Baron Wenckheims Rückkehr - László Krasznahorkai - E-Book

Baron Wenckheims Rückkehr E-Book

László Krasznahorkai

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Beschreibung

Ausgezeichnet mit dem National Book Award 2019 for Translated Literature. »Jedes meiner Bücher soll die literarische Landkarte verschieben.« - László Krasznahorkai, 2015 mit dem International Man Booker Prize ausgezeichnet, gelingt mit »Baron Wenckheims Rückkehr« ein Meisterwerk: ein Feuerwerk aus unerschöpflicher Erfindungsgabe, hellsichtiger Psychologie, abgründigen Themen und absurdem Humor. Baron Wenckheim kehrt in das Ungarn von heute zurück: eine heruntergekommene Welt voller Verlierer. Die übersteigerten Hoffnungen aller richten sich an Wenckheim. Der in Buenos Aires zu vermeintlichem Weltruhm gekommene Sohn der Stadt soll sie retten. Doch zu viele spielen mit dem Feuer, und die Stadt steht voller geheimnisvoller Tankwagen. Die Explosion scheint jede Sekunde nah. Mit seinem neuen Buch schließt Krasznahorkai an seine legendären Romane »Satanstango« und »Melancholie des Widerstands« an, die in New York zu gefeierten Wiederentdeckungen mit Kultstatus wurden. »Obsessiv und visionär.« James Wood, The New Yorker

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Seitenzahl: 836

Veröffentlichungsjahr: 2018

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László Krasznahorkai

Baron Wenckheims Rückkehr

Roman

 

Aus dem Ungarischen von Christina Viragh

 

Über dieses Buch

 

 

»Jedes meiner Bücher soll die literarische Landkarte verschieben.«

 

László Krasznahokai, 2015 mit dem International Man Booker Prize ausgezeichnet, gelingt mit »Baron Wenckheims Rückkehr« ein Meisterwerk: ein Feuerwerk aus unerschöpflicher Erfindungsgabe, hellsichtiger Psychologie, abgründigen Themen und absurdem Humor.

 

»›Baron Wenckheims Rückkehr‹ ist die Krönung seines Lebenswerks.«

Balázs Torda, Fimetekercs

 

»Obsessiv und visionär.«

James Wood, The New Yorker

 

 

Weitere Informationen finden Sie auf www.fischerverlage.de

Biografie

 

 

László Krasznahorkai wurde 1954 in Gyula/Ungarn geboren. 1993 erhielt er für »Melancholie des Widerstands« den Preis der SWR-Bestenliste. Bela Tarr verfilmte u.a. »Satanstango« und »Melancholie des Widerstands« als »Werckmeisters Harmonien«. Zuletzt erschien »Krieg und Krieg«, »Im Norden ein Berg, im Süden ein See, im Westen Wege, im Osten ein Fluß« und »Die Welt voran«. »Seiobo auf Erden« wurde 2010 mit dem Brücke-Berlin-Preis sowie dem Spycher Literaturpreis Leuk ausgezeichnet. 2014 wurde ihm der Vilenica International Literary Prize und der America Award zuerkannt, 2013 und 2014 der Best Translated Book Award. 2015 erhielt er den Man Booker International Prize.

 

Christina Viragh, 1953 in Budapest geboren, lebt in Rom. Neben László Krasznahorkai übersetzte sie u. a. Marcel Proust, Imre Kertész, Sándor Márai und Péter Nádas, für dessen Übertragung sie 2012 mit dem Preis der Leipziger Buchmesse ausgezeichnet wurde. Daneben entstehen Romane, zuletzt »Im April« (2006) und »Eine dieser Nächte« (2018).

 

Weitere Informationen finden Sie auf www.fischerverlage.de

Inhalt

Warnung

[Motto]

Die eventuelle Ähnlichkeit der [...]

TRRR…

Dich mache ich fertig, Oberheini

RAM

Blass, viel zu blass

PAM

Er hat mir geschrieben

PAM

Er kommt, denn er hat gesagt, dass er kommt

PAM

Unendliche Schwierigkeiten

HMMM

Pass auf, da kommt der

RARIRA

Verlierer

RI

An die Ungarn

ROM

Versteckt oder nicht versteckt

Notensammlung

Warnung

Er nahm einen Apfel aus dem Früchtekorb, rieb ihn ab, hielt ihn gegen das Licht, um zu sehen, ob er ringsum glänzte, hob ihn an den Mund, als wolle er hineinbeißen, aber er biss nicht hinein, sondern zog ihn von seinem Mund weg und begann, ihn in der Hand zu drehen, während er langsam den Blick über die vor ihm Stehenden schweifen ließ, dann kippte die Hand mit dem Apfel auf seinen Schoß hinunter, er seufzte tief, lehnte sich etwas zurück, und nach einer langen Stille, die rein gar nichts bedeutete, sagte er, sie mögen ihn anreden, wie sie wollen, auch wenn er ihnen raten würde, ihn überhaupt nicht anzureden, er könnte sagen, die oder die Anrede, nur hätte das nicht den geringsten Sinn, da er sich in keiner Weise angesprochen fühlen würde, Sie werden mich, sagte er mit metallischer Stimme, überhaupt nie anreden können, da Sie mit Anreden nicht umgehen können, mir genügt, wenn Sie mit Ihren Instrumenten irgendwie umgehen, denn das wird von jetzt an die Hauptsache sein, Sie müssen etwas anreden lassen, zum Reden bringen, sagte er lauter, vergegenwärtigen, um es anders zu sagen, erklärte er, und er müsse von dem allem wissen, wobei es jetzt nichts zur Sache tue, fügte er hinzu, dass er im Übrigen selbstverständlich von allem die genaueste Kenntnis habe, es gehöre einfach dazu, dass Sie, sagte er und hob die Hand mit dem Apfel, und während er ihn mit vier Fingern eng umfasst hielt, streckte er den Zeigefinger aus und zeigte auf sie, dass Sie, Herren Musici, mich über alles umgehend orientieren, Sie dürfen vor mir keine Geheimnisse haben, ich will über alles rechtzeitig Bescheid wissen, unabhängig davon, dass – wie schon gesagt – ich von allem schon im Voraus und in allen möglichen Einzelheiten weiß, Sie können vor mir nichts verschweigen, müssen die winzigsten Kleinigkeiten melden, sind also von jetzt an zu uneingeschränkter Berichterstattung verpflichtet, das heißt, ich bitte Sie um Ihr Vertrauen, und er begann zu erörtern, was er darunter verstand, dass da etwas, in diesem Fall das Vertrauen, zwischen ihnen so unbegrenzt sein müsse wie überhaupt nur möglich, ansonsten würden sie es miteinander nirgendshin bringen, das möchte er ihnen jetzt gleich von Anfang an stärkstens einprägen, ich will wissen, sagte er, wie und warum Sie das Instrument aus seiner Hülle heben, und das Wort Instrument sollen Sie jetzt der Einfachheit halber in seiner allgemeinen Bedeutung verstehen, erklärte er, das heißt, er möchte nicht darauf eingehen, wer Geige spiele, wer Klavier, wem das Bandoneon gehöre, die Bassgeige oder die Gitarre, er bezeichne alles einheitlich als Instrument, denn das Wesentliche ist, dass ich wissen will, welche Saiten die Streicher verwenden, wie und warum sie ihre Saiten so und nicht anders stimmen, wie viele Ersatzsaiten sie vor der Vorstellung im Kasten haben, ich will wissen, sagte er mit noch metallischerem Ton, wie viel die Bandoneon- und Klavierspieler vor der Vorstellung geübt haben, wie viele Minuten, Stunden, Tage, Wochen und Jahre, was sie heute gegessen haben und was sie morgen essen wollen, ob sie den Frühling mögen oder den Winter, ob die Sonne oder den Schatten, ob … alles, verstehen Sie, auch ein genaues Bild vom Stuhl, auf dem Sie üben, auch vom Notenständer, in welchem genauen Winkel Sie ihn aufstellen, auch vom Harz will ich wissen, insbesondere bei den Geigern, auch wo Sie es kaufen und warum gerade dort, Ihre banalsten Gedanken zum herunterrieselnden Harzstaub, oder wann Sie sich die Fingernägel schneiden und warum gerade so, abgesehen von dem allem möchte er ihnen aber auch ans Herz legen, sagte er, sich auf dem Stuhl zurücklehnend, dass, wenn er sage, er wolle wissen, und sie sollen ihn nicht so erschrocken anstarren, das heiße, wissen von jeder noch so unbedeutenden Kleinigkeit, während sie selbst wissen müssen, dass er, den sie als eine Art Impresario bezeichnen können, falls jemand fragt, dass er also jeden ihrer Schritte überwachen werde, ihre kleinsten Regungen beobachten, während er schon im Voraus wisse, welches jene nächste winzige Regung sein würde, von der zu berichten sie im Übrigen die Pflicht haben, sie würden also, zusammenfassend, zwischen zwei Feuer geraten, einerseits die Pflicht zu unbedingtem und unauslotbarem Vertrauen und zur Berichterstattung und andererseits das unbestreitbare, aber für sie unablässig störende, ja, unlösbare Paradox – und er bitte sehr darum, dass sie das nicht zu verstehen versuchten –, dass er von allem, das sie ihm der Pflicht gemäß berichten, schon im Voraus alles und eingehendst wisse, die vertragliche Zusammenarbeit werde sich also zwischen zwei Feuern abspielen, wobei sie, möchte er noch hinzufügen, fügte er hinzu, auch noch wissen müssen, dass diese selbstverständlich eine unbedingt einseitig ausgerichtete Abhängigkeit bedeute, Sie, fuhr er fort und begann, langsam den im strahlenden Licht glänzenden Apfel erneut in der Hand zu drehen, dürfen mit niemandem teilen, was Sie mir erzählen, merken Sie sich das, und zwar auf ewig, Sie dürfen das zu Sagende ausschließlich mir sagen und niemandem sonst, wobei Sie parallel dazu unter gar keinen Umständen damit rechnen können, dass ich, er zeigte mit dem Apfel in der Hand auf sich, im Anschluss an das jetzige, für Sie schicksalhafte Gespräch auch nur irgendetwas erzähle oder erkläre oder beleuchte oder wiederhole, ja, es ist am besten, wenn Sie sich meine Worte auf eine Art anhören, als, ich scherze jetzt, hörten Sie Gott, der einfach erwartet, dass Sie wissen, was Sie im gegebenen Fall zu tun haben, was das ist, weiß ich nicht, saugen Sie es sich eben aus den Fingern, so ist es eben, und hier kann man nicht fehlgehen, die metallische Stimme klang noch unheilverheißender als bisher, denn Fehler gibt es einfach nicht, weil es sie nicht geben darf, das zu akzeptieren, so dünke ihn, sagte er, sei hier ein jeder fähig, er behaupte allerdings nicht, dass diese Zusammenarbeit von diesem Moment an, da er ein einziges Mal, also jetzt, klar und eingehend mitteile, woraus sie in Wirklichkeit bestehe, ihnen zu gar so großer Freude gereichen werde, das werde sie nicht tun, es sei besser, wenn sie sie jetzt, von diesem Augenblick an, eher als Leiden betrachten, da sie damit immer noch besser fahren, und nicht als Freude, sondern gleich von Anfang an als Leiden, als eine schweißtreibende Arbeit, denn in der Tat, es erwarte sie Leiden, bittere, erschöpfende, quälende Arbeit, wenn sie dann bald, als die einzige Errungenschaft ihres Zusammenwirkens zwar unabsichtlich, aber doch das in die Schöpfung einpassen werden, wofür sie hierherberufen wurden, also Fehler machen, das gibt es hier nicht, so wie es auch keine Proben gibt, keine Vorbereitung, kein »na, das Ganze noch mal von vorn« und Ähnliches, das ist nicht die Milonga, von der Sie kommen, hier muss man sofort und umfassend wissen, was man zu tun hat, und diese Worte, so irreführend sie, im Fall einer oberflächlichen Formulierung, in ihrem Wesen auch sind, verschleiern wenigstens, was das hier Besprochene betrifft, den erwähnten Schweiß und die Freudlosigkeit nicht, denn das werde ihr Los sein, sie würden keine Freude haben an dem, was sie hier tun, denn was sind Sie, Herren Musici, einzeln betrachtet, donnerte er sie an, ein Trupp Katzenmusiker, eine dahergelaufene Bande, in der jeder für sich unglücklich auf den Instrumenten herumstümpert und fürs Ganze, im gegebenen Fall die bevorstehende Produktion, auch gar nichts wird können, ich will sagen, sich in keiner Weise ihre gemeinsam errungene Bedeutung wird zuguteschreiben können, er könne es aber auch so sagen, dass sie zur Kenntnis nehmen sollen, am Ganzen keinerlei Anteil zu haben, das ergibt sich irgendwie, wenn sie die Übereinkunft vollumfänglich einhalten, es werde irgendwie, der Kuckuck weiß wie, aber es werde sich ergeben, er wisse schon jetzt, wie er nicht genug wiederholen könne, dass es so sein werde, denn es müsse so sein, womit sie sich besser abzufinden hätten, ohne Fragerei, wie es denn, wenn das mit dem je einzelnen Herumstümpern eventuell tatsächlich stimmte, wie es denn möglich sei, dass es gemeinsam etwas ganz anderes wird, darauf sei er nicht willens, eine Antwort zu geben, sagte er mit müder Überheblichkeit, nein, das gehe sie nichts an, sie sollen sich damit abfinden, dass sie je einzeln, mit ihren Herumstümpereien, in keinem Fall dazu beitragen werden, es solle ihnen nicht einmal in den Sinn kommen, das auch nur zu denken, und das reiche jetzt, es würde ihn nur quälen, wenn jemand versuchte, von ihm eine Antwort zu erhalten, denn es grause ihm schon beim Gedanken, dass er im Fall einer solchen Löcherei immer aufs Neue daran denken müsste, wie sie mit dem Bogen auf den Saiten herumstreichen, wie sie auf die Tasten hämmern, während sie vom Ganzen nichts verstehen, denn das Ganze übersteigt die Einzelnen, es schaudere ihn, er sage es ehrlich, wenn er an dieses Trostlose denke, nämlich eben, wie sehr das schon erwähnte Ganze sie je einzeln übersteige, aber lassen wir das, sagte er kopfschüttelnd, auch wenn ihm die nicht einmal so traurige als vielmehr lächerliche Tatsache deutlich vor Augen stehe, mit wem er da eigentlich zusammenarbeiten müsse, werde es sich am Ende ergeben, ja, schon von Anfang an werde es klingen, wie es klingen soll, Rebellion aber, sagte er auf einmal ganz leise, auch nur der Plan, dass Sie gegen mich etwas unternehmen, oder auch nur ein Vorschlag, in dem der Wunsch aufscheint, irgendetwas anders zu machen, als wie ich es will, das alles soll Ihnen nicht einmal im Traum einfallen, schlagen Sie sich das aus dem Kopf, versuchen Sie zumindest, es sich aus dem Kopf zu schlagen, denn es hätte ein bedauerliches Ende, wenn Sie es versuchten, und das ist jetzt eine Warnung, wenn auch keine wohlmeinende, denn hier dürfen Sie nur ein bestimmtes Genre spielen, und auch das nur auf eine einzige Art, wobei ich, er zeigte wieder mit dem Apfel in der Hand auf sich, beide Teile der Zusammenarbeit bestimme, Sie, meine Herren, werden nach meiner Pfeife musizieren, und glauben Sie mir, ich spreche aus Erfahrung, es hat keinen Wert, sich gegen mich aufzulehnen, es hat einfach keinen Sinn, Sie dürfen, sofern ich davon weiß, es sich vorstellen, dürfen damit phantasieren, sofern Sie es mir gestehen, dass einmal alles anders sein wird, und es wird anders sein, weil es nicht anders sein wird, und es wird nichts anderes geben, so und nicht anders wird es sein, solange ich, bleiben wir bei diesem Ausdruck, der Impresario dieser Produktion bin, solange wird hier geschehen, was ich bestimme, und dieses Solange ist wie die Ewigkeit, da ich mich mit Ihnen ja nur auf eine einzige, alleinige Produktion verpflichtet habe, die als solche für Sie die einzige mögliche Produktion ist, für Sie ist nämlich jegliche andere Produktion von einem solchen Niveau ausgeschlossen, es gibt also kein Nachher, kein Vorher, und außer dem zugegebenermaßen kargen Honorar wird es auch keine Belohnung geben, natürlich nicht, und also wird es auch keine Freude, keinen Trost geben, wenn wir zu Ende sind, ist es zu Ende, und damit hat’s sich – aber ich muss Ihnen verraten, verriet er jetzt, und seine metallische Stimme schien sich ein bisschen zu mildern, dass es auch für mich so sein wird, keine Freude, kein Trost, und ich spreche nicht nur davon, sagte er, dass mir im Grunde genommen schnuppe ist, ob Freude oder Trost, oder was Sie von unserer Übereinkunft denken, was Sie fühlen oder tun, und überhaupt, womit Sie sich die beklagenswerte Art und Weise Ihrer Teilnahme erklären, das heißt, was Sie sich vorflunkern werden, nicht nur davon spreche ich, sondern auch davon, dass auch ich an dem Ganzen keine Freude habe, und auch mein Honorar steht in keinem Verhältnis zu dem, was wir hier Produktion nennen, sie muss zustande kommen, sagte er, weil sie zustande gekommen sein wird, und das ist alles, ich mag Sie nicht, ich hasse Sie nicht, meinetwegen können Sie auch abkratzen, wenn einer ausfällt, tritt jemand anderer an seine Stelle, ich bin es, der voraussieht, was sein wird, ich höre voraus, was sein wird, und es wird sein, ohne Freude, ohne Trost, damit es künftig nicht mehr zu so etwas kommt, auch ich freue mich also nicht, wenn ich mit Ihnen, Herren Musici, auftrete, ich werde nicht die Spur glücklich sein, wenn sich alles nach der vorbestimmten Möglichkeit vollzieht, denn – das wollte ich Ihnen zum Abschied noch sagen – ich liebe die Musik nicht, beziehungsweise das, was wir hier jetzt gemeinsam produzieren werden, ich liebe sie, sagen wir es, überhaupt nicht, ich habe hier lediglich die Aufsicht, ich bin der, der nichts hervorbringt, sondern nur vor jedem Ton präsent ist, denn ich bin derjenige, der hier, weiß Gott, nur aufs Ende dieses Ganzen wartet.

Auf ewig; es dauert, solange es dauert

Die eventuelle Ähnlichkeit der im Roman vorkommenden Charaktere, Namen, Schauplätze oder ihr Zusammenfallen mit der Realität sind ausschließlich das Werk des verdammten Zufalls und entsprechen nicht der Absicht des Autors.

TRRR…

Dich mache ich fertig, Oberheini

Er wollte nicht ans Fenster gehen, er schaute nur aus gebührendem Abstand hinaus, als würde ihn das schützen, diese paar Schritte, um die er zurückgetreten war, aber selbstverständlich schaute er hinaus, genauer, konnte er die Augen nicht abwenden, auf die Art versuchte er, anhand der sogenannten hereinsickernden Geräusche zu erraten, was da draußen eigentlich vor sich ging, nur gab es keine hereinsickernden Geräusche, und er konnte nur feststellen, dass es still war, und das schon eine ganze Weile, und es bestand nach allem, was er seit dem Vortag durchgemacht hatte, auch keine Notwendigkeit, noch einmal hinzutreten und die Hungarocellplatte wegzunehmen und hinauszuschauen durch den freigewordenen Spalt, denn auch so war nicht schwer zu erraten, auch hinter der die äußeren Geschehnisse verdeckenden Hungarocellplatte war es todsicher, dass sich das Mädchen immer noch nicht verpisst hatte, noch immer der Hütte gegenüber herumstand, also auf rund fünfundzwanzig, dreißig Schritt von ihm entfernt, und so sagte er zu sich, »ich gehe nicht wieder hin, und ich schaue nicht hinaus«, und eine Weile blieb es tatsächlich dabei, er stand da, in sicherer Distanz zum Fenster, und horchte, gewissermaßen im Schutz der Hungarocell, und aus diesem Schutz heraus sagte er jetzt nicht mehr nur innerlich, im Kopf, sondern auch halblaut, zu sich selbst, dass es ja auch keinen Wert hätte, die Hungarocell wieder wegzunehmen, es würde ihn der gleiche Anblick erwarten, keinen Wert, er schüttelte den Kopf, aber wie jemand, der schon weiß, dass er sie doch bald wegnehmen und wieder, na, was soll er denn tun, er ist verwirrt, schon gestern hatte er darauf vertraut, dass das Ganze bis 17.03, also bis zum Einbruch der Dunkelheit, vorbei sein würde, war es aber nicht, denn es kam die Nacht, es kam der Morgen, und seither hatte er bei jedem Mal, da er die Hungarocell herausklaubte, keinen Zweifel, dass er, sobald er damit fertig wäre und durch den Spalt hinausschauen würde, das Gleiche sehen würde, nämlich wie das Mädchen gewahr wird, dass in seinem sogenannten »Fenster« die Hungarocell in Bewegung gerät, ihren Vater erblickt, den Mund verächtlich verzieht und sogleich ihre verdammte Tafel hochhält, während auf ihrem Gesicht ein Lächeln erscheint, das ihm einen kalten Schauder über den Rücken jagt, denn dieses Lächeln teilt ihm mit, dass er verlieren werde, und so horchte er also noch eine Weile in der sicheren Deckung heftig konzentriert auf das Ganze da draußen, doch dann hielt er es nicht mehr aus, es sickerte kein Geräusch herein, also nahm er die Hungarocell wieder vor der Öffnung weg, tat sie aber auch gleich wieder zurück, da er die Situation natürlich auf einen Blick erfasst hatte, und seine Hände, und das nicht zum ersten Mal, seit dieser Zirkus angefangen hatte, begannen, vor Nervosität zu zittern, von der Hungarocell brachen kleine Stückchen ab, während er an ihr herumdrückte, um sie in den Spalt zu stopfen, er konnte seine Hände nicht beruhigen, schaute nur, wie sie zitterten, worauf ihn die Wut überkam, wovon er noch nervöser wurde, denn in diesem Wutanfall würde er ja bestimmt zu keinem guten Entschluss gelangen, während er doch zu einem guten Entschluss gelangen musste, und er begann, zu sich zu sagen, wiederum nur halblaut, »beruhige dich, beruhige dich endlich«, was ihm bis zu einem gewissen Grad auch gelang, es blieb nur die Nervosität, und das verlieh ihm doch eine gewisse Seelenkraft, dass die Nervosität noch da war, der Wutanfall hingegen nicht mehr, und in diesem Zustand kehrte er zur Frage zurück, warum draußen geschah, was geschah, denn was geschah, das begriff er natürlich, nämlich wieder nichts Neues, auch wenn er sich immer schlechter beherrschen konnte, er spürte, dass die Wut gleich wieder zuschlagen würde, und so hätte er am liebsten hinausgerufen, sie sollen sich verdrücken, solange es nicht zu spät sei, mitsamt der lokalen Fernsehcrew und den lokalen Journalisten, die hierherzuschleusen das Mädchen imstand gewesen war, sie sollen das Ganze vergessen und sich verdrücken, solange sie noch können, aber er brüllte nicht hinaus, und so vergaßen sie das Ganze auch nicht, sie verdrückten sich nicht, vor allem die da nicht, dieses Mädchen, die verließ ihre »Position« keinen Augenblick lang, im Gegensatz zu den Journalisten, die ja doch hin und wieder verschwanden, zum Essen oder Pissen oder Aufwärmen, und schließlich auch, wie er glaubte, in der Nacht zum Schlafen, um dann, zwar stark dezimiert, in der Morgenfrühe wiederzukommen, die hingegen NICHT, dieses Mädchen, die blieb, und wie, ihm jedenfalls kam es so vor, dass ihr ganzes Wesen, so wie sie sich an einem Punkt festgenagelt hatte, von dem aus sie gut sehen konnte, wenn sich im Fenster der Hütte etwas auch nur ein wenig rührte, dass ihr ganzes Wesen ausstrahlte, dass sie hier nicht weggehen würde, bis sie bekam, was ihr »dieses Stinktier« seit ihrer Geburt, wie sie in ihrem ersten Interview am Schauplatz gesagt hatte, schuldig war, vom Gesichtspunkt des Herrn Professors natürlich eine Unmöglichkeit, denn was sollte er denn wem auch immer schuldig sein, vor allem diesem verwöhnten Balg, dessen Zeugung, Auf-die-Welt-Kommen und Auf-der-Welt-Bleiben er, abgesehen vom billigen Trick des Bösen, auf seine eigene Verantwortungslosigkeit, Unachtsamkeit, unverzeihliche Naivität, immensen Egoismus und ebensolche Eitelkeit, das heißt, auf die ihm angeborene Ungehobeltheit zurückführte, deren Folge er nie gesehen hatte, weder auf einem Foto noch von Angesicht zu Angesicht, obendrein erinnerte er sich kaum mehr, ja, um den Kern der Sache etwas ehrlicher auszudrücken, drückte er sich ehrlicher aus, hatte er sich mittlerweile gar nicht mehr erinnert, eine Tochter zu haben, zur linken Hand, wie man sagt, hatte es vergessen, oder genauer, er hatte gelernt, nicht daran zu denken, jedenfalls wenn das möglich war, die Zeit, wenn sie ihn »aus jener Richtung« zwischendurch, manchmal jahrelang, wie auch jetzt, in Ruhe ließen, wusch es ihm aus dem Gedächtnis, so wie überhaupt die ganze Vergangenheit, wusch es weg, und da sie ihn tatsächlich etliche Jahre lang nicht behelligten, hatte er schon das Gefühl, die Sache losgeworden zu sein, bis gestern Nachmittag, als plötzlich dieses Mädchen aus dem Nichts hier auftauchte, nach einem Megaphon griff und zu ihm hineinrief, »ich bin deine Tochter, du hinterletztes Stinktier«, und »jetzt kriegst du die Rechnung präsentiert«, worauf sie eine Tafel in die Höhe hob und er keinen Zweifel haben konnte, dass dieses unerwartet aus dem Nichts ihn überfallende »kleine Monster« sich alles schön im Voraus ausgedacht hatte, sie hatte sich ja so ein Horn beschafft (oder hat sie das immer bei sich?!), hatte eine Tafel zurechtgeschreinert, hatte die Lokalpresse so weit gebracht mitzukommen und war mit denen zusammen hier aufgetaucht, es war klar, dass die genau wusste, was sie tat, und genau damit erschreckte sie ihn schon am Anfang, sie zwang ihn anzunehmen, dass er schon wieder etwas vergessen hatte, etwas, das er wissen müsste, aber nicht wusste, weil es ihm nicht einfiel, denn ohne das hatte das Ganze irgendwie keinen Sinn, was zum Teufel will die nach so vielen, das heißt insgesamt neunzehn Jahren, er versuchte, sich zu erinnern, aber das ging nicht, seine Übungen waren schon so fortgeschritten, dass er gerade des Erinnerns, vor allem des langfristigen Erinnerns eigentlich nicht mehr fähig war, und jetzt schien das gefährlich, denn wenn er sich nicht mehr erinnerte, woran er sich erinnern müsste, würde er sich auch nicht verteidigen können, er versuchte krampfhaft herauszufinden, was vor sich ging, warum hier alles so unverständlich war, nichts so geschah, wie man es erwartet hätte, zum Beispiel platzte »dieses Mädchen« nicht bei ihm in der Hütte herein und sagte ihm einfach, was sie für ein Problem hatte, sondern »sie steuerte geradewegs aufs Ziel los« und hatte sich alles schon im Voraus zurechtgelegt, nämlich dass sie gleich mit dem größten Tamtam beginnen, also demonstrieren und den Pöbel herbestellen würde, denn nicht wahr, was ist eine Demonstration ohne Pöbel, nichts, alle Ereignisse waren also, was das Mädchen betraf, berechnet, durchdacht, geplant, das Gesamtprogramm, der Ablauf, die Choreographie, während, was ihn betraf, alles konfus war, schon der Anfang, gestern um 12.27, und auch jetzt, inmitten der Ereignisse, und so waren da einerseits seine Verwirrung und sein Unverständnis, und eben auch die Wut, andererseits eine, die er eigentlich gar nicht kannte, mit ihrer offensichtlich vorhandenen Strategie, von der sie bisher nur verraten hatte, dass es so etwas gab, dass sie eine hatte, dass sie damit gekommen war, mit einer Strategie, denn sie schien das Ganze stufenweise, in kleineren, hierarchisch aufgebauten Schritten zu realisieren, da ist ja schon dieser besagte Anfang, dass sie es im Voraus eingerichtet hatte, gestern um 12.27, gleich von Journalisten und den Leuten der beiden Fernsehcrews umgeben zu sein, wenn sie ihn im sogenannten Dornbusch fand, wie die Ortsansässigen dieses nördlich der Stadt gelegene, völlig verwilderte, fast undurchdringliche Gebiet spöttisch nannten, ganz offensichtlich hatte sie gewollt, dass gleich Zeugen da sei- en, die beschreiben und filmen würden, wie sie in ihr Horn oder was immer zu schreien begann, »komm heraus, du Stinktier«, während es, das »Stinktier«, nicht verstand, was man von ihm wollte, zu Beginn verstand er überhaupt nichts, wusste nicht einmal, wer das war, wer die waren und was sie da herumbrüllten und hier wollten, erst später begann ihm zu dämmern, wer das war, wer die waren, und dass dieses Mädchen unbedingt etwas wollte, wovon er anfänglich nur denken konnte, na, was wird die schon wollen, das, was bisher auch immer, wenn auch nicht persönlich, also Geld, das erwähnte sie im zweiten Interview des Morgens ja auch, allerdings verhüllt, in Anspielungen, nur war da das Problem, dass das Ganze irgendwie zu ernst, zu groß bemessen schien und zu beunruhigend die Entschlossenheit, mit der sie ihn angriff, denn das war es, ein Angriff, anders kann man es nicht ausdrücken, drückte es der Herr Professor aus, man hatte ihn überraschend angefallen, das Opfer war er, jetzt kam ihm der Verdacht, dass vielleicht, diesmal, beunruhigenderweise gar nicht Geld im Mittelpunkt stand, er in der Hütte musste aus diesem ganzen Trubel folgern, dass es sich mit einem solchen Aufwand nicht einfach darum handeln konnte, »die vielen Unterhalts-Zehntausender einzufordern«, so wie es bisher während neunzehn Jahren geschehen war und wie er sie gar nicht mehr zahlen könnte, was sie, das Mädchen, auch wissen müsste, wenn sie sich ein bisschen in seinen Verhältnissen kundig gemacht hätte, und wie hätte sie sonst gewusst, wo sie ihn finden würde, also, nein, nein, hatte er während der vergangenen Stunden mehrmals kopfschüttelnd gesagt, wenn er wieder einmal mit dieser Frage rang, hier handelte es sich um etwas anderes, das Mädchen schien zu allem entschlossen, und es war offensichtlich, dass sie mindestens aus dem gleichen Holz geschnitzt war wie ihre Mutter, allein schon deren Gestalt, ihre tausendfach verhasst gewordenen Gesichtszüge heraufzubeschwören ging für ihn, den Herrn Professor, mit ausgesprochen physischen Schmerzen einher, so dass er sie seit Jahren nicht mehr heraufbeschwor, erst jetzt, da er gezwungen war, es zu tun und festzustellen, dass das Mädchen, auch wenn er sie nur für Augenblicke, für den einen oder anderen Hungarocell-Augenblick sah, »ihr sehr glich«, ja, so sehr glich, stellte er die Augen entsetzt aufreißend fest, dass sie eigentlich genauso aussah, und mit diesem »Genauso« schlug die Sache auf ihre inhaltliche Seite um, nämlich dass, ja, dieses Mädchen ganz eindeutig wie ihre Mutter war, oder noch viel, viel schlimmer, jedenfalls hatte sie schon am Abend, genau gesagt, gestern um 17.03 beim Eindunkeln nicht lockergelassen, das heißt, sie hatte den Schauplatz nicht zusammen mit den Journalisten verlassen, als die wegen einer neuen Sensation abdampften (Sensation, von der er keine Ahnung haben konnte, dort drinnen dachte er, sie hätten sich für die Nacht verkrümelt), ja, mit der größten Wahrscheinlichkeit war sie die ganze Nacht dageblieben, zu dieser Annahme gelangte er und zu keiner weiteren, denn nach dem Eindunkeln konnte er die Hungarocell noch so oft wegnehmen, noch so versuchen, im Dunkeln auszumachen, ob sie noch da war, dieses Dunkel war gestern Nacht so dicht gewesen, dass er nichts gesehen hatte, und hinauszugehen hatte er nicht gewagt, um nicht noch angreifbarer zu werden, abgesehen davon, dass er die Hütte so konstruiert hatte, dass man die Tür von innen nur mit der größten Mühe öffnen konnte, draußen hingegen war, aus verteidigungstechnischen Erwägungen, nicht einmal ersichtlich, wo sich die Tür befand, kurz, es sah ganz danach aus, als hätten sie in der vergangenen Nacht beide ziemlich schlecht geschlafen, er hier drinnen, das Mädchen draußen, ihn hatte der Schlaf nur für Minuten übermannt, er schreckte dauernd hoch, und offensichtlich war es dem Mädchen auch so gegangen, aber wie sie das geschafft hatte, fand er nicht heraus, jedenfalls war er von den ersten Minuten der Morgendämmerung an auf der Hut, denn als er von innen die Hungarocell wegnahm und hinausschaute, sah er das Mädchen auf der exakt selben Stelle, auf der sie gestern zuletzt gestanden hatte, er wusste nicht, wie sie das machte, wie sie die Kälte ausgehalten hatte, und überhaupt, wo sie eine Liegemöglichkeit gefunden hatte in dieser für sie bestimmt unerträglich unbequemen Situation, das Ganze war ein Rätsel, ein solches heikles kleines Herrschaftskind und der Dornbusch, das wollte ihm nicht in den Kopf, so dass er beinahe schon anerkannte, dass er selbst das auch nicht besser gekonnt hätte, was aber das Mädchen in seinen Augen noch beängstigender werden ließ, es war klar, sie hatte von vornherein ein Drehbuch, um ihn »dauernd unter Beschuss halten« zu können, wahrscheinlich hatte sie irgendwelche Sachen mitgebracht, um die Kälte auszuhalten, wie sonst hätte geschehen können, was geschehen war, nämlich dass sie am Morgen genauso frisch und kampfbereit dastand und ihn konfrontierte wie im Augenblick, als sie hier eingetroffen war, so wie sie auch jetzt haargenau so dasteht, in derselben Pose und sich nicht rührt, und demzufolge auch niemand sonst, und das ist schon der zweite Tag, und jetzt ist es schon 15.01, murmelte er hin und her laufend, nein und nochmals nein, so kann es nicht weitergehen, das Blut schoss ihm in den Kopf, er brauchte nicht auf die Uhr zu schauen – auch wenn er es trotzdem tat –, um zu wissen, dass er bereits im Verzug war, bereits seit mehr als einer Minute sein Gedankenentleerungspensum absolvieren müsste, kein Wunder, war er nervös, wie zum Henker sollte er es nicht sein, erst recht, wenn er daran dachte, und natürlich dachte er pausenlos daran, dass es schon der zweite Tag war, der auf diese Art verdorben war, und dass das, was da draußen ablief, nicht einfach ein Angriff war, sondern die Drohung mit einem Angriff, und nichts machte ihn nervöser als Drohungen, als im Voraus angekündigte Strafaktionen, auf eine vage nahe Zukunft hinweisende Angstmache, er lauschte hinter der Hungarocell, doch draußen sprach noch immer keiner zu keinem anderen, das Mädchen stand bestimmt in einem Kreis von Journalisten, in heldenhafter Pose, ein wenig vorgeneigt wie die Nike von Samothrake, aber sie sprach nicht, also gab es zwischen ihr und den Journalisten keine Kommunikation, auch bisher ja nicht viel, nur gestern Abend das erste kurze Interview, und heute Vormittag, um trotz der neuen Sensation von gestern Abend gewissermaßen zur Kontrolle nachzusehen, wie sich die Situation hier entwickelt hatte, kamen sie angefahren, ein Wagen hier, ein Wagen dort, ein zweites, noch kürzeres Interview am Vormittag, das der Herr Professor durch die Bretter und Lumpen der Hütte hindurch noch deutlicher hörte, dann aber fertig, seither nichts mehr, vergeblich löcherten sie das Mädchen, die tat, als höre und sehe sie die Umstehenden nicht, so dass diese das städtische Publikum – vorläufig – nur mit Lageberichten unterhalten konnten, denn es geschieht nichts, telefonierten sie alle zehn Minuten in die Redaktion, das Mädchen steht hier, der Bude des Herrn Professors gegenüber, und wenn der Herr Professor herausschaut, hält sie die Tafel mit dem Text hoch, nur so viel konnten die Journalisten vom Morgen an berichten, und das war nicht viel, ja, sozusagen gar nichts, da daran nichts Neues war, hingegen war immer noch ein Teil des Publikums verblieben (die anderen hatte, wie es die Redakteure formulierten, der neue Stoff mitgenommen), das zum anschwellenden Skandal jetzt schon neue Informationen verlangte, deshalb schrien die Redakteure in den beiden Fernsehstationen und den beiden Redaktionen nach »Hintergrundmaterial«, und wo zum Teufel sollen sie das herkriegen, gaben sie wütend zurück, sie stünden hier im eiskalten Wind, mitten im Dornbusch, wo das Mädchen kein Wort mehr sage, als was sie am Vormittag der weiten Welt schon mitgeteilt hatte, so gab es wirklich keinen Hintergrund, nur gerade das, dass sie bockstill steht und ihren »in Lippenrot flammenden wunderschönen Mund« zeitweise verächtlich verziehend die Tafel in die Höhe hält, und zwar genau dann, wenn sich am Fenster der Bude des Herrn Professors die Hungarocell verschiebt, und so konnten die Journalisten, wenn die Stimmen in den Mobiltelefonen noch fordernder wurden, vom »nur nach großstädtisch-eleganten Kriterien zu beurteilenden Mantel des Fräuleins« oder vom »dicken, schottisch karierten, augenscheinlich aus einem edlen Stoff bestehenden Schal« berichten oder im äußersten Notfall vom weiten Bogen, den dieser Schal »über dem vermutlich nicht aus tierischem Fell bestehenden dicken Pelz um den ebenfalls vermutlich hübschen Hals herum« beschrieb, von anderem nicht, von der Tafel hatten sie ja schon am Vortag alles gesagt, und das kam dann auch sowohl in den Abendnachrichten als auch in den lokalen Morgenblättern, von der Tafel, dessen Text dem Betroffenen, dem in seiner eigenen Hütte gefangenen Herrn Professor, unablässig mitteilte, dass er »eine Erbsünde hatte«, wie das Mädchen im ersten Interview den enigmatischen Text der Tafel, das heißt, die auf einem auf Tannenholzlatten geklebten Papier stehenden zwei Begriffe, »Recht und Abrechnung«, erläutert hatte – im Übrigen wirke sie, das Mädchen, fügten die Journalisten in ihrem ersten Bericht hinzu, genauso wie alle, die hin und wieder aus der Hauptstadt in diesen gottverlassenen Winkel herunterkamen, um gegen etwas, zumeist »den unakzeptablen Provinzialismus, die unqualifizierbare Korruption und die Profiteure der Armut« zu demonstrieren, was sie hier unten gar nicht recht verstanden und es also auch nicht ernst nahmen, schließlich endeten diese Ausflüge hierher immer auf die gleiche Art, nämlich dass die so lange herumschrien und mit ihren Tafeln fuchtelten, bis die örtlichen Sicherheitskräfte erschienen, sie kräftig verdroschen, dann in den Zug setzten und zurückschickten, woher sie gekommen waren, um ihnen die Lust an derartigem Remmidemmi zu nehmen, und so wird es bestimmt auch diesmal enden, jedenfalls hofften das sowohl die Journalisten draußen als auch der Herr Professor hier drinnen, und dafür bestanden gute Chancen, denn von den erwähnten Ortsbewohnern wusste man nicht viel, aber immerhin so viel, dass sie ihre friedliche Ruhe störende Ereignisse nicht schätzten, und hier, nicht wahr, betonte von den zweien das eine, immer etwas schärfer formulierende Presseorgan, »haben wir mehr oder weniger diesen Fall«, war doch bis heute Morgen, bis die neue Sensation ausbrach, die, wie es die Chefredakteure formulierten, »alles mitnahm«, das Hauptgesprächsthema die Frage gewesen, was denn hier vorging, was denn hier los war, im sogenannten Dornbusch, zwischen dem einst namhaften, aber seit einiger Zeit völlig durchgedrehten Herrn Professor und seiner »ohne jegliche Vorankündigung aus der Hauptstadt zu Besuch gekommenen« Tochter – es bestand kein Zweifel, dass schon jedermann durch die lokale Presse darüber informiert war, durch die beiden Konkurrenzblätter und die beiden Konkurrenzkanäle, auch wenn die Berichte nie rundheraus sagten, worum es eigentlich ging, da abgesehen vom Mädchen niemand verstand, warum sie für ihre Forderungen diese Form gewählt hatte, und überhaupt, woraus diese Forderungen bestanden, und so war nur klar, dass es wieder Rummel gab, einen neuen Rummel um den Herrn Professor, und dass er »also eine Tochter hat«, und dass diese Tochter also nicht genügend kriegt, das war aber auch alles, denn das Wesentliche, »wer denn eigentlich diese wunderschöne, mit blondem Haar und blauen Augen betörende junge Frau mit klatschmohnrotem Lippenstift auf ihrem vollen Mund« sei, was es also in der Vergangenheit dieser bis vor kurzem sich der größten Anerkennung erfreuenden, aber nicht, wie es in den Nachrichten hieß, seit sieben, sondern seit neun Monaten den Verstand verloren habenden Stadtberühmtheit gab, was dieser »dunkle Fleck« war, aus dessen Dämmer jetzt, da bitte!, plötzlich dieses bisher verschwiegene Stück Vergangenheit herausgehüpft war, das war niemandem auch nur im Geringsten klar.

Er trug drei Mäntel, einen aus brauner Wolle mit einem schwarzen Samtkragen, im Übrigen das einzige Stück von seinen alten Sachen, abgesehen von seiner Uhr, auf das er Wert legte, und zwei kürzere Mäntel, darunter zwei Pullover, darunter Hemden und ein fast schon an seine Haut angewachsenes Poloshirt, an den Beinen zwei Hosen, eine, die sich an seine Beine schmiegte, und eine, die den Wind gut abhielt, auf dem Kopf eine Uschanka, um den Hals einen schwarzen gestrickten Schal, fast alles vom Kleintransporter, der die Obdachlosen versorgte und vor rund acht Monaten, das heißt Ende März dieses Jahres, mit seinen Volontären am Rand des Dornbuschs aufgetaucht war, um den zu diesem Zeitpunkt einzigen Bewohner des Orts zu fragen, ob er nicht etwas brauche, eine tapfere Tat, da die zwei Volontäre nicht wussten, was sie erwarten würde, über den berühmten Umzug hierher, also über die Tatsache, dass der Herr Professor nicht mehr richtig im Kopf war, wussten natürlich auch sie Bescheid, vor ihnen hatte aber noch nie jemand mit ihm gesprochen, oder genauer, mit einer einzigen Ausnahme hatte sich ihm noch niemand auch nur zu nähern gewagt, denn nach seinem skandalösen Auszug ließ er durch den zu seinem einzigen Vertrauten gewordenen und so auch für seine Versorgung mit Wasser und Lebensmitteln zuständigen Bauern vom nahegelegenen Gehöft »der Stadt« ausrichten, man solle, falls jemand nach ihm frage, alle warnen, dass er auf jeden, der sich seiner eilig zusammengezimmerten Hütte im Dornbusch zu nähern wage, augenblicklich und ohne Vorwarnung schießen würde.

Er würde nicht auf seine Tochter schießen, beschloss er, als er unter dem Druck eines erneuten Wutanfalls in der Hütte nach hinten ging und die zur Tarnung einer geheimen Grube aufgehäuften Kleidungsstücke beiseitezuwerfen begann, nicht einmal, wenn sie nur ein Gespenst war, ein Schatten aus der Vergangenheit, an den er sich nicht einmal mehr erinnern konnte, aber wenn sich der Rest nicht verdrücke, diese vielen rumkritzelnden Tagediebe, murmelte er vor sich hin, würde es bald ein Hals-über-Kopf geben, darauf können die Gift nehmen, vorläufig beobachte und warte er nur, lasse ihnen noch ein wenig Zeit, sich zurückzuziehen, und damit nahm er seinen Platz links von der Fensteröffnung ein, die eine Hand freimachend, um sogleich zur Tat schreiten zu können, wenn die Zeit gekommen war, wovon die draußen nicht die leiseste Ahnung hatten, die Journalisten beschrieben ihren Vorgesetzten den momentanen Zustand als »Pattsituation« und waren darauf vorbereitet, so wie gestern einen großen Teil des Nachmittags bis zum späten Abend – wenn auch in stark verminderter Zahl – hier verbringen zu müssen, da ja sowieso nichts geschah, so die allgemeine Überzeugung, bestimmt nichts, wie sie kopfschüttelnd sagten, und also gingen die, die noch nicht genug hatten, zu ihren Wagen zurück, um sich eine warme Decke zu holen, wer schon eine hatte, zog sie in der aufsteigenden Kälte des Nachmittags noch enger um sich, denn, wie ein Journalist formulierte, das würde sicher wieder bis zum Abend dauern, aber noch wahrscheinlicher ist, bemerkte einer und bot dem neben ihm Stehenden eine Zigarette an, dass sich das Ganze innerhalb einer Stunde schön legen wird und wir nach Hause können, mit einem Wort, die langweilige, vertraute Ordnung des Geduldsspiels kam zum Tragen, das kannten sie von anderen Berichterstattungen her schon zur Genüge, wer saß, stand auf, um sich Bewegung zu verschaffen, wer seit einiger Zeit auf und ab ging, setzte sich wieder auf einen Baumstumpf oder sonst auf eine aus Laub und Zweigen improvisierte Sitzgelegenheit, allmählich leerten sich die Thermosflaschen mit heißem Tee, es kam wieder die Rede darauf, dass es ja schon nicht schlecht wäre, wenn da jemand wäre, der sie nachfüllte, und dass dieser Jemand gehen könnte, du da zum Beispiel, sie zeigten auf den Jüngsten, einen krummen, pickligen Volontär, du hast eh so lange Beine, als von der Hütte her auf einmal Schüsse krachten, so laute, dass sie auseinanderflatterten wie aufgescheuchte Spatzen und zuerst gar nicht begriffen, was los war, dass nämlich nicht ihre Augen flimmerten, dass sie nicht halluzinierten, sondern dass tatsächlich jemand aus der Hütte auf sie schoss, da kauerten sie sich nieder und warfen sich auf den Boden und begannen, zu schreien und zu gestikulieren und zu fuchteln, und im nächsten Augenblick hatten sie schon ihre Telefone in der Hand, wobei sie zuerst nur unzusammenhängende Wörter hineinbrüllten, dann kamen doch noch Sätze, bruchstückhaft und gehetzt, nämlich dass man aus der Hütte schieße, ja, kein Irrtum, der Herr Professor, hört man doch, oder?!, er schießt auch jetzt, ja, ohne Warnung, ohne Drohung, ohne Vorlauf, ja, was versteht ihr nicht?!, Er-ballert-in-der-Gegend-rum, skandierten sie brüllend, während sie hochschnellten und zwischen den stacheligen Dornbüschen Hals über Kopf flohen, ja, er schießt, ja, sie wüssten, dass es unglaublich ist, aber er schieße laufend, versuchten sie, den wahrscheinlich entsetzten Redakteuren am anderen Ende der Leitung begreiflich zu machen, von dem Gebrüll in dem Lärm wurden sie schon heiser, die vom Fernsehen warfen zwischen den stacheligen Sträuchern umherhüpfend rasch die Kamera an und begannen, auf der Flucht halb nach hinten gewandt wie dazumal die Hunnen, Bäume und Büsche zu zeigen, mehr ging im Laufen nicht, von der Hütte war hier, wohin sie gelaufen waren, nichts mehr zu sehen, man hörte nur das Knallen, und das hörte einfach nicht auf, sie machten sich immer entsetzter und erschrockener aus dem Staub und konnten nicht entscheiden, was verblüffender war, die Tatsache, dass der Herr Professor schoss, oder die Waffe, mit der er schoss, denn jeder einzelne Schuss krachte, dass sie fast taub wurden, ein riesiger Knall und gleich darauf ein ungeheures Echo, und schon folgte der nächste Knall, und wieder das Echo, aber so, dass die Erde erzitterte und die Luft erzitterte, bloß weg hier, schrie einer, als sie begriffen, dass beim »Herrn Professor die Sicherungen ernstlich durchgebrannt waren«, abhauen, spornte er die anderen an, aber niemand brauchte angespornt zu werden, auch so nahmen sie die Beine unter die Arme, einer über den andern stolpernd raus aus dem Dornbusch auf die gepflasterte Straße zu den geparkten Wagen, aus der Hütte hingegen wurde unablässig geschossen, höchstens hin und wieder ein paar Sekunden Pause, und natürlich merkte niemand, dass nur in die Luft hinausgeschossen wurde, denn solange noch etwas im Magazin ist, röchelte der Gefangene, während er gerade eben das Magazin wechselte und wieder in die Luft schoss, in Richtung der bleigrauen Wolken, solange noch Munition drin ist, brüllte er, und dann brüllte er noch, er habe es gesagt, er habe mitgeteilt, dass es so enden würde, er zertrampelte tobend die abgerissene Hungarocell auf dem Boden, er habe alle wissen lassen, dass es das geben würde, schrie er fast erstickend, genau das, bis zur letzten Patrone.

Wenn sie eine Strategie hat, hatte er umnachteten Hirns gezischt, dann habe ich aber Knarren, und so scheiße ich nicht nur auf diese ganze große Strategie, sondern schieße auch in sie hinein, und er hatte noch ein paar Augenblicke gewartet, aber nur, um die ausgelegten Magazine zu überblicken und die Munition in dem einen zu kontrollieren, das er mit einer sicheren Bewegung in die Waffe zurückgeschoben hatte, dann aber hatte es keine Augenblicke mehr gegeben, er hatte die Hungarocell mit einem Ruck herausgerissen, auf die Uhr geblickt, 15.35, und, ohne zu zögern, auf den Abzug gedrückt und drauflosgeschossen, so rasch, als wäre es ein Maschinengewehr, während er immer wieder siegestrunken hinausbrüllte, »du wirst dich hier jetzt verpissen«, und als dann das erste, dann das zweite, das dritte und vierte und zur Hälfte auch schon das fünfte Magazin leer war, ließ er den Abzug los und blickte wie ein siegreicher Feldherr über die zerwühlte, zertrampelte Lichtung, musste aber feststellen, dass von Sieg noch nicht die Rede sein konnte, da er zwar die Journalisten weggesprengt hatte, aber das Mädchen immer noch dort stand, vorgeneigt, und dass jene leuchtend blauen Augen vor Entschlossenheit Funken sprühten und direkt in seine – ebenfalls hellblauen – Augen blickten, wovon es in seinem Gehirn noch dunkler wurde, und er brüllte, »du denkst also, dass die Kugeln von dir abprallen«, er senkte den Gewehrlauf, den er bis dahin nach oben gehalten hatte, senkte ihn, denn wenn sie ja so durchaus abprallten, würde er es mal mit einer Runde vor ihre Füße hin versuchen, doch so weit kam es nicht mehr, denn als das Mädchen hörte, was ihr Vater aus dem Fenster der Hütte brüllte, und gleichzeitig den sich senkenden Gewehrlauf sah, hielt auch sie die Stellung nicht mehr, schleuderte ihre Tafel beiseite, warf sich rückwärts in die Büsche und schlüpfte weg, und damit war fertig, Ende, man sah nichts anderes mehr als die leere Lichtung und ein paar improvisierte Pfade, die sich diese Bande freigetrampelt hatte, von der Straße bis zur Hütte, und jetzt auch zurück – er sah nur die herunterhängenden Zweige, das dichte, ineinander verhakte Gewebe des wild wuchernden Gesträuchs, und wie einzelne Zweige in immer langsamerem Rhythmus immer noch wippten, den Weg der Fliehenden anzeigend.

Also, welchen wollens, hatte ihn der vom nahegelegenen Gehöft gefragt, er könne wählen, wosfürwelches er nur wolle, ihm selbsten, wegen einer Wunde neben seinem breiten Mund verzerrte sich beim Lächeln sein Gesicht, verbleiben genügsamst welche, dos do do, er hob es ins Taschenlampenlicht, ist eine PPD-40, do schauens, hot ein Trommelmagazin, und wos von siebzig Runden, im Magazin, no, wos sagens, er schaute den Herrn Professor grinsend an, der aber sagte kein Wort, sondern betrachtete nur die auf dem ausgebreiteten, glattgestrichenen Militärumhang ausgelegten Waffen, betrachtete sie eine um die andere und fragte nichts, dem Bauern gab er erst recht keine Antwort, wenn der wissen wollte, no, also, welches, er hob einen Maschinenkarabiner auf, der Bauer hatte gleich parat, dass das ein Sturmgewehr 44 war, deutsches Stück, hot Zwischenpatrone, aber er sprach nicht weiter, weil dieser komische Mann, der da, dieser Herr aus der Stadt, wie er ihn in seiner Stammkneipe, im 47er, mehrmals nannte, noch oberhopt nicht zeigte, dass ihn die Soche oberhopt interessieren tät, nicht einmal sein Blick, der sagte auch gor nichts, obwohl sich doch er, der Bauer, schon ganz gut auskannte bei denen, wo da hier rauskamen beziehungsweise die er bereits da rauszubringen wagte, hierher, zum Schuppen, und für sie unter dem Maisstrunkhaufen den, wie er es fast schon scherzhaft nannte, Aladdin öffnete, denn so nannte er die hübsche Sammlung auf dem Grund des Schuppens, nicht nur mit zwei d, sondern geradewegs mit dreien, Aladddin, auch wenn unklar blieb, nach wie vielen Pálinka es zwei d waren und nach wie vielen drei, jedenfalls da hatte er es praktisch mit dreien gesagt, no, kommens, i zeig, wos i hob, nachdem der Herrschaftliche einfach so, hüst und hott, eines Nachmittags bei ihm aufgetaucht war, der Kuvasz hatte ihn fast auseinandergenommen, und nur gefragt hatte, ob es in dieser Sammlung auch welche gebe, die er verkaufe, oder ob er sie nur so für sich behalte, worauf er gesagt hatte, no klar gibts welche, wos der Herr globe, von wos er die Bestandteile für die Csepel kaufe, ob sich denn jemand oberhopt vorstellen könne, wie schwierig es in den heutigen Zeiten sei, irgendwos, so wie er es soge, ir-gend-wos!, für ein echtes Csepel-Motorrad zu finden, denn er soge es ehrlich, erzählte er Krethi und Plethi, bloß interessierte es niemanden, er soge ehrlich, doss er sie liebt, weil er hot seine Gewehre schon immer geliebt, die noch sein Großvater nach dem Krieg aufgelesen hot und auf den Feldern vergraben, er liebe sie, klar tut er dos, er ölt sie, er putzt sie, er pflegt sie, er reibt sie blonk, so wie es sich gehört, aber wos er für die Csepel empfindet, dos ist mehr als Liebe, denn dos Csepel-Motorrad da, dos betet er gradezu on, er soge es ehrlich, er würde auch sein Leben geben fürs, wenns dos Leben dos verlangen tät, Gott steh ihm bei, weil wenn er dem seine Stimme hört, wie der knattert, wie diese Kolben wos für einen himmlischen Klong haben, wie er mit den Händ die Gummigriffe von der Lenkstange onfosst, wie er, wenn er sich, gonz selten zwor, druffsetzt, unter dem Orsch dos Vibbriere spürt, dos würde er nie mit nichts vergleichen, gut, gut, hatte der Herrschaftliche von der Stodt gesagt, als er herausgezogen war, in den Dornbusch, der wird ja schon wissen, wegen wos, während er selbsten gerade heimwärts ging, dos Rod schiebend, und sie beide zusammentrofen und ein Wort dos ondere ergab, wos natürlich so endete, dass er sich kein Blott vor den Mund nahm und die Rede nach dem vergeblich angebotenen kristallklaren Zwetschgenpálinka bold mol auf die spezielle Sammlung im Schuppen kam, gut, gut, hatte dieser Herr von der Stodt gesagt, er komme dann gelegentlich herüber sich anschauen, was er da hat, vielleicht könne er eins gebrauchen, und genauso kam es, keine drei Tage sind vergongen, erzählte er in der Bierkneipe von der Csókos-Straße, bloß hörte niemand zu, und er ist rübergekommen, der Kuvasz hot ihn fast aufgefressen, und hot es sich ongeschaut, aber dos ist wos von einem heiklen Herrn von der Stodt, der wägte sie nur in der Hond, schaute sie sich nur on, hier wos, dort wos, der hot gor nichts gesogt, bis gonz om Schluss, und do hot er plötzlich auf eins gezeigt und gefragt, ob die am lautesten knalle, war im Übrigen eine AMD-65, vom ungarischen FEG, ein bisschen hochfrisiert, so dass do auch noch ein Trommelmagazin mit 75 Patronen Plotz hot, no, sogt der, no, wie viel er dofür haben möchte, do hot er ihm gesogt, dass dos ein ganz besonderer Liebling ist, weil ist eine Einzelanfertigung vom Keserű, und er sagte, wie viel, und der sogt weder piep noch papp, der holt einfach dos Geld heraus, blättert es hin und kauft sich dezu auch noch die gonzen Mogozine, er hobe ihm noch gesagt, ob dos nicht zu viel des Guten sei, wos brauchen Sie so viel Munition, aber der hot nur wos gemurmelt und sich noch ein bisschen Maschinenöl gekauft, no, dos hat er ihm für fünfhundert gelassen, und dozu hot er noch ein paar Lumpen mitgenommen und einen Putzstock, fürs Reinigen, sogt er, und schon wor er weg, und auch seither hot er den nicht mehr gesehen, weil in den Dornbusch, do geht er nicht hinein, wozu auch, nur domit ihm die verfluchten Sträucher dos Fleisch vom Leib kratzen, doderfür sollte er do hineingehen, fällt ihm nicht ein, erst wenn es kleine Zigeunerkinder hagelt, dann meinetwegen, es reicht ja schon, dass er ihm den Karabiner verkauft hat, dos würde er am liebsten zurückmachen, weil er weiß schon, wos es gibt, wenn der wos onstellt, do fragens gleich, wo denn dos olles herkommt, und wen knöpfens sich do vor, ihn knöpfens sich do vor, man kann ja von ihm schon sogen, dass er gern wos trinkt und dos olles, wohingegen er für nichts wos kann, er hot diese Sammlung, dos stimmt, dos streitet er nicht ob, hot er nie obgestritten, ober dodemit hot sichs auch, weil dem sieht ers an, dass der wos onstellt, ist ja auch schon wos von komisch, dass der ausrichten lassen hot, durch ihn, denen von der Stodt, sie sollen nicht in die Nähe kommen, weil dann gibt’s des und dos, wozu sagt einer so wos, dos fragt er, hier im Csókos, er, der nie einer Fliege, solle ihm hier irgendwer sagen, ob er noch einen so sanftmütigen Menschen kennt wie ihn selbsten, weil er hot diese Gewehre nur vonwegen ihrer Schönheit, vonwegen sonst nichts, von der Csepel will er jetzt nicht reden, weil die Csepel, natürlich, dos ist wos ganz anderes.

Die Hungarocell-Platten hatte er dort drin gefunden, im Dickicht, und das entschied eigentlich, wo er sein Lager aufschlagen würde, auch wenn man nicht hätte sagen können, dass dort auch nur die Spur einer Lichtung gewesen wäre, nein, an der Stelle, wo jemand die Hungarocellplatten aufeinandergeschichtet und ganz offensichtlich vergessen hatte, war ursprünglich keinerlei Lichtung gewesen, auch keinerlei Hütte oder sonst irgendein landwirtschaftlicher Verschlag, einfach weil es auch keine Lichtung gab, es konnte keine geben, weil die Sache mit aller Wahrscheinlichkeit umgekehrt verlaufen war, es war nicht so, dass im Dickicht eine Lichtung entstanden war und jemand aus einem unbekannten Grund die Platten hier versteckt hatte, sondern jemand hatte sie hier zuerst abgelegt, vergessen, sich selbst überlassen auf diesem öden, unbearbeiteten, flachen Stück Land, und erst danach war das Unkraut gewachsen, danach war das ganze Areal von Büschen und Akazien überwuchert worden, also, der berüchtigte Dornbusch war um diese paar Hungarocelltürme herum entstanden, denn der Jemand, der diese ganzen Cells hierhergebracht hatte, hatte bestimmt eine Absicht gehabt, dann aber muss irgendwann etwas passiert sein, das ihren Abtransport sinnlos machte, jedenfalls, als sie hierhergekommen waren, dazumal, ursprünglich, so hatte der Herr Professor gefolgert, als er bei der Vorbereitung zu seinem Umzug das Terrain erkundet hatte, soweit das möglich war, hatte es hier nichts gegeben, nur diese paar Hungarocelltürme, es mochte einfach das passiert sein, hatte er damals schlau gedacht, dass irgendwer auf dieses Riedland oder diese Wiese oder dieses Überschwemmungsgebiet oder dieses Ödland, egal, wie wir es nennen, herausgekommen war, sie abgeladen und dann vergessen hatte, die Platten waren spröd geworden, die nützten niemandem mehr etwas, die Türme schwankten einfach hin und her wie der Bauer in der Nachbarschaft, wenn er abends, sich an sein sturmgepeitschtes Fahrrad klammernd, nach Hause zu gelangen versuchte, der Wind konnte sie nicht wegblasen, sie wurden von Bändern zusammengehalten, er konnte sie nur umkippen, wie er das mit den meisten auch getan hatte, da blieben sie und wurden, so wie sie waren, von den Dornbüschen und den Akazien und dem tausendfältigen Unkraut umwuchert, und es kam zustande, was die Städter heute den Dornbusch nennen, als wäre es ein Viertel, was es im Wesentlichen auch ist, so mochte es zugegangen sein, zuerst die Hungarocells, dann das Unkraut, genau so wie einst die Landnahme, dachte der Herr Professor, während er sich umblickte, so dass er, wie er erkannte, den Ort, wo er von da an leben würde, ursprünglich der Hungarocell verdankte, schon der Name mit seiner dichten, reichen, äußerst genauen und abstoßenden Bedeutungshäufung war für ihn, als müsste er, wenn er ihn schreiben wollte, mit lauter Großbuchstaben schreiben, und so war es gar keine Frage, dass er seine Hütte an ihrer Stelle errichten würde, noch genauer, zwischen ihnen, hatte er doch insgesamt fünf Hungarocelltürme vorgefunden, einer von ihnen stand noch, die anderen vier lagen unkrautüberwuchert herum, und er befand, dass es am besten war, wenn er dem spiritus loci gemäß verfuhr und sein Lager in ihrer Gegenwart aufschlug, seine Hütte hier zu bauen begann, die Rückwand der Hütte an den stehenden Hungarocellturm gelehnt, das heißt, dieser noch stehende, drei Ladepaletten hohe Hungarocellturm war der Ausgangspunkt, von hier ausgehend hatte er zu bauen begonnen, was er dank der vorhin erwähnten, hochsymbolischen Deutung der Hungarocelltürme tatsächlich Landnahme nannte, und es war viel leichter, als er erwartet hatte, denn kaum hatte er den Entschluss gefasst und herauszukommen begonnen, kaum hatte er den Ort gewählt und sich auf der Suche nach Baumaterial im weiteren Umkreis gründlicher umgeschaut, stieß er auf einen wahren Reichtum, auf eine Schatzkammer, bestehend aus Brettern, weggeschmissenen Autoreifen, verlassenen, eingestürzten landwirtschaftlichen Gebäuden, umgefallenen Grenzpfosten, Teerpapperollen, umgekippten, vermodernden Hochsitzen, Vogelscheuchen, rostigen Pflugscharen, Eggen und Brunnendeckeln, einstigen Tränken und abgebrochenen Ziehbrunnen, im Gras liegenden Wegkapellen, zerbeulten Blechchristussen und hier entsorgten Eisschranktüren, Fernsehschirmen, Autowracks und tausenderlei ausgemusterten, weggeschmissenen, noch brauchbaren Kleidungsstücken, mit einem Wort, aus dem verstreuten, zeitlosen Unrat, dem Unrat, der, bemerkte der Herr Professor während der Arbeit, wir sind.

Es war eine sehr schlechte Frage, aber er konnte noch so versuchen, sie zu verscheuchen, es gelang ihm nicht, und so quälte er sich mit dem Warum, als draußen alles still wurde beziehungsweise sich alle verdrückt hatten, die sich verdrücken mussten, und er hinaustrat, um einen gründlichen Augenschein zu nehmen und hinter die eigentliche Absicht zu kommen, den Grund und das Ziel, die das Mädchen hierhergeführt hatten, denn er war sicher, dass er, wenn er nicht dahinterkam, es tatsächlich vermasseln konnte, sie würden die Oberhand gewinnen und die relative Ordnung, die er vor einiger Zeit geschaffen hatte und die aufrechtzuerhalten viel schwieriger war, als er ursprünglich geglaubt hatte, umstürzen, warum, da dahinterzukommen war jetzt seine Aufgabe, sagte er sich, während er sich hinter der Lichtung mal hier, mal dort bückte, aber keine Spur mehr von wem auch immer fand, der Pöbel hatte sich samt und sonders verdrückt, war endlich abgehauen durch die auch für ihn schwer zu durchdringenden Büsche und Bäume und Ranken und Zweige und das Gewebe der für ihn einst wundersamen Moosteppiche, abgehauen wahrscheinlich in Richtung der Chaussee, er würde später einmal zurückkommen, beschloss er, und in jener Richtung zwei-, dreihundert Meter gehen, laut dem Bauern die Reichweite des Gewehrs, um nachzusehen, ob da seine Geschosse lagen, jetzt war es schon zu dunkel, vor allem hier mitten im Dornbusch sah man kaum mehr etwas, die Polizei ihrerseits würde ihn nicht gleich holen kommen, erst morgen, wenn es wieder tagte, er rechnete also mit ihnen, natürlich, aber nicht heute, heute hatte er noch Zeit, die ganze Geschichte noch einmal durchzugehen, und so kehrte er in die Hütte zurück, bastelte das komplizierte Türgebilde wieder an seinen Platz zurück, knipste die Taschenlampe an, legte den obersten Mantel ab und setzte sich in den zerschlissenen, mit Decken und Zeitungen gutgepolsterten Küchenlehnstuhl, den er in den Anfängen auf einem Gehöft gefunden hatte und der seither in der Hütte eine Art zentralen Platz einnahm, der blinden Fensteröffnung gegenüber, er setzte sich auf diese Decken und zog sie mitsamt dem Zeitungspapier um sich zusammen, knipste die Taschenlampe aus und beschwor im plötzlichen Dunkel die Mutter des Mädchens herauf, beschwor sie herauf und erschauerte, denn in dem Augenblick, als die Gestalt der Frau vor ihm erschien, als jetzt das Gesicht jener Frau wieder erschien und er ihre Augen erblickte, wusste er sofort, dass sie hinter der Sache stand, dass sie das Ganze gelenkt hatte und immer noch lenkte, bestimmt war das Mädchen wieder in der Stadt und telefonierte mit ihr, um ihr vom Geschehenen zu berichten, er sah die Frau vor sich, wie sie sich den Bericht anhört und wie man ihr ansieht, dass sie sich gleich den Kopf zu zerbrechen beginnt, sie grimassiert dazu, schürzt die Lippen, sie konnte ihre Lippen auf unendlich abstoßende Art schürzen, wenn sie mit ihrer völlig unbegründeten Überheblichkeit eine für sie unangenehme Nachricht hörte, in solchen Fällen brodelte der Zorn in ihr, wobei sie lächelte, aber dieses Lächeln bedeutete, dass es mit dem Verursacher der schlechten Nachricht aus war, den bringt sie um und weiß auch schon wie, sie hatte die beängstigende Fähigkeit, die sich ihr entgegenstellenden Menschen sogleich zu durchschauen und ihre Schwachstellen zu finden, also sämtliche Mittel, um den Gegner zu verletzen, deswegen erschien auf ihrem Gesicht das hochmütige Lächeln, von dem ihm auch während der kurzen, aber umso fataleren Zeit ihrer Bekanntschaft kalte Schauer gekommen waren, ein Lächeln, weil sie schon wusste, wie sie das gerade fällige Opfer erledigen konnte, das jetzt er war, wieder er, denn unglücklicherweise hatte er das Schicksal herausgefordert, wessen er sich nicht bewusst war, hatte es aber auf ein Leben herausgefordert, als er dazumal, in der Erkenntnis, in was für eine Falle er mit dieser Frau getreten war, die Flucht ergriffen hatte, natürlich ist es nicht leicht zu sagen, womit er eigentlich das Schicksal herausgefordert hatte, vielleicht war der Zeitpunkt am besten dort anzusetzen, wo ihn die Frau in einer Bar in der Hauptstadt gründlicher ins Auge fasste, einer Bar, wo der ins Auge Gefasste, also er, betrunken von einem langweiligen Botschaftsempfang kommend und getrieben vom Wunsch, sich noch mehr zu betrinken, eines Nachts einkehrte, wahrscheinlich hatte dieses erste gründlichere Ins-Auge-Fassen sein Schicksal besiegelt, und zwar auf ein Leben, denn als er dann vor ihr die Flucht ergriff, wurde ihm ziemlich rasch beigebracht, dass er nie würde fliehen können, dass ihm diese Frau immer, bis an sein Lebensende, auf den Fersen bleiben und ihn in alle Ewigkeit quälen würde, mit Geldforderungen würde sie ihm auf den Fersen bleiben, mit Geldforderungen würde sie ihn quälen, abgeschmeckt mit Schmähbriefen, welche viel stärker schmerzten, es demütigte ihn, dass er solche dreckigen Briefe lesen musste, sie rissen ihn in eine Welt hinunter, vor der es ihn ekelte, Briefe also, die alle mit den widerlichsten Worten darauf zielten, was für eine miese, aber wirklich miese Figur er, der Herr Professor, war, da er ein Kind, sein Kind, verleugnete, seinem Schicksal überließ, während allen Beteiligten klar war, dass er nicht vor dem Kind floh, sondern vor der Frau, aber umsonst, und das spürte er auch jetzt, im Küchenlehnstuhl hockend, während er im Stockdunklen, aufs blinde Fenster, auf die Hungarocell starrend, herauszufinden versuchte, was sie diesmal im Schild führte, auf welche Art sie also ihn diesmal erledigen würde.

Er hatte damals lange gegrübelt, wie er das mit der Tür lösen solle, aber sie hatte bei weitem kein solches Kopfzerbrechen verursacht wie das Fenster, da er zu Beginn befunden hatte, dass es gar kein Fenster brauchte an einer solchen Bude, Baracke, einem solchen Schuppen, Verschlag – eine Zeitlang hatte er die Namen durcheinander verwendet, erst in der Mitte des zweiten Monats, 04.14, legte er sich auf eine Bezeichnung fest –, an einer solchen Hütte wäre es ganz falsch, ein Fenster anzubringen, das war seine Meinung gewesen, im Winter wäre das ja ganz sinnlos, hatte er argumentiert, und im Sommer hilft es nichts gegen die Hitze, hatte er hin und her überlegt, erst allmählich wagte er sich einzugestehen, dass das Problem nicht auf den praktischen Nachteilen oder Vorteilen beruhte, sondern dass ihn das Prinzip