?“ Lena hob fragend ihre Augenbraue und hatte die Hände in die Hüften gestemmt.

Julian nickte und klopfte mir auf die Schulter.

„Klar. Marco weiß, wo er hingehört.“ An mich gewandt fuhr er fort: „Und solltest du es doch mal vergessen, nehme ich es mit dir auf, auch wenn es vielleicht schmerzhaft für mich wird.“ Er spannte seine Muskeln an, ballte die Hände zu Fäusten und boxte zuerst in die Luft, als wäre er Ali höchstpersönlich.

Ich lachte, stieg in den Luftkampf mit ein, und fügte hinzu: „Keine Angst, Lena gehört zu mir, und daran wird sich nichts ändern.“

„Aber die heißen Frauen scharen sich immer noch um dich. Die Versuchung liegt ja quasi auf dem Präsentierteller – direkt vor deiner Nase“, zog er mich weiter auf.

Doch ich zuckte nur mit den Schultern. „Mag schon sein, dass es Frauen gibt, die sich ein Abenteuer mit dem italienischen Barista wünschen.“ Ich wackelte mit den Augenbrauen und grins­te. „Deiner Schwester kann jedoch keine das Wasser reichen. Das muss ich nicht erst ausprobieren, das weiß ich. Und keine Angst, die Telefonnummern, die sie mir zustecken, landen sofort im Papierkorb.“

Was früher, vor Lena, nicht so war – damals machte ich durch­aus davon Gebrauch. Ich schrieb die Nummern der Frauen in ein kleines ledernes Notizbuch – manchmal mit einer kleinen Info, wie sie aussahen, oder irgendeinem prägnanten Detail, um sie aus­einanderzuhalten. Klingt oberflächlich, ja – und das war es auch.

Meinen Freunden und vor allem Lena habe ich natürlich nichts von dem Buch erzählt. Ich habe meiner Liebsten aber auch nichts verschwiegen. Sie weiß, dass es Frauen in meinem Leben gegeben hat, und die meisten davon sind gekommen und gegangen, ohne jegliche Bedeutung für mich. Nur Lena schaffte es, sich mit voller Wucht in mein Herz zu katapultieren. Und das war gut so.

„Wenn ihr wollt, könnt ihr mir jetzt eure Spieße mit den Meeresfrüchten bringen“, lenkte ich leicht angesäuert von Julians Stichelei, die in meinen Augen ziemlich unnötig war, ab.

„Ist es denn schon so weit?“, fragte Isa skeptisch. Sie hatten ihr Gespräch mit Jana unterbrochen und gebannt unsere Unterhaltung verfolgt.

„Klar. Das Fleisch ist fast fertig, und die Spieße brauchen ja nicht lange.“

Lässig schwang ich die Grillzange und warf noch einen letzten Blick zu Julian, der vermutlich jetzt schon zu viel getankt hatte.

„Will noch jemand Bauchfleisch? Eines wäre noch da, und es wäre doch schade, wenn es überbliebe …“ Lena schwenkte den Teller mit dem Fleisch darauf in der Runde, doch alle lehnten müde und vor allem satt in ihren Sesseln.

„Wenn ich noch ein einziges Stück esse – und sei es nur ein Salatblatt –, ich glaub, dann platze ich.“ Isa rieb sich über ihren bisher nur leicht gerundeten Bauch, was wohl die einzige Bewegung war, die sie augenblicklich schaffte.

„Ich bin so satt, ich mag kein Blatt – määäh!“ Sebastian ahmte die Stimme der Ziege des bekannten Märchens nach, was bei ihm zu komisch war.

Die Mädels fingen zu kichern an wie kleine Kinder, während wir Männer in schallendes Gelächter ausbrachen.

„Bei dir brauche ich mir wirklich keine Sorgen zu machen, du wirst garantiert ein super Papa!“

Ich stieß Sebastian in die Seite, der daraufhin seine Freundin mit einem Lächeln belohnte, das man nur bei glücklichen werdenden Vätern sah. Und auch Isa wurde plötzlich ganz ruhig und strahlte ihn mit einem seligen Grinsen auf den Lippen an.

„Ich freue mich schon auf euren Zwerg, dann bin ich ja quasi … Onkel Marco, oder?“

„Onkel Marco, das klingt echt cool!“ Jana nickte.

„Das ist es auch. Wir werden uns den Kleinen stundenweise ausborgen. Und ich kaufe dem kleinen Mann seine erste Espresso­maschine und weihe ihn in die Geheimnisse der Kaffeezubereitung ein.“

Isa sah mich verdutzt an, und auch Lena hob verwirrt eine Augenbraue, während sie die Essensreste auf einem Teller sammelte und das restliche Geschirr stapelte.

„Wenn du ihm nur so lange wie möglich die Geheimnisse des Alkohols verschweigst …“ Julian unterstrich seine Worte mit einem großen Schluck aus seiner Bierflasche und zwinkerte mir über den Rand zu.

„Na klar, das hat noch lange Zeit. Wenn er alt genug ist, neh­me ich ihn mit auf ein Weinseminar, damit er schon mal die Grund­lagen kennt …“ Ich wurde richtig euphorisch. „Oh, und ein Kaffee­seminar wäre natürlich auch eine Idee … Stellt euch vor, euer Sohn könnte dann in den Schulferien immer im Café aus­helfen. Er würde bestimmt einen würdigen Nachfolger abgeben.“

„Und wenn ihr mal eigene Kinder habt? Die hätten dann doch Vorrang, oder?“ Sebastian hob fragend die Augenbraue.

„Also davon ist noch lange keine Rede, nicht wahr, Lena?“

Sie hatte eben ihr Glas angesetzt, hielt jedoch in der Bewegung inne. Sie schien etwas darauf erwidern zu wollen, doch ich kam ihr zuvor und erläuterte weiter unseren Plan: „Wir wollen jetzt mal unser Leben genießen. Reisen, uns Luxus gönnen, wie zum Beispiel diesen Grill.“ Ich deutete mit dem Kopf auf das monströse Stahlteil.

„Wer sagt dir denn, dass es ein Junge wird? Es kann ja auch ein Mädchen sein …“ Isa klang jetzt glatt ein kleines bisschen beleidigt.

„Hör doch nicht auf die Männer. Du weißt ja, wenn die keinen Stammhalter zeugen, werden sie gleich nervös“, beruhigte Jana ihre Freundin. „Komm, wir helfen Lena mal, hier etwas Ordnung zu schaffen. Wir Frauen verziehen uns in die Küche, dann könnt ihr euch weiter grunzend auf die Brust trommeln.“

„Würden wir euch sagen, ihr solltet in die Küche gehen, be­kämen wir gleich wieder eins über die Rübe. Euch Frauen soll mal einer verstehen …“

Kopfschüttelnd und mit gespielt ernster Miene griff ich nach meinem Bier und legte provokant die Füße auf Lenas eben frei gewordenen Sessel. Das Lachen meiner Kumpels wurde von den bösen Blicken ihrer Freundinnen sozusagen im Keim erstickt, und so bissen sie sich nur auf die Lippen und gossen erneut Bier in sich hinein. Heute würde sich wohl nur Isa noch ans Steuer setzen dürfen …

„Wenn du mit meinem Jungen auf das Weinseminar fährst, will ich aber auch mit.“ Jetzt machte es sich auch Sebastian bequem und legte seine Beine hoch.

„Hast du Angst, ich könnte es gutheißen, dass er sich zu viel hinter die Binde kippt?“

„Nein, darüber mach ich mir bei dir keine Sorgen. Aber die Idee eines Weinseminars gefällt mir.“ Sebastian grinste breit, als er mir antwortete.

„Also, wenn es nur das ist … Ein Weinseminar können wir jederzeit auch früher besuchen.“

„Ich bin dabei“, schaltete sich nun auch Julian ein.

„Okay, Jungs, ich checke morgen mal die Angebote, wenn ihr wollt.“

Wenn ich den Plan dazu finde. Mein Büro quoll vor uner­ledigter Arbeit über, und dementsprechend herrschte dort auch Chaos. Ich sollte mir dringend Zeit nehmen, um wieder mal Ordnung zu machen. Meine Ablage wuchs und wuchs, und wenn ich nicht bald mal was dagegen unternahm, würde ich irgendwann tatsächlich den Überblick verlieren.

Von meinen Freunden bekam ich ein zustimmendes Brummen.

„Ein paar Tage ohne Frauen würden uns sicher nicht schaden. Gerade dir täte eine Auszeit vor der Geburt mit Sicherheit gut.“ Julian nickte Sebastian mitleidsvoll zu. „Stell dir mal vor, es wird wirklich ein Mädchen. Dann hast du zwei Frauen daheim.“

„Zumindest der letzte Satz hört sich nicht schlecht an …“, lachte Sebastian. „Aber jetzt mal ernsthaft: Ich freue mich schon auf den Zwerg – egal, ob es nun ein Junge oder ein Mädchen wird. Ey, Leute, ich werde Vater!“

„Ja, Mann, in ein paar Monaten darfst du dich von oben bis unten vollkotzen lassen, bist plötzlich der Kackwindeloberbeauftragte, und mit dem Durchschlafen ist es dann auch vorbei. Ebenso mit dem Sex.“ Ich hob dabei warnend den Zeigefinger, doch Sebastian schien das nicht im Mindesten zu beeindrucken.

„Diese anstrengende Phase geht wieder vorbei“, antwortete er schulterzuckend. „Auch wenn du mich vielleicht für verrückt erklärst, Marco, aber ich freue mich sogar darauf.“

„Auf die Zeit ohne Sex?“

Ich schielte ungläubig von Sebastian in Richtung Terrassentür und senkte meine Stimme. Nicht auszudenken, wenn eine der Frauen das jetzt hören würde, was dieser Wahnsinnige eben von sich gab. Das musste wohl am Bier liegen. Oder an … keine Ahnung!

„Na ja, darauf vielleicht nicht unbedingt, aber ich mache mir bei Isa eigentlich keine Sorgen, dass diese Zeit allzu lange andauern wird.“

Sebastian grinste spitzbübisch von einem Ohr zum anderen, und jetzt, wo er es sagte, kam mir meine Annahme auch unvorstellbar vor. Aber bei Frauen und ihren Hormonen wusste man nie, was dabei herauskam.

„Nein, ich freue mich auf das Babygeschrei und auf den Ge­ruch des Kleinen. Hast du schon mal an einem Baby gerochen?“

Julian lachte laut auf.

„Oje, er wird verrückt.“

Ich schüttelte ungläubig den Kopf und fügte mit einem mit­leidigen Grinsen hinzu: „Sie hat dich schon voll in ihrer Gewalt. Es dauert nicht mehr lange, dann kaufst du ihr Tampons, flechtest ihr Blumen in die Haare, und ehe du dichs versiehst, sitzt du mit ihr auf der Couch und strickst Babysöckchen.“

„Ja, ja, jetzt lachst du noch! Warte ab, bis du mal Vater wirst, dann siehst du das alles anders.“ Sebastian klopfte mir freundschaftlich auf die Schulter.

„Das sagte ich doch bereits, unsere Kinderplanung liegt noch in ferner Zukunft“, winkte ich aus voller Überzeugung ab. „Lena und ich sind doch erst zusammengezogen.“

Doch Sebastian schien noch nicht überzeugt. „Bullshit. Immerhin wohnt ihr schon fast ein Jahr hier. Nimm dir ein Beispiel an Isa und mir: Wir kennen uns noch nicht einmal ein Jahr – und nicht mehr lange und wir werden Eltern.“

„Das klingt, als würdest du dich … rechtfertigen. Oder gar beschweren!“

„Keine Angst, ich stehe zu meiner Entscheidung. Aber bei euch wäre es wirklich mal an der Zeit!“, konterte Sebastian.

Ich konnte nicht anders, ich musste laut lachen. „Nein, Leute, glaubt mir: Kinder sind bei uns noch kein Thema. Immerhin ist Lena erst sechsundzwanzig.“

Ich wollte eigentlich noch weitersprechen, doch zum Glück bremste ich mich gerade rechtzeitig. Denn Lena kam in dem Moment wieder auf die Terrasse und räumte noch den Rest an Soßen, leeren Flaschen und Gläsern vom Tisch.

Ich warf ihr einen Blick zu, aber sie tat so, als wäre sie beschäftigt. Vermutlich hatte sie nichts mitbekommen von dem, was ich gesagt hatte.

„Dann ist es bei euch also noch nicht Zeit für einen nächsten Schritt? Ich dachte immer, dass ihr ein Kind wollt, nachdem ihr euch so eine große Wohnung genommen habt, aber da hab ich mich wohl getäuscht.“

Mit zusammengekniffenen Augen feuerte ich Blitze in Sebastians Richtung, der jetzt auch noch in diese Kerbe hauen musste.

„Wer möchte noch ein Bier?“, fragte Lena monoton in die Runde.

„Also wird auch nicht geheiratet?“ Nun bohrte auch Julian nach und blickte abwartend zwischen mir und seiner Schwester hin und her.

Was, verdammt noch mal, ist denn jetzt in die beiden gefahren? Können die nicht still sein, solange Lena hier ist?

„Haltet endlich die Klappe!“, zischte ich zwischen zusammen­gepressten Lippen hervor und funkelte beide wütend an. Julian trat ich noch unter dem Tisch kräftig ans Schienbein, doch zu meinem Ärger ließ ihn das unbeeindruckt. Mit einem wahrscheinlich etwas verkrampften Lächeln wandte ich mich an meine Freundin.

„Ich brauche jetzt einen Kuss.“

Ich fasste Lena an der Hand und zog sie zu mir. Flüchtig drückte sie ihre Lippen auf meine. Ihr süßer Duft wirkte beruhigend auf mich und vertrieb einen Teil der Wut, die Julian und Sebastian angestachelt hatten.

„Und ein Bier wäre tatsächlich noch gut. Würdest du mir noch eines mitbringen, wenn du wieder herauskommst, Liebling?“

Auch Julian und Sebastian baten um Nachschub. Am liebsten hätte ich zu Lena gesagt, dass die beiden für heute genug hatten, aber wir waren hier auf unserer Dachterrasse und nicht in meinem Café.

Lena strich mir ohne ein Wort eine Haarsträhne aus dem Ge­sicht. Nachdenklich verfolgte sie diese Bewegung mit den Augen und küsste mich noch einmal, als ob ihr der erste Kuss jetzt doch auch viel zu kurz gewesen war. Dann drehte sie sich um und ging zurück in unsere Wohnung, nicht ohne mir noch einmal tief in die Augen zu sehen. Glücklich blickte ich ihr und ihrem süßen Arsch nach, der meine Fantasie beflügelte. Aber zuvor musste ich Julian und Sebastian gehörig den Kopf waschen.

„Was bildet ihr Idioten euch eigentlich ein? Ihr macht noch meinen ganzen Plan kaputt!“, zischte ich, als Lena die Terrassentür wieder geschlossen hatte.

Julian und Sebastian warfen sich fragende Blicke zu.

„Was meinst du?“, fragten die beiden fast gleichzeitig und warfen mir unschuldige Blicke zu.

Ich schluckte meinen Ärger hinunter und antwortete nur knapp. „Das erkläre ich euch ein anderes Mal. Aber hört endlich auf, übers Heiraten und Kinderkriegen zu reden, verdammt noch mal!“

Schon öffnete sich wieder die Glastür und die drei Mädels ­­kamen zurück auf die Terrasse, Getränkenachschub in den Händen. Julian und Sebastian nickten und tranken schweigend von ihrem Bier, während Lena, Isa und Jana aufgeregt über ­Babykleidung schnatterten.

Später, als wir unsere Gäste verabschiedet hatten und wir die letzten Gläser und zusätzlichen Sessel wieder nach drinnen ­räumten, brachte mich Lena wie so oft zum Lachen.

„Isa ist so süß mit ihrem kleinen Babybäuchlein. Ich bin schon sehr gespannt, wie sich die Kugel bei ihr noch weiter­entwickelt. Wenn sie so schlank bleibt, sieht es sicher lustig aus. Von hinten schmal wie immer, und sobald sie sich umdreht ... bäng!“

Sie zeichnete mit ihren Armen einen Halbkreis vor ihren Bauch und schlurfte mit eingezogenen Wangen und watschelndem Enten­gang an mir vorbei.

„Ja, sie sieht super aus. Man merkt ihr an, dass ihr die Schwangerschaft guttut. Und Sebastian freut sich witzigerweise auch schon auf den Windelgestank und das Babygeschrei.“

„Das ist ja auch süß.“

Zweifelnd hob ich eine Augenbraue. Wenn bei mir im Café Gäste mit Babys waren, war es alles andere als süß, wenn der Lärmpegel dadurch nur noch mehr angehoben wurde. Parallel dazu erhöhte sich immerhin auch die Lautstärke der Gespräche der anderen Gäste und förderten somit die Kopfschmerzen.

„Na, wenn du meinst …“

Lena zuckte als Antwort nur mit den Schultern und räumte ein Glas nach dem anderen in den Geschirrspüler. Ich schien sie wohl beleidigt zu haben, denn sie schwieg.

Streit war das Letzte, was ich wollte, also ging ich quer durch das Wohnesszimmer zu ihr in die Küche und schlang von hinten meine Arme um sie. Sie war fast dreißig Zentimeter kleiner als ich und so schmal und zart wie eine seltene Blume. Dazu ihr unverkennbarer Duft, den ich gierig einsog, als wäre er der Antrieb für meinen Motor.

„Komm schon her, meine Süße.“

Meine Stimme war versöhnlich und leise. Meine Nase vergrub ich in ihren schwarzbraunen Haaren, die weich auf ihren Schultern lagen. Ich musste mich nach unten beugen, um zu ihrem Ohr zu gelangen, das ich kurz an der empfindlichsten Stelle mit meiner Zunge neckte, und arbeitete mich langsam weiter vor zu ihrer weichen Wange. Ich rieb meine vorsichtig an ihrer, ganz leicht nur, um ihre Pfirsichhaut nicht mit meinen Bartstoppeln zu reizen, und drückte ihr einen Kuss auf. Dann packte ich sie an den Oberarmen, behutsam, als wäre sie zerbrechlich, und drehte sie langsam zu mir um. Ihre tiefseeblauen Augen blickten mich müde und fragend an.

„Lass doch die Gläser stehen, wir machen das morgen vor dem Frühstück.“ Mir war jetzt nach was ganz anderem als nach Aufräumen, und ich war davon überzeugt, dies konnte Lena auch dem Klang meiner Stimme entnehmen.

Ich nahm ihr das Weinglas aus der Hand und stellte es auf die Arbeitsfläche. Dann schlang ich meinen Arm wieder um ihre Hüfte und presste sie an mich. Erneut vergrub ich meine Nase in ihren Haaren und hauchte ihr Küsse auf die Stirn und auf die Schläfen, wobei ich ihren kleinen festen Hintern knetete.

Lenas Hände wanderten unter mein Shirt. Sie küsste mich zärtlich, saugte an meiner Zunge. Ihre Fingernägel glitten über meine Haut, was mir ein leises Stöhnen entlockte.

„Verdammt, du bringst mich um den Verstand, Lena, ich hoffe, du weißt das!“

Mit einem Ruck hob ich sie hoch und setzte sie auf die Arbeits­fläche. Nun waren wir auf einer Höhe und konnten uns in die Augen sehen. Sie biss sich auf die Unterlippe, was mein Verlangen nach ihr noch steigerte.

„Am liebsten würde ich dir hier und jetzt die Kleidung runterreißen und dich auf der Küchentheke nehmen.“

„Dann tu das doch.“

Ihre Antwort nahm mir fast den Atem und meinem Schwanz den Platz in den Jeans. Ich neigte mich nach vorne und strich mit meinen Lippen über die ihren, rieb vorsichtig meine Wange an ihrer und knabberte zärtlich an ihrem Ohrläppchen.

„Bist du noch gar nicht müde?“, flüsterte ich zwischen den Küssen.

„Jetzt nicht mehr“, gab sie mir als Antwort und zog mir gleichzeitig mein Shirt über den Kopf, welches achtlos auf den Boden fiel. Ihre Beine schlang sie um meine Hüften und ver­ringerte so den sowieso schon kleinen Abstand zwischen uns aufs Minimalste. Gott, wie ich diese Frau liebe!

2Turbulenzen

Am nächsten Morgen frühstückten Lena und ich auf der Terrasse, eingemummt in dicke Pullover, die uns bei der kühlen Septemberluft vor einer Erkältung schützen sollten. Lena wärmte ihre Hände an ihrer Kaffeetasse und blätterte zwischendurch in ihrer Zeitung.

Wie gestern Abend durchströmte mich dieses wunderbare Gefühl, als ich – wieder einmal – den Ausblick und den damit verbundenen Luxus genoss.

„An so Tagen wie heute wird mir bewusst, was für einen Glücksgriff wir mit dieser Wohnung gemacht hatten. Ich meine, sieh dich um, Lena! Nicht einmal für viel Geld würde ich diese Wohnung wieder hergeben wollen. Du etwa? Etwas Besseres konnten wir mitten in Linz nicht finden. Nicht einmal ein Haus mit Garten könnte mit unserer Wohnung mithalten. Mal abgesehen davon, dass allein unsere Terrasse mit ihren fast neunzig Quadratmetern vermutlich größer ist als so manches Reihenhaus in der Stadt.“

Lena hatte ihren Blick von der Zeitung gelöst und mir regungslos zugehört. Als von ihr kein Widerspruch kam, sie aber irgendwie auch nicht meine Euphorie teilte, sinnierte ich weiter.

„Okay, zugegeben, die Wohnung ist nicht das, was man günstig nennt. Aber das Café läuft gut, sehr gut sogar. Ich denke, ich kann richtig stolz auf meine Arbeit sein, auf mein Team und das, was ich mir in den letzten Jahren quasi von null weg aufgebaut hab.“

Ein Lächeln huschte über Lenas Lippen. „Das stimmt, auf dein Café sind sicher viele Barbesitzer neidisch.“

„Du kennst das Café von früher ja nicht, aber es war ein richtiges … Drecksloch, als ich es übernahm.“

Lena hob eine Augenbraue und fragte interessiert: „Tatsächlich? Davon hast du mir noch nie erzählt.“

„Echt nicht? Ja, du hättest den alten Fliesenboden sehen müssen. Und dann die dunklen Tapeten dazu.“ Eine Gänsehaut schüttelte mich, als ich an den ganzen Schmutz, den Gestank und an die viele Arbeit dachte, die ich investiert hatte, um es zu dem zu machen, was es jetzt war.

„Und woher hattest du das Geld für den Umbau? Hast du einen Kredit bei der Bank genommen?“

Nun hatte ich ihre volle Aufmerksamkeit. Sie schlug die Zeitung zu und schob sie von sich. Lächelnd erzählte ich ihr von der Zeit, die mein Leben von Grund auf verändert hatte.

„Nein. Mein Onkel starb vor gut sieben Jahren. Er hat mal im Lotto gewonnen und ein glückliches Händchen für Geld­anlagen gehabt. Jedenfalls habe ich nach seinem Tod einen Teil davon geerbt. Und mit dem Gedanken, ein Lokal zu eröffnen, hatte ich schon lange gespielt. Als ich die Location fand, wusste ich sofort, die ist es. Eine Fügung des Schicksals! Ich habe sie gemietet und kurzerhand in ein helles, freundliches Kaffeehaus verwandelt.“

„Fügung des Schicksals …“, wiederholte Lena leise, und ich nickte bestätigend.

Ich lehnte mich wieder gemütlich zurück und ließ meinen Blick und meine Gedanken schweifen.

Lena seufzte tief und blickte in die Ferne. Die große Tasse Cappuccino mit extra viel Milchschaum hielt sie mit beiden Händen an ihr Kinn und nippte hin und wieder daran. Eine Weile beobachtete ich sie dabei, während ich nachdenklich an meinem Croissant kaute.

Dass sie heute Morgen so still war, irritierte mich. Normalerweise plapperte sie selbst während des Essens ununterbrochen, und es wunderte mich, dass sie überhaupt auf diese Weise Nahrung zu sich nehmen konnte oder sich nicht viel öfter am Essen verschluckte.

„Alles in Ordnung, Liebes?“

„Klar.“ Ihre Antwort war knapp, leise und emotionslos. Eine klare Lüge.

Irgendwas war nicht in Ordnung, das konnte sie mir nicht vormachen. Ich wagte einen weiteren Versuch.

„Ist es wegen des Cafés? Weil ich dir die Geschichte noch nie erzählt habe? Ich hatte das irgendwie … keine Ahnung … Ich dachte, ich hätte es dir schon mal erzählt.“ Verwirrt kratzte ich mich am Kopf. „Oder ist es etwas anderes? Du kannst es mir ruhig sagen, wenn du etwas auf dem Herzen …“

„Es geht mir gut, Marco. Ich bin nur müde. Ich hatte eine schlechte Nacht, das ist alles. Liegt wohl daran, dass ich gestern zu viel gegessen habe. Mach dir keine Sorgen.“

Doch ihr Lächeln erreichte nicht ihre Augen, und ich machte mir sehr wohl Gedanken. So still und irgendwie verschlossen kannte ich sie bisher nicht.

„Leg dich doch wieder ins Bett und versuch, noch zu schlafen.“

Sie nickte langsam, stand auf und ging auf die Terrassentür ​ zu. Ohne mir einen Kuss zu geben? Ich packte sie am Handgelenk und hielt sie auf. Ihr leerer Blick traf mich. Es ging ihr wohl wirklich beschissen, deshalb sagte ich: „Warte, ich bringe dich ins Bett.“

„Willst du schon wieder vögeln?“

Ihre barsche Frage ließ mich zurückschrecken. „Nein, ich …“

„Ich finde das Bett schon alleine.“ Damit entzog sie mir ihre Hand und ging hinein.

Soll ich nun doch aufstehen und ihr nachgehen? Oder will sie ihre Ruhe haben? Vielleicht hatte sie Kopfweh, oder sie brauchte sonst irgendwelche Hilfe. Wobei … sie würde es doch sagen, wenn ich ihr Medikamente bringen sollte oder einen Arzt rufen? Versteh einer die Frauen!

Ich warf einen Blick auf den Frühstückstisch und entdeckte ihr Handy neben ihrem Teller. Wenn sie jetzt keine Hilfe von mir wollte, brauchte sie diese vielleicht später. Entschlossen griff ich nach dem Smartphone und ging ihr nach.

„Du hast dein Telefon vergessen.“

Lena schälte sich eben aus ihrem Pullover. Kurz hielt sie in ihrer Bewegung inne.

„Ich brauche es nicht, ich will schlafen.“ Lena betonte das Wort mit einer Schärfe, die ich nicht gewohnt war.

„Stell den Ton ab, und falls du was brauchst, ruf mich an. Ich mache mir Sorgen, Lena. Bitte …“

Die Anspannung in ihrem Gesicht ließ endlich etwas nach, und mit einem leisen „Danke“ nahm sie das Telefon an sich. Einen Moment lang musterte ich sie noch einmal eingehend. Hatte sie gestern zu viel getrunken und jetzt einen Kater? Aber wenn ich genau darüber nachdachte, hatte ich sie selten am Wein nippen sehen. Die meiste Zeit hatte sie Wasser und Fruchtsaft getrunken. Vermutlich hatte sie wirklich einfach nur zu viel gegessen.

Bevor ich das Schlafzimmer wieder verließ, gab ich ihr noch einen Kuss auf die Stirn, unter dem sie sich versteifte. Oder spielte mir meine Wahrnehmung nun schon einen Streich? Leise zog ich die Schlafzimmertür hinter mir zu.

---ENDE DER LESEPROBE---