Beautiful Secrets (1). Das Spiel beginnt - Lisi Harrison - E-Book

Beautiful Secrets (1). Das Spiel beginnt E-Book

Lisi Harrison

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Beschreibung

Sheridan, Andrew, Lily, Vanessa und Jagger haben es geschafft. In ihrem ersten High-School-Jahr werden sie mit dem Phoenix Award ausgezeichnet und sind damit die angesagtesten Schüler der Noble High. Doch es hat sich ein Verräter unter sie gemischt. Einer der Fünf will die Blendereien der Phoenixe aufdecken und dabei schreckt er auch nicht davor zurück, ihre dunkelsten Geheimnisse zu offenbaren.

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Seitenzahl: 250

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Lisi Harrison

Beautiful Secrets

Das Spiel beginnt

Aus dem Amerikanischen von Simone Wiemken

Weitere Bücher von Lisi Harrison im Arena Verlag: Die Glamour-Clique (Bd. 1–17) Monster High. Eine Party zum Verlieben Monster High. Fledermäuse im Bauch Monster High. Happy Birthday unterm Vollmond Monster High. Ein Date zur Geisterstunde

Die gleichnamigen Hörbücher der Reihe Monster High sind bei Arena audio erschienen.

Die Personen und Ereignisse in diesem Buch sind fiktiv. Namen, Charaktere, Schauplätze und Handlungen entspringen der Fantasie der Autorin oder sind frei erfunden. Jede Ähnlichkeit zu realen Ereignissen, Orten sowie lebenden oder toten Personen ist zufällig.

Copyright © 2013 by Lisi Harrison. All Rights Reserved. Dieses Werk erschien erstmals 2013 bei Poppy, einem Imprint von Little, Brown and Company, einem Unternehmen der Hachette Book Group Inc., New York, unter dem Titel »Pretenders«

1. Auflage 2013 © für die deutsche Ausgabe 2013 Arena Verlag GmbH, Würzburg Alle Rechte vorbehalten Aus dem Amerikanischen von Simone Wiemken Covergestaltung: Frauke Schneider Vignetten: Felicitas Horstschäfer ISBN 978-3-401-06983-8

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Inhaltsverzeichnis

Vorwort

Einleitung

Sheridan

Duffy

Jagger

Lily

Lily

Vanessa

Jagger

Lily

Sheridan

Duffy

Jagger

Lily

Sheridan

Vanessa

Lily

Sheridan

Jagger

Sheridan

Duffy

Lily

Sheridan

Vanessa

Jagger

Duffy

Lily

Duffy

Jagger

Vanessa

Sheridan

Lily

Vanessa

Sheridan

Duffy

Vanessa

Lily

Vanessa

Sheridan

Duffy

Lily

Jagger

Vanessa

Sheridan

Duffy

Lily

Sheridan

Jagger

Duffy

Sheridan

Jagger

Vanessa

Lily

Vanessa

Lily

Sheridan

Duffy

Vanessa

Jagger

Lily

Epilog

Danksagungen

Dieses Buch ist den Phoenix-Five des Jahrgangs 2012/2013 gewidmet:

Sheridan Spencer, Andrew Duffy, Lily Bader-Huffman, Vanessa Riley und Jagger.

Vergebt mir.

Vorwort von Lisi Harrison

Wie schüchterne Schulanfänger huschten stahlgraue Sturmwolken über den Himmel, der die Noble High School überspannte. Die Sommerferien waren vorbei. Die Hefte noch leer, die Turnschuhe sauber, die Zukunft unbekannt. Einzig auf den siebten Erste-Schultag-Dauerregen in Folge konnte man sich verlassen.

Die älteren Schüler und sogar einige Lehrer behaupteten, der Regen bestünde in Wirklichkeit aus den Tränen der panischen Neuntklässler. Denn abgesehen von den Stressfaktoren (peinliche Klamotten-Entgleisungen, feuchte Haare, blöd gelegene Schließfächer, Tablett-Zusammenstöße in der Cafeteria und Mobber, die arme Loser quälen) erwartete man von den Schülern der Noble High hervorragende Leistungen. »Leiste etwas oder verzieh dich« war das inoffizielle Motto und »Harvard unter den Highschools« der inoffizielle Name.

Die Schule stand schon seit fast zwei Jahrzehnten landesweit auf Platz eins der Rankinglisten und die meisten Familien waren nur wegen dieser prestigeträchtigen Einrichtung nach Noble gezogen. Ohne die Schule wäre Noble nur ein unbedeutendes Städtchen an der I-95 gewesen, ein weiteres Unkrautpflänzchen im Garden State New Jersey.

Nicht, dass es jemals dazu kommen würde. Skandale zerstörten Schulen, aber an der Noble High hatten Skandale keinen Zutritt. Doch das änderte sich am Labor-Day-Wochenende 2013.

Als die Schüler nach den Ferien wieder in die Schule strömten, lehnten an ihren Schließfächern gebundene Kopien gestohlener Tagebücher, die fünf Schüler des Freshman-Jahrgangs im vergangenen Jahr geschrieben hatten. Tagebücher, die niemals jemand hätte lesen sollen. Nun würden die Wolken über der Noble High nicht nur einen Tag lang Tränen regnen, sondern viele Monate.

Einleitung

September 2013

Die folgenden Tagebucheinträge sind zu 100% echt und zu 100% unverändert. Ich sollte es wissen. Viele davon stammen von mir.

Gebt Ms Silver keine Schuld. Sie wollte wirklich nur, dass wir lernen, unsere Gefühle auszudrücken, und so zum geschriebenen Wort zurückfinden, statt nur noch auf einen Bildschirm zu starren. Sie hat unsere Tagebücher tatsächlich im Lehrerzimmer eingeschlossen, wie sie es versprochen hatte. Wenn ihr jemandem die Schuld geben wollt, gebt sie mir.

Mein Foto ist auf Seite 18 des Noble-High-Phoenix-Jahrbuchs von 2012/2013. Ich bin einer der Phoenix-Five. Ihr habt mich gewählt. Ihr habt gedacht, ich wäre einer der überragendsten Schüler im Freshman-Jahrgang. Ihr habt euch geirrt.

Trotzdem habe ich die Ehrung akzeptiert. Habe so getan, als wäre ich etwas Besonderes. Aber ich konnte nicht aufhören, darüber nachzudenken, wie es wohl wäre, wenn es tatsächlich stimmen würde, wenn ich tatsächlich so überragend gewesen wäre. Woran denken überragende Leute? Was essen sie zum Frühstück? Machen sie sich Sorgen? Ist das Leben einfacher, wenn man mit einer besonderen Begabung, Intelligenz, Sportlichkeit, einem tollen Aussehen oder besonders viel Geld geboren wird? Ich wollte es unbedingt wissen. Deswegen habe ich das Schließfach aufgebrochen und alle fünf Tagebücher gestohlen.

Ich verbreite sie nicht aus Eifersucht oder um mich zu rächen. Ich tue es, weil ich es satt habe – und ich weiß, dass es euch genauso geht. Der Preis für den Erfolg ist viel zu hoch, und So-tun-als-ob ist die einzige Methode, ihn zu erreichen. Eure Facebook-Profile sind gefälscht, eure Fotos bearbeitet, unsere Reality Shows folgen Drehbüchern, Schönheitschirurgen vergeben Updates für Körperteile und sogar Profisportler lügen und betrügen. Nichts von dem, an das wir glauben, ist echt. Alle tun nur so, als ob.

Diese Tagebücher sind der Beweis.

Es ist an der Zeit, sich aus der Asche der Selbsttäuschung zu erheben und unser wahres Ich zu akzeptieren. Die Buchstaben in Phoenix umzustellen und von nun an X-Phonies zu sein. Erst dann, und nur dann, werden wir wirklich wissen, wie es sich anfühlt, tatsächlich überragend zu sein.

Willkommen im Oberstufenjahr

X-PHONIE

(Oder einfach nur X. Klingt cooler.)

Sheridan

4.9.12

INNENRAUM. NOBLE HIGH – BALD MITTAGSPAUSE

Ein Klassenraum umgibt uns. SHERIDAN SPENCER, eine reizende Neue, sitzt in der mittleren Reihe auf dem Platz in der Mitte. Sie lässt ihren Kugelschreiber klicken und fängt an zu schreiben.

Mein erster Morgen an der Noble High war nicht mit besonders viel Händchenhalten verbunden. Genauer gesagt, überhaupt nicht. Was total okay ist. Allerdings bin ich es anders gewohnt.

Man sollte meinen, dass ich mit Veränderungen gut klarkomme, weil ich mich regelmäßig in Promis hineinversetze, um mein Selbstbewusstsein zu pushen. Jetzt zum Beispiel tue ich so, als wäre ich Blake Lively. Aber um ganz ehrlich zu sein – und ich will unbedingt ehrlich sein: Erste Schultage sind immer fies, egal, wie berühmt man tut.

Wenn ich (als Blake) irgendwo neu bin, werde ich sofort begrüßt. Man führt mich über das Set und ich kriege ein Dr Pepper auf Eis, ohne Strohhalm. Mein Wohnwagen ist genauso ausgestattet, wie ich es verlangt habe, in lässigem Chic und mit einem Riesenvorrat an original tropischen und sauren Gummifrüchten. Aber an diesem Morgen? Nichts von alldem. Der einzige Fruchtgeschmack in meinem Mund kam von dem Marshmallow-Frucht-Frühstücksflocken-Rülpser, den ich am Ex und Hopp zu unterdrücken versuchte. (So heißt die Stelle, an der die Eltern kurz halten dürfen, um ihre Kids abzusetzen oder abzuholen.)

FLASHBACK.

Es geschah, während ich dabei zusah, wie die Rücklichter des BMW M5 meines Dads im Morgennebel verschwanden. Ich war nicht allein, meine beste Freundin Audri Dunsing war bei mir. Wir nehmen sie immer mit, weil wir im selben Neubaugebiet wohnen und…aber später mehr über sie. Wir blieben also erst mal am Ex und Hopp stehen, weil wir noch keine Ahnung hatten, wohin wir gehen sollten. Vermutlich hätten wir einfach nur allen anderen folgen sollen, aber wir mussten erst den Schock verdauen, wie gigantisch diese Schule aussah – unsere letzte war im Vergleich winzig gewesen. Jedenfalls regnete es und ich versuchte, meinen Schirm mit dem Zebramuster aufzuspannen. Rucksäcke rempelten uns an und es herrschte das totale Chaos. Natürlich riecht Audri genau in diesem Moment meine Rülpswolke und schreit:

Iiiiihhh, Sheridan! Musst du hier rumrülpsen?

Hastig trage ich noch mehr knallroten Lippenstift auf, was mir hilft, mich noch ein wenig an meiner Blake-Identität festzuklammern. Aber es reicht nicht. Ich bin wie erstarrt. Ich also: Widerlich! Was stinkt hier so?, und wedele unschuldig in der Luft herum. Dabei treffe ich eine ältere Schülerin im Blair-Waldorf-Look am Hals.

Entschuldige, das war keine Absicht. (Ich)

Pass doch auf, du blöde Kuh! (Sie)

Kennt ihr diese Zeichentrickfilme, in denen der Kojote über eine Klippe rast und in der Luft stehen bleibt? Erst wenn er dann nach unten sieht und erkennt, dass er ein Problem hat, stürzt er in die Tiefe. Genau das passierte mit mir, als Blair und ihre Freundinnen anfingen zu lachen. Da wurde mir klar, dass ich nicht Blake Lively war, und jetzt war es mein Selbstbewusstsein, das in die Tiefe stürzte – komplett mit pfeifendem Soundeffekt und allem, was dazugehört. Was mich wieder in mich selbst verwandelte: Sheridan Spencer, zukünftiger Star aus Film, Fernsehen, Computer und Tablet und natürlich auch in allen anderen Medien. Im Moment allerdings nur die totale Peinlichkeit.

Ich ziehe Audri vom Weg auf den Rasen – der übrigens riesig ist. So groß wie Spencer BMW (das Autohaus von meinem Dad), auf dem Hunderte von Autos und SUVs Platz haben. Ich fahre sie an: Vielen Dank auch, Audri!

Natürlich fängt sie sofort an, hektisch zu blinzeln, und ich weiß genau, wohin das führen wird. Ja, ich habe mehr Bühnenerfahrung als Audri. (Ich habe die Hauptrolle gespielt in Der Zauberer von Oz, Die Hexen von Oz, Annie, Mary Poppins, Die Schöne und das Biest, Hänsel und Gretel, High School Musical, Die kleine Meerjungfrau, Grease und sechs weiteren Aufführungen der Weihnachtsgeschichte.) Aber wenn es um unechte Tränen geht, ist sie unschlagbar. Der Leiter unserer alten Theater-AG hat sie immer Meryl Weep genannt.

Wieso musstest du das mit meinem Rülpser herumposaunen? (Ich) So leicht kam sie mir nicht davon.

Schnief, schnief. Es tut mir leid. (Meryl)

Sie nahm ihre Brille mit dem blauen Gestell ab, steckte sie in die Tasche ihrer Lucky-Brand-Jeansjacke und wischte sich über die tränennassen Wangen. Ich verdrehte die Augen.

Hör sofort auf zu heulen, Frischling! (Irgendein blonder Typ)

Er hatte einen unordentlichen Stufenschnitt und blaue Augen wie Niall Horan von One Direction. Allerdings nichts von Nialls Charme. Seine hängenden Schultern lassen vermuten, dass er nie auf einer Bühne gestanden hat. Nach dem Spruch mit dem Heulen kam noch: Ich fahr ein Cabrio. Wenn es jetzt wegen dir regnet, stopf ich dich in den Kofferraum.

Dann klimpert er mit seinen Autoschlüsseln vor Audris Nase herum, wie es meine Mom immer bei den Zwillingen gemacht hat.

Was wollte der denn? (Ich, nachdem er weg war)

Audri zuckte nur mit den Schultern und setzte ihre Brille wieder auf.

FLASHBACK ENDE.

Was immer dieser Versager von Null Direction mit dem Regen gemeint hat, es war korrekt. Es schüttet schon seit Stunden. Die gute Nachricht ist, dass ich mich nicht noch mehr blamiert habe. Die grauenvolle Nachricht ist, dass Audri und ich keinen einzigen Kurs gemeinsam haben. Wir haben sogar unterschiedliche Lunchzeiten. Und bis jetzt hat sich niemand die Mühe gemacht, mich auch nur anzusprechen. Vielleicht werde ich mich morgen in eine nettere Blondine verwandeln müssen wie etwa Reese Witherspoon.

Ms Silver hat uns gerade gesagt, dass uns nur noch zehn Minuten bleiben. Bis jetzt ist sie meine Lieblingslehrerin. Wir haben die ganze Stunde nur in unsere Tagebücher geschrieben. Sie will, dass wir bis zum Ende des Schuljahrs das ganze Buch vollschreiben. Sie schwört, dass sie nichts davon lesen wird. Um es zu beweisen, hat sie uns diese Lederhüllen mit einem Schloss gegeben. Sie sagt, dass sie am Ende des Schuljahrs die Tagebücher durchblättern wird, um sich zu vergewissern, dass sie voll sind, aber das ist dann auch alles. Es geht ihr nur darum, uns vom Computer loszueisen. Ich werde alles aufschreiben und aus meinen Gedanken irgendwann eine Ein-Frau-Show machen. Ich kann es kaum erwarten, Audri davon zu erzählen, damit sie das Gleiche machen kann.

WOW! Der Typ neben mir schreibt wie ein Wilder. Ich kann nicht anders. Ich muss zu ihm rübersehen.

Oh, wie peinlich! Genau in dem Augenblick, in dem ich zu ihm rüberlinse, guckt er ebenfalls. Ein simultaner Seitenblick sozusagen. Der perfekte Moment in jeder romantischen Komödie. Ich verziehe meine Augenwinkel zu schmalen Lächelfalten (wie Blake). Ich muss mit meinem knallroten Lippenstift so umwerfend aussehen, dass er ganz nervös wird und schnell wegschaut. Es sieht so aus, als hätte er lauter Herzchen in sein Tagebuch gemalt!

Sind die vermeintlichen Herzchen für mich? Ist er überhaupt süß? Ich will noch einen Blick riskieren, aber…

Es läutet.

Fortsetzung folgt.

ENDE DER SZENE.

DUFFY

Dienstag

Andrew Duffy. Andrew Duffy. Andrew Duffy. Andrew Duffy. Andrew Duffy. Andrew Duffy. Andrew Duffy. Alle nennen mich nur Duffy. Duffy. Duffy. Duffy. Duffyyyyyyyyy.

Duffy.

Duffy.

Duffy.

Duffy.

Duffy.

Duffy.

Duffy.

Äh. Äh. Äh. Äh. Äh. Äh. Äh. Äh. Äh. Äh. Äh. Äh. Äh. Äh. Äh. Äh. Äh. Äh. Äh. Äh. Äh. Äh. Äh. Äh. Äh. Äh. Äh. Äh. Äh. Äh. Äh. Äh. Äh. Äh. Äh. Äh.

Wie soll ich in einem Jahr 250 Seiten über Gefühle vollschreiben? Haben Menschen überhaupt 250 Gefühle?

Ich würde ja Ms Silver fragen, aber sie hat »keine Fragen« gesagt. Wir sollen einfach schreiben. Uns keine Gedanken um Rechtschreibung, Grammatik oder Satzbau machen. Einfach schreiben. Sie hat noch irgendwas über Stress gesagt und darüber, was es bedeutet, ein Frischling zu sein, aber da habe ich gerade gegähnt, und wenn ich gähne, bin ich einen Moment lang taub. Also hab ich das verpasst. Dann hat sie uns diese Hüllen mit dem Schloss gegeben, damit unsere Gedanken privat bleiben. Aber das Logo auf meiner sieht genauso aus wie das auf den Verpackungen mit dem Intim-Waschkram, die meine Schwestern immer in den Mülleimer stopfen. Eine halb offene Blüte oder so was.

Äh, Ms Silver, ich weiß echt nicht, wie mir ein Haufen Gefühle dabei helfen soll, es zu überleben, ein Frischling zu sein. Schätze eher, dass ich deswegen gekillt werde. So ein dürrer Typ am Fenster klopft pausenlos mit einem Stift auf sein Tagebuch. Das nervt irgendwie, ist aber auch echt frech, weil er der Lehrerin damit deutlich zu verstehen gibt, was er von der ganzen Sache hält. Sie schaut immer wieder von ihrem Laptop auf, aber er macht einfach weiter. Ich wette, dass er der Klassenclown unseres Jahrgangs ist. Letztes Jahr war es Benji Stryker. Er hat Hud die DS geklaut und ihm angeboten, sie ihm zum doppelten Preis wieder zu verkaufen. Und Hud hat tatsächlich –

Ms Silver hat sich den Trommeltypen vorgenommen. Er trägt so ein altes Rolling-Stones-T-Shirt und sie hat ihn Mick genannt. Fast alle lachen darüber. Ich nicht. Ich hätte es viel cooler gefunden, wenn sie ihn Charlie Watts genannt hätte, denn Charlie ist der Drummer der Stones. Allerdings sieht der Typ tatsächlich irgendwie aus wie Mick, auch wenn der echte Mick braune Haare hat und dieser Typ kastanienbraune. (Ich weiß, dass das rotbraun bedeutet, weil meine Schwester Mandy ständig das Badezimmer mit ihrem »kastanienbraunen« Haarfärbezeugs verpestet.) Aber die beiden haben einen ähnlichen Haarschnitt. Ihr wisst schon, lang und zottig. Und er hat dieses Froschgesicht, auf das Mädchen total abfahren würden, wenn er berühmt wäre. Jedenfalls hat er jetzt mit seiner Stift-Hämmerei aufgehört, und das ist zumindest etwas.

Ich würde mich gern umdrehen und nachschauen, was Coops macht, also werde ich es tun. Ich werde mich umdrehen und nachschauen, was Coops macht. Eins, zwei, drei…

Ich sehe nur Coops Hinterkopf. Er hat entweder Läuse oder Schuppen, denn da ist jede Menge weißes Zeug in seinen Haaren. Er hält den Kopf so tief übers Papier gebeugt, als würden wir eine Klassenarbeit schreiben. Was schreibt der da? Unser Kumpel Hudson ist in einem anderen Kurs. Das ist okay, schätze ich. Wir sind zusammen im Basketballteam. Ich kann das Probetraining kaum erwarten. In der Schulmannschaft zu sein, wird total cool.

Was jetzt? Was jetzt?

Was jetzt?

Was jetzt?

WAS JETZT?

Diese »Was hast du in den Ferien gemacht«-Aufsätze waren immer klasse, weil ich jedes Jahr dasselbe schreiben konnte.

1. Zuhören, wie sich meine großen Schwestern fetzen.

2. Basketballcamp.

3. Nach dem Camp Körbe werfen mit Coops und Hud, um nicht zuhören zu müssen, wie sich meine großen Schwestern fetzen.

4. Mit Dad auf eine Nur-für-Jungs-Angeltour gehen, damit wir nicht zuhören müssen, wie sich meine großen Schwestern fetzen.

Eigentlich hatte ich den Aufsatz in einem Absatz zusammengefasst, mich dann aber für diese Version entschieden, weil es durchnummeriert nach mehr aussah.

Duffy. Duffy hat den Ball. Duffy stürmt nach vorn. Duffy ist nicht aufzuhalten. Duffy wirft den entscheidenden Korb!

Jooooooooooooooooooooooooooooooooooooooooooooooooooooooooooooooooooooooooooooooooooooo.

Ein Mädchen in einem gelben Kleid beobachtet mich gerade, wie ich die ganzen Os hinschreibe. Sie lächelt. Sie hat knallroten Lippenstift am Zahn. Ich wende mich so hastig ab, als hätte ich gerade ein total wichtiges Gefühl, das ich unbedingt sofort aufschreiben muss. Und jetzt schreibe und schreibe ich, nur damit ich beschäftigt wirke. Hoffentlich sagt ihr das jemand mit ihrem Zahn. Es sieht aus wie Blut, aber ich weiß, dass es keins ist, weil meiner Bubbie Libby das auch dauernd passiert.

Bubbie ist der Kosename, den Juden ihrer Großmutter geben. Wir sind keine Juden. Aber Bubbie Libby ist eine. Sie ist konvertiert, als Opa starb, weil sie findet, dass jüdische Männer gute Zuhörer sind, und bevor sie stirbt, will sie herausfinden, wie es ist, ein gutes Gespräch zu führen. Deswegen wohnt sie bei uns und wartet auf den Auserwählten. Wer immer das sein soll.

Vielleicht maile ich heute Abend mal Amelia. Sie hat ein Stipendium für ein Mädchencollege in New York. Sie steht auf Poesie und Frauenrechte und redet dauernd von Mädchensachen, von denen mein Dad und ich NICHTS hören wollen. Aber sie kennt sich mit Tagebüchern aus und hat massenweise davon in einem Tresor. Als würde jemand das ganze Zeug lesen wollen.

Es läutet.

JAGGER

4. Sept.

Gefühle? Wohl kaum. Ich habe keine Gefühle mehr seit dem 13. Februar 2012 – als meine Eltern in den Knast gekommen sind.

Ich bin mit 14 erwachsen geworden.

Jetzt bin ich 15.

Ich lebe allein.

Ich kümmere mich um meinen Kram.

Ich hab keine Zeit für Gefühle.

Mein Name ist Jagger.

Ich hab nicht mal Zeit für einen Nachnamen.

Lily

Dienstag, 4. September 2012

Ich heiße Lily, ich werde nächsten Monat 15 und ich esse für drei. Oder vielmehr für vier, wenn man mich mitzählt. Und eins ist klar: Mom und Dad haben keine Peilung, weil ich immer noch total dünn bin. Danke, Karess.

Karess ist nicht nur Personal Trainer Schrägstrich DJ, er ist auch der Vater meiner Drillinge. Er steht auf Namen mit K.

Zurück zu meiner Figur.

Karess hat mir zu Proteinriegeln und Energydrinks geraten, damit ich keinen Babyspeck ansetze, und ob ihr’s glaubt oder nicht: Ich bin im fünften Monat und hab schon fünf Kilo abgenommen. Cool, was?

Sobald man es mir ansieht, werden wir mit dem Bus nach L.A. fahren und ein Fitnessstudio aufmachen, das Kut heißen wird. Die Mitgliedschaft wird eine Million Dollar kosten, damit wir schon nach einem Tag stinkreich sind. Karess will, dass die Kinder Karb, Kalorie und Kardio heißen. Ich liebe ihn. Liebe ihn. Liebe seinen Einfallsreichtum.

Schule ist was für Nicht-schwangere-Loser. Wieso soll ich dieses dämliche Tagebuch vollschreiben, wenn wir doch ein Studio eröffnen? Außerdem zittert meine Hand zu sehr, weil ich sieben Energydrinks auf leeren Bauch getrunken habe. Also, leer, was Essen betrifft, nicht leer, was die Drillinge angeht. Jedenfalls ist das Schreiben schwierig.

Stunde ist um. Nächster Halt Chemie.

Lily

Dienstag, 4. September 2012

(Mitternacht)

Ich habe mein Tagebuch volle sechs Stunden auf dem Küchentisch liegen lassen. Mom hat zwei Versuche unternommen, das Schloss zu knacken, einmal um 16.27 Uhr und einmal um 19.19 Uhr, aber sie konnte die Zahlenkombination nicht erraten (A.D.s Geburtstag). Aber auch, wenn sie es gelesen und dann versucht hätte, es zu vertuschen, hätte ich es herausbekommen. Dieser erfundene Eintrag über Karess würde sie ausflippen lassen. Sie würde durchs Wohnzimmer wanken wie eine Kuh mit BSE, gegen die Regale krachen, Zeitungsstapel vom Tisch fegen und über das Kabel der Lampe stolpern. Glaubt mir, ich würde es merken.

Aber dank diesem massiv wirkenden Schloss bin ich jetzt frei. Frei, die wahre Lily Bader-Huffman zu entdecken. Nicht die Einserschülerin, deren beste Freundin ein Kerl ist und die die letzten acht Jahre Hausunterricht hatte. Die Lily, die sich darunter gebildet hat. Die heranwächst wie ein Schatten. Gesichtslos und verzerrt; voller Sehnsucht, hoffend, dass ihr geheimer Traum wahr wird. Fest entschlossen, ganz normal zu sein und beliebt und geküsst von –

Oh-oh… Schritte

VANESSA

4. September

Am 4. September 2012 @ 13.47 hat uns Ms Silver im Englischkurs folgende Aufgabe gestellt: Jeder Schüler/jede Schülerin muss seine/ihre Gedanken und Gefühle während des ersten Schuljahrs an der Noble High niederschreiben. Der Sinn liegt darin, einen sicheren Ort zu haben, an dem wir mit uns selbst Verbindung aufnehmen können. Diese Tagebücher werden nicht benotet oder gelesen. Ms Silver wird am Ende des Schuljahrs nur kontrollieren, ob wir alle 250 Seiten vollgeschrieben haben. Das ist alles. Außerdem werden wir einen Aufsatz darüber schreiben, wie wir uns selbst entdeckt und was wir daraus gelernt haben. Aber darum sollen wir uns jetzt noch nicht kümmern.

Um 13.49 habe ich gefragt, ob es etwas bringt, weitere Tagebücher zu schreiben. Worauf sie antwortete: »Nicht, was deine Zensur betrifft.« Woraufhin ich fragte: »Bringt es denn etwas bei der Zwischenprüfung?« Ihre Antwort: »Nein. Es bringt höchstens deiner Seele etwas.« Damit war für mich alles klar: Dann vergiss es.

Ich habe mir die folgende Strategie zurechtgelegt: Ich werde dieses Tagebuch mit Gedanken und Gefühlen vollschreiben, mich aber gleichzeitig auf lohnendere Aktivitäten konzentrieren. Die dadurch entstehenden Gedanken und Gefühle kann ich hier nutzen. Was der ganze Sinn der Übung ist.1

Ich beginne mit einer kurzen Beschreibung meiner Person.

Mein Name ist Vanessa Charlot2 Riley. Ich bin vierzehn. Meine Haare sind hellbraun und so gekringelt wie eine altmodische Telefonschnur.3 Ich habe grüne Augen und einen dunklen Teint. Meine Mutter stammt aus Haiti, mein Vater aus Queens. Man sagt, dass ich aussehe wie eine viel, viel, viel jüngere Vanessa Williams.4 Besser als Venus Williams. Ha.

Wie es die Kolumnistin Gina Simmons von der Noble High Times ausdrückte: »Selbst das Gesicht der exotischen Schönheit Vanessa verdient eine glatte Eins.« Der Schulleiter meiner Mittelschule hat mein Jahrbuch mit folgenden Worten signiert: »Schönheit und Intelligenz – du bist der Beweis, dass ein Mädchen beides haben kann.«

Ich benutze Anführungszeichen bei der Beschreibung meiner Person aus drei Gründen:

1) Zitate stellen Meinungen dar.

2) Niemand mag Angeber.

3) Ich will beliebt sein.

Mein Lieblingshobby ist Gewinnen.5 Die Endorphine befeuern mein Herz und bringen mein Blut in Wallung. Es ist ein überwältigendes Gefühl der Euphorie, das aber sofort endet, sobald ich den Preis überreicht bekomme. Die einzige Möglichkeit, es erneut zu erleben, ist ein weiterer Sieg. Ich vergleiche es immer mit dem steinharten Bazooka-Kaugummi – harte Arbeit für einen kurzen Moment der Süße. Aber, oh, wie süß dieser Moment ist. Und das ist der Grund, wieso ich immer dem nächsten Stück hinterherjage.

Zumindest ist das zur Hälfte der Grund.

Veritas?6 Es geht noch tiefer als Endorphine und wallendes Blut. Ich weiß nicht genau, wie ich es erklären soll, denn »es« ist eher ein Gefühl und nicht wirklich greifbar.

Genau genommen sind es nur Bruchstücke eines Gefühls. Kleine Teilchen, so flüchtig wie Löwenzahnsaat. Flauschige Stückchen, die vorbeitreiben, doch ich habe bisher nie versucht, sie einzufangen oder sie zu Gedanken zusammenzusetzen. Vielleicht weil aus ihnen dann Realität werden würde. Und ich will nicht, dass sie real sind, weil sie mit meinen Eltern zu tun haben.7

Aber Ms Silver will etwas Tiefsinniges haben und deshalb werde ich die winzigen Teilchen zusammenfügen und euch erzählen, woran ich eigentlich nicht denken will. Bereit?

Das Problem sind meine Eltern. Die sich sehr viel streiten. Was sich wiederum auf meine Noten und meine Klamotten auswirkt. Der heutige Morgen begann mit einem Wettbewerb im Anschreien. Anfangs ging es um meinen Bruder A. J.8 Dann darum, dass mein Dad lieber an Computern herumbastelt, als meiner Mom zuzuhören, wenn sie sich über ihren widerwärtigen Boss im Hotel auslässt. Danach ging es weiter mit den Dingen, die meine Mom im Klo runterspült. Es gibt nichts, das einem deutlicher »Viel Glück an deinem ersten Tag auf der Highschool« vermittelt, als eine Diskussion über verstopfte Abflüsse.

Ich lasse mich nie in ihre Streitereien hineinziehen, aber da ich allergisch auf Geschrei reagiere, leide ich natürlich trotzdem. Veritas? Von Streit bekomme ich einen juckenden Ausschlag. Die roten Flecken auf meinen Armen und Beinen sind der Beweis. Als hätten mich die Real Housewives von New Jersey am Tag des Acryls angesprungen.

Die anderen halten mich für sittsam, weil ich immer lange Ärmel trage, um mich nicht dauernd zu kratzen. Und bei jemandem, der aussieht wie ich, ist so ein Eindruck von Vorteil, weil er mich sympathischer wirken lässt. Aber es hat auch Nachteile. Im Jogginganzug zum Sport anzutreten, führt zum Hitzschlag. Und bei 98 Prozent Luftfeuchtigkeit auch zu Halluzinationen. Aber das ist es wert. Zu siegen bedeutet, dass meine Eltern einen weiteren Tag zusammenbleiben. Also packe ich mich ein und laufe wie eine Nase zur Grippezeit.

Jedes Mal wenn ich eine Eins bekomme, etwas gewinne oder gewählt, gekrönt, geehrt, veröffentlicht oder interviewt werde, feiern wir bei Benihana.9 A. J. und ich können alles bestellen, was wir wollen. Anziehen, was wir wollen. Wir dürfen uns sogar doppelte Desserts bringen lassen. Das Einzige, was wir bei Beni nicht dürfen, ist streiten. Das ist unsere Familienregel. Und daran halten wir uns.

So einfach ist das.

Fokussierst Du Dich auf den Erfolg, hast Du Stress. Strebst Du aber nach Vollendung, ist der Erfolg garantiert.

Deepak Chopra10

1 Das war kein vollständiger Satz. Aber ich lasse ihn so stehen, weil Ms Silver gesagt hat, dass wir uns nicht um korrekte Grammatik kümmern sollen. Also werft mir das nicht vor.

2 Ausgesprochen: Schar-loh. Es ist der Mädchenname meiner Mutter und stammt aus dem Kreolischen, das auf dem Französischen basiert, das zwischen dem 18. und dem 21. Jahrhundert gesprochen wurde.

3 Bildlicher Vergleich, gut nicht?

4 Ungefähr 1983, als sie Miss America war (abgesehen davon, dass meine Haare schulterlang sind und nur bis aufs Schlüsselbein reichen, wenn sie nass sind oder ich sie mit dem Glätteisen bearbeitet habe).

5 Aktuell habe ich 159 Preise gewonnen (vollständige Liste auf Anfrage). Ich war drei Jahre hintereinander Präsidentin des Schülerrats. Ich war Kapitän des Leichtathletik-Teams der achten Klasse. Ich war sieben Jahre lang Pfadfinderin. Ich habe niemals eine schlechtere Note als eine Eins gehabt.

6 Lateinisch für »Wahrheit«.

7 Ich musste gerade eine Pause einlegen. Diese ganzen Emotionen machen mich fertig.

8 A. J. hat die elfte Klasse nicht geschafft und muss das Jahr wiederholen. Er wird ständig suspendiert und ist wirklich respektlos zu Mom und Dad. Das Einzige, was ihn interessiert, sind Autos. Deswegen lassen sie ihn nie eins fahren.

9 Das beste Tempura! Dieselbe Regel gilt auch für A. J., aber er hat noch nie etwas gewonnen. Also bleibt es an mir hängen.

10 Inspirierende Zitate sind mein Koffein. Genauso wie die Karamell-Latte von Starbucks.

JAGGER

4. Sept.

Noch etwas.

Eine Verpackung in der Art von Weiber-Waschkram mit einem Schloss dran geht gar nicht.

Lieber verstecke ich mein Tagebuch in dreckigen Boxershorts.

Da ist es wenigstens sicher.

Und weniger peinlich ist es außerdem.

Lily

Mittwoch, 5. September 2012

Heute Morgen kam Blake vor der Schule rüber und schenkte mir ein Dutzend gelbe Rosen.

»Gelb steht für einen Neuanfang«, sagte er mit einem Fuß noch auf dem Skateboard.

Ich stupste an seine Wange, die immer gebräunt ist, selbst im Dezember. »Ich weiß, was Gelb bedeutet.«

Er lächelte. »Ich stehe echt in deiner Schuld. Wenn du jemals irgendwas brauchst –«

»Jaja.«

Wir standen noch einen Moment zusammen. Er mit seinen nassen schwarzen Haaren und ich mit einem Sirupfleck auf meinem Jeansrock und wir dachten an den Tag zurück, an dem wir entschieden hatten, es zu wagen. Ich weiß, dass er in diesem Moment auch daran gedacht hat, denn Blake ist seit acht Jahren mein bester Freund und wir wissen alles voneinander.

Diese Sache mit der öffentlichen Schule kam im Juni das erste Mal zur Sprache. Wir waren auf dem Rückweg vom Six-Flags-Vergnügungspark, als seine Mom sagte, dass sie im Herbst wieder anfangen würde zu arbeiten. Klartext? Nach acht Jahren Hausunterricht würde Blake auf die Noble gehen müssen.

Bei dieser Neuigkeit kriegte er einen irren Asthmaanfall. Was mich immer zum Heulen bringt. Und wenn ich weine, muss Mom auch weinen. Dann fing auch Mrs Marcus an, weil sie Schuld daran hatte. Sie sagte, dass sie keine Wahl hätte, weil sie das Geld brauchten. Aber Blake keuchte trotzdem weiter.

Wie ich hat Blake es geliebt, ein Homie (unser Slang für Leute, die zu Hause unterrichtet werden) zu sein, und wollte niemals ein Öffie werden (auf eine öffentliche Schule gehen). Er liebte es, dem Mainstream die Zunge rauszustrecken. Und er liebte es auch, dass unsere Moms uns gemeinsam unterrichteten. Er konnte diese dauernden Schuldramen nicht ausstehen und fürchtete, dass wir dort sofort hineingezogen werden würden. Aber ich wusste, was es in Wirklichkeit war. Blake hatte Angst, dass die anderen ihn runtermachen würden, weil er schwul ist.

Ich habe ihm versichert, dass New Jersey nicht gerade rückständig ist und dass die Noble-Kids außerdem viel zu intelligent für eine solche Ignoranz wären, aber er brachte immer neue Statistiken vor, denen zufolge Schwulsein der zweithäufigste Grund war, aus dem Schüler gequält wurden.

»Und was ist der häufigste?«, fragte ich.

»Das Aussehen.«

»Dann habe ich mehr zu befürchten als du«, sagte ich.

»Als ob«, höhnte Blake. »Dich schicken sie ja nicht dahin. Nur mich.«

Also fragte ich meine Eltern, ob ich auch zur Schule gehen könnte.

Sie sagten Nein.

Ich schrieb einen siebenseitigen Aufsatz über die Vorteile einer vielschichtigen Bildungserfahrung. Ich arrangierte eine Schulführung. Blake unterstützte mich mit Statistiken, wie viel Prozent der Noble-Abgänger auf Spitzencolleges gingen. Es waren 47 Prozent. Da gaben sie nach.

Unter einer Bedingung: Ich musste mein Einserzeugnis behalten. Schaffte ich das nicht, wäre ich sofort wieder zu Hause.

Darüber konnten Blake und ich nur lachen. An einer öffentlichen Schule keinen Erfolg zu haben? Mit meiner Bildung? Zu versagen wäre viel schwieriger.

Nachdem es beschlossene Sache war, keuchte Blake in freudiger Erwartung. Er konnte es nicht fassen, dass ich etwas so Selbstloses getan hatte. Er schwor, sich dafür bei mir zu revanchieren. Ich versicherte ihm, dass das nicht nötig war, weil Freunde so etwas nun mal füreinander machten. Von A. D. habe ich ihm allerdings nichts erzählt. Sollte er ruhig glauben, dass ich es nur für ihn getan habe.

Ich brachte die Rosen ins Haus, rief meiner Mom einen Abschiedsgruß zu und schnappte mir mein rotes Skateboard.