Autobiografie eines Lügners - Douglas Adams - E-Book

Autobiografie eines Lügners E-Book

Douglas Adams

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Beschreibung

Hier kommt die irrwitzige, wahre, surreale, traurige, saukomische, teils erstunken und erlogene Lebensgeschichte des früh verstorbenen Monty Python-Gründungsmitglieds Graham Chapman, dem Brian aus Das Leben des Brian. Aufgeschrieben von ihm selbst, mit Unterstützung von Douglas Adams. Grahams Autobiografie hat alles, was die Bezeichnung pythonesk ausmacht: Schrägen, schwarzen, krassen Humor, absurde Szenen ohne Pointe, grafische Elemente, fantastische Einschübe und gleichzeitig etwas sehr Gebildetes und Britisches. Die Autobiografie eines Lügners erzählt von Chapmans Jugend in der Provinz als Sohn eines einfachen Polizisten, von seinen Jahren in Eton und Cambridge, von seiner Liebe zu den Bergen und seiner fatalen Beziehung zum Alkohol. Von der Arbeit der Pythons auf Tourneen und bei Dreharbeiten. Und von seiner recht spät entdeckten Liebe zum gleichen Geschlecht. Hier treten sie alle auf: Die schrägen Lehrer und verrückten Polizisten, die John Cleeses und Michael Palins, die Oscar Wildes und G.K. Chestertons, die den Python-Kosmos bevölkern. Ein in Deutschland bisher unbekanntes Stück Monty Python eine großartige, längst überfällige Entdeckung. Aufgrund der unzähligen Anspielungen und scheinbar nicht übertragbaren Witze, hat sich seit dem Erscheinen des Buchs in England 1980 ein Jahr, nachdem Das Leben des Brian in die Kinos kam kein deutscher Übersetzer an das Buch gewagt. Harry Rowohlt beweist nun, dass eine Übersetzung sehr wohl möglich ist (wenn man es kann) und damit auch wieder einmal, dass er der beste und komischste Übersetzer und Nachdichter ist und bleibt. Die Autobiografie eines Lügners wird gerade von den restlichen Monty Pythons und mit Hilfe von 15 Trickfilmstudios verfilmt - der erste Film aus dem Umfeld der Pythons seit Ein Fisch namens Wanda. Kinostart: 2012.

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Ich würde es herausfinden ….

 

 

 

 

 

Die englische Originalausgabe“A Liar’s Autobiography. Volume VI”erschien 1980 bei Eyre Methuen in London.Copyright © 1980 Sea Goat Productions Ltd.

Für die deutsche Ausgabe:Copyright © 2012 Haffmans & Tolkemitt,Alexanderstraße 7, D-10178 Berlin.www.haffmans-tolkemitt.de

Alle Rechte vorbehalten, insbesondere das Recht der mechanischen, elektronischen oder fotografischen Vervielfältigung, der Einspeicherung und Verarbeitung in elektronischen Systemen, des Nachdrucks in Zeitschriften oder Zeitungen, des öffentlichen Vortrags, der Verfilmung oder Dramatisierung, der Übertragung durch Rundfunk, Fernsehen oder Video, auch einzelner Text- und Bildteile.

Umschlagbild von Jonathan Hills.

Gestaltung und Produktion von Urs Jakob,Werkstatt im Grünen Winkel, CH-8400 Winterthur.Satz & Litho: Fotosatz Amann, Aichstetten.Druck & Bindung: CPI – Ebner & Spiegel, Ulm.Printed in Germany

E-Book-Konvertierung: CPI – Ebner & Spiegel, Ulm ISBN 978-3-942989-18-3

»In leeren, schwachen Köpfen machen sich gern kleine schwarze Sachen breit, und die klötern dann.«

(E.W. Shepherd-Walwyn,Immer stramm geradeaus blicken:Zwanzig Gespräche mit Buben und Pfadfindern )

Inhalt

Über die Ko-Autoren

VORWORT

GERINGFÜGIG BESSERES VORWORT

KAPITEL NULL

KAPITEL EINS: Perinatale Entwicklung und noch ein bißchen was

KAPITEL ZWEI: Eton

KAPITEL DREI: Cambridge

KAPITEL VIER: St Swithin’s

KAPITEL FÜNF: Neuseeland

KAPITEL SECHS: Ibiza

KAPITEL SIEBEN: Eine Wiedergeburt

KAPITEL ACHT: Zwei Filme & Sechs Schlangen

KAPITEL NEUN: Brendan & Jimmy

KAPITEL ZEHN: John aus der Antarktis

KAPITEL ELF: Ein Gewalt-Kapitel

KAPITEL ZWÖLF: Das Hardrock Café

KAPITEL DREIZEHN: Mit Python auf Tournee

KAPITEL VIERZEHN: Auf Tournee, auf Tournee

KAPITEL FÜNFZEHN: Bayern & Glencoe

KAPITEL SECHZEHN: Ein vorletztes Kapitel

KAPITEL SIEBZEHN: Die Stimmung war affengeil

Anhang

Trauerrede auf Graham Chapman

Von John Cleese

Ein bißchen was am Schluß

Von Eric Idle

Unauffälliger Anmerkungsapparat

Von Harry Rowohlt und Geoffrey Strachan

Über die Ko-Autoren

Für eine Autobiografie hat dies Buch ungewöhnlich viele Autoren. Einigen von ihnen möchte ich für ihre Ungeduld danken. Besonders:

DAVID A. YALLOP. Einer der nicht-existenten Ko-Autoren dieser Autobiografie; hat mehrere Bücher allein geschrieben, einschließlich To Encourage the Others und Der Tag, an dem das Lachen starb. Es gab einen weiteren Ko-Autor, der aber bei einem Disput über Tantiemen ermordet wurde. M. Yallop demeure maintenant en Nouvelle Zélande.

DOUGLAS N. ADAMS. Ein bisher namentlich nicht erwähnter Autor, wurde bisher auch noch nicht ermordet, sondern hat sich lediglich unter einem Stapel unverlegbarer Manuskripte (z. B. Per Anhalter durch die Galaxis) totgestellt. Er wird wahrscheinlich auf den nächsten paar Dutzend Seiten das eine oder andere Wort einschieben, gibt dies allerdings nur zögernd zu, weil David A. Yallop, obwohl er keine 1,90 groß ist, extrem ungemütlich werden kann.

ALEX MARTIN. 1953 in Baltimore, der »Achselhöhle Amerikas«, geboren, oder doch eher in Wisconsin, »dem Schritt der Welt«; hielt länger durch als alle anderen Ko-Autoren mit Ausnahme von David Sherlock, der die Regel bestätigt. Am Winchester College und der Universität Cambridge herangebildet, erfreut sich dieser den Ausdauer-Rekord haltende Ko-Autor immer noch meiner beträchtlichen Wertschätzung.

PEDRO MONTT. Chilenischer Ex-Präsident, dem es, mitsamt seiner konservativen Regierung, wichtiger war, Eisenbahnen und Industrie zu fördern und die Probleme der arbeitenden Bevölkerung zu ignorieren, als anderen Leuten die Autobiografie zu schreiben.

DAVID J. SHERLOCK. Ein flotter junger Sausebraus, der 1947 an der walisischen Grenze geboren wurde. Glücklicherweise hat sich alles gebessert, so daß er jetzt in der schroffen maskulinen Welt des Verlagswesens ziemlich heiße Ware ist. Er war mir die letzten 14 Jahre lang ein guter persönlicher Freund, Herr Wachtmeister.

VORWORT

Über das Lügen und die tapferen Männer, die es tun

Es ist eine Eigentümlichkeit der europäischen Literatur nach dem Burenkrieg (und ich beziehe Großbritannien ausdrücklich ein, wenn ich »europäisch« sage), daß Vorworte, die mit »Es ist eine Eigentümlichkeit« beginnen, kaum je etwas besagen. Tatsächlich bin ich von dieser Regel inzwischen so überzeugt, daß ich, sobald ich diese vier kriecherischen Worte am Anfang eines Buches sehe, das verdammte Ding zuklappe und in den Kamin schmeiße. Was, werden Sie fragen, liest man stattdessen? Nun, ein Buch gibt es, das ich immer wieder lesen kann. Es ist dies Autobiografie eines Lügners von Graham Chapman, David Sherlock, Alex Martin, Douglas Adams und David Yallop. Besagen tut es nicht viel, aber immerhin fängt es nicht mit »Es ist eine Eigentümlichkeit« an, und das reicht mir schon völlig.

Hauptmann Mark Phillips(hinter meinem Namen kommen keine Buchstaben, aber ich bin einigermaßen reich)

GERINGFÜGIG BESSERES VORWORT

Über das Lügen und die tapferen Männer, die es tun

Nachdem Sie jetzt die erste Hürde genommen haben, die mein Mann gegen Geld hingeschrieben hat, würde ich gern versuchen, Ihnen einige der kniffligen Sprünge grob zu skizzieren, die jeder vor sich hat, der auf diesem berüchtigten erkenntnistheoretischen Parcours punkten möchte. Fangen wir mit dem ersten Hindernis an, einem sehr trügerischen, bei dem man leicht auf dem P … x landen kann (fügen Sie bitte das »ode« selbst ein, mir ist das nicht gestattet), wenn man sich nicht absolut hundertprozentig konzentriert. »Alle Männer sind Lügner«, sagt Charles. Jetzt denken Sie sorgfältig nach. Worauf deutet das hin? Es deutet darauf hin, daß Charles selbst ein Lügner ist, wenn er also die Wahrheit sagt, lügt er eigentlich, und wenn er lügt, sagt er die Wahrheit. Sehen Sie, worauf ich hinaus will? Ganz schön knifflig. Das nächste Hindernis ist ebenfalls reichlich knifflig. Es sieht aus wie eins dieser Kinderrätsel, und genau das ist es –, ziemlich gemein, finde ich, besonders so früh im 1. Durchgang! Aber hier ist es: Sie fahren über die Landstraße und kommen plötzlich an eine Gabelung. Sie sehen ein Schild, auf dem steht: »Die eine dieser Straßen führt nach Newmarket, die andere wohin, wo es ganz entsetzlich ist.« Um herauszufinden, welche welche ist, müssen Sie einen der Brüder fragen, die da in einer Hütte wohnen. Aber hier liegt der Haken. Der eine sagt nur die Wahrheit, und der andere lügt nur. Und Sie können nur eine Frage stellen. Denken Sie gründlich nach, bevor Sie fragen!

Na, das ist doch ganz schön knifflig, oder? Ich fürchte, ich kann Ihnen da auch nicht weiterhelfen, da ich die Antwort selber vergessen habe, aber trotzdem viel Glück, und seien Sie versichert, daß ich, obwohl ich keine Lust habe, Ihnen noch mehr über das Lügen zu erzählen, ganz schön gut drin bin.

Mrs Hauptmann Mark Phillips

KAPITEL NULL

11 Uhr, 26. Dezember 1977

Ich wollte es durchstehen, diesmal auf kaltem Wege. Keine Drogen, um die Symptome des Entzugs zu lindern. Ich hatte eine schlaflose Nacht verbracht, geschwitzt und gezittert. Vielleicht hatte ich geschlafen und träumte jetzt, daß ich nicht geschlafen hatte, und schlief jetzt folgerichtig. Ich drehte mich um, drosch das Kopfkissen in die richtige Form und versuchte mich zu entspannen. Zehen und Schienbeine waren taub. Ich versuchte zu überprüfen, ob nicht doch Gefühl drin war, erst mit einem Fuß gegen den anderen, dann mit zitternden Händen. Je mehr ich mich anstrengte, die Hände ruhig zu kriegen, desto unkontrollierbarer wurden sie.

Das wird schon wieder, wenn man einfach im Bett bleibt. Heute braucht man nichts zu tun, man braucht niemanden zu treffen, mit niemandem zu reden, nichts zu essen oder zu trinken. Einfach im Bett bleiben und durchhalten.

Es war egal, daß ich die ganze Nacht nicht geschlafen hatte. Ich konnte den ganzen Tag schlafen, und selbst wenn ich heute nicht schlafen konnte, konnte ich, falls nötig, eine ganze Woche im Bett verbringen. Das würde ich tun. Ich fühlte mich besser, setzte mich auf. Ich streckte die Hand nach meiner Pfeife aus, nahm sie aus dem Aschenbecher. Das war gut. Das war mir gelungen. Ich hob eine Schachtel Streichhölzer auf –, meine Hände zitterten nur ganz leicht. Ich steckte mir die Pfeife an, schüttelte das Streichholz, um es auszumachen, versuchte es mit Pusten, ließ meine Pfeife fallen, warf das Streichholz in den Aschenbecher und sah ihm zu, wie es abbrannte. Ich hob die Pfeife wieder auf, versuchte, sie in den Aschenbecher zu legen, und verfehlte ihn um mehrere Zentimeter, wodurch der Aschenbecher auf den Fußboden gekippt wurde. Vergiß doch die Pfeife und den Aschenbecher. Nichts brennt. Liegen lassen.

Ich legte mich wieder aufs Kissen zurück, wich aber plötzlich aus, weil sich eine Nachttischlampe darauf vorbereitete, mich anzugreifen …, es dann aber doch ließ. Sie blieb, wo sie war. Das furchtbare Jucken fing wieder an. Jetzt fiel es mir ein –, das hatte mich wach gehalten. Ich war über und über mit Insekten bedeckt.

Auf dem Flur draußen konnte ich immer noch die Standuhr hören; das leise, tröstliche, regelmäßige »Tack«. Es gab kein »Tick«, die Uhr sagte nur »Tack«. Ich lauschte angestrengt auf das »Tick«. Es gab keins, und ich wußte natürlich, warum. Die Regelmäßigkeit ihrer geklopften Botschaft hatte mich fuchsteufelswild gemacht –, nicht »tick-tack«, sondern diese Bausteine aus gepreßter Schlacke, »Ytong, Ytong, Ytong« (ich hatte sogar versucht, mich auf »Teepott, Teepott« umzuschulen), so daß ich die Uhr in ein anderes Zimmer getragen und mit Kissen bedeckt, beide Türen geschlossen hatte und wieder ins Bett gegangen war. Deshalb konnte ich nur das leise, entfernte »Tack« hören, »Tack … Tack … Tack … Tack … Ticktack … Tick? … Tack … Ticktack … Ytong … Ytong«, verdammt, laß mich zufrieden … Ich begrub meinen Kopf in den Kissen. Ich konnte nichts hören. Ich strengte mich an. Nichts …, nur das entfernte »Ytong, Ytong«. Ich setzte mich auf. Die Schlafzimmertür war offen. Die Uhr stand immer noch auf dem Etagenabsatz. Mir fiel ein, daß ich gegen sie gestoßen war, als ich an ihr vorüber wankte, nachdem ich mich das letzte Mal übergeben hatte. Und die Kissen –, sie lagen immer noch auf dem Bett. Es mußte ein Traum gewesen sein. Also hatte ich geschlafen. Also gut –, ich werde aufstehen und nach unten gehen und einfach den ganzen Tag fernsehen. Niemand wird da sein, außer John, David und Batch. Die hatten mich alle schon mal mit Flattermann gesehen, und ich hatte überall herumerzählt, daß ich über Weihnachten verreist war …

Wenn man nicht sicher ist, ob man sich übergeben wird oder nicht, ist das Letzte, was man braucht, jemanden, der Umstände macht: »Geht es dir gut? Du siehst ein bißchen blaß aus. Wie wär’s mit einer schönen Tasse Tee? Und vielleicht einer dünnen Scheibe Toast mit pochiertem Ei obendrauf?«

Ich wollte gerade beschließen aufzustehen, als David hereinkam und mich fragte, wie es mir ging, und ob ich vielleicht irgendwas wollte, wie zum Beispiel eine schöne …

»Nein«, schnappte ich. Aber die Wörter für den übrigen Satz, obschon im Kopf bereits gebildet, ließen sich einfach nicht artikulieren. »Mir … Ich … L-l-l-l-laß mich einfach … Ma … Mo … ment. Vuvi-vielleicht schapupäter … Steh auf geht gut ….«

»Vichy-Wasser?«

»Nein … D-d-doch!«

Er schüttelte das Plumeau auf. Ich schreckte zurück. Es war hinter mir her, war mit der Uhr und der Nachttischlampe, der Pfeife, dem Aschenbecher, den Streichhölzern im Bunde.

»Bleib einfach da«, sagte er und verließ sehr vernünftig das Zimmer.

»D-D-David … Vorhänge … L-l-licht.« Die Vorhänge waren immer noch zugezogen, aber oben war ein Spalt, durch den mich ein Laserstrahl von der Außenwelt bedrohte ….

Ach, scheiß doch auf all das –, du kommst schon wieder auf die Reihe. Reiß dich zusammen, Mann. Zieh dich an.

Ich schmiß das erstickende Plumeau beiseite, setzte mich auf, stellte die Füße auf den Fußboden. Ich zog mich langsam an, klammerte mich an alles, was ich zur Stütze finden konnte, wankte durch das Zimmer. Ich zog die Vorhänge auf und fühlte mich besser –, nichts bewegte sich im Zimmer außer mir. Ich nahm meine Pfeife und steckte sie an. Diese schlichte, für mich automatische, Aktion gab mir Selbstvertrauen. Ich bekam mich unter Kontrolle. Für gewöhnlich setzte es etwa eine halbe Stunde nach dem morgendlichen Aufstehen, wenn es mir nicht gelungen war, mindestens fünf Einheiten Gin zu kippen, einen Hustenanfall, der von trockenem Würgen, nochmal Husten, kaltem Schweiß und unkontrollierbarem Zittern begleitet war. Aber es war bereits halb zwölf, vielleicht war ich lange genug im Bett geblieben, um diesen täglichen Kniefall mit wiederkäuendem Gebet über der Kloschüssel zu verpassen.

Der Schlafzimmertürpfosten schlug nach mir, als ich an ihm vorüberging: eine milde Halluzination. Ich rang um genug Gleichgewicht für meinen Gang treppab –, eine Treppe hinab, wie ich wußte, deren Stufen entweder aufhörten, bevor ich unten angekommen war, oder danach noch weiter nach unten führten, mit einem Geländer, das nie so ganz am selben Ort angebracht war, Eckpfosten, die plötzlich nach mir ausholten, hofften, daß meine Konzentration nachließ und ich mir den Kopf an Schatten stieß. Aber ich war zu schnell für die Schatten und duckte mich, mit dem Ergebnis, daß ich direkt in einen rechten Uppercut vom Eckpfosten rannte, der mich mit seiner cleveren Beinarbeit umrundet hatte. Zurück ins Bett.

Vierundvierzig Stunden fiebriger Paranoia, sowie akustischer und taktiler Halluzinationen folgten in diesem unruhigen Bett. Die reine Erschöpfung siegte, ich schlief ein paar Stunden, und diesmal wußte ich, daß ich geschlafen hatte. Ich hatte es ausgeschwitzt. Das Schlimmste war vorüber. Sogar die Treppenstufen hatten ihre Feindseligkeiten eingestellt. Es gelang mir, eine Tasse Tee zu trinken, ein paar Vitaminpillen und eine Scheibe Toast mit pochiertem Ei obendrauf bei mir zu behalten. Ich war frei. Ich ging ins Eßzimmer, schritt ganz gelassen an drei Regalen mit Weihnachtsschnaps vorbei und rief Bernard und Jane an, meine Sekretärin, um die beiden auf einen Drink zu mir zu bitten –, vorausgesetzt, fügte ich selbstgefällig hinzu, daß sie den Anblick ertragen konnten, wie ich Tonic-Water trank.

Sie kamen vorbei. Ich schenkte ihnen einen Drink ein und entschuldigte mich für meine ganz leicht zittrigen Hände. Sie waren beide erfreut, wie schnell ich mich erholt hatte, und während ich mir ein gepflegtes kalorienarmes Tonic einschenkte, erklärte ich ihnen, wie sehr viel zuversichtlicher ich jetzt war, für immer ohne Alkohol auskommen zu können, da ich es auf die harte Tour geschafft hatte. Als ich mein Getränk anfaßte, kippte ich eine Weihnachtskarte um. Ich stellte mein Glas ab und versuchte, die Weihnachtskarte wieder aufzurichten. Meine Finger wollten nicht stillhalten. »Laß sie doch liegen«, sagte Bernard. »Setz dich hin.«

Ich konnte sie nicht liegen lassen. Sie war das Einzige, was zählte. Ich mußte diese Weihnachtskarte wieder aufstellen. Je mehr ich mich anstrengte, desto schlimmer zitterte ich.

»Ga-ga-geht … scha-scha-schon.« Das Zittern war jetzt ein rhythmisches Schaudern, das zu einem plötzlichen Krampf wurde, und ich ging zu Boden, wobei ich einen Haufen Gläser, Flaschen und Bernard mitriß.

Als ich aufwachte, blitzten blaue Lichter. Draußen war ein Krankenwagen. Was wollte der hier? Ich fühlte mich gut, und ich hatte schon mal schlimmere Schnittverletzungen gehabt. Ein jeder überredete mich, daß das Krankenhaus vielleicht das Beste wäre. Jane glotzte, als wäre sie gerade Zeugin eines Exorzismus gewesen. Ich wurde ins Krankenhaus geschafft und wußte, daß ich meinen heldenhaften Kampf mit den Brennereien dieser Welt verloren hatte. Vielleicht waren zwei Flaschen Gin pro Tag ein bißchen zu heftig gewesen. Bernard erläuterte mir später, daß ich in den letzten sechs Monaten, weil ich en gros eingekauft hatte, zu den kneipengroßen Flaschen übergegangen war, das sind pro Stück 1,13 Liter, was einen durchschnittlichen Tagesverbrauch von vier Kaiserlich Britischen pints oder zweieinhalb US-quarts ausmacht. Es reichte aus, um einen Kadaver zu konservieren – oder sechs Asketen umzubringen.

Das St Alvar’s Hospital hat wahrscheinlich einige gut ausgestattete und moderne Stationen, und teilweise mögen sie landesweit die besten sein, aber in keine dieser Ecken wurde ich gebracht. Mein Ziel waren die So-ist-das-nationale-Gesundheitssystem-wirklich!-Teile der Heilungsbaulichkeit –, schmuddelige Korridore, überfüllte Stationen, unterbeschäftigtes Personal, Insassen wie von Hogarth, boadizäische sanitäre Anlagen und ein pedalbetriebener Fernseher.

Mengen Bluts wurden mir abgenommen und analysiert. Ich wurde mit Vitaminen vollgepumpt und bis unters Toupet mit Heminevrin und Valium zugedröhnt. Aber der Rasputin in mir durchschnitt den Nebel der Ruhigstellung wie eine Flasche Cutty Sark. Ich wußte, daß ich nicht in dem Stil lebte, an den ich mich gewöhnt hatte, und beschloß, daß die, die für medizinische Versorgung zahlen konnten, für medizinische Versorgung zahlen sollten. Ich wurde in eine Privatklinik gekarrt, in der es glücklicherweise ein araberfreies Bett gab. Mein Leibarzt und Saufkumpan, Seine Effizienz A. R. Bailey-der-Praktische, Regimentsfeldscher der Reserve, brachte einen bemerkenswert unwahnsinnigen Psychiater mit, dessen Namen ich, für die Zwecke dieses Buchs, wie einen Kreuzworträtselhinweis in der Times angeben werde:

WAAGERECHT

1. Vertrauter französischer Reitersmann, der einem auf der Zunge liegt, ruiniert musikalischen Stammbaum.

Dr Eins Waagerecht, der mich seit seinem Medizinstudium kannte, zog den Ellbogen jedem Analytikergeschwätz vor und sagte: »Graham, du bist Alkoholiker.«

Ich sagte: »Ja.«

Er sagte: »Möchtest du lieber keiner sein?«

Ich sagte: »Ja.«

Er sagte: »Gut. Wir fangen mit der Behandlung an. Deine Leberwerte sind entsetzlich, zehnmal so hoch wie die annehmbare Norm für Gamma-GTP zum Beispiel. Aber sie scheint nicht vergrößert zu sein, und mit einem bißchen Glück besteht die Chance, daß du sie nicht permanent geschädigt hast. Wir werden Heminevrin und Valium allmählich absetzen, und du kannst morgens und abends je ein Antabus nehmen, damit du dich, wenn du doch Alkohol trinkst, so krank fühlst, wie du vor fünf Tagen warst. Es liegt bei dir, ob du trinkst oder nicht. Es ist deine Leber. Es ist dein Leben …«

Dr Eins Waagerecht spendierte mir noch ordentlich Valium und ließ mich mit den Kinderchen zurück, deren kleine Gesichter voller Vorfreude glänzten, als Musch hereinkam, Dick Whittington im Gefolge.

»Ach, meine liebe Musch«, sagte Dick. »London liegt weit hinter uns, was sollen wir jetzt bloß tun?«

»Miau!«

»Was soll das heißen? Sing ein Lied?«

»Miau!«

»Was? Jetzt? Für all die Kinder?«

»Miau!«

»Sollen wir ein Lied singen, Kinder?«

»Ja!«

Der Text senkte sich von der Zimmerdecke herab, die Kapelle stimmte den Marsch der Liberty Belle an, und wir fielen alle ein:

»Von allen Organen, die der Körper enthält,

Ist die Leber beliebt wie noch nie:

Sie verarbeitet alles, was an Abfall anfällt,

Ist schlauer als jedes Knie.

Wenn sie dir den Schnaps mißgönnt

Und dich warnt: ›Laß inskünftig

Die Finger davon‹, dann bist du nicht schon

Tot –, nur sehr, sehr vernünftig.«

»Das hat Dizzy Gillespie geschrieben«, sagte ich.

»Das mag sein, aber der Bahnhof in der Fenchurch Street gehört mir, also, Jane, schuldest du mir 150 Pfund«, sagte Bernard.

»Du hast doch nur zwei Bahnhöfe«, sagte Jane.

»Als du letztesmal auf Grahams Hotel in der Old Kent Road gelandet bist, habe ich dir Marylebone abgekauft.«

»Na, dann bin ich eben draußen.«

»Nein, bist du nicht. Du hast noch jede Menge Grundbesitz, auf den du Hypotheken aufnehmen kannst.«

»Ich werde keine Hypotheken auf meinen Grundbesitz aufnehmen. Ich werde darauf bauen.«

»Dazu hast du nicht das Geld.«

»Na schön. Ich werde dir das Wasserwerk verkaufen.«

»Ich will aber kein Wasserwerk. Vielleicht will Graham eins.«

»Graham, möchtest du das Wasserwerk …? Graham?«

»Nein, ich kaufe den Kamelopard.«

»Was?«

»Das ist ein Kamel, das aussieht wie ein Leopard. Eine Giraffe.«

»Jetzt ist er wieder weg«, sagte Bernard.

Ein Krippenspiel … Dizzy Gillespie … Kamelopard … Meine Genesung machte echt gute Fortschritte. Sogar ohne Alkohol dachte ich irrational, und wenn man ohnehin dazu neigt, ein wunderlicher Kauz zu sein, wer weiß, wer weiß. Heda, Pursche, was verbirgt sich in jener Laube dort?

Ich habe sogar, als ich letztesmal in Paris war, bei Jean-Paul Sartre angerufen, und Simone de Beauvoir war am Apparat und sagte, er wäre gerade unterwegs, Flugblätter verteilen. Oder war das ein Sketch?

Ich ließ den Teil meines Gehirns erstmal in Ruhe, damit er ein bißchen an sich selbst herumspielen konnte, das übrige Hirn brachte sich von alleine auf den neuesten Stand.

Ich fühlte mich gut. Meine selbstverordnete Behandlung war vorbei. Mit der Verwendung von Alkohol war es mir gelungen, genau die Anzahl von Gehirnzellen umzubringen, die ich mit zweiundzwanzig zu verlieren beschlossen hatte, ohne meine Leber zu opfern.

Es gibt keinen Zweifel daran, daß ein Übermaß an Alkohol das Absterben von Gehirnzellen beschleunigt, und daß er sie in kleinen Dosen, wie jedes andere Betäubungsmittel, zeitweise außer Betrieb setzen kann, wobei er oben anfängt und sich zum Zentralnervensystem hinunter arbeitet. Die hemmenden Einflüsse der oberen Gehirnzentren werden zuerst getroffen. Deshalb ist Alkohol als Hilfe beim gesellschaftlichen Verkehr so verbreitet. Er kann einem helfen, zu neuen Freunden »Hallo«, zu alten Freunden »Tschüs«, zu Fremden »Gehen wir noch zu mir?« und zu Langweilern »Warum verpissen Sie sich nicht einfach?« zu sagen. Wenn man eine todsichere Sache laufen hat, ist das Allerletzte, was man gebrauchen kann, etwas, was vorne im Hirn herumnörgelt: »Vielleicht ein andermal … Mit jemand anderem … Und überhaupt … Nachher lacht sie noch über meinen Pimmel.« Was man gebrauchen kann, ist eine weitere pint.

Um mich jedoch von meinen Hemmungen zu heilen, hatte ich vor langer Zeit entdeckt, daß eine weitere pint und dann noch eine nicht ausreichend waren. Ich war an etwas Dauerhafterem interessiert. Ich mußte mich ein- für allemal von meinen hinderlichen Fußfesseln befreien. Ich hatte mir eine Kur umfassenden Schwerstsuffs verschrieben, um tatsächlich alle störenden Nervenzellen abzutöten –, eine riskante Behandlung, bei der einige der nützlicheren Zellen, die, die dafür verantwortlich waren, daß man sich einigermaßen innerhalb der Grenzen gesellschaftlich akzeptierten Verhaltens aufhielt, ebenfalls eine gehörige Tracht Prügel abbekamen.

Was also die Geschichte eines warmherzigen, respektablen praktischen Arztes hätte sein können, ist nicht die Geschichte eines warmherzigen, respektablen praktischen Arztes geworden.

KAPITEL EINS

Perinatale Entwicklung und noch ein bißchen was

Ich wurde in Leamington geboren, inzwischen offiziell als Royal Leamington Spa bekannt, für die Fabrikation von Gaskochern (siehe Kapitel 14) mäßig berühmt, doch darüber mehr w. u.1 Man schrieb das Jahr 1942, und die Schwangerschaft endete am 7. Februar während eines ziemlich vermurksten Bombenangriffs, bei dem die Deutschen dachten, sie bombardierten Coventry, doch darüber mehr w. u.,1 eine Abkürzung, die ich sehr schätze.2 Meine Eltern, Tim und Beryl, tut mir leid, Tim und Betty,3 waren empört,4 als ich ankam, weil sie einen heterosexuellen5 schwarzen6 Juden mit mehreren amüsanten Geburtsfehlern erwartet hatten, da sie die Probleme brauchten. Sie wohnten in Südfrankreich in einem riesenhaften gotischen Schloß namens Dieganzezeitgintonicmitkalorienarmemtonicaufeisaberohnezitrone, welches ursprünglich von Marco Polo für sich und ein paar Freunde erbaut worden war, damit er sie noch nach Hause einladen konnte, wenn die Kneipen schon dichtgemacht hatten–, ein ehrfurchtgebietender Bau aus Granit und hie und da einem Stück Holz, mit ausgedehnten Rasenflächen, die vor Kurzem um einen schmucken Malariasumpf erweitert worden waren. Er spürte ein scharfes Eindringen von Stahl in seiner Leistengegend, gepaart mit dem übelkeiterregenden Gefühl des warm sickernden Bluts, das in seiner Pilotenjacke hochquoll. Ein kreischender Kugelhagel durchschlug sein linkes Ohr, während er müßig sann: »He, das war mein Ohr.« Indem er hierüber nachdachte, fuhr er fort, die Kokosmilch in ihre festen jungen Brüste einzumassieren. Er nahm einen weiteren Mundvoll, ließ sie langsam auf die Spitze jeder aufgerichteten Brustwarze träufeln und beobachtete, wie sie verführerisch hinunterfloß, den feucht bebenden Lippen ihres Pudels namens Bückling entgegen. Im Alter von zwei Jahren und neun Monaten war ich auf Ibiza, doch mehr davon w. u.

Lesen Sie weiter in der vollständigen Ausgabe!

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