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In einem mehrstöckigen Haus, auf der westlichen Seite der Demarkationslinie zwischen dem muslimischen West- und dem christlichen Ostbeirut, leben die vier Frauen Lilian, Warda, Kamilja und Maha. Sie sind unterschiedlicher Religionszugehörigkeit und soziler Herkunft. Ihre Lebensperspektiven sind grundverschieden. Nacheinander erhalten die Protagonistinnen das Wort, um loszuwerden, was der Bürgerkrieg mit und aus ihnen gemacht hat. Sie erzählen von Grenzerfahrungen, von Verlust und Verletzung, aber auch vom Versuch, trotz aller widrigen Umstände weiterleben zu können. "B wie Bleiben wie Beirut" ist ein sehr intimes Buch, das tief eindringt in den Horror, den der Krieg die vier Frauen erfahren ließ, auch in die Enttäuschung, die sie in ihren persönlichen Beziehungen erfahren mussten. Sie versuchen sich erzählend zu befreien, zu erlösen. "Es heißt, der Krieg ist zu Ende", sagt Maha am Schluss, "meine Geschichte ist es noch lange nicht."
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Seitenzahl: 275
Veröffentlichungsjahr: 2015
Die Autorin
Iman Humaidan, geboren 1956 in Ain Anub südlich von Beirut. Sie studierte Soziologie an der Amerikanischen Universität Beirut und ist seit 1989 als freie Mitarbeiterin für Feuilletons verschiedener arabischer Tageszeitungen tätig. Sie hat mehrere Romane und Kurzgeschichten veröffentlicht. Iman Humaidan lebt in Paris.
Der Übersetzer
Hartmut Fähndrich, geboren 1944 in Tübingen. Studierte Vergleichende Literaturwissenschaft und Islamwissenschaft in Deutschland und in den Vereinigten Staaten. Seit 1978 Lehrbeauftragter für Arabisch an der ETH Zürich. Für Presse und Rundfunk tätig.
Die Übersetzung aus dem Arabischen wurde unterstützt durch die Gesellschaft zur Förderung der Literatur aus Afrika, Asien und Lateinamerika e. V. in Zusammenarbeit mit der Schweizer Kulturstiftung Pro Helvetia.
Titel der arabischen Originalausgabe:
Bâ’ miṯl bait miṯl Bairût
Copyright © 1997 by Iman Humaidan-Junis
E-Book-Ausgabe 2015
Copyright © der deutschen Übersetzung
2007 by Lenos Verlag, Basel
Alle Rechte vorbehalten
Cover: Anne Hoffmann Graphic Design, Zürich
Coverfoto: Keystone / Hussein Malla
www.lenos.ch
ISBN 978 3 85787 938 8
Lilian
Warda
Kamilja
Maha
Nachwort
Für Amarîja Humaidan,meine Mutter, die uns schon lange verlassen hat.
Von meinen Sachen ist nichts mehr im Schrank. Alles, was ich brauche, liegt in den Koffern. Lama und Karîm sind seit der letzten Gefechtsrunde nicht mehr in die Schule gegangen. Ich versuche, sie selber zu unterrichten. Fange damit an, einen Tag, zwei, dann höre ich wieder auf. Schon vor Monaten habe ich alle meine Kleider in die Koffer gepackt. Nur ein Paar Jeans und einige Sportsachen habe ich draussen behalten. Wenn Talâl mich die Koffer aufmachen, packen und umpacken sieht, fragt er, wohin ich verreisen wolle. Er stellt immer die gleiche Frage und bekommt immer die gleiche Antwort, ich würde zu meinem Bruder Toni nach Australien fahren. Irgendeine Arbeit würde ich dort schon finden. Ich könnte bei ihm im Restaurant helfen, als Tellerwäscherin oder als Köchin. Oder ich würde meinen Beruf als Musiklehrerin wieder aufnehmen.
Zwischen Talâls Frage und meiner Antwort dehnt sich ein langes Schweigen. Andere Fragen drängen sich auf, die zu beantworten ich vermeide. Ich warte und lenke mich von allem, was um mich herum geredet wird, ab, indem ich Romane lese, die mir Josepha schenkte. Es sind Romane über Persönlichkeiten, die ein Leben geführt haben, das mit dem unseren nicht das geringste zu tun hat.
Meine eigenen Kleider und diejenigen der Kinder sind allesamt in den Koffern. Wenn ich etwas brauche, wühle ich darin herum. Ich habe versucht, die Sachen in verschiedenen Koffern anzuordnen, indem ich meine Sachen in einen, die der Kinder in einen anderen Koffer packte. Immer wieder leere ich den ganzen Inhalt auf den Teppich, staube die Koffer ab und schichte alles wieder hinein. Die Sachen der Kinder halte ich separat, um sie Stück für Stück neu zusammenzulegen. Die Baumwollhemden für sich, die Hosen für sich. Die Unterwäsche verteile ich, feinsäuberlich zusammengelegt, auf die Ecken. Dann betrachte ich die Koffer mit ihren aufgerissenen Mäulern. Schliesslich mache ich mich daran, sie zu schliessen. Dabei bin ich insgeheim stolz auf die hervorragende Arbeit, die meine Hände geleistet haben. Saubere Kleider, gebügelt, zusammengelegt und ordentlich gepackt, warten darauf, mit mir zu verreisen. Doch dann kommt mir die ganze Geschichte dämlich vor und ich bringe alles wieder durcheinander, verteile es ohne System auf die verschiedenen Koffer. Das wird mich nicht erschöpfen, sage ich mir, sondern stählen. Wenn ich am Morgen aufwache, richten sich meine Augen auf die Koffer, und ich vergewissere mich, dass sie, fest verschlossen, noch immer da warten. Wie ich, denke ich. Wir alle warten fest verschlossen. Ich beispielsweise warte mit einer kaum mehr kontrollierbaren Sehnsucht darauf, die Schwelle des Hauses zu überschreiten. Ich warte auf meine Papiere und das Visum. Ich zähle die endlosen Tage. Als wir bei der Botschaft einen Visumantrag stellten, war Talâl ganz begeistert von der Idee wegzugehen. Das beruhige ihn sehr, sagte er. Dann könne er sich ganz dem Schreiben widmen. Er fuhr mit uns nach Zypern, und als man uns dort sagte, wir müssten uns gedulden, kehrten wir hierher zurück, um zu warten.
Lesen Sie weiter in der vollständigen Ausgabe!
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