BeaBu - Plan B fürs Leben - Beatrice Kofman - E-Book

BeaBu - Plan B fürs Leben E-Book

Beatrice Kofman

0,0

Beschreibung

Wenn das Leben dir Steine in den Weg legt – erschaffe dein eigenes Mosaik! Was, wenn dein Körper dich im Stich lässt? Wenn Pläne scheitern und das Schicksal dir immer wieder neue Herausforderungen stellt? Dieses inspirierende Memoir erzählt die wahre Geschichte einer Frau, die trotz Rückschlägen, Schmerzen und Zweifeln nicht aufgibt. Mit bewegenden Erinnerungen, ehrlichen Einblicken und einer Prise Humor nimmt sie die Leser:innen mit auf eine Reise voller Mut, Resilienz und Hoffnung. Ein Buch für alle, die lernen wollen, aus jedem Hindernis eine neue Chance zu machen. Denn das Leben ist ein Mosaik – und die Farben bestimmst du!

Sie lesen das E-Book in den Legimi-Apps auf:

Android
iOS
von Legimi
zertifizierten E-Readern
Kindle™-E-Readern
(für ausgewählte Pakete)

Seitenzahl: 206

Veröffentlichungsjahr: 2022

Das E-Book (TTS) können Sie hören im Abo „Legimi Premium” in Legimi-Apps auf:

Android
iOS
Bewertungen
0,0
0
0
0
0
0
Mehr Informationen
Mehr Informationen
Legimi prüft nicht, ob Rezensionen von Nutzern stammen, die den betreffenden Titel tatsächlich gekauft oder gelesen/gehört haben. Wir entfernen aber gefälschte Rezensionen.


Ähnliche


Inhalt

Vorwort

Seilbahn

Das Beinahe-Hochzeitsfiasko I

Willkommen im Süden

Von der Fähigkeit und Unfähigkeit von Ärzten

Das Beinahe-Hochzeitsfiasko II

Die „No Houseparty"-Party

Das Prinzesschen und der Freak

Das Beinahe-Hochzeitsfiasko III

Hobbys und andere Schatten der Vergangenheit?!

Islands of Adventure – Das Abenteuer schlummert auch für mich überall

Die Symphonie des Grauens

Meine Krankenhaus-Überlebensstrategien

Hitzewallungen im Schnee

Mosaiksteinchen über Mosaiksteinchen

Schule und andere Hindernisse

Schulmedizin vs. Alternativmedizin – Damals waren die Zeiten noch anders

Kindheitsfreunde – In guten wie in schlechten Zeiten?!

Röntgenbilder und andere Trugbilder

Roboterbeine

Fußball Europameisterschaft 2016 – Wie ich dazu kam nach Marseille zu fahren

Die Kämpfernatur

Schwesterherzen – In guten wie in schlechten Zeiten

Figurwahnsinn

Weihnachten

Mein f***-you-Zeh

Der biologische Sonst-was-auch-immer

Das Ende einer Ehe

Die Männer, die mich ins Leben zurück brachten

Für die Erinnerung, dass es im Leben immer weitergeht!

Für den Mut, dieses Leben zu leben!

Und für den Fels in meiner Brandung: meine Schwester!

Vorwort

„Mir ist egal, wie reich er ist! Hauptsache, er hat seine

eigene Yacht, seinen privaten Eisenbahnwagen - und

seine eigene Zahnpasta.“

Manche mögen's heiß, (1959)

„Na, wenn's weiter nichts ist!“

„Ich geh unter die Blogger! Ich will es aber anders machen als alle Blogs, die ich bisher zu solchen Themen gelesen habe! Die zielen entweder auf nutzlose Belehrungen ab oder fahren die totale Mitleidstour und drücken dabei voll auf die Tränendrüse! Ich will etwas gestalten, das witzig ist und zeigt: Hey, eigentlich kann das jedem passieren, es ist nur zusätzlich tragikomisch in BeaBu’s Fall!“ – „Aber BeaBu, so sehen wir dich doch auch! Ich meine, so bist du ja auch! Du hast noch nie Mitleid gebraucht!“ Das Kompliment ging runter wie Öl, aber, ehrlich gesagt, das ist die Haupteigenschaft, nach der ich meine Freunde auswähle. Die Eigenschaften, dass sie intelligent und humorvoll sind, ein großes Herz haben und vor allem, dass sie gänzlich blind für meine körperlichen Defizite sind, obwohl sie selber völlig gesund sind und den Unterschied sehen müssten, was sie 100 %ig auch tun, aber eben null beachten. Jedenfalls begann so die Unterhaltung mit einer meiner besten Freundinnen, als ich ihr letztens meine neueste Idee eröffnet habe. „Wie kommst du jetzt darauf, BeaBu?“ – „Na ja, sagen wir es doch mal so: Ich lebe seit meinem zwölften Lebensjahr mit einer der aggressivsten Formen von Rheuma, die jemals registriert wurden und jeder, den ich kenne oder neu kennenlerne, ist begeistert von meinen Geschichten und das, obwohl es sich für mich eher so anfühlt wie ein andauernder Plan B“, schmunzelte ich sie an.

Bitte nicht falsch verstehen: Ich liebe mein Plan-B-Leben! Jedoch wäre es manchmal auch sehr wünschenswert, wenn mal ein Plan A klappen würde, vom ursprünglichen Plan A mal ganz abgesehen, der lautete nämlich: „Mein Haus! Mein Auto! Mein Pferd!“ oder übersetzt: „Mein super-reicher Ehemann!“ (Natürlich nur aus demselben Kulturkreis, denn wer will schon jemand anderem seine Welt erklären müssen?) „Mein super-prestigeträchtiger Beruf!“ (Natürlich nur Ärztin oder Anwältin, denn mal ehrlich, gibt es überhaupt andere Berufe?) „Meine drei super-wohlerzogenen Kinder!“ (Natürlich alle nur bis zum 30. Lebensjahr bekommen, denn wer wird danach noch Windeln wechseln wollen?)

Und ganz konkret: Ich wusste schon mit zehn wie meine Hochzeit aussehen würde. Mit 14 wusste ich, dass ich unbedingt Medizin studieren wollte (Fachärztin: Psychiatrie). Mit 19 habe ich Medikamente verweigert, die zu Fötus-Schädigungen führen können, weil ich bis 30 meine Kinderplanung abgeschlossen haben wollte (dabei war ich damals Single und die Medikamente hätte man drei Jahre vor einer Schwangerschaft absetzen können). „BeaBu, gerade du musst doch wissen, dass es immer einen Plan B gibt!“ Na klar weiß ich das! Aber ich musste es mühselig lernen, dass für mich anscheinend immer nur die Alternative im Leben zu meinem Glück führt! Nachdem ich vier Jahre meiner Jugendzeit an den Rollstuhl gefesselt verbrachte, brauchte ich fast zehn Operationen, um wieder laufen lernen zu dürfen (bis dato sind es schon über 20 OPs, nur zum weiteren Erhalt dieser eigentlichen Selbstverständlichkeit „Laufen“). Und nachdem ich einige gruselige Weltansichten von Männern aus meinem Kulturkreis mitbekommen habe, bin ich der Liebe meines Lebens schon zu Abiturzeiten im Musik-Leistungskurs begegnet. Jedoch brauchte ich eine Weile, um mir einzugestehen, dass meine große Liebe ein wundervoller Mann ganz ohne selbigen Migrationshintergrund sein kann. Mein Abitur wurde, nach unzähligen erfolglosen Jahren des Versuchens, „nur“ durch ein Fachabitur ersetzt. Das Medizinstudium wich damit unmittelbar meinem Diplom als Sozialarbeiterin/ Sozialpädagogin. Tja, und das Thema Kinder ist so eine Sache für sich, sagen wir es mal so: Mittlerweile bin ich 33, ohne Kinder, dafür aber mit einem Kater, den ich nicht davon abbringen kann, auf dem Esstisch zu schlafen und einer Welpin, der ich fast geschafft habe beizubringen, weder drin noch draußen ihr „Geschäft“ zu machen. Als sie sich dann letztlich um zwölf Uhr nachts in der Küche entleerte, bin ich vor Freude fast geplatzt, dass sie nicht geplatzt ist.

„Aber BeaBu, du meisterst dein Leben bei weitem besser als die meisten anderen meiner Bekannten in unserem Alter! Die wünschten, sie wären bereits so weit wie du!“ Interessante Neuigkeit: Ich krieg doch was hin! Wobei ich der Aussage meiner Freundin auch nur zum Teil zustimme: Die besagten „meisten anderen“ sind Anfang 30, Single oder beinahe wieder Single, gerade fertig mit dem Studium oder gerade am Beenden, gerade zwischen zwei Jobs oder unglücklich mit der Arbeitsstelle und im Grunde haben sie alle eines gemeinsam: Nie über den jetzigen Lebensabschnitt hinaus zu planen. Zu Schulzeiten war das „Jetzt“ wichtig. Zu Ausbildungszeiten/ Studium war das „Jetzt“ wichtig. Bei Karrierebeginn war das „Jetzt“ wichtig und plötzlich ist man 30, und es fallt einem ein, man hätte seine Prioritäten vielleicht doch lieber mit ein wenig mehr Weitblick setzen sollen. Als ob es immer heißen würde: entweder ... oder! Ich kenne sogar jemanden, der mittlerweile um die 60 ist und so ein Leben bevorzugt. Er scheint dabei auch glücklich zu sein. Jeder wie er will, ich urteile nicht!

Jedoch, wenn ich von meinem Plan A rede, meine ich Menschen, die genau wie ich von vornherein versucht haben, alles parallel zu vereinbaren. Das ist auch machbar, denn ich kenne tatsächlich eine ganze Menge Menschen, die meinen Plan A genau so umgesetzt haben. Zugegeben, die meisten davon sind aus meinem Kulturkreis, aber bei weitem nicht alle! Und ob glücklich oder nicht, können und sollen nur sie selbst beurteilen. Allerdings sieht das Gras vom Garten des Ein- Familienhauses-im-Nobelbezirk, auf dem die zwei bis drei Kinder von Herrn und Frau Dr. (mit Anfang 30) harmonisch spielen, schon wesentlich grüner aus als das Gras auf dem Bordstein vor der überteuerten Zweizimmer-WG-Altbau-Wohnung-im-Scheißbezirk von meiner Wieder-mal-Single- Freundin.

Und so kommt es, dass, je nachdem in welche Richtung meiner Generation ich schaue, die einen meinen Plan A leben und die anderen meinen Plan B erstreben! Und dann gibt es noch diese wundervolle Handvoll kreativer, chaotischer, intelligenter Menschen in meinem Leben, die hoffentlich immer einen erfolgreichen Plan B in petto haben!

I

Die Seilbahn

„Alice kann tun, was immer Alice möchte!!!“

Alice im Wunderland 2: Hinter den Spiegeln (2016)

„Oh und ich anscheinend auch..."

„BeaBu, wir steigen hier in die U-Bahn und fahren 20 Minuten bis direkt vor den Billardsalon. Schaffst du das?“ Hmm, schaff ich das? Ich schaute aus dem Fenster des Restaurants, in dem wir, meine Beste, ihr Freund und ich gerade noch zu Abend aßen. Die U-Bahnstation war nicht mal 100 Meter entfernt und ich fing an zu lachen. „Na klar schaff ich das!“, antwortete ich ganz großkotzig.

Hätte ich bloß den Mund gehalten! Denn gerade als wir beim U-Bahnhof ankamen, sagte Madame plötzlich: „Nicht dieser Eingang! Der da hinten! Geht das noch?“ Um mir nicht die Blöße zu geben, machte ich im selben Stil breitspurig weiter: „Ach, selbstverständlich geht das!“ Was kostet die Welt? Ich zahl 's!

20 Minuten später war der „Da-hinten-Eingang“ immer noch nirgends zu sehen. FUUuuuuuaaaaaa „BeaBu, alles ok? Wir hätten doch lieber ein Taxi nehmen sollen!“ Der Freund meiner Besten schaute mich leicht skeptisch an. Tja, und da war er wieder, der kleine Unterschied in meinem Leben!

Frage: Wie weit kann BeaBu heute laufen?

Rechenweg :

500m zusätzlich in guten Zeiten 5m

500m zusätzlich in schlechten Zeiten 42,195 km

500m zusätzlich, wenn es mir weder gut noch schlecht geht x

Antwort: Dieser unberechenbare Faktor X hat mir schon so einige Abenteuer beschert!

„Hab ich euch je von der Expo2000 erzählt?“, fragte ich schnaufend, aber augenzwinkernd.

„OMG! Wenn ich DAS überlebt habe, überlebe ich ALLES!

Ich war damals 17 und es waren gerade mal neun Monate vergangen, seitdem ich mit zig OPs meine vier Jahre Rollstuhlzeit überwunden hatte, indem ich wieder komplett neu laufen lernen musste.

Und was macht man mit seinen neu wiedergewonnenen Fähigkeiten? Na klar, man fahrt zum Klassenausflug (noch auf Krücken) auf ein 160 Hektar großes Messegelände! Klingt logisch? Nein? Für mich mittlerweile auch nicht! Aber damals... Na ja ich wollte eben mit dabei sein und im Rollstuhl ging es meistens nicht. Aber auf Krücken war ich frei! Natürlich wäre im Zuge der guten Inklusion niemandem in den Sinn gekommen, mich vor meinem eigenen Unsinn zu bewahren! Aber die Höhe war ein Typ aus der Parallelklasse, der sich extra die Krücken seiner Oma ,ausgeliehen' hatte, um nirgendwo anstehen zu müssen!

Das Ergebnis der Expo2000 im Vergleich:

Der Typ musste wirklich nirgends anstehen, wurde von A nach B von irgendwelchen Mitarbeitern im Golfkart mitgenommen und hatte es geschafft, fast die gesamte Expo zu sehen.

– Er hatte einen Supertag!

Ich hingegen wurde nirgendwo vorgelassen, habe nicht eine einzige Ausstellung gesehen und kam zwar mit dem Shuttlebus an das andere Ende des Messegeländes, aber zurück wurde ich ,wegen Überfüllung' jedes Mal am Rand stehen gelassen. Ich glaube, der Typ hat den Vergleich gewonnen.

Jedenfalls ging mir am anderen Ende der EXPO nur noch ein Gedanke durch den Kopf: Wie zur Hölle komme ich wieder zum Ausgang? Da fiel mir die Seilbahn über meinem Kopf auf. Praktisch: Der Eingang war nur ca. 50 Meter entfernt! Die Richtung stimmte auch schon mal und die Fahrt über würde ich mich entspannen, die Aussicht genießen und könnte wenigstens behaupten: ,Ich war auf der Expo2000 und habe sie aus der Luft gesehen!' Ach ja, immer diese herrlich romantischen Vorstellungen!

Die Realität:

a) Die verdammte Gondel hielt weder beim Ein- noch Aussteigen, was es eigentlich unmöglich für mich machte, sie zu betreten bzw. wieder zu verlassen und

b) Das vermaledeite Ding wackelte während der gesamten Fahrt und hatte keine Türen!

Verzweifelt genug, wollte ich mir das doch mal aus der Nähe anschauen, ganz nach dem Motto: Schauen kostet ja nichts und SCHWUPPS – saß ich ganz plötzlich drin und wackelte zig Meter über dem Erdboden in dem Ding ohne Türen, ohne Stoppschalter und ohne Möglichkeit, dort je wieder alleine aufzustehen, geschweige denn alleine rauszukommen.

Aber hey, ich saß und fuhr in Richtung Ausgang! Aber von wegen entspannt die Aussicht genießen: In meiner Panik konnte ich nicht eine Sekunde an etwas anderes denken als an eine Strategie, wie ich am Ende der Fahrt lebendig und ohne gebrochene Knochen aus der Gondel steige, um nicht bis ans Ende meiner Tage über der Expo2000 im Kreis zu schweben.

Und da war die Fahrt auch schon vorbei! Die Ausstiegsplattform näherte sich und nach drei Versuchen, selber aufzustehen, griff ein starker Arm in die Gondel und zog mich raus. Dabei rutschte ich auf dem Gehsteig aus und der starke Arm fing mich im Flug auf, während meine Krücke einem wild fotografierenden Asiaten an den Kopf flog! Wie peinlich!

Der starke Arm gehörte einem voll süßen Typen, und als ich noch rot anlief und ,Danke' stammelte, lud er mich schon auf eine Tasse Kaffee in der Eingangshalle ein, zu der praktischerweise die Seilbahn direkt geführt hatte. In dem Café verbrachte ich die restliche Zeit bis zur Heimreise (natürlich ohne Typ, der wollte schließlich die Expo sehen).“

„Wahnsinn! Aber da ich BeaBu schon seit Jahren kenne, weiß ich, dass man ihr alles zutrauen kann. Es ist immer ziemlich interessant, mit ihr zusammen ihre Grenzen auszutesten!" Mit diesen Worten betrat ich zwar fix und fertig, aber mit stolz geschwollener Brust den richtigen U-Bahn-Eingang und wir fuhren zum Billardspielen.

II

Das Beinahe-Hochzeitsfiasko I

„Das Leben ist wie eine Schachtel Pra...“

Forrest Gump (1994)

„Ach, red doch nicht von Sachen, von denen du keine

Ahnung hast“

„Von welchem Planeten kommen Sie denn?!?“ Da war er, dieser ungläubige, arrogante, herablassende Blick eines Oberarztes ohne Peilung! Hätte der Herr nämlich eine Ahnung gehabt, von welchem Planeten ich komme, so wäre er mir in den Allerwertesten gekrochen, wie alle Mediziner, um die OP durchführen zu dürfen, um die ich ihn jetzt voller Verzweiflung anflehte! Fehlanzeige: OP-Termin frühestens erst in sechs Wochen!

Und da war sie, meine persönliche Hölle!

Meine jüngere Schwester sollte in acht Tagen heiraten, am kommenden Tag war Junggesellinnenabschied, ich hatte seit knapp zwei Monaten einen neuen Job und war noch in der Probezeit. Und außerdem passte es mir so gar nicht, dass ich jetzt OP Nummer 27 (28? 29?) hinter mich bringen musste! Keine Ahnung, welche genau, ich hab nach Nummer 20 aufgehört zu zählen. Von den peinlichen Umständen, die dazu geführt hatten, mal ganz zu schweigen: Ich wollte doch einfach nur kurz vor Feierabend noch mal schnell zur Toilette...

Wegen der bevorstehenden Hochzeit war ich fleißig am Überstunden sammeln, um ein gutes Zeitfenster zum Abbummeln aufzubauen. Somit war ich bereits seit einer Stunde die Letzte aus meiner Abteilung, die noch am Arbeiten war. Ich rief meinen Mann an: „Hey Schatz! Ich muss eh in spätestens einer Stunde Schluss machen, also wenn du in ca. 45 Min. hier wärst und mich abholst, wär das super!“ Ich legte auf und überlegte, was ich in der Zwischenzeit noch erledigen müsste: Den Antrag hier noch abschließen, hmm, vielleicht schaff ich es noch, die eine Liste fertigzustellen. Oh! Und noch die Post wegbringen und eigentlich müsste ich Pipi! Da der Postraum sich direkt neben der Toilette befand, beschloss ich, schnell den Antrag fertigzustellen, dann die Post wegzubringen, auf dem Rückweg auf die Toilette zu gehen und, bis mein Schatz mich abholt, die Liste zu bearbeiten. Es lief auch alles wie am Schnürchen, bis ich auf Toilette ging! Beim Hinsetzen verschätzte ich mich um vielleicht fünf cm in der Höhe und krachte das letzte Stück voll Karacho auf die Toilettenbrille. Ergebnis: Toilettenbrille gesprungen und Hintern eingezwickt! Aber das Schlimmste entdeckte ich erst, als ich versuchte, wieder aufzustehen: Mein linkes Knie war ausgerenkt und begann höllisch zu schmerzen! Intuitiv tastete ich nach meinem Handy und leichte Panik ergriff mich: Ich hatte es auf dem Schreibtisch liegen gelassen! Ich dachte ja auch, ich sei gleich zurück! Und nun? Kein Mensch mehr da, mein Schatz kam ohne meine Schließkarte nicht ins Gebäude. Und ich? Ich saß mit runtergelassener Hose auf der Arbeit und weinte! So saß ich eine gefühlte Ewigkeit da, bis die Putzkolonne mich fand und mir unter der Toilettentür mein Handy durchreichte! Zuerst rief ich meinen Mann an und danach die Feuerwehr. Dass die mich überhaupt ernst nahmen, war für mich ein Wunder. Denn bei der Schilderung, was passiert war, vermischten sich mein Schmerz und die Idiotie meiner Situation zu einem hysterischen Lachanfall! Vielleicht hat das erst recht die Notlage untermalt, denn keine zehn Minuten später kamen die Rettungssanitäter (mit meinem Mann im Schlepptau) bei mir an! Nachdem die halbe Toilette auseinandergenommen und ich ordentlich betäubt wurde, kam ich ins Krankenhaus. Diagnose: Inlaybruch im künstlichen Kniegelenk! Übersetzung: Bettlägerig bis ein Ersatzteil im Knie ersetzt würde oder, noch besser gesagt, wenn ich nicht innerhalb der nächsten vier Tage operiert würde, war ich im Ar@$&!

„(...) Sie werden in der ganzen Stadt niemanden finden, der Sie früher operieren wird!“ Und mit diesen Worten verließ der Oberarzt schnaubend das Zimmer! Ok, was nun? Meine anwesende Mutter drohte, im Selbstmitleid zu zerfließen, mein Mann und meine Schwester warteten telefonisch auf ein Update, aber diese Information wollte ich gar nicht erst weiterleiten, ohne alle Alternativen ausgeschöpft zu haben! Und da kam mir die zündende Idee: Ich würde meinen Haus-und-Hof-Chirurgen anrufen, den, der mich auf die Beine gestellt und seitdem x-mal operiert hatte! Das ganze hatte allerdings gleich zwei Haken: 1. Es war Urlaubszeit und es war somit höchst fraglich, ob er nicht verreist war. Und 2. Selbst wenn er vor Ort war, bedeutete in dem Fall „vor Ort“ immer noch 800 km entfernt! Aber hey, was soll’s? Sollten die mich doch gegebenenfalls dorthin transportieren und dort operieren. Egal wie, Hauptsache zackig, damit ich nicht die Hochzeit meiner Schwester ruinieren und meine Probezeit nicht mit unnötiger Abwesenheit gefährden würde! Solange ich Mittwochabend wieder zuhause war, wäre alles safe!

Binnen Sekunden hatte ich meinen Chirurgen am Telefon: „Hallo BeaBu, lass mich raten: Wenn es nach dir ginge, wäre die OP am besten gestern schon gewesen? Das ist aber auch wirklich ein besch..... Timing!“ Und er fing tatsächlich an zu lachen. Meine gesamte Anspannung löste sich in Luft auf: Ja, genau dafür liebte ich ihn, der checkte meine Problematik sofort! Meine Ansprüche waren also doch nicht so abwegig und unverständlich, um mir vorwerfen zu lassen, ich stamme nicht von der Erde! Blieb noch die Frage der Umsetzung. Und als hätte er meine Gedanken gelesen, fuhr er fort: „Ich hab in deiner Nähe einen Studienfreund, der ist Chefarzt im Krankenhaus XY. Ich hoffe nur, er ist nicht gerade im Urlaub! Ich melde mich gleich wieder bei dir!“ Mein Held, der mir den Hoffnungsschimmer gab, den ich so sehr benötigte! Nicht einmal zehn Minuten später kam der rettende Anruf: „BeaBu, lass dich sofort ins Krankenhaus XY verlegen. Herrn Prof. Dr. Chefarzt ist es eine große Ehre, dich noch heute zu operieren!“ — Na geht doch!

Ganz so einfach war es dann aber doch nicht.

Zwar war der Gesichtsausdruck vom Oberarzt samt Stationsschwester unbezahlbar, als ich sie in Kenntnis setzte, mich verlegen zu lassen, aber mit Entlassung, Transport und Voruntersuchungen, war es bereits 17 Uhr, als sich der Assistenzarzt bei mir meldete und mitteilte, dass, da sich der Tag so in die Länge gezogen hatte, der Chefarzt mich am Montag als erstes operieren wollte, um geistig und körperlich fit zu sein. Ich fing an zu rechnen: Montag OP, dann Mittwoch Schläuche ziehen und Donnerstag früh entlassen werden. Mist, könnte knapp werden! Sehr knapp, da die standesamtliche Trauung für Donnerstag elf Uhr angesetzt war. „Richten Sie bitte Ihrem Prof. Dr. Chefarzt aus, ich danke für die schnelle Hilfe, Montag ist mir sehr recht!“

Ja, es war mir recht, denn Montag war bei weitem besser als in sechs Wochen.

Fortsetzung folgt...

III

Willkommen im Süden

„Wer hier herkommt, wird zweimal weinen, wenn er

ankommt und wenn er geht!“

Willkommen im Süden (2010)

„Mamma Mia, wem sagt er das?!“

„LAAAUUUUUUFFFF! Schnell, BeaBu, beeil dich! Siehst du da drüben hinter der Straße den Seiteneingang vom Stadion? Die drei Stufen hoch, da sind wir in Sicherheit!“ Blanke Panik sprach aus meiner Mutter. Zuerst verstand ich nicht, was sie meinte, aber dann hörte ich schon die Glocken aus der Ferne hinter uns und es fiel mir wie Schuppen von den Augen: Wie konnte ich nur so auf dem Schlauch stehen! So schnell wir können, liefen wir über die Straße auf den Seiteneingang des Stadions zu. Und da brach hinter uns auch schon die Hölle los...

Die Vorgeschichte...

In den Tiefen der bayrischen Alpen beschloss jemand, eine Kinderklinik in ein wundervolles, malerisches Städtchen zu bauen. Vielleicht war ihm das Städtchen einfach zu verschlafen, vielleicht aber war es für ihn auch schlicht zu eintönig, jedenfalls war damit spätestens Schluss, als aus dem 1926 ursprünglich erbauten „Kindergenesungsheim der Inneren Mission" im Kampf gegen die Tuberkulose 1952 die größte Kinderrheumaklinik entstand1. Seitdem tingeln jährlich tausende junge Rheumatiker aus ganz Deutschland und Europa in die traumhafte Postkartenmotiv-Umgebung, um in den Genuss eines hochkompetenten, interdisziplinär wertgeschätzten und atmosphärisch einzigartigen Krankenhauses zu kommen und zusätzlich die leckeren Cocktails zur bestgelegenen Happy-Hour vom Mexikaner um die Ecke zu schlürfen... und Chaos zu verbreiten. Meine Schwester bezeichnete es mal sehr treffend als „Ferienlager mit Medikamenten". Als ich jedoch damals mit 14 Jahren zum ersten Mal dorthin kam, war ich alles andere als begeistert. Ich war eine an den Rollstuhl gefesselte, von allen Seiten abhängige Großstadtgöre in der tiefsten Provinz. Und obwohl ich mir im Vorhinein ziemlich viel von dem Aufenthalt versprochen hatte, war ich not amused zu erfahren, dass ich beim Erstaufenthalt sechs bis acht Wochen in diesem Kaff verbringen darf. Am Ende wurden es sogar zweimal acht Wochen mit einer Unterbrechung, als sie mich für zwei Wochen nach Hause entließen.

Zugegebenermaßen blieben zumindest für die ersten zwei Wochen meine Mutter und meine kleine Schwester in einem Apartment vor Ort. Die darauffolgenden Wochen schaffte sie es, jeden Freitag 700 km zu mir hoch (bzw. runter) und sonntags wieder zurück nach Hause zu fahren. Freitags schaffte sie es sogar mir immer noch einen Gutenachtkuss zu geben. Samstags und sonntags holte sie mich nach dem Frühstück ab und wir verbrachten die Tage außerhalb der Klinik, bevor sie sonntags am späten Nachmittag wieder 700 km nach Hause fuhr. Immer mit meiner kleinen Schwester im Schlepptau, manchmal auch zusammen mit meinem Vater oder ab und zu in Begleitung meiner Großeltern – einmal sogar mit allen zusammen.

Derweilen gab es unter der Woche ein ziemlich striktes Programm: Abgesehen von festen Essenszeiten mit Medikamenten und anschließender Zwangspause von 15 Minuten, um die Gelenke mit Kühlpacks zu temperieren, war man selbständig für seine Termine im Haus, für tägliche Physiotherapie, Ergotherapie, Massagetherapie, Elektrotherapie und Schwimmen verantwortlich. Von Montag bis Freitag gab es vom Sozialdienst immer ein Abendprogramm, an dem man sich freiwillig beteiligen konnte. Meistens waren es irgendwelche Unternehmungen wie Billard spielen, Videoabende, Kinobesuche oder Kickerturniere. Und die restliche Zeit dazwischen konnte man machen, was man wollte, und als minderjähriger Jugendlicher auch die Klinik tagsüber verlassen, natürlich nur mit schriftlicher Erlaubnis der Eltern. Man musste nur seine Termine einhalten, zu den Mahlzeiten vor Ort sein und sich bis 20.00 Uhr wieder auf Station melden (als Volljähriger um 22.00 Uhr zur Klinikschließzeit). Dann konnte man einkaufen gehen, die Stadt unsicher machen, die Umgebung erkunden, an den See fahren und und und... Aber das Tollste waren immer die Freunde, die man in der Klinik fand, mit denen man dann die Termine und die Freizeit zusammen gestalten konnte. Manche von den damals geschlossenen Freundschaften blieben auf Dauer bestehen, andere trafen sich immer wieder nur dort, manche stimmten ihre Aufenthalte miteinander ab und manche hatten den typischen Ferienlager-Charakter: „Wir werden immer beste Freunde bleiben und ich werde dir ganz oft schreiben und wir telefonieren“ – und noch bevor man zu Hause ankam, wusste man, dass das nie passieren würde. Nach meinem ersten Aufenthalt fuhr ich noch ein paar Jahre jährlich zur Kontrolle und irgendwann war ich so gut eingestellt, dass ich nicht mehr hin musste.

Bis zum Sommer, als ich mit 25 Jahren wieder hinfuhr. Meine Medikamente mussten neu eingestellt werden und nach langem Hin und Her waren die Ärzte in meiner geliebten Großstadt mal wieder unfähig und ich beschloss: Die Kinderklinik ist immer eine Reise wert! Sobald ich den Fuß über die Schwelle der Klinik gesetzt hatte, verfiel ich zurück ins Teenagerdasein. Ich schloss mich einer witzigen Gruppe von 16- bis 21-Jährigen an und hatte so viel Spaß wie damals. Wir erledigten unsere Pflichttermine gemeinsam, gingen Cocktails trinken und fuhren an den See zum Schwimmen. Selbst meine Mutter kam mich wieder am Wochenende besuchen.

Und so begann das oben beschriebene Actionfilm- Szenario...

Meine Mutter holte mich am Samstag wie gewohnt nach dem Frühstück ab und wir erkundigten uns bei meiner Lieblingskrankenschwester nach einem netten Restaurant zum Mittagessen, was wir vielleicht noch nicht kennen würden. Etwas uriges, vielleicht auch etwas weiter weg, vielleicht mit Aussicht. Da fiel ihr ein passendes oben auf einem kleinen Berg ganz in der Nähe des Eishockey-Stadions ein. Wir nahmen uns ein Taxi und 20 Minuten später waren wir dort. Es war traumhaft. Das Wetter war toll, die Aussicht bombastisch und das Essen war vorzüglich. Beim Verlassen entdeckte ich ein Schild, auf dem der Wanderweg den Berg hinunter zum Eishockey-Stadion beschrieben war und noch bevor