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Miriam hat es geschafft. Eine vielversprechende Karriere in einer der renommiertesten Anwaltskanzleien Düsseldorfs liegt vor ihr und in Kürze wird sie den gut aussehenden Juniorpartner Philipp heiraten. Kurz vor der geplanten Hochzeit reist sie zu ihrer besten Freundin Barbara nach München, um sich noch ein paar Tage zu entspannen. Doch auf der Reise kommt es zu einer schicksalhaften Begegnung, die ihr ganzes Leben auf den Kopf stellt. Wie wird Miriam sich entscheiden? Wird sie ihrem Kopf folgen oder ihrem Gefühl vertrauen?
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Veröffentlichungsjahr: 2020
Inhaltsverzeichnis
Kapitel 1
Kapitel 2
Kapitel 3
Kapitel 4
Kapitel 5
Kapitel 6
Kapitel 7
Kapitel 8
Kapitel 9
Kapitel 10
Kapitel 11
Kapitel 12
Impressum
Bed & Books
von Paula Ernst
Text Copyright © 2016 Paula Ernst
Alle Rechte vorbehalten
Buchcoverdesign: Sarah Buhr - www.covermanufaktur.com unter Verwendung von Bildmaterial von www.shutterstock.com und letlice: Alena Ozerova / shutterstock.com
Texturen: letlice
Uff, nur noch zwei Besprechungstermine und der lang ersehnte Urlaub rückte in greifbare Nähe.
Miriam schob den dicken Aktenstapel, an dem sie im Laufe des Tages gearbeitet hatte, zur Seite, um wenigstens Platz für einen Notizblock und einen Stift zu schaffen, bevor sie die nächsten Mandanten empfing. Sie sah auf die Uhr in der Ecke ihres Rechners. Noch drei Stunden und dann hatte sie endlich frei. Und wenn nichts dazwischenkam, würde sie morgen früh im ICE nach München sitzen. Die erste komplett freie Woche seit sie vor über zwei Jahren in der Kanzlei Lücker & Partner in Düsseldorf angefangen hatte.
Und Miriam hatte es sich mehr als verdient. Schon bei ihrer Einstellung hatte ihr der Seniorchef Ewald Lücker klar und deutlich zu verstehen gegeben, dass in der Kanzlei Samstagsarbeit obligatorisch war und sie im Bedarfsfall auch am Sonntag arbeiten müsse. Und Bedarf gab es immer. Sei es, dass mal eben ein dreißigseitiger Vertragsentwurf angefertigt werden musste oder in letzter Minute eine Berufung zu begründen war.
Und vermutlich war es auch die letzte Urlaubswoche, die sie allein verbringen würde. Denn in weniger als sechs Wochen würde Miriam verheiratet sein.
Manchmal beängstigte sie der Gedanke ein bisschen. Doch andererseits kannten sie und Philipp sich schon seit Ewigkeiten. Sie lebten bereits seit über einem Jahr quasi zusammen in Philipps großer Wohnung in Oberkassel, im Obergeschoss eines Jugendstilhauses, in bester Lage. Wenn man sich auf dem kleinen Balkon vor ihrem Schlafzimmer auf die Zehen stellte, konnte man den Rhein sehen. Die Wohnung war überwiegend nach Philipps Geschmack eingerichtet. Minimalistisch, mit einigen strengen Designermöbeln, etwas zu steril für Miriams Geschmack. Sie versuchte, das Ganze immer mit frischen Blumen und Deko aufzupeppen, aber letztendlich waren ihr die Möbel auch egal, da sie ja ohnehin die meiste Zeit nur im Büro und außer Haus verbrachten.
Nur der Form halber hatte sie ihre kleine Studentenbude in der Südstadt noch behalten und zunächst an eine Austauschstudentin untervermietet. Bereits seit einigen Wochen stand die Wohnung wieder leer, es war wirklich an der Zeit, dass sie dort einmal wieder nach dem Rechten sah und die Wohnung endlich kündigte.
In praktischer Hinsicht würde sich durch die Heirat eigentlich nicht viel ändern. Dennoch war ihr bei dem Gedanken an die bevorstehende Hochzeit ein bisschen mulmig zumute. Nicht, dass sie auch nur in geringstem Maße an der Entscheidung zweifelte.
Philipp war in ihrem Leben bisher der Einzige gewesen. Schon am ersten Tag ihres Studiums in München war er ihr aufgefallen, groß und selbstbewusst, wie er schon damals alle für sich einnahm. Er hatte einfach alles, was sie nicht hatte und ging mit einer Souveränität durchs Leben, die ihr Kraft gab und sie mitriss. Sie konnte sich nicht erinnern, dass er jemals unter Selbstzweifeln litt oder wankelmütig war. Philipp war genau der Mann, den sie sich immer erträumt hatte.
Und optisch konnte er sich wirklich sehen lassen. Über 1,85 Meter groß, durchtrainiert und immer einen Hauch Sonnenbräune von den Kurztrips zum Skilaufen, Segeln oder vom Reiten am Wochenende. Im Gegensatz zu ihr schaffte er es, das enorme Arbeitspensum innerhalb der Woche zu erledigen und wenn nicht, dann das Angenehme mit dem Nützlichen zu verbinden. Viele seiner Mandanten verbanden die stundenlangen Strategiebesprechungen mit einer Einladung in ihr Wochenendhaus oder die Segelyacht.
Abgesehen von der vielen Arbeit führte sie gemeinsam mit Philipp ein herrliches Leben. Sie war finanziell unabhängig, was ihr enorm wichtig war. Ihr Vater war früh gestorben und hatte ihre Mutter und sie mit einer mickrigen Witwen- und Waisenrente zurückgelassen. Schon mit zwölf Jahren begann Miriam frühmorgens um fünf Zeitungen auszutragen, um sich Taschengeld zu verdienen. Nur so konnte sie mit den anderen mithalten.
Philipp Lücker waren als Sohn des Seniorchefs und seit kurzem auch Juniorpartner der Kanzlei derartige Probleme völlig fremd.
Als Miriam ihm irgendwann einmal davon erzählte, merkte sie an seinem ausdrucklosen Blick, dass er mit etwas ganz anderem beschäftigt war und sie nicht wirklich verstand.
Aber diese Zeiten waren zum Glück vorbei.
Sie hatte es geschafft. In jeder Hinsicht. Auch wenn sie noch nicht viel verdiente, dank ihrer ausgezeichneten Examina und der bald abgeschlossenen Promotion war sie hervorragend qualifiziert. Dass sie in der Kanzlei von Philipps Vater angefangen hatte, war reiner Zufall und hatte nichts mit Vitamin B zu tun. Als sie sich beworben hatte, bekam sie nach einer Reihe von Bewerbungsgesprächen direkt Zusagen von drei renommierten Düsseldorfer Kanzleien.
Das Gehalt, was bei Lücker und Partner gezahlt wurde, war gering, wie überall. Aber sofern alles nach Plan lief, könnte sie bereits nach fünf Jahren als Juniorpartnerin einsteigen. Und davon abgesehen hatte die Arbeit in der Kanzlei von Phillips Vater auch praktische Vorteile. So konnten Philipp und sie sich auch mal kurz im Büro auf einen Kaffee treffen oder zur Mittagspause in die Stadt gehen. Der normale Arbeitsalltag in einer Kanzlei mit mindestens sechzig Wochenstunden würde hierfür ansonsten keine Zeit lassen.
Nun wurde es aber wirklich Zeit, den nächsten Mandanten zur Besprechung zu bitten. Miriam stand auf, strich ihren Rock glatt und zog die Jacke ihres dunklen Kostüms, die sie während der Schreibtischarbeiten über die Lehne ihres Schreibtischstuhls gehängt hatte, an.
Wenn sie sich auf etwas wirklich freute, dann darauf, dass sie, sobald sie bei ihrer Freundin Barbara am Starnberger See angekommen war, in ihre älteste Jeans und ein T-Shirt schlüpfen würde und in der ganzen Woche nichts anderes anziehen würde. Miriam war ihr Businessoutfit manchmal so leid. Aber es lohnte sich kaum mehr, andere Sachen anzuschaffen, da sie kaum Gelegenheit hatte, sie zu tragen.
Im Vorbeigehen warf Miriam einen Blick in den Spiegel. Blass war sie von Natur aus und das leichte Makeup konnte ihre Augenringe, die von viel zu viel Arbeit und viel zu wenig Schlaf zeugten, kaum verdecken. Es würde ihr gut tun, endlich einmal wieder an die Luft zu kommen.
Und München war um diese Jahreszeit herrlich, das wusste sie noch aus ihren Studienzeiten. Alle Straßencafés und Biergärten geöffnet, aber noch nicht so überfüllt und überlaufen wie im Hochsommer. Die Bedienungen waren noch gut gelaunt und alle befanden sich in Flirtstimmung.
Frühling eben. Miriam seufzte vor lauter Vorfreude auf. Sie freute sich so sehr, endlich einmal wieder nur sie selbst zu sein, ohne ihre Rolle als aufstrebende Gesellschaftsrechtsanwältin oder Verlobte eines Mitglieds der Düsseldorfer Upperclass. Eine paar himmlische Tage ohne Business Lunch oder Abendessen der Rotarier. Stattdessen Weißwürstchen und Radlermaß.
Wie es Barbara wohl ginge? Miriam konnte es kaum erwarten, sie wiederzusehen. Barbara war ihre liebste und beste Freundin, seitdem sie sich im ersten Semester kennengelernt hatten. Die ersten beiden Semester waren sie so unzertrennlich, dass die Kommilitonen die beiden als siamesische Zwillinge bezeichneten.
Und auch als sie dann mit Philipp zusammenkam, tat das ihrer Freundschaft keinen Abbruch. Barbara war von Kindesbeinen an mit ihrem Georg zusammen, die beiden planten schon damals eine Großfamilie zu gründen. Bereits zu ihrem ersten Staatsexamen war Barbara mit Paul schwanger. Während der Referendarzeit bekam sie die Zwillinge Emma und Ludwig und jetzt, nachdem sie sich erst vor einem Jahr als Anwältin niedergelassen hatte, war Grete auf die Welt gekommen. Barbara hatte sich eine kleine Anwaltskanzlei in der Einliegerwohnung im alten Einfamilienhaus, das Georg von seinen Großeltern geerbt hatte, eingerichtet. Direkt am Südufer des Starnberger Sees gelegen, eine traumhafte Idylle und trotzdem war die bayerische Hauptstadt nicht weit. Und es war erstaunlich, wie Barbara Familie und Beruf unter einen Hut bekam. Immer wenn sie telefonierten, kauten die beiden kurz ihre neuesten Fälle durch, bevor sie sich gegenseitig auf den neuesten Stand in Sachen Familien- bzw. Liebesleben brachten. Eine kleine Gewohnheit, die sie noch aus Studienzeiten beibehalten hatten. Und so, wie es sich anhörte, lief Barbaras Kanzlei richtig gut.
„Miri, das täuscht. Ich bekomme gar nichts unter einen Hut. Ich tue nur so und versuche, das Leben zu genießen, wie es kommt. In Wirklichkeit ist unser Leben das totale Chaos.“
Miriam beneidete Barbara um ihre Leichtigkeit und ihren Pragmatismus. Ihre juristischen Fälle löste sie oft nicht mit seitenlangen Schriftsätzen, wie es von Miriam erwartet wurde, sondern mit gesundem Menschenverstand, einem Anruf und einer gehörigen Standpauke des Gegners, bei der sie dann je nach Ansprechpartner in den tiefsten bayerischen Dialekt verfiel.
So etwas wäre in der Kanzlei Lücker undenkbar. Hier musste alles minutiös aufgeklärt werden. Der Mandant wurde umfassend beraten und stundenlang mündlich und schriftlich über sämtliche auch nur im entferntesten denkbaren Folgen und Risiken aufgeklärt. Und jede winzige Kleinigkeit ihrer Tätigkeit wurde mit Zeiterfassung kontrolliert, damit im Fünf-Minuten-Takt abgerechnet werden konnte.