Baluster - Christoph Sebastian Widdau - E-Book

Baluster E-Book

Christoph Sebastian Widdau

0,0
7,99 €

-100%
Sammeln Sie Punkte in unserem Gutscheinprogramm und kaufen Sie E-Books und Hörbücher mit bis zu 100% Rabatt.
Mehr erfahren.
Beschreibung

Ich freue mich nicht, Sie zu sehen. Ich würde lügen, wenn ich sagte, dass es mich freut, Sie zu sehen. Es wäre unaufrichtig, Sie dies glauben zu lassen.

Das E-Book können Sie in Legimi-Apps oder einer beliebigen App lesen, die das folgende Format unterstützen:

EPUB
MOBI

Seitenzahl: 35

Bewertungen
0,0
0
0
0
0
0
Mehr Informationen
Mehr Informationen
Legimi prüft nicht, ob Rezensionen von Nutzern stammen, die den betreffenden Titel tatsächlich gekauft oder gelesen/gehört haben. Wir entfernen aber gefälschte Rezensionen.



INHALT

Salbung

Sprengung

Sprechstunde

Szenen

Blaubart

Stelldichein

Sprechstunde

Szenen

Abgang

Entkernung

Sprechstunde

Szenen

Baluster

SALBUNG

„Darf ich dich salben?“

„Ich verbiete es dir.“

„Dann versuche ich es so: Gestattest du mir, deine Zehen zu segnen? Deine Finger, Lippen und Zunge?“

„Segne Zehen und Finger. Weil uns nichts anderes bleibt. Segne nicht meine Lippen, nicht meine Zunge.“

„Du erlaubst und du verbietest?“

„Nicht zwecklos. Damit wir nicht verfliegen in einer Schwade aus Nichts.“

„Ich gestehe: Ich begehre, deine Lippen zu segnen. Ich möchte deine Lippen mit meinen Lippen segnen.“

„Es berührt mich, dass du gestehst.“

„Doch du gestehst nicht? Du erbarmst dich nicht?“

„Ich gestehe nicht. Ich erbarme mich nicht.“

„Es berührt mich, dass du dich nicht erbarmst.“

„Wir segnen und segnen. Ich zittere. Das ängstigt mich. Verstehst du?“

„So können wir auch nicht sein.“

„Notgedrungen.“

„Darf ich dich entweihen, mein Lieb?“

„Wenn dir nichts bleibt als das.“

„Sie kennen mich nicht.“

„Du kennst mich auch nicht.“

„Darf ich Sie schlagen?“

„Ja.“

„Darf ich Ihre Lippe blutig schlagen?“

„Ich gestehe: Dafür ist es zu spät.“

„Sie und ich – wir reihen uns ein?“

„Wir reihen uns ein. Und grüßen einander.“

„Ich danke Ihnen.“

„Gern geschehen.“

„Darf ich Ihnen etwas schenken?“

„Zu spät.“

„Sie verwunden mich.“

„Darf ich Sie salben?“

SPRENGUNG

Nachdem das Scheusal erlegt worden war, fragten sich die Einwohner des Dorfes, in dem das Scheusal existiert hatte, was sie mit dem Erlegten anstellen sollten. Sie beriefen einen außerordentlichen Rat, der sich damit beschäftigen sollte, wie die Frage zu beantworten sei.

Einige Mitglieder des Rates waren der Ansicht, dass man den Körper des Scheusals in einer Vollmondnacht verbrennen sollte. So war einmal in einem ähnlichen Fall in einem anderen Dorf entschieden worden.

Andere Mitglieder des Rates plädierten dafür, den Körper des Scheusals in dem nahegelegenen See zu versenken. Mit schweren Gewichten – nur, um sicherzugehen. Dies wäre eine Entscheidung, an der sich in der Folge andere Dörfer orientieren könnten.

Wiederum andere Ratsmitglieder stellten die These auf, dass es richtig sei, den Körper des Scheusals zu sprengen. Denn dies würde den Traditionen und Gebräuchen des eigenen Dorfes entsprechen und zur eigenen Ehre gereichen.

Man beriet und beriet. Der Beratungsschluss besagte: „Die Mitglieder des außerordentlichen Rates können sich nicht auf ein Urteil einigen.“ Die Sachlage war kompliziert.

Der Körper des Scheusals lag. Bisweilen wurde er gewendet, wie ein Schnitzel in einer Pfanne. Die Wendenden wussten nicht so recht, weswegen sie den Körper wendeten. Gar nichts mit dem Körper zu tun, schien auch keine gute Lösung zu sein.

Einige Zeit später wurden zwei Schlichter bestimmt, die dem Rat nicht angehört hatten, eine ehrenwerte Frau und ein ehrenwerter Mann. Sie steckten die Köpfe zusammen. Eine Schlichtungstaktik musste entwickelt werden. Sie grübelten und grübelten. Das dauerte eine Weile.

Als sich die beiden Schlichter nicht einigen konnten, war es absehbar, dass es ihnen nicht gelingen kann, den Streit unter den Mitgliedern des Rates zu schlichten – denn mittlerweile war es zu einem Streit geworden, einem teils handfesten Streit darüber, was mit dem Körper des Scheusals zu tun sei. Es gab mehrere Szenen, von denen jemand sagte, dass sie ‚hässlich‘ gewesen seien.

An Ideen derjenigen, die dem außerordentlichen Rat nicht angehörten und die keine Schlichter waren, mangelte es – weiß Gott – nicht:

Der Metzger sagte, dass er eine Idee habe. Doch die Zeit dränge. Genießbarkeit sei ein kostbares Gut.

Die Lehrerin sagte, dass sie eine Idee habe. Das neue Schuljahr stehe vor der Tür. Man müsse doch auch an die Kinder denken. Geschichtsunterricht am konservierten Objekt sei eine Innovation.

Der Priester sagte, dass er eine Idee habe. Das nächste Opferfest lasse sich vorverlegen. Gott verstehe das. So schlage man Fliegen mit Klappen.

Die Jägerin sagte, dass sie eine Idee habe. Köder könne sie gar nicht in zu großer Anzahl bevorraten.

Es war ein Fest der Ideen. Jemand ließ in großen Lettern setzen: „Es ist ein Fest der Ideen.“ Dies war dann in der Zeitung des Ortes zu lesen.