Auszeit auf dem kleinen Archehof & Neuanfang auf dem kleinen Archehof - Leonie Abels - E-Book

Auszeit auf dem kleinen Archehof & Neuanfang auf dem kleinen Archehof E-Book

Leonie Abels

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Beschreibung

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Auszeit auf dem kleinen Archehof. 

Isabell braucht eine Auszeit. Nach der Trennung von ihrem Freund, der im selben Hotel angestellt ist, zieht Isabell die Reißleine und kündigt. Sie muss allerdings drei Monate bis zum Beginn ihrer neuen Arbeit überbrücken und findet per Zufall im Internet die Stellenausschreibung des Archehofs Sonnentau. Als sie dann dort ankommt, ist sie entsetzt. Die Gäste müssen aushelfen, es gibt keine richtige Struktur und die Zimmer sind veraltet. Isabell weiß gar nicht, wo sie anfangen soll. Doch dann bemerkt sie die Herzlichkeit, Wärme und den wahren Wert des Archehofs …

Neuanfang auf dem kleinen Archehof .

Isabell hat sich in den Archehof Sonnentau verliebt und beschlossen, die kleine Gästepension weiterzuführen. Bald kann sie die viele Arbeit nicht mehr allein bewältigen, doch Rettung naht in Gestalt von Mike. Der attraktive Berliner sorgt allerdings für ungeahnten Wirbel. Auch Archehof-Chefin Peggy hat mal wieder ihren eigenen Kopf, und dann ist da noch die junge Caro, die ein wunderbares Händchen für Tiere besitzt, aber so gar keins für ihre menschlichen Zeitgenossen.

Doch das herzliche Miteinander und der Zusammenhalt auf dem Archehof ist Balsam für verletzte Seelen …

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Seitenzahl: 515

Veröffentlichungsjahr: 2025

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Über das Buch

Auszeit auf dem kleinen Archehof. 

Isabell braucht eine Auszeit. Nach der Trennung von ihrem Freund, der im selben Hotel angestellt ist, zieht Isabell die Reißleine und kündigt. Sie muss allerdings drei Monate bis zum Beginn ihrer neuen Arbeit überbrücken und findet per Zufall im Internet die Stellenausschreibung des Archehofs Sonnentau. Als sie dann dort ankommt, ist sie entsetzt. Die Gäste müssen aushelfen, es gibt keine richtige Struktur und die Zimmer sind veraltet. Isabell weiß gar nicht, wo sie anfangen soll. Doch dann bemerkt sie die Herzlichkeit, Wärme und den wahren Wert des Archehofs …

Neuanfang auf dem kleinen Archehof. 

Isabell hat sich in den Archehof Sonnentau verliebt und beschlossen, die kleine Gästepension weiterzuführen. Bald kann sie die viele Arbeit nicht mehr allein bewältigen, doch Rettung naht in Gestalt von Mike. Der attraktive Berliner sorgt allerdings für ungeahnten Wirbel. Auch Archehof-Chefin Peggy hat mal wieder ihren eigenen Kopf, und dann ist da noch die junge Caro, die ein wunderbares Händchen für Tiere besitzt, aber so gar keins für ihre menschlichen Zeitgenossen.Doch das herzliche Miteinander und der Zusammenhalt auf dem Archehof ist Balsam für verletzte Seelen …

Über Leonie Abels

Leonie Abels ist das Pseudonym einer erfolgreichen Schriftstellerin. Sie liebt das Landleben und alles, was man damit verbindet. Sie ist eine passionierte Kuhkraulerin, Eselliebhaberin und Ziegenfreundin. Außerdem ist sie bekennender Schwarzwald-Fan: die wunderbare Landschaft, die gute Küche und die  unkomplizierte Art der Bewohnerinnen und Bewohner begeistern sie immer wieder aufs Neue. Mit ihren Geschichten rund um den Archehof Sonnentau hat sie sich einen lange gehegten Traum erfüllt und einen Ort erschaffen, an dem sie selbst gern leben würde.

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Leonie Abels

Auszeit auf dem kleinen Archehof & Neuanfang auf dem kleinen Archehof

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Inhaltsverzeichnis

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Auszeit auf dem kleinen Archehof

Kapitel 1

Kapitel 2

Kapitel 3

Kapitel 4

Kapitel 5

Kapitel 6

Kapitel 7

Kapitel 8

Kapitel 9

Kapitel 10

Kapitel 11

Kapitel 12

Kapitel 13

Kapitel 14

Kapitel 15

Kapitel 16

Kapitel 17

Kapitel 18

Kapitel 19

Kapitel 20

Kapitel 21

Kapitel 22

Kapitel 23

Kapitel 24

Kapitel 25

Kapitel 26

Kapitel 27

Kapitel 28

Kapitel 29

Kapitel 30

Kapitel 31

Kapitel 32

Kapitel 33

Kapitel 34

Kapitel 35

Neuanfang auf dem kleinen Archehof

Grußwort

1.: Isabell

2.: Peggy

3.: Isabell

4.: Caro

5.: Isabell

6.: Isabell

7.: Peggy

8.: Isabell

9.: Caro

10.: Isabell

11.: Caro

12.: Isabell

13.: Isabell

14.: Jenny

15.: Isabell

16.: Peggy

17.: Isabell

18.: Isabell

19.: Caro

20.: Jenny

21.: Isabell

22.: Isabell

23.: Isabell

24.: Jenny

25.: Peggy

26.: Isabell

27.: Isabell

28.: Peggy

29.: Caro

30.: Isabell

31.: Peggy

32.: Isabell

33.: Isabell

34.: Isabell

35.: Isabell

36.: Peggy

37.: Evelyn

39.: Evelyn

40.: Caro

41.: Isabell

42.: Isabell

43.: Peggy

44.: Isabell

Impressum

Orientierungsmarken

Cover

Titelseite

Inhaltsverzeichnis

Copyright-Seite

Liebe Leserin, lieber Leser,

Danke, dass Sie sich für einen Titel von »more – Immer mit Liebe« entschieden haben.

Unsere Bücher suchen wir mit sehr viel Liebe, Leidenschaft und Begeisterung aus und hoffen, dass sie Ihnen ein Lächeln ins Gesicht zaubern und Freude im Herzen bringen.

Wir wünschen viel Vergnügen.

Ihr »more – Immer mit Liebe« –Team

Leonie Abels

Auszeit auf dem kleinen Archehof

Kapitel 1

Isabell

»Guten Tag. Spreche ich mit Peggy Haller vom Archehof Sonnentau?«

»Ich denke schon.«

»Fein! Ich rufe wegen Ihrer Anzeige an.«

»Welche Anzeige?«

Isabell ist irritiert. »Einen Moment, bitte.« Hastig scrollt sie über das Display ihres Smartphones und sucht nach der Stellenausschreibung, die sie im Internet gefunden hat. »Hier hab ich’s! Allrounderin gesucht für zeitweilige Leitung unserer kleinen, familiär geführten Pension inmitten der Natur und in traumhafter Lage«, liest sie vor. »Ankommen und Wohlfühlen ist unsere Devise. Herzlichkeit wird bei uns großge—«

»Verstehe schon. Sie sind nicht die Stallhilfe.«

»Ähm, nein.«

»Schade. Die hätte ich nämlich wirklich dringend –« Peggy Haller unterbricht sich mitten im Satz und flucht laut: »Nun rück mir nicht so auf den Pelz, Ernst! Du bist und bleibst ein altes Ferkel!« Es folgt ein Rumpeln, Trappeln, Türenschlagen. »So, da bin ich wieder«, meldet sie sich ein wenig kurzatmig zurück. »Ich hab den Kerl rausgeschmissen. Jetzt können wir reden. Wer sind Sie noch mal?«

»Isabell Melchior. Ich hatte Sie angeschrieben und möchte nachfragen, ob Sie meine Unterlagen bekommen haben. Weil ich nichts von Ihnen gehört habe.«

»Sind Sie die Frau, die ihre Bewerbung mit der Post geschickt hat?«

»Ja, das stimmt. Aber ich hatte Ihnen auch eine E-Mail –«

»Mir haben die Briefmarken gefallen.«

»Die … die Briefmarken?«

»Genau! Da waren Schwarzhalsziegen drauf. Auch eine bedrohte Nutztierrasse. Die züchten wir ja hier auf unserem Archehof. Sehr gut mitgedacht, muss ich sagen. Hat mir gefallen.«

Isabell runzelt die Stirn. Sie hat keine Ahnung von Schwarzhalsziegen. Und mitgedacht hat allenfalls die Frau auf der Poststelle, die die Marken aufgeklebt hat. Doch auch daran glaubt sie nicht wirklich. Was soll’s. Offensichtlich soll es ihr Schaden nicht sein. Im Gegenteil.

»Wann können Sie hier sein?«, erkundigt sich Peggy Haller forsch.

Isabell ist nun doch ein wenig überrumpelt. »Sollten wir uns nicht zuerst kennenlernen?«

»Dafür ist später Zeit«, widerspricht die Bäuerin lautstark, um das plötzlich einsetzende, heftige Pladdern zu übertönen. Offenbar lässt sie gerade irgendwo Wasser ein. »Ist ja auch nur für drei Monate, da sollte man nicht so viel Wind machen. Wenn Sie natürlich zuerst herkommen wollen … Von mir aus. Aber so eine weite Reise wäre mir persönlich zu viel. Woher sind Sie noch mal? Freiburg?«

»Hamburg.«

»Sag ich doch! Also, kommen Sie einfach vorbei. Abhauen können Sie immer noch, wenn Sie’s bei uns nicht aushalten.«

Kapitel 2

Am frühen Nachmittag erreicht Isabell endlich Mühlach. Jetzt kann es nicht mehr weit sein. Sie lässt das Schwarzwaldstädtchen hinter sich und folgt einer Landstraße. Zwei Kilometer weiter biegt sie ab in Richtung Filzach. Wie ein hellgraues Schleifenband windet sich das Sträßchen die sanft geschwungenen Hügelkuppen hinauf, vorbei an Viehweiden und Streuobstwiesen. Auf der gegenüberliegenden Seite des Tals zieht sich dunkler Nadelwald die Steilhänge hinauf. Wie ein dicht gewebtes Vlies bedeckt er die Hügelketten, die sich in der Ferne zum Gebirge auftürmen. Fasziniert lässt Isabell ihren Blick schweifen – und reißt erschrocken das Lenkrad herum. Ein grüner Mercedes schießt ihr in der Kurve entgegen und schneidet sie gefährlich.

»Wohl lebensmüde, wie?«, schimpft sie, nachdem sie ihren Wagen wieder auf die Spur gebracht hat. Sie atmet tief durch und wartet darauf, dass ihr pochendes Herz sich beruhigt. »Puh! Das wäre um ein Haar ins Auge gegangen.«

Die Straße führt jetzt an einer Weide vorbei, auf der sattbraun gescheckte Kühe mit weißen Köpfen grasen; an einem Gatter drängt sich eine blökende Schafherde zusammen.

Eine letzte Kurve, dann wird der Hof sichtbar: ein kompakter Bau mit hölzernen Balustraden und einem mächtigen, tief hinabgezogenen Dach. Zwischen dunklem Holz strahlen weiße Sprossenfenster hervor. Ein Haus, wie es für den Schwarzwald typisch ist. Ein Haus wie aus einem Märchen, denkt Isabell. Sie parkt auf dem unbefestigten Randstreifen vor einer umzäunten Wiese, steigt aus und streckt sich. Ihre Ankunft wird nicht unkommentiert gelassen: Eine Schar Gänse nähert sich mit wildem Geschnatter. Aufgeregt schieben die Tiere ihre langen Hälse durch den Zaun, als wollten sie Isabell zu fassen bekommen.

»Ihr seid mir ja welche.« Sie beobachtet die Gänse einen Augenblick, wendet sich ab und steuert auf das Haus zu. Aus der Nähe betrachtet wird deutlich, dass es schon bessere Tage gesehen hat. An einigen Stellen ist das Holz schadhaft und hätte dringend eine Reparatur nötig. Aber gerade diese Unvollkommenheit verstärkt den märchenhaften Eindruck noch, ebenso wie die üppig blühende Kletterrose, deren rote Blüten in apartem Kontrast zu dem nahezu schwarzen Holz stehen.

Isabell nimmt die drei Stufen zu der wuchtigen Eingangstür hinauf, betätigt den Klingelknopf, wartet eine Weile. Sie schellt nochmals, aber nichts geschieht. Auch auf ihr Rufen erhält sie keine Antwort. Die Gänse haben derweil das Interesse verloren und sind wieder ihrer Wege gezogen. In der Ferne blöken noch immer die Schafe.

Isabell umrundet das sich an den Hang schmiegende Haus und betritt dann einen etwas höher liegenden, gepflasterten Innenhof. Die Stallungen liegen im L-förmigen Winkel zum Wohnhaus, schließen sich jedoch nicht direkt an dieses an. Die rückwärtige, zum Hang hin gelegene Seite des Hauses hat das Aussehen einer Scheune und folglich keine Fenster, sondern nur ein großes Tor, durch das man von hier aus ebenerdig fahren könnte, wäre es nicht geschlossen. Ein paar Meter entfernt parkt ein in die Jahre gekommener, schlammbespritzter Geländewagen, umrahmt von ein paar scharrenden Hühnern. In einer Ecke dampft eine Mistkarre vor sich hin. Sanftes Schnauben und verhaltenes Rumpeln dringt aus den Stallungen; Mauersegler pfeifen von den Dächern. Isabell geht weiter, entdeckt eine halb offen stehende Hintertür und steuert darauf zu.

»Hallo?« Zögernd betritt sie einen schmalen Flur mit braun-weiß gekachelten Fliesen. An einer Hakenleiste hängt eine verfilzte Wolljacke im Norwegermuster, daneben ein Wust von Regenmänteln. Gummistiefel in allen Größen reihen sich unter eine schlichte hölzerne Sitzbank, auf der ein Stapel Werbeblättchen, eine Fellbürste, ein Führstrick und die schimmernde Folie eines Schokoriegels liegen. Es riecht seltsam hier drin, findet Isabell. Irgendwo aus dem Innern des Hauses dringen jetzt Geräusche herüber. Also muss jemand da sein. Sie fasst sich ein Herz und folgt dem kurzen Flur, der geradewegs in die Küche führt, tritt über die Schwelle – und erstarrt.

Unmittelbar vor ihr steht ein riesiges Schwein. Es hat wolliges, braunschwarzes Fell und mustert sie aus winzigen, glitzernden Äuglein. Mit eifrigen Grunzlauten streckt es ihr seine feuchtkalte Schnauze entgegen, schnuppert an ihren Händen und inspiziert ihre Manteltaschen.

Isabell glaubt sich zu erinnern, dass Schweinebisse unmittelbar zum Tod führen. Sie hält die Luft an und wagt nicht, sich zu bewegen.

»Herrje! Warum steht die Tür wieder auf?«, poltert es plötzlich aus dem Flur. Die Stimme klingt vage vertraut. Schon betritt eine stämmige Frau mit wirrem, angegrautem Lockenkopf den Raum und drängt sich vorbei. »Herrschaftszeiten, Ernst! Sieh zu, dass du an die frische Luft kommst! Musstest du mir wieder die Schokoriegel wegfressen, du alte Wutz!« Mit entschlossener Miene schiebt sie das Schwein hinaus aus der Küche und scheucht es nach draußen. »Die Tür muss geschlossen bleiben«, verkündet sie nach ihrer Rückkehr. »Sonst fühlt sich alles eingeladen, was hier so kreucht und fleucht.«

»Sie war offen, als ich kam«, wagt Isabell einzuwenden.

»Dann war Ernst wohl mal wieder der Übeltäter«, mutmaßt die Frau achselzuckend. »Ich warte auf den Tag, an dem er Erdnüsse futternd auf meiner Couch vorm Fernseher liegt.« Sie wischt sich die Hände an ihrer Arbeitshose ab und streckt Isabell die rechte Hand hin. »Peggy Haller. Bin die Chefin vom Ganzen. Hallöle!« Unter dem festen Händedruck ist ihre schwielige Handfläche zu spüren. »Kannst mich Peggy nennen. Wir duzen uns hier alle. Wär ja auch albern, wenn ich ›Herr Ernst‹ sagen würde, oder?« Sie stößt ein kehliges Lachen aus.

»War das ein Wildschwein?«, erkundigt sich Isabell. Ihr sitzt der Schreck noch immer in den Gliedern.

»Schon mal ein Wildschwein mit Plüschohren gesehen?« Peggy Haller grinst spitzbübisch.

An dieser Bestie hat nichts auch nur im Ansatz plüschig gewirkt, findet Isabell. Sie erinnert sich auch nicht, jemals ein Wildschwein in einer Küche angetroffen zu haben – ob mit oder ohne Plüschohren.

»Ich finde, er sieht nicht aus wie ein Schwein«, beharrt sie.

»Das findet Ernst auch.« Wieder lacht Peggy. »Aber glaub mir, er ist eins. Ein Majolika-Wollschwein, um genau zu sein.«

»Ist er irgendwie … gefährlich?«

»O ja!« Peggy nickt. »Gefährlich für alles, was essbar ist! Aber nein, das war nur Spaß! Ernst ist ein friedlicher Geselle. Allerdings verfressen bis zum Geht-nicht-mehr. Und er mag’s nicht, wenn du ihn provozierst.«

Isabell kraust skeptisch die Stirn. »Wie mache ich das, rein theoretisch?«

»Du solltest ihm nicht genüsslich was vorfuttern. Das hat er nicht gern. Auch nicht in seinem Beisein die Kätzchen kraulen und herzen. Da wird er eifersüchtig. Und überhaupt – keine allzu großen Intimitäten.«

»Intimitäten?«

»Du wirst ja wohl wissen, was Intimitäten sind, Mädel! Knutschereien mag er nicht so. Wenn dich dein Freund besucht, sollte es euch also nicht gerade in seiner Anwesenheit überkommen.«

»Da besteht keine Gefahr«, lacht Isabell. »Ich habe keinen Freund.«

Peggy schaut sie einen Augenblick nachdenklich an. »Freundin vielleicht?«

»Auch nicht.«

»Was soll’s.« Sie zuckt die Achseln. »Wie auch immer: Ernsts bester Kumpel ist Hans. Bestimmt hat er Sehnsucht nach ihm gehabt. Allerdings ist Hans mit Phil zum Einkaufen nach Mühlach runtergefahren. Unser Ernst wäre sicher auch gern mit von der Partie gewesen, aber irgendwo muss Schluss sein, sag ich immer.«

Isabell nickt eifrig, obwohl sie keine Ahnung hat, wovon die Rede ist.

»Genug der Schweinereien!« Peggy klopft ihr lächelnd auf die Schulter. »Ich freue mich jedenfalls, dass du da bist. Eine Stallhilfe können wir wirklich dringend brauchen.«

Die Enttäuschung über das Missverständnis beruht auf Gegenseitigkeit, doch Isabell ist zu sehr Profi, um sie sich anmerken zu lassen, und Peggy kommt zu dem Schluss, dass sie sich deswegen nicht aus dem Fenster stürzen muss. Stattdessen schlägt sie eine Hausführung vor, auf die Isabell bereits neugierig ist.

»Dann wollen wir mal. Der Reihe nach und wie sich‹s gehört.« Sie verlassen Küche und Haus wieder, passieren die talwärts gelegene Frontseite und steuern das reguläre Eingangsportal an, das Isabell bereits kennt. Peggy schließt die Tür auf und führt sie in einen langen, geraden Flur, der sich irgendwann in der Dunkelheit des Hausinneren verliert. »Das wäre dann dein Wirkungsbereich.« Ihre Hand vollführt einen schwungvollen Schlenker, der alles umfasst: die getäfelten Wände, den Dielenboden, die hölzerne, in die oberen Stockwerke führende Treppe; sie bezieht die beiden samtgepolsterten Sessel in der Ecke mit ein, den vertrockneten Blumenstrauß auf dem Tischchen davor, das an der Wand hängende Hirschgeweih, das von einem filigranen Netz aus Spinnweben überzogen ist.

»Sehr schön«, lobt Isabell. »Aber wo ist die Rezeption?«

»Rezeption?« Peggy legt ihre Stirn in Falten. »Wir sind nicht das Ritz, Kindchen.«

»Wie checken die Gäste denn ein?«

»Sie rufen an und teilen uns mit, wann Sie ankommen. Oder Sie schreiben eine E-Mail. Jemand ist dann schon da, der sie reinlässt.«

»Und wenn nicht?«

»Irgendjemand ist immer da«, beharrt Peggy. »Du hast es ja selbst erlebt.«

Fast muss Isabell lachen. Der Irgendjemand war in ihrem Fall ein Wollschwein namens Ernst.

»In Parterre haben wir ein Zimmer und zwei Ferienappartements.« Peggy ist schon weiter gegangen und deutet auf eine Tür. »Hier ist das Größere für Familien. In dem anderen wohnt Phil.«

»Phil?«

»Phil Wagner. Ist so eine Art Langzeitgast.«

»Sie meinen … du meinst, er verbringt den Winter hier?«

Peggy lacht auf. »Wie schon die letzten sechs und die Sommer dazu«, erwidert sie trocken. »Ich fürchte, den werden wir nie wieder los.« Mit schnellen Schritten läuft sie durch den Flur und steuert auf eine weitere Tür zu. »Hier ist der Gastraum.«

Grelles Deckenlicht flammt auf. Isabell betritt einen holzvertäfelten Raum, der von einem riesigen grünen Kachelofen dominiert wird. Eine Handvoll Tische und Stühle sind ohne sichtbare Ordnung über die Fläche verteilt. Die zahlreichen Sprossenfenster bilden einen Erker, durch den jedoch kaum Licht hereinfällt, da die Vorhänge größtenteils zugezogen sind. Die gesamte Stirnseite des Raumes wird von einer hölzernen Eckbank eingenommen. Seitlich daneben steht etwas verloren ein altes Klavier. Auf eigentümliche Weise betont das grelle Deckenlicht die Düsternis des Raumes, dazu zieht es vom Flur her unangenehm. Fröstelnd macht Isabell einen Schritt nach hinten.

»Eigentlich wollte Phil dir alles zeigen. Er kennt sich am besten aus«, meldet Peggy sich wieder zu Wort. «Aber wie ich schon sagte: Er ist zum Einkaufen gefahren. Keine Ahnung, wo er sich so lange herumtreibt. Na ja, er wird wieder auftauchen. Gehen wir nach oben, da sind die Gästezimmer.«

Auf dem Rückweg durch den Flur hängt Isabell der Frage nach, wieso ein Langzeitgast mit dem Betriebsablauf besser vertraut ist als die Pensionswirtin, doch eine plausible Antwort will ihr nicht einfallen.

»Wir haben zehn Zimmer im ersten Stock«, erklärt Peggy, während sie die knarzenden Stufen hochstapft. »Für meinen Geschmack sind das neun zu viel.«

Oha. Isabell hält unwillkürlich inne. »Und was ist mit dem zehnten?«, erkundigt sie sich.

»Da wohnt der Dichter. Der stört nicht weiter.«

»Ein Schriftsteller?«

»Was sich so Schriftsteller nennt.« Peggy hat den oberen Treppenabsatz erreicht und bleibt einen Moment stehen. »Gelesen habe ich noch nichts von ihm, aber das muss nichts heißen. Jedenfalls ist er ein Stammgast. Betreibt so ‘ne Art Homeoffice hier. ›Dichterklause mit WLAN-Anschluss‹, sag ich immer.« Sie geht weiter und schließt die erste Tür auf. »Bitte sehr!«

Isabell betritt erwartungsvoll das Zimmer. Zuerst springt ihr das riesige Doppelbett ins Auge, das von zwei altmodischen Nachttischchen flankiert wird. Gegenüber vom Bett steht ein wuchtiger Schrank, daneben ein Sekretär, scheinbar geradewegs einem Billigmöbelprospekt entsprungen, ebenso wie die beiden unbequem aussehenden Stühle. Eine scheußliche Deckenlampe. Rüschengardinen. Dazu dicke Vorhänge in einem rostigen Orangeton. Mamma mia!

»Die Betten sind gut«, hört sie Peggy sagen. »Die Gäste behaupten immer, sie schlafen wie die Babys darin.«

»Ist das so?« Isabell tritt ans Fenster, zieht die Gardine zurück und lässt den Blick über einen grasbewachsenen Hügel schweifen, der perfekt gerundet ist wie die Kuppe eines riesigen Eis. Eine Herde Schafe weidet darauf. Oder sind es Ziegen? In einiger Entfernung erkennt sie das Gatter wieder, an dem sie vorbeigefahren ist, auch die Obstbäume auf der gegenüberliegenden Seite. Seitlich der Kuppe erhebt sich ein Nadelwäldchen. Das rostrote Laub einer jungen Buche leuchtet wie eine Feuerkugel daraus hervor. Hinter dem Wäldchen sind weitere Wiesen und Weiden zu erkennen, die in der Ferne vom dunklen Grün der Tannenwälder abgelöst werden. Unwillkürlich atmet Isabell tief durch.

»Wie gefällt dir das Zimmer?«, erkundigt sich Peggy in ihrem Rücken.

»Darf ich ehrlich sein?« Isabell dreht sich wieder zu der Bäuerin um.

»Nur zu! Ich werd’s verschmerzen.«

»Der Ausblick ist wunderbar, das Zimmer leider weniger. Der Raum ist gut geschnitten und nicht zu klein. Das Bett ist eine Antiquität und passt zum Ambiente. Aber die Bettwäsche geht gar nicht. Dieses wirre orangebraune Muster – wie aus den Siebzigern des letzten Jahrhunderts. Und dann diese Leuchten!« Sie tritt vor und knipst eine der Nachttischlampen an. Nichts tut sich. »Das hatte ich befürchtet«, seufzt sie und blickt wieder zum Fenster. »Die Vorhänge …« Sie schüttelt den Kopf. »Dann die Gardinen. Kein Mensch braucht Gardinen bei dieser Aussicht!«

»Was du nicht sagst.« Peggy mustert sie, als würde sie sie zum ersten Mal richtig wahrnehmen. »Vielen Dank jedenfalls für die offenen Worte.«

»Bitte sehr.« Isabell hält ihrem bohrenden Blick stand. »Darf ich auch die anderen Zimmer sehen?«

»Klar. Aber erwarte nicht zu viel Abwechslung.«

Die Warnung ist berechtigt. Teppiche, Vorhänge und Bettwäsche variieren in rostbraun, schlammbraun und einem todmüden Beigebraun. Das ist alles.

»Dieser Kalender da.« Isabell deutet auf eine Wand in Zimmer Acht. Hier hängt das gleiche Motiv wie in allen anderen Zimmern: eine grasende Lämmerherde, die sich in der Unschärfe verliert. Im Vordergrund dagegen prangt gestochen scharf eine Arzneiflasche mit blauweißem Etikett, dazu der Slogan: ›Kokzidiose war gestern‹.

»Anni hat immer darauf geachtet, dass der richtige Monat angezeigt wird«, verkündet Peggy stolz, bevor sie Isabells skeptischen Blick auffängt. »Was denn, der Kalender gefällt dir auch nicht? Der ist doch ganz hübsch, dachte ich. Den gab‘s beim Futtergroßhandel umsonst, da hab ich gleich ein Dutzend mitgenommen.«

Isabell unterdrückt ein neuerliches Seufzen.

»Wir sollten uns darüber unterhalten, welche Pflichten Anni hatte«, erklärt sie ausweichend. »Die werde ich dann ja übernehmen müssen.«

»Pflichten? Ja, also …« Peggy fährt sich grübelnd durchs Haar. »Unsere Anni hat den Laden geschmissen. Aber sie fällt nun leider für längere Zeit aus. Bandscheibenvorfall.«

»Das tut mir leid.«

»Mir auch.« Peggy tritt ans Fenster und späht erwartungsvoll nach draußen. »Sie war eine sehr fleißige Person«, fährt sie mit abgewandtem Blick fort. »Hat die Zimmer in Ordnung gehalten, die Bäder gemacht, für die Wäsche gesorgt, die Gäste in Empfang genommen und sich gekümmert, wenn irgendwas los war.« Sie schaut wieder zu Isabell hinüber. »Das wären dann jetzt so ungefähr deine Aufgaben.«

»Okay. Und wer unterstützt mich dabei?«

»Wer dich unterstützt?« Peggy zieht die Augenbrauen hoch. »Anni hat das alles allein geschafft. Sie hat sogar zwischendurch beim Melken geholfen, wenn Not am Mann war.«

Kein Wunder, dass sie einen Bandscheibenvorfall hat, denkt Isabell im Stillen. Ihre erwartungsfrohe Stimmung verflüchtigt sich zusehends.

»Deshalb hatten wir ja ›Allrounderin‹ geschrieben«, ergänzt Peggy, während ihr Blick wieder aus dem Fenster gleitet.

»Von Stallarbeit war nicht die Rede«, erklärt Isabell sachlich.

»Tierlieb sollte man schon sein, wenn man hier arbeitet. Das stand ganz klar in der Anzeige«, behauptet Peggy und gibt ihren Fensterplatz auf. Isabell ist sich sicher, dass davon nichts in der Anzeige stand. Dabei betrachtet sie sich durchaus als tierlieb, wenngleich es bisher immer eine Liebe auf Abstand war.

»Hey, Mädchen, guck nicht so!« Die Bäuerin stößt einen kehligen Lacher aus. »Das mit der Stallarbeit war ein Scherz. Und mit dem Gästefrühstück hast du auch nichts zu tun. Dafür ist Phil zuständig.« Sie schickt sich an, das Zimmer zu verlassen, und Isabell folgt ihr. »Ansonsten gibt’s hier keine Küche«, berichtet sie, während sie die Tür hinter sich zuzieht. »Dafür steht unten ein großer Kühlschrank. Der ist immer gut gefüllt, und alle dürfen sich bedienen. Ich hatte vergessen, ihn dir zu zeigen. Aber was man nicht im Kopf hat, muss man eben in den Beinen haben, wie‘s so schön heißt.« Wieder geht es treppab, durch die Diele und den langen Flur, vorbei an der Gaststube.

»Hier steht unser Prachtstück!« Peggy öffnet schwungvoll die Tür des Kühlgeräts, das mit seiner Wuchtigkeit den halben Weg versperrt. Ein strenger Käsegeruch schlägt Isabell entgegen. »Milch, Butter, Wurst – alles da.« Peggy greift nach einem Töpfchen Quark und hält es ihr hin. »Hier, schau! Überall kleben Schildchen drauf mit dem Haltbarkeitsdatum, zur Orientierung. Alles, was abgelaufen ist, esse dann ich.« Sie schaut auf und scheint Isabells befremdeten Blick geradezu zu genießen. »Man merkt doch, wenn etwas verdorben ist. Riechen, anschauen – und du weißt Bescheid. Was nicht schlecht ist, ist noch gut. Also kann man’s essen«, doziert sie. »Das mach ich schon mein Leben lang so, und es hat mir nie geschadet.«

Wer weiß, denkt Isabell ein wenig amüsiert, sagt aber nichts.

»Keine Sorge, du kannst das anders handhaben«, beruhigt Peggy sie jetzt. »Deswegen ja die Schildchen. Der Preis steht auch drauf. Die Gäste rechnen alles zusammen und tun das Geld in die Dose da oben.« Sie streckt sich, greift nach einer alten Keksdose und schüttelt sie kurz. Das metallische Scheppern zaubert ihr ein zufriedenes Lächeln ins Gesicht. Dann stellt sie die Dose wieder zurück. »Das hätten wir also auch geklärt. Jetzt zeige ich dir deine Unterkunft.« Sie deutet auf eine Stiege am Ende des Flurs, die in den zweiten Stock hinaufführt. »Da müssen wir rauf!«

Mit heimlicher Sorge fragt sich Isabell, welche neuerlichen Überraschungen sie dort oben erwarten werden, und rechnet mit dem Schlimmsten. Der Aufstieg ist einigermaßen beschwerlich, denn die Stiege ist sehr steil und die Stufen sind schmal. Als sie oben angelangt sind, muss Peggy einen Moment verschnaufen, dann drückt sie die Klinke einer grob gezimmerten Tür. »Bitte, nach dir!«

Isabell betritt einen nahezu quadratischen Raum, dessen Zentrum ein wuchtiger Pfeiler aus Eichenholz bildet. Unter das Fenster in der Schräge wurde ein einfaches hölzernes Bett geschoben, daneben steht eine hübsche Weichholzkommode. In der Ecke zwischen Dach und Stirnwand steht ein gusseiserner Ofen, davor ein Ohrensessel, über den ein Schaffell gebreitet ist.

Staunend schaut Isabell sich um. Dieser Raum hat etwas, was den übrigen Gästezimmern komplett fehlt: Er hat Charakter und vermittelt Geborgenheit.

»Ein schönes Zimmer«, lobt sie.

»Es wäre meins, wenn die vielen Stufen nicht wären«, entgegnet Peggy schmunzelnd. «Leider haben meine Knie das Treppensteigen nicht mehr so gern. Dabei hatte ich extra das Fenster einbauen lassen. Und die Holzpaneelen weiß zu streichen, war eine Heidenarbeit.« Sie deutet auf die hellen Schrägen. »Der Raum war früher mal ein Teil des Getreidespeichers. Es gab kaum Licht. In den anderen Wohnräumen allerdings auch nicht.«

»So wie im Flur unten?«, erkundigt sich Isabell interessiert.

»So ungefähr. Diese Finsternis hält heute niemand mehr aus.«

Isabell sieht sich noch einmal um. Sie kann keine weitere Tür entdecken. »Wo ist das Bad?«

»Unten. Gleich die erste Tür rechts«, erwidert Peggy prompt.

»Was denn, es gibt keine Toilette hier oben?« Isabell sieht sie ungläubig an.

»Entschuldige, Mädel. Aber dieses Haus ist über dreihundert Jahre alt. Damals gab es kein fließend Wasser, keine Dusche und kein Spülklosett. Die Leute haben sich trotzdem sauber gehalten – und sie wussten sich zu helfen.«

»Sie wussten sich zu helfen?«

»Genau! So ein Nachttopf ist eine simple, aber recht praktische Erfindung.«

Ein Nachttopf? Isabell verspürt keine Lust, sich schon wieder auf den Arm nehmen zu lassen. »Hat Anni hier gewohnt?«, wechselt sie das Thema.

»Anni? Nein, die wohnt oben in Filzach. Sie kam jeden Morgen um sechs Uhr rauf und ist mittags wieder gefahren, wenn nichts Besonderes anstand.«

»Und wer hat sich anschließend um die Gäste gekümmert?«

»Unsere Gäste sind erwachsene Menschen, die braucht man nicht ständig zu betüddeln«, erwidert Peggy kurz angebunden. »Katastrophen sind bisher jedenfalls ausgeblieben.« Isabell atmet tief durch.

»So ganz verstehe ich die Formulierungen in der Stellenanzeige nicht«, erklärt sie nach kurzem Schweigen. »Von wegen ankommen und sich wohlfühlen und so weiter.«

»Verbiete ich meinen Gästen etwa, sich wohlzufühlen?«, kontert Peggy ironisch. »Das bleibt doch wohl jedem selbst überlassen.«

»Herzlichkeit wird bei uns großgeschrieben«, zitiert Isabell weiter aus dem Gedächtnis.

»Ach, das!« Peggy winkt ab. »Das hat Ludwig geschrieben. Er meinte, das muss so.«

Isabell hat keine Ahnung, wer Ludwig ist.

»Alles muss heutzutage authentisch und bodenständig sein und vor Herzblut triefen«, beschwert Peggy sich jetzt. »Ich find’s albern, ehrlich gesagt. Wer sich nichts Tolleres vorstellen kann, als anderen die Frühstückseier zu servieren, mit dem stimmt doch was nicht, oder?« Sie schüttelt den Kopf.

Für einen Moment verschlägt es Isabell die Sprache. Sie liebt ihren Beruf. Ihren Gästen eine gute Zeit zu bereiten und in glückliche, zufriedene Gesichter zu schauen, ist für sie das Schönste überhaupt. Diese Frau namens Peggy Haller scheint nun wirklich keine einzige Eigenschaft zu besitzen, die für eine Pensionswirtin von Vorteil wäre.

»Weshalb gibt man dann eine solche Anzeige auf?« Dieses Mal gibt Isabell sich keine Mühe, ihre Kränkung zu verhehlen.

»Na, weil wir jemanden finden mussten!«, entgegnet Peggy mit entwaffnender Ehrlichkeit. Isabell weiß nicht, was sie darauf erwidern soll, doch lautes Gänsegeschnatter entbindet sie vorerst von diesem Problem.

Sofort steuert Peggy auf das Fenster zu und späht hinaus. »Da kommt Jenny mit der neuen Stallhilfe!«, verkündet sie erleichtert. »Entschuldige, aber ich muss da jetzt mal ganz fix hin. Wir sehen uns später!« Und damit ist sie auch schon aus der Tür.

Kapitel 3

Was für ein Tag! Isabell lässt sich auf das Bett sinken, das nun bis Neujahr ihres sein wird. Oder bis morgen früh. Sie hat sich noch nicht entschieden.

Von ihrem neuen Leben trennen sie nur drei Monate. Drei Monate, in denen sie irgendwo unterkommen muss. Eine Art Arbeitsurlaub, so hat sie sich die Sache vorgestellt. Ein kleines Schwarzwaldabenteuer. Danach wartet ein wunderbares Hotel in der Schweiz auf sie, dazu gute Bezahlung und Entwicklungsmöglichkeiten bis rauf ins Management der Kette. Ein echter Neuanfang.

Sie ist fest gewillt, das Beste draus zu machen. Drei Monate. Eine überschaubare Zeit. Aber auch nicht gerade mit einem Augenwischen vorbei. Was nun?

Sie wälzt sich auf die andere Seite, rechnet mit Federnquietschen oder einer durchgelegenen Kuhle. Aber nein. Die Matratze ist in Ordnung. Sie streckt den linken Arm aus und knipst die Nachttischlampe an. Sie streicht über die rotweiß karierte Bettwäsche, schnuppert daran. Der Duft von altem, frisch gewaschenem Leinen steigt ihr in die Nase, dazu ein Hauch Lavendel. Sie verschränkt die Arme hinter dem Kopf und starrt an die Decke. Das imposante Gebälk über ihr erinnert sie an einen Glockenturm. Dem Himmel so nah. Sie fühlt sich plötzlich sehr verloren.

Ein Nachttopf! Wie kann man nur! Sie beugt sich vor und späht unter das Bett. Nichts. Natürlich nicht! Diese Peggy hat sie auf die Schippe genommen. Sie stemmt sich wieder nach oben und ihr Blick streift unweigerlich den mächtigen Eichenholzpfeiler, der das Deckengebälk trägt. Schräg hinter dem Pfeiler steht etwas auf dem Dielenboden. Keine Frage, was es ist. Und wenn schon! Plötzlich ist ihr alles egal.

Sie hat eben kein Glück gehabt. Mal wieder nicht. Aber das Problem wird sich schon irgendwie lösen lassen. Ihre vielen beruflich bedingten Aufenthalte an fremden Orten haben Isabell eines gelehrt: Es ist nicht gut, sich in Verlorenheitsgefühlen zu ergehen. Was am besten dagegen hilft, ist Schlaf. Nur ein einziges Mal hat ihr der Schlaf nicht geholfen, aber genau genommen war es da auch keine berufliche Reise gewesen. Ganz im Gegenteil, es war eher …

Stopp! Keine Grübeleien mehr. Entschlossen rückt sie ihr Kissen zurecht, löscht das Licht und zieht die Decke bis ans Kinn. Von irgendwoher ruft ein Käuzchen. In der Ferne bellt ein Hund. Eine Windböe streicht ums Haus. Balkenknarzen. Dann nichts mehr.

Kapitel 4

Isabell ist pünktlich. Um acht Uhr erwarte dieser Phil-wer-auch-immer sie in der Gaststube, hatte Peggy ihr am Vorabend noch ausgerichtet.

Als sie die Gaststube betritt, flutet ihr wohlige Wärme entgegen. Der grüne Kachelofen bollert und die tief hängenden Lampenschirme über den Tischen tauchen den Raum in weiches Licht. Auf einem der beiden eingedeckten Tische brennt eine rote Stabkerze. Ein Gedeck für eine Person. Brötchen. Butter. Marmelade. Käse und Aufschnitt. Räucherforelle. Ein Glas Orangensaft.

»Guten Morgen!« Ein älterer Herr betritt den Raum und kommt mit freudigem Lächeln auf sie zu. Er ist groß und schlank, beinahe hager, seine knochigen Schultern sind beim Gehen leicht nach vorn gebeugt.

»Isabell Melchior«, stellt sie sich rasch vor, um Verwechslungen mit irgendwelchen Stallhilfen vorzubeugen.

Sie reichen einander die Hände.

»Philip Wagner. Schön, Sie kennenzulernen!« Er deutet auf den gedeckten Tisch mit der brennenden Kerze. »Bitte, setzen Sie sich!«

»Entschuldigen Sie, aber ich fürchte, ich kann nicht bleiben.« Sie lächelt bedauernd.

»Nanu?« Verwundert hebt er die Augenbrauen. »Keine Sorge, das müssen Sie auch nicht. Ich halte Sie nicht fest«, erklärt er nach kurzer Überlegung. »Aber frühstücken müssen Sie. Also bitte, nehmen Sie Platz!« Er rückt ihr den Stuhl zurecht – ein rustikales, hölzernes Exemplar mit herzförmiger Lehne, wie alle hier im Raum –, wiederholt die einladende Geste. Wie soll sie sich gegen so viel Freundlichkeit wehren?

»Kaffee oder Tee?«

»Kaffee wäre wunderbar.«

»Kommt sofort.« Philip Wagner verschwindet durch die Tür, durch die er gekommen ist.

Isabells Blick wandert wieder im Raum umher. Gestern hat sie ihn als düsteres Loch empfunden. Heute wirkt er wie eine warme Höhle, wie ein schützendes Nest. Es muss die Beleuchtung gewesen sein, überlegt sie. Grelles Neonlicht tilgt jeden Charme. Aber jetzt …

Philip Wagner kehrt mit dem Kaffee zurück und serviert ihr ein Frühstücksei. Das Ei ist grün. »Gefärbt?«, erkundigt Isabell sich verwundert.

»Nein, das ist die natürliche Farbe.«

»Sind die Hühner auch grün?«, scherzt sie. »Finden Sie es selbst heraus.« Philip Wagner zwinkert ihr zu, wünscht ihr einen guten Appetit und lässt sie allein.

»Das Frühstück war sehr gut«, lobt sie eine Weile später.

»So soll es sein!« Der alte Mann schenkt ihr ein gewinnendes Lächeln. »Lorbeeren einer Frau vom Fach freuen mich natürlich besonders. Dazu von einer mit Ihren Referenzen …«

»Sie haben meine Unterlagen gelesen?«, fragt sie erstaunt.

»Aber sicher! Irgendjemand musste es ja tun, wo Sie sich schon die Mühe gemacht haben. Darf ich mich übrigens setzen?«

»Gern.«

Philip Wagner nimmt Platz, schiebt den Käseteller zur Seite und mustert sie mit unverhohlener Neugier. »Wenn ich fragen darf: Was hat Sie an dieser Stelle hier gereizt?«

»Es ist für den Übergang gedacht«, beeilt sie sich zu sagen. »Im nächsten Jahr trete ich eine Stelle in der Schweiz an.«

»Ja, das hatten Sie geschrieben. Herzlichen Glückwunsch übrigens.« Wieder dieses einnehmende Lächeln. Dieser Mann ist einfach sympathisch. »Aber warum die Pension Archehof Sonnentau?«

»Ich wollte etwas Sinnvolles tun«, beantwortet sie seine Frage und fühlt sich plötzlich unbehaglich. »Vielleicht war‘s auch ein bisschen Abenteuerlust. Der Hof, die vielen Tiere … Aber bitte – wird das ein Vorstellungsgespräch? Es hieß, das sei nicht nötig, obwohl ich es angeboten hatte. Jetzt ist es dafür zu spät, fürchte ich.«

»Himmel, nein!« Philip Wagner hebt abwehrend die Hände. »Es war reine Neugier. Aber Sie haben recht: Es geht mich nichts an. Entschuldigen Sie bitte meine Neugier.« Er schiebt den Käseteller noch ein Stückchen weiter von sich. »Mich wundert es nicht, dass Sie enttäuscht sind. Die Zimmer, der Service: Sie hatten sich bestimmt etwas anderes vorgestellt. Und Peggy …« Er hält einen Moment inne. »Sie tut, was sie kann, aber sie hat ihre Grenzen. Das Archeprojekt, die Tiere: in dieser Arbeit geht sie auf, hundertprozentig. Aber die Hotellerie ist nicht ihr Ding.«

»Und deshalb kümmern Sie sich um das Gästefrühstück?«, hakt Isabell nun ihrerseits nach. Es fällt ihr leichter, nicht über sich selbst sprechen zu müssen.

Philip Wagner schaut auf. »Das ist ein Arrangement zwischen Peggy und mir. Mir macht es nichts aus, und sie hat eine Sorge weniger.«

»Wie ungewöhnlich! Peggy erzählte mir, Sie seien ein Langzeitgast.«

»Ein Langzeitgast. So hat sie mich also genannt.« Er lächelt versonnenen. »Nun ja. In gewisser Weise trifft es das wohl auch.«

»Den Frühstücksservice bekommen Sie jedenfalls fabelhaft hin«, lobt sie erneut, um ihren Abgang positiv zu gestalten.

»Sehen Sie es als eine Art Bestechungsversuch«, erwidert er schmunzelnd, legt die Hände vor sich auf die Tischplatte und beugt sich ein klein wenig vor. »Ich möchte nämlich, dass Sie bleiben.« Er hält einen Moment inne. »Mir ist klar, dass das hier allenfalls Jugendherbergsniveau hat und eigentlich nicht einmal das«, fährt er schließlich fort. »Aber Sie suchten das Abenteuer, und wir können hier mit einigen Dingen punkten, die Sie woanders nicht erleben werden.«

Isabell seufzt. »Das mag sein, Herr Wagner. Aber das Ganze ist einfach nichts für mich. Ich habe mich geirrt, es tut mir leid.«

Er senkt den Blick, sagt nichts darauf.

»Ich bitte Sie – ein Nachttopf!«, entfährt es ihr. Sie hat die Sache nicht zur Sprache bringen wollen, aber jetzt ist es heraus. Noch immer kann sie nicht fassen, dass diese Peggy es ernst damit gemeint hat.

»Der Nachttopf!« Urplötzlich bricht Philip Wagner in schallendes Gelächter aus. »Hat Peggy den etwa erwähnt?« Er schüttelt amüsiert den Kopf. »Vergessen Sie‘s einfach! Wenn Sie eine schwache Blase haben, können Sie jederzeit ein anderes Zimmer bekommen. An Räumlichkeiten mangelt es uns nun wahrlich nicht.«

»Ich habe keine schwache Blase!«, widerspricht sie empört. »Und selbst wenn: Es ist —«

»Es ist meine Schuld«, unterbricht er sie mit beschwichtigender Geste. »Ich hatte versprochen, Sie in Empfang zu nehmen und hier einzuführen, aber dann …« Er zögert einen Moment. »Mir ist etwas dazwischen gekommen. Bitte! Geben Sie uns eine Chance. Bleiben Sie ein, zwei Wochen und entscheiden dann. Sie haben doch keinen Zeitdruck, wie Sie sagten.«

Ihr zögerliches Schweigen wird von jähem Uhrengeläut durchbrochen. Überrascht dreht Isabell den Kopf zu der bunten Kuckucksuhr, die neben dem Kachelofen hängt. Ein kleiner, blauweißer Vogel kündigt laut rufend die halbe Stunde an.

»Sagte ich nicht, wir können hier mit einigen Dingen punkten, die Ihnen woanders nicht begegnen werden?«, scherzt Philip Wagner. »Lassen Sie uns noch einmal von vorn anfangen!« Er schiebt seinen Stuhl zurück und steht auf. »Ich führe Sie herum und zeige Ihnen das Haus.«

Sie erhebt sich ebenfalls, noch immer unschlüssig. »Frühstückt denn niemand mehr?«, erkundigt sie sich ausweichend.

»Das Ehepaar aus Zimmer Sechs ist schon fertig. Sie kommen regelmäßig zum Wandern und sind bereits unterwegs. Dann haben wir noch einen Gast. Er ist gestern Abend angekommen. Aber er frühstückt in der Regel sehr spät. Und er weiß, wo alles steht, falls ich gerade nicht da bin.«

Zwei Zimmer belegt. Der Laden brummt ja geradezu!

»Fürs Wochenende hat sich eine Wandergruppe angesagt«, verkündet Phil Wagner, als hätte er ihre Gedanken gelesen. »Dann können wir jede Unterstützung brauchen.«

»Wie groß ist die Gruppe?«

»Acht Leute.«

»Wow!« Sie stößt einen leisen Pfiff aus.

»Ich weiß, wie das in Ihren Ohren klingen muss«, räumt er ein.

»O, ich glaube, das wissen Sie nicht«, erwidert sie lächelnd. Tatsächlich klingt das für sie nach einem faulen Lenz, für den sie sich gerade zu erwärmen beginnt. Auf ihrer Liste stehen unzählige Bücher, die gelesen werden wollen, und mit dem Malen würde sie auch gern wieder anfangen. Aber das geht diesen Wagner nichts an.

»Schauen Sie: Dort ist die Küche.« Er führt sie in den Raum hinter der Gaststube. »Gekocht wird nicht. Wir sind kein Restaurant. Hier bereite ich nur das Frühstück zu und die Vesperpakete. Und vielleicht schiebe ich auch mal einen Flammkuchen in den Ofen.« Wieder dieses Zwinkern. »Einfach, aber für die Zwecke ausreichend.«

Dem hat Isabell nichts entgegenzusetzen. Es ist alles da: eine breite Spüle, eine Industriespülmaschine, ein Ofen, ein Herd.

Philip Wagner geleitet sie wieder hinaus in den Flur, wo ihnen ein Dackel schwanzwedelnd entgegenflitzt.

»Ja, wer bist denn du?« Sie beugt sich herunter und streichelt über den Kopf des Hundes.

»Das ist Hans«, erklärt Wagner. »Ich hab mich schon gewundert, wo er steckt. Normalerweise ist er sofort zur Stelle, wenn ein neues Gesicht auftaucht.« Er lächelt wieder sein warmes Lächeln, fügt hinzu: »Dieser Hund ist noch neugieriger als ich.«

»Hans …«, überlegt Isabell. »Ist das nicht der Freund von Ernst, dem Wollschwein?« Sie muss über ihre eigenen Worte lachen.

»Sie haben’s erfasst! Die beiden sind wie ein altes Ehepaar. Wenn der eine mal nicht da ist, wird der andere gleich nervös. Aber kommen Sie!« Wagner geht weiter und führt sie in den Wirtschaftsraum. Handtücher, Bett- und Tischwäsche lagern hier, dazu Staubsauger, diverse Besen, Putz- und Reinigungsmittel. Sogar einen Karton mit Glühbirnen entdeckt sie.

»Die Wäsche wird von der Wäscherei abgeholt«, erklärt er. »Ihre Privatwäsche können Sie dort waschen.« Er deutet auf Waschmaschine und Trockner. »Im Notfall dürfen auch die Gäste die Maschinen benutzen. Ich muss eingestehen: Dieser Notfall tritt ziemlich häufig ein. Die Möglichkeiten, sich von Kopf bis Fuß einzusauen, sind auf diesem Hof schier unerschöpflich.«

Sie treten wieder hinaus auf den Flur. Vor dem großen Kühlgerät bleibt Phil Wagner erneut stehen.

»Ich denke, über den Kühlschrank bin ich bereits hinreichend informiert«, beeilt sie sich zu sagen. »Einschließlich darüber, was mit den abgelaufenen Lebensmitteln passiert.« Die kleine Spitze kann sie sich nicht verkneifen.

»Oha! Peggy hat Ihnen also auch gleich einen ihrer berühmten Vorträge über Lebensmittelverschwendung gehalten.«

»Eigentlich nicht«, widerspricht Isabell und schürzt die Lippen. »In diesem Haus wird ja offenbar nichts verschwendet.«

Wagner zieht verwundert eine Augenbraue hoch, grinst dann in sich hinein, hält es aber offenbar für klüger, das Thema nicht zu vertiefen.

»Ich zeige Ihnen jetzt das Büro.« Wieder geht er voran und sperrt eine weitere Tür auf. Isabell und Hans folgen. Der Raum, den sie betreten, ist recht klein und besitzt nur ein winziges Fenster. Den geringen Lichteinfall machen zwei grelle Leuchtstoffröhren wett. An den Wänden stehen Kellerregale, in denen Aktenordner und Papierstapel lagern. Nahezu mittig im Raum ist ein Schreibtisch platziert: ein wuchtiges, düsteres Monstrum, vermutlich aus dem vorletzten Jahrhundert, über und über mit Zetteln, aufgerissenen Briefumschlägen, Rechnungen, Kugelschreibern und Kaffeetassen bedeckt. Auf einem Stapel Kataloge thront eine leere Bierflasche.

»Es ist immer wieder erstaunlich.« Philip Wagner deutet mit dem Kinn in Richtung Schreibtisch. »Man denkt, das Ganze müsste jeden Moment ins Rutschen kommen und eine Lawine auslösen. Aber es passiert nicht.«

Wahrscheinlich klebt alles fest, denkt Isabell und schüttelt sich innerlich. »Dieses Chaos … sind das etwa die Unterlagen der Gästepension?« Sie ahnt Schlimmstes.

»O nein! Da kann ich Sie beruhigen. Alles rund um die Pension wird dort drüben erledigt.« Er wendet sich halb um und zeigt auf einen kleinen Tisch neben der Tür, den sie noch gar nicht bemerkt hat. Lediglich ein Laptop und eine Leselampe befinden sich darauf. »Aber um diese Dinge kümmern wir uns später. Ich würde vorschlagen, wir –« Er hält inne. Vom Flur her ruft ihn jemand beim Vornamen. »Entschuldigen Sie mich bitte für einen Augenblick. Ich glaube, unser Gast hat einen Wunsch.«

»Nur zu!« Isabell findet es durchaus beruhigend, dass jemand auf die Wünsche der Gäste reagiert. »Wenn Sie vielleicht den Hund rauslassen würden?« Wagner deutet auf Hans, der leise zu winseln begonnen hat. Wie auf Kommando flitzt der Dackel los.

Während Philip Wagner sich in Richtung Gaststube begibt, folgt Isabell dem Dackel in die Eingangsdiele mit den roten Sesseln und öffnet ihm bereitwillig die Tür. Unvermittelt flutet die Morgensonne herein. Sie tritt auf die Schwelle, atmet die kühle, klare Luft, sucht Hans mit den Augen. Er hockt jetzt ein paar Schritte entfernt vor dem Haus und schaut erwartungsvoll zu ihr hinauf.

Direkt neben ihm steht Ernst, das Wollschwein.

»Möchtest du mir deinen Freund vorstellen?« Sie wagt sich zögerlich die drei Stufen hinunter. »Hallo, Ernst! Wie geht’s, wie steht’s?«

Die Antwort ist ein freundliches Grunzen. Sie staunt ein wenig darüber, mit welch zierlichen Trippelschrittchen das Schwein seinen massigen Leib vorwärts bewegt. Genau in ihre Richtung. Es reckt jetzt seine Schnauze vor, schnüffelt an ihrer Hand. Tapfer widersteht sie der Versuchung, ins Haus zurück zu rennen. Ernst kommt noch näher, dreht sich unversehens seitwärts und lehnt sich gegen ihr linkes Bein. Durch den dünnen Stoff ihrer Hose spürt sie die kompakte Wärme seines Körpers.

Die Hose ist schwarz. Das Schwein ist es nicht. Wenn das mal keine Flecken gibt! Ihr schießt Wagners Bemerkung über die Waschmaschine in den Sinn. Der Druck wird stärker und stärker; bald scheint Ernst sich mit einem nicht unbeträchtlichen Teil seines Gewichts gegen sie zu lehnen.

»Du bist mir einer!« Sie klopft seinen Rücken, tätschelt seinen Nacken. Der Druck lässt ein wenig nach. Sie krault seine Stirn, landet unweigerlich bei den wolligen Ohren. Es fühlt sich an, als würde man Holzwolle streicheln. Wir können mit einigen Dingen punkten, die Ihnen woanders nicht begegnen werden, hat Philip Wagner vorhin gesagt. Dieses Schwein ist zwar kein Ding, aber es punktet zweifelsohne.

Isabell beugt sich ein wenig zu ihm herab. »Was meinst du: Wollen wir Freunde werden?«

Ernst grunzt. Sie tut es auch. Die Freundschaft scheint besiegelt zu sein.

Kapitel 5

Um kurz vor eins erscheint Peggy im Büro. »Schon fleißig, wie ich sehe!«

Isabell schaut von dem Bildschirm auf. »Herr Wagner hat mir eben das Buchungssystem gezeigt. Ich prüfe gerade den Belegungsplan für die nächsten Wochen.«

»Sehr schön.« Peggy tritt hinter den großen Schreibtisch und wühlt lustlos in einem Stapel Papiere herum. »Man müsste mal wieder aufräumen. Aber wer Ordnung hält, ist zu faul zum Suchen. Du kennst den Spruch.«

»Ich kenne ihn«, bestätigt Isabell. »Allerdings halte ich ihn nicht für sonderlich hilfreich, wenn ich ehrlich bin.«

»Eben. Der Spruch ist Blödsinn«, bestätigt Peggy und klopft mit der flachen Hand auf die Tischkante. Besorgt starrt Isabell auf die Bierflasche.

»Du weißt, was passiert, wenn du zwanghaft versuchst, Ordnung zu halten«, doziert die Bäuerin weiter. »Stundenlang sortierst du alles von Hü nach Hott und findest anschließend nichts wieder. Da ist mir mein kreatives Chaos lieber.« Ihre ausladende Geste umfasst sowohl den Tisch als auch die Regalwände, vielleicht sogar Haus und Hof. »So weiß ich wenigstens, dass der Brief vom Veterinäramt noch irgendwo auf dem Tisch liegen muss. Die Futtermittelrechnungen sind höchstwahrscheinlich in dem Schuhkarton dort drüben. Und die Schreiben vom Finanzamt beschwere ich grundsätzlich mit den dicksten Katalogen, die wir haben.«

»Ein interessantes Konzept«, findet Isabell. »Das Problem daran dürfte allerdings sein, dass sich keine andere Person zurechtfindet.«

Peggy wirft ihr einen Blick zu, der nicht leicht zu deuten ist. Fast scheint es so, als hätte sie sich noch nie mit diesem Argument befasst.

»Was die Unterlagen der Pension betrifft, würde ich es gern anders handhaben«, erklärt Isabell. »So lange ich hier bin, zumindest.«

»Du bleibst also? Phil hat gesagt, das wäre noch nicht raus.«

Isabell spürt, dass sie puterrot anläuft. »Also, ehrlich gesagt –«

»Ehrlich gesagt hatten wir einen Haufen Bewerbungen«, fällt Peggy ihr ins Wort. »Aber wir haben uns für dich entschieden. Es wäre nicht fair, wenn du uns jetzt im Stich lässt.« Sie zieht eine Grimasse, kratzt sich am Hals. »Wie auch immer: Ich bin gekommen, um dich abzuholen. Wir essen mittags zusammen. Also alle, die hier arbeiten.« Sie schnappt sich die leere Bierflasche und gibt Isabell einen Wink, ihr zu folgen. »Gekocht wird reihum. Jeder ist mal dran«, verkündet sie, während sie voranmarschiert. »Wer kocht, kauft auch ein. Oder erntet sein Zeugs im Gemüsegarten, je nachdem. Allerdings gibt‘s jetzt nicht mehr viel zu ernten. Egal. Normalerweise müssen sich alle am Küchendienst zu beteiligen.« Sie schaut kurz über ihre Schulter. »In deinem Fall wär‘s mir allerdings nicht so wichtig, da du ja sowieso nicht lange bleiben wirst.«

»Wenn alle mitmachen, will ich mich nicht drücken«, beeilt sich Isabell zu sagen. Dabei erinnert sie sich nicht einmal mehr genau, wann sie zuletzt gekocht hat. Normalerweise isst sie im Hotel, auf der Arbeit. Hat sie gegessen. Häufig sind sie auch zu Michalis gegangen oder in die Tapas-Bar um die Ecke. Oder Timo hat irgendwas gebruzzelt. Hin und wieder. Nein, sie kann nicht behaupten, eine sonderlich versierte Köchin zu sein. Aber diese Peggy ist auch nicht gerade eine versierte Pensionswirtin. Im Gegenteil.

Als sie die Küche betreten, sitzt bereits ein halbes Dutzend Leute am Tisch. Im ersten Moment fragt sich Isabell, wo sie noch Platz finden soll, aber sofort rücken alle zusammen, und es tut sich eine Lücke für sie auf.

»Das ist Isabell, unser zweiter Neuzugang«, stellt Peggy vor. »Sie wird sich um die Gästepension kümmern, bis Anna wieder fit ist.« Ein freundliches Begrüßungsgemurmel setzt ein. »Unseren Frühstücksspezialisten kennst du ja schon.« Peggy deutet auf Philip Wagner, der ihr freundlich zunickt. »Hier haben wir unsere Jenny. Meine rechte Hand sozusagen und Fachfrau für alles, was auch nur die entfernteste Ähnlichkeit mit einem Pferd hat.«

»Hallo, Isabell!« Jenny wirft ihren braunen Zopf zurück und hebt die Hand zum Gruß.

»Der fesche Kerl hier ist Tomek, unser Mann fürs Grobe.« Peggy stößt einen kehligen Lacher aus. »Nein, ernsthaft: Er kümmert sich vorzugsweise um die Technik. Was Tomek nicht reparieren kann, kannst du getrost auf den Müll schmeißen, sag ich immer.«

Tomek grinst eine Spur verlegen.

»Das ist Emma, unsere Schulpraktikantin.« Peggy tritt hinter das Mädchen und legt ihm beide Hände auf die Schultern.

»Hi, Isabell!«, grüßt die blonde Emma mit hoher Glockenstimme. Ihr Lächeln lässt eine feste Zahnspange aufblitzen.

»Emma schafft ordentlich was weg. Aber heute ist leider ihr letzter Tag.« Peggy stößt einen lauten Seufzer aus. »Wieder eine billige Arbeitskraft weniger!« Sie wuschelt Emma übers Haar, klopft ihr noch mal auf die Schulter und tritt einen Schritt nach links. »Und diese junge Frau hier ist Caro. Sie ist auch neu im Geschäft, sozusagen. Eigentlich sollte sie gestern schon kommen, aber dann hat sie ihren Zug verpasst und – lassen wir das. Caro hilft uns bei der Arbeit mit den Tieren, vor allem im Stall.«

Isabell horcht auf. Das ist sie also, die heiß ersehnte Stallhilfe, denkt sie amüsiert. Caro ist schätzungsweise siebzehn Jahre alt, vielleicht auch achtzehn oder neunzehn. Höchstens. Und sonderlich zupackend sieht sie nicht gerade aus.

»Hi!« Caro hebt lahm die Hand. Ihr spitzes, blasses Gesicht zeigt kaum Regung.

»Setz dich zu mir!«, meldet sich Jenny zu Wort und klopft auf den freien Platz neben sich. Sie lächelt so einladend, dass Isabell der Aufforderung gern nachkommt.

Peggy füllt einen Teller, reicht ihn ihr, nimmt sich selbst und setzt sich ebenfalls.

Das Essen geht weiter. Während sie ihren Eintopf löffelt, lauscht Isabell mit gespitzten Ohren den Tischgesprächen.

»Frau Strohmeyer hat mir erzählt, du kennst alle Katzen in der Nachbarschaft«, wendet sich Jenny an Caro.

»Sagt sie das?« Caros Miene bleibt ausdruckslos.

»Den Hund einer alten Dame hättest du auch oft ausgeführt.« Jenny schaut Caro an, doch die erwidert nichts darauf.

»Hast du schon mal auf einem Bauernhof ausgeholfen?«, lässt Jenny nicht locker.

»Nee.« Die junge Frau schüttelt den Kopf. »Doch«, fällt ihr plötzlich ein. »Wir haben mal eine Klassenfahrt auf einen Hof gemacht. Da gab’s Kühe, Schweine und Hühner. Und Schwäne, glaube ich.«

»Du meinst sicher Enten oder Gänse«, korrigiert Peggy.

»Ich meinte Schwäne«, gibt Caro zurück, ohne von ihrem Teller aufzusehen.

Betretendes Schweigen macht sich breit.

»Meldet noch jemand Ansprüche an?«, durchbricht Tomek die Stille und deutet auf die übrig gebliebene Portion.

»Iss, damit du groß und stark wirst!« Jenny reicht ihm grinsend den Topf. Anschließend bringt sie anstehende Zahnkontrollen zur Sprache. Doch erst, als von Hobeln und Feilen die Rede ist, begreift Isabell, dass es sich wohl um die Pflege tierischer Gebisse handeln muss.

»Wo kommt der hin?« Caro ist aufgestanden, ihren Teller in Händen.

»In die Spülmaschine.« Peggy deutet auf die Küchenzeile im hinteren Teil des Raumes. Die junge Frau räumt den Teller weg, dann verlässt sie wortlos die Küche.

»Wo will sie denn hin?«, wundert sich Jenny.

»Keine Ahnung.« Peggy steht auf und tritt ans Fenster, das zum rückwärtigen Hof hinausgeht, späht hinaus. »Hat man Töne! Das geht ja nun gar nicht!«

»Was geht nicht?«

»Sie steht draußen und raucht.«

»Lass sie doch«, schaltet Philip Wagner sich ein. »Tomek raucht auch.«

»Aber Tomek ist umsichtig«, gibt Peggy wütend zurück. »Dieses junge Ding ist es ganz bestimmt nicht!«

»Ich bin umsichtig, habt ihr gehört?« Tomek deutet mit beiden Zeigefingern auf sich und grinst in die Runde.

»Macht euch nur lustig!«, knurrt Peggy. »Wir haben hier jede Menge Tiere, dazu Heu und Stroh bis unters Dach! Das brennt alles wie Zunder.« Sie steuert bereits auf die Tür zu. »Ich sag ihr jetzt, dass das nicht geht. Sonst kann sie gleich wieder einpacken.«

»Wie wär’s mit ein bisschen Diplomatie?«, schlägt Philip Wagner vor. »Führe sie herum und zeige ihr alles. Bei der Gelegenheit kannst du das Thema ja ansprechen.«

Peggy hält einen Augenblick inne, lässt sich den Rat durch den Kopf gehen, zupft an ihrem Hosenbund, wendet sich nochmals um. »Also gut.« Sie deutet auf Isabell. »Du kannst mitkommen! Dann wäre das gleich in einem Aufwasch erledigt.«

»Liebend gern«, gibt Isabell betont freundlich zurück. »Wenn ich mir nur schnell etwas überziehen dürfte?«

Kapitel 6

In von Jenny ausgeborgten Gummistiefeln und dicker Winterjacke stapft Isabell in den Hof, wo Peggy und Caro bereits auf sie warten.

»Du solltest dir auch etwas Wärmeres anziehen«, rät Peggy mit Blick auf Caros labberigen Pullover, unter dem sich magere Schultern abzeichnen.

»Mir ist nicht kalt«, behauptet Caro, ohne aufzublicken.

»Na, dann.« Peggy bahnt sich ihren Weg durch einen Pulk von Hühnern.

»Ist das das Huhn, das die grünen Eier legt?«, erkundigt sich Isabell und deutet auf ein höchst merkwürdig aussehendes Exemplar.

»Das ist der Hahn«, gibt Peggy nach einem kurzen Seitenblick zurück.

»Wie? Der Hahn legt die Eier?« Isabell bleibt verblüfft stehen.

»Unsinn! Das ist ein Araucana-Hahn. Die dicken Damen da vorn, das sind auch Araucanas. Denen fehlt die Bürzeldrüse, und Schwanzfedern haben sie auch nicht. Dafür legen sie schöne bunte Eier.« »Bekommen sie besonderes Futter dafür?«, erkundigt sich Isabell und denkt dabei an Rote Beete, Kurkuma oder Blaukraut.

»Nein.« Peggy schüttelt den Kopf. »Die Eierfarbe ist genetisch bedingt, sie kommt durch Pigmenteinlagerungen in der Kalkschale zustande. Willst du noch mehr wissen?«

»Unbedingt!«

»Also gut. Hühner besitzen eine spezielle Schalendrüse, in der auch die Pigmente entstehen. Welche das jeweils sind, kann sich das Huhn nicht aussuchen. Entweder so oder so. Rote Pigmente entstammen dem Blut, gelbe der Galle. Vermischt sich beides, ergibt das einen Braunton. Dann gibt‘s noch das Pigment Biliverdin. Es ist ein Abbauprodukt des Blutes, also des roten Blutfarbstoffs Hämoglobin, um genau zu sein. Ihr kennt das von blauen Flecken: erst blau dann grün dann gelb. Alles das ist Biliverdin. Wie in den grünen Eiern.«

»Verunfallte Eier, sozusagen.« Isabell grinst. Caro rümpft die Nase.

»Wir züchten hier aber vor allem die Deutschen Sperber«, fährt Peggy fort. »Das sind die mit dem schönen Gefieder da drüben.« Sie deutet auf paar schwarz-weiß gesprenkelte Hühner, die etwas weiter entfernt im Matsch picken. »Die Sperber sind vom Aussterben bedroht, und das wollen wir verhindern. »Wozu habt ihr dann auch noch all die anderen?«, meldet sich Caro zu Wort.

»Weil sie schön sind?«, gibt Peggy mit leisem Spott in der Stimme zurück. »Weil wir bunte Eier cool finden?« Sie zwinkert Caro zu. »Wir haben sogar Hühner, die legen rosa Eier. Hübsch, nicht? Und Geld bringt’s auch. Na ja, ein bisschen jedenfalls. Die Leute haben Spaß an so was. Des Geldes wegen haben wir auch noch Hybridhühner. Die sind legefreudiger als unsere Künstlerhühner hier, und sie machen keine Winterpause. Sie finanzieren sozusagen die bedrohten Rassen mit.«

»Der Kollege da, ist der auch vom Aussterben bedroht?« Caro deutet auf das Wollschwein Ernst, das urplötzlich hinter dem Geländewagen auftaucht, begleitet von seinem fröhlich schwanzwedelnden Freund Hans. Ernst steuert geradewegs auf Caro zu, doch diese zuckt nicht einmal mit der Wimper. Schneid hat sie, muss Isabell ihr zugestehen und spürt einen freudigen Stich, als Ernst Caro nur vage beschnuppert und sich dann ihr zuwendet. »Wollschweine zählen nicht«, erklärt Peggy. »Sie gehören nicht zu den einheimischen Arten.«

»Und weshalb ist er dann hier?« Caros chronisch leiernder Tonfall hat etwas Genervtes, beinahe Vorwurfsvolles, doch Peggy scheint darüber hinwegzuhören.

»Wohl deshalb, weil viele Menschen meinen, wir wären so eine Art Tierasyl«, beantwortet sie die Frage. »Du kannst dir nicht vorstellen, was uns hier schon alles angeschleppt wurde: Fledermäuse, Igel, Frischlinge, einmal sogar ein Leguan. Und eines schönen Tages auch unser Ernst. Da war er noch ein abgemagertes Ferkel in miserablem Zustand. Jemand hat ihn irgendwo am Straßenrand entdeckt und hergebracht. Leider haben wir nie herausgefunden, woher er stammt. Normalerweise vermitteln wir solche Fälle weiter ans Tierheim oder an die Wildstation. Die Leute dort päppeln sie auf und wildern sie anschließend aus. Aber so ein Wollschwein auszuwildern wäre in etwa dasselbe, als würdest du ‘ne zahnlose Oma im Wald aussetzen. Das geht nicht. Leider wollte niemand Ernst aufnehmen, also ist er hier hängengeblieben. Tja, und was soll ich sagen? Wir haben ihn richtig liebgewonnen. Ernst ist sehr schlau, müsst ihr wissen. Schweine sind überhaupt schlaue Tiere. Zum Beispiel rauchen sie nicht. Das machen nur Idioten.« Peggy beugt sich vor und klopft Ernsts Nacken, dass es nur so staubt. »Ja, mein Guter! Du würdest uns niemals leichtsinnig die Hütte in Brand stecken, nicht wahr?«

Verstohlen lugt Isabell zu Caro hinüber, doch die zeigt keine Reaktion.

Glücklicherweise erhält Peggy keine Gelegenheit, das Thema zu vertiefen, denn in diesem Moment biegt ein Wagen in den Hof ein und kommt mit einem abrupten Bremsmanöver zum Stehen. Ein grüner Mercedes. Älteres Modell. Ein sehr altes Modell. Wie die Dame hinter dem Steuer. Sie scheint kaum über das Lenkrad hinwegschauen zu können. Isabell erinnert sich plötzlich. Das ist die Todesfahrerin!

»Die hat mir gerade noch zu meinem Glück gefehlt«, murmelt Peggy, stapft auf den Wagen zu und reißt die Fahrertür auf. »Tag, Frau Weidle! Mittagsschlaf beendet?«

»Ich halte nie Mittagsschlaf«, gibt diese zurück, ohne sich mit Begrüßungsfloskeln aufzuhalten. »Wäre auch bedenklich in Anbetracht der Tatsache, dass ich erst um halb elf aufstehe.« Mühsam hebt sie zwei steckendürre Beine aus dem Wagen.

Peggy schnappt sich einen Gehstock vom Beifahrersitz und hilft der Dame dann beim Aussteigen. »Schön vorsichtig! Es ist nass heute!«

»Was du nicht sagst, Peggy! Und bitte, du brauchst nicht so zu schreien. Mein Hörgerät funktioniert einwandfrei.«

Peggy hakt die Dame unter, reicht ihr den Gehstock und begleitet sie ein Stück weit über den Hof, bis sie in einem der Ställe verschwindet.

»Was macht die jetzt?«, will Caro wissen, als Peggy wieder bei ihnen ist.

»Sie besucht Clarissa, unsere alte Eselin. Seniorenkaffee, sozusagen.« Peggys Mundwinkel kräuseln sich zu einem Lächeln. »Aber kommen wir zu unserem Thema zurück: Sicher habt ihr euch schon gefragt, was ein Archehof ist. Viele Leute glauben ja, das sei so ein Ding aus der Bibel. Von jeder Art ein Pärchen. Ein biblischer Zoo, sozusagen. Aber das ist Unsinn. Für die Erhaltung der Art oder Rasse wäre es total ineffektiv, jeweils nur ein Paar zu retten. Ihr könnt euch denken: Das gäbe die schönste Inzucht. Es stimmt zwar, dass wir eine Menge unterschiedliche Tiere hier haben. Aber das macht noch keinen Archehof aus. Archehof darfst du dich nur nennen, wenn du mindestens drei bedrohte Nutztierrassen züchtest. Das kann Geflügel sein – ich habe die Sperberhühner ja bereits erwähnt –, Schafe, Ziegen oder Rinder. Bestimmte Schweinerassen auch, ebenso wie Esel. Und Pferde natürlich.« Sie deutet auf zwei dunkle Füchse, die über die halb geöffnete Boxentür aufmerksam zu ihnen herüberschauen. »Das sind Vorderwälder Kaltblutpferde. Mona und Walli«, erklärt Peggy, tritt auf sie zu und streichelt beiden den Kopf. »Eigentlich gehören sie Jenny. Sie träumt davon, eines Tages eine richtige Zucht aufzumachen. Die Wälderpferde sind tolle Tiere, treu und fleißig. Man kann wunderbar mit ihnen arbeiten. Ich liebe sie einfach.« Ein abschließendes Halsklopfen, dann marschiert Peggy weiter. »Außerdem haben wir eine Herde Brillenziegen«, fährt sie fort. »Die geben sehr gute Milch. Und dann die Landschafe.«

»Das sind mehr als drei«, bemerkt Caro und erntet einen verständnislosen Blick.

»Drei was?«

»Drei Rassen beziehungsweise Arten.«

»Richtig!« Peggy lacht, und ihre Augen blitzen. »Cleveres Mädchen!«

Caro lässt sich von dem Lob nicht beeindrucken. »Warum machst du das alles?«, fragt sie ungerührt.

»Tja, warum mache ich das?« Peggy schaut sich nach allen Seiten um und breitet die Arme aus, als wolle sie den ganzen Hof umarmen. »Schaut euch doch um! All die wunderbaren Geschöpfe! Wäre es nicht jammerschade, wenn es sie nicht gäbe?« In dem Moment spürt Isabell, wie sehr die sonst so spröde und grobschlächtig daherkommende Bäuerin für ihre Arbeit brennt. »Weiter geht’s! Wir haben ein strammes Programm.«

Kapitel 7

Isabell atmet tief durch. Noch immer maunzt und meckert, bellt und blökt, gackert und grunzt es in ihrem Kopf, als hätte sich dort ein Zoo einquartiert. Nein, kein Zoo. Ein Archehof.

Morgen früh kommen neue Gäste an, und wie abgemacht wird sie Phil – so nennt sie Philip Wagner inzwischen – bei der Zubereitung des Frühstücks behilflich sein. Zeit, ins Bett zu gehen.

Während sie die Reise zum Bad im Parterre antritt, fällt ihr ein, dass sie keine Flasche Wasser mehr auf dem Zimmer hat. Also tappt sie durch den langen stillen Flur in Richtung Kühlschrank. Und erschrickt. War da eine Stimme? Aber nein, es ist nur der grau gescheckte Kater, der ihr um die Beine streicht. Wie hieß er noch gleich? Sie weiß es nicht mehr. An ihrem Ziel angelangt bleibt sie stehen, spürt die Flanken des Katers an ihren Waden, genießt jetzt die Wärme seines seidigen Fells. Dieser Flur ist eiskalt. Schnell öffnet sie die Kühlschranktür und holt das Wasser heraus. Unversehens fällt ihr Blick auf einen Schokopudding. Nach kurzem Zögern nimmt sie ihn heraus, prüft das Haltbarkeitsdatum. Peggy wird sich nicht so bald opfern müssen. Mitnehmen oder zurückstellen? Die Entscheidung ist noch nicht gefällt, als plötzlich eine Tür aufgeht. Gleichzeitig steigt Isabell der Geruch von gebratenem Spiegelei in die Nase. Eine Männerstimme sagt etwas, eine zweite antwortet. Dann Schritte. Sie kommen näher. Isabell schiebt die Katze mit dem Fuß beiseite, will sich aus dem Staub machen, weiß nicht, wohin. Die Treppe zu ihrer Kammer liegt in derselben Richtung, aus der sich jetzt jemand nähert. Mist.

Da ist er auch schon: ein schlanker, sehr schlanker Mann, weder alt noch jung, mittelgroß, dunkelhaarig. Als er sie erblickt, bleibt er wie angewurzelt stehen.

»Kommen Sie ruhig näher, ich beiße nicht!«, fordert sie ihn freundlich auf.

Der Fremde wagt sich ein paar Schritte vor, wünscht ihr verhalten einen guten Abend. Er hat ein schmales Gesicht und eine scharf geschnittene Nase.

»Auch noch Lust auf einen Nachtisch bekommen?« Lächelnd hebt sie die Hand, die den Pudding hält.

»Ich wollte nur Bier holen«, antwortet er, sichtbar verlegen.

»Bitte sehr!« Sie tut einen kleinen Hüpfer zur Seite, um ihm Platz zu machen. Der Fremde greift sich zwei Flaschen, wendet sich wortlos wieder ab und will im Flur verschwinden.

»Zum Wohlsein!«, ruft sie ihm nach. »Oder wie sagt man hier?«

»Broscht«, antwortet er mit dem Rücken zu ihr, dreht sich dann aber doch noch einmal um. »Sind Sie der Ersatz für Anna?«

»Ich glaube, so ist es gedacht.« Wieder lächelt sie.

»Mein Freund Phil hat gerade von Ihnen erzählt.«

»O ja, Phil!« Sie nickt eifrig. »Netter Mann.«