Bedroht von höllischen Kräften (Die Engel-Reihe 2) - Jennifer Wolf - E-Book

Bedroht von höllischen Kräften (Die Engel-Reihe 2) E-Book

Jennifer Wolf

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Beschreibung

**Himmel und Hölle liegen manchmal nah beieinander…** Seit Polly von einem himmlisch gut aussehenden Engel gerettet wurde, steht ihr Leben Kopf. Gemeinsam mit Yashiel begibt sie sich auf die Suche nach einem Erben der Hölle, der so gefährlich sein soll wie seine Herkunft. Doch der Schein trügt und schon bald weiß Polly nicht mehr, wer eigentlich Freund und wer Feind in diesem teuflischen Spiel ist. Die magische Anziehungskraft zwischen ihr und Yashiel wird derweil immer stärker und birgt eine ganz eigene Bedrohung für ihren Engel...   »Grandios« »Engel mal nicht von der Stange« »Witzig, berührend und übernatürlich gefühlvoll« (Leserstimmen zu »Berührt von himmlischen Schwingen«, dem ersten Band der Engel-Reihe von Jennifer Wolf)   //Textauszug: »Ich habe einen schrecklichen Fehler begangen«, gestand ich und ich spürte, wie er näherkam. »Ich habe mir selbst das Herz gebrochen. Ich habe mich in einen Engel verliebt.«//   //Alle Bände der himmlischen Engel-Reihe: -- Berührt von himmlischen Schwingen (Die Engel-Reihe 1) -- Bedroht von höllischen Kräften (Die Engel-Reihe 2)//

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Jennifer Wolf

Bedroht von höllischen Kräften (Die Engel-Reihe 2)

**Himmel und Hölle liegen manchmal nah beieinander …**Seit Polly von einem himmlisch gut aussehenden Engel gerettet wurde, steht ihr Leben Kopf. Gemeinsam mit Yashiel begibt sie sich auf die Suche nach einem Erben der Hölle, der so gefährlich sein soll wie seine Herkunft. Doch der Schein trügt und schon bald weiß Polly nicht mehr, wer eigentlich Freund und wer Feind in diesem teuflischen Spiel ist. Die magische Anziehungskraft zwischen ihr und Yashiel wird derweil immer stärker und birgt eine ganz eigene Bedrohung für ihren Engel …

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Vita

Nachwort

Danksagung

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© Marcus Lieske

Jennifer Wolf lebt mit ihrem Mann und ihrer Tochter in einem kleinen Dorf zwischen Bonn und Köln. Aufgewachsen ist sie bei ihren Großeltern und es war auch ihre Großmutter, die die Liebe zu Büchern in ihr weckte. Aus Platzmangel wurden nämlich alle Bücher in ihrem Kinderzimmer aufbewahrt und so war es unvermeidbar, dass sie irgendwann mal in eins hineinschaute. Als Jugendliche ärgerte sie sich immer häufiger über den Inhalt einiger Bücher, was mit der Zeit zu dem Entschluss führte, einfach eigene Geschichten zu schreiben.

Kapitel 1

Ich folgte Sam in das Restaurant und fragte mich, was in mich gefahren sein mochte, als ich ihr für diesen Abend zugesagt hatte. In Anbetracht der Situation, dass Yashiel nicht bei mir war, sondern sich um Ethan kümmerte, sollte ich mich wohl anders ausdrücken, wenn ich eine erneute Besetzung meiner Seele durch einen Dämon nicht beim Universum herausfordern wollte. Oder sollte ich die Göttlichkeit sagen? Der Gedanke war mir trotz allem, was in der letzten Zeit geschehen war, immer noch fremd. Ich zupfte an dem engen Kleid herum, mit dem Sam mich eben überrascht und in das ich mich auch gleich hineingepresst hatte. Unauffällig versuchte ich es länger zu ziehen, ohne dabei auszusehen, als hätte ich darunter einen ansteckenden Ausschlag. Sam hatte so gestrahlt, als sie mich in ihrem Geschenk gesehen hatte, dass ich nichts gesagt hatte. Ich wollte meine neue Freundin nicht enttäuschen und stolzierte nun auf hohen Hacken in ein schummriges Restaurant, das hauptsächlich von romantisch-drapierten Lichterketten beleuchtet wurde. Ich warf Sam einen Blick zu.

»Ich weiß, aber es gibt hier das beste Essen der Stadt.«

»Sicher, dass hier nicht gleich ein Speeddating stattfindet oder eine Blind Date Show aufgezeichnet wird?«

Sam lachte und ging zu dem Pult des Concierges, der von seinem Buch aufsah und uns seine Aufmerksamkeit schenkte.

»Was kann ich für die Damen tun?«

»Wir haben reserviert. Thomsen.«

Der Mann mit den ordentlich nach hinten gegelten Haaren und dem etwas gezwungenen fröhlichen Lächeln schaute in sein Buch und verfolgte mit dem Finger die Zeilen.

»Samantha Thomsen, acht Personen.«

»Sind wir die ersten?«, fragte Sam und klemmte sich ihre Clutch unter den Arm.

»Ja, Sie können gerne an unserer Bar warten oder ich führe Sie zu Ihrem Tisch.«

»Wir setzen uns, meine Großmutter glaubt mir sonst nie, dass wir nur Limonade getrunken haben.« Sam zwinkerte mir grinsend zu und auch ich musste schmunzeln. Ich folgte ihr und dem Concierge und spürte einen Schauer mein Rückgrat hinunterlaufen, doch es fühlte sich ganz anders an als das, was ich mit Dämonen bisher erlebt hatte. Vermutlich war es die Angst, mich weit, vielleicht zu weit, von Yashiels Schutz entfernt zu haben. Doch er würde nicht ewig hier auf der Erde sein und früher oder später musste ich mich wieder daran gewöhnen, ohne ihn klarzukommen. Es gab für Yashiel keinen Grund, bei mir zu bleiben, und der Gedanke nahm mir auch das letzte bisschen Hunger, das ich verspürt hatte. Die Stimmung zwischen uns war völlig unterkühlt, wir gingen fast wie Fremde miteinander um.

»Ich schwöre, das war ich nicht!« Sam hatte sich zu mir umgedreht und starrte mich mit großen Augen an. Mein Blick streifte an ihr vorbei und suchte den Raum ab. Da saß Noel, direkt an dem Tisch neben dem, den der Concierge uns gerade zuwies.

»Wirklich, du musst mir glauben.« Sie lachte und ich musste gestehen, sie sah wirklich ein bisschen überrascht aus. Ich rollte mit den Augen und konnte meine Mundwinkel nicht mehr nach unten kämpfen.

»Es spielt dir aber sehr gut in die Karten, oder?«

»So geil ist eben nur das Schicksal drauf.« Mit einem zufriedenen Grinsen setzte sie sich auf den Stuhl, den der Concierge für sie herausgezogen hatte. Ich nahm neben ihr Platz und hoffte, dass der Mann hinter mir schnell schob und ich nicht auf den Boden plumpste. Mir hatte noch nie jemand beim Hinsetzen geholfen. Das hatte ich in 99,99 Prozent aller Fälle immer ganz gut alleine hinbekommen. Statt Noel in Ruhe zu lassen, zischte Sam ihm bereits zu und winkte.

»Hey, Noel! Was machst du hier?«

Er sah auf und ich musste mir selbst eingestehen, dass Sam wenigstens einen guten Geschmack hatte. Er war hübsch, das stand außer Frage, aber in seinen Augen lag etwas sehr Verwundbares, als er aufsah und nicht Sams, sondern meinem Blick begegnete. Dieser Ausdruck verschwand wieder, stattdessen sah er sich kurz um und verengte die Augenbrauen.

»Was ich immer in Restaurants mache. Ich modelliere kleine Badeenten aus Fimo. Sie werden vermutlich untergehen, weil das Material zu schwer ist, aber ich werde über ihre Schwimmfähigkeit nachsinnen. Geplant ist der Einbau von Microschwimmblasen aus Wasserbombenluftballons. Erste Prototypen waren vielversprechend.«

Ich prustete in meine Hand und sah Sam entschuldigend an, die leise lachend die Arme vor der Brust verschränkte.

»Ein Kellner wird gleich für Sie da sein«, verabschiedete sich der Concierge von uns. Ich dankte ihm und schenkte ihm ein ehrliches Lächeln, das wegen Noel noch meine Lippen zierte.

»Ich liebe es, wenn sie frech sind«, sagte Sam und klang sehr zufrieden mit sich selbst.

»Der Concierge oder Noel?« Ich zwinkerte ihr zu.

»Polly gibt mir Begleitschutz bei einem Familientreffen«, überging Sam meine Frage und schwatzte fröhlich drauflos.

»Ein … ein Familientreffen ist es bei mir auch.« Noel zupfte an einem Ende der frisch gestärkten Stoffserviette, die vor ihm aufgestellt stand. Er atmete tief durch und ließ seinen Blick zur Tür streifen.

»Ein unangenehmes?«, riet Sam und ich bewunderte sie für ihre offene Art, einfach so mit Menschen zu plaudern. Ich wusste nicht, ob ich mich das getraut hätte. Noel nahm die silberne Gabel in seine schlanken Finger und drehte sie dazwischen.

»Kann man so sagen.«

»Willst du dich zu uns setzen, bis deine Familie da ist?«

Noel sah wieder zu mir statt zu Sam. Unsicherheit spiegelte sich in seinen Zügen.

»Ja, komm zu uns«, sagte ich deswegen und deutete einladend auf den Stuhl neben mir, am Kopfende unseres Tisches. Noel schien zu überlegen, dann kam er tatsächlich zu uns herüber und nahm Platz. Sam hielt derweil ihr Handy in der Hand und stöhnte leise genervt.

»Ich muss kurz raus, telefonieren und euch die Peinlichkeit ersparen, dass ich gleich meine Familie am Handy anbrülle.«

Zuerst dachte ich, es wäre ein Trick von ihr, um mich mit Noel allein zu lassen, aber sie sah ehrlich gestresst aus. Sie zwinkerte mir im Gehen nicht mal anzüglich zu, also war es wohl ernst. Ich verfolgte sie mit Blicken, dann spürte ich diese unangenehme Schwere auf der Brust, die das Alleinsein mit einem Fremden immer in mir verursachte.

»Wenn ich es nicht besser wüsste, würde ich sagen, dass das geschickt von ihr eingefädelt war«, sagte Noel zu meinem Erstaunen. Wissend lächelte ich ihn an, doch bevor ich etwas sagen konnte, kam der Kellner. Froh über die Unterbrechung bestellte ich Sam und mir eine Cola und Noel winkte dankend ab. Er war anscheinend zu nervös, um etwas zu trinken.

»Ich habe gehört, dass du Arbeit gefunden hast?«, versuchte ich es mit Smalltalk. Noel schenkte mir ein kleines Lächeln.

»Ja, zum Glück. So kann ich meine Mom ein bisschen unterstützen. Sie macht Überstunden wie eine Wahnsinnige, damit ich aufs College gehen kann. Ich habe leider kein Vollstipendium, wie manche behaupten.«

Ich lächelte. »Das klingt nach einer tollen Frau.«

Da war plötzlich so viel Liebe in Noels Augen, als er nickte, dass es mir richtig naheging.

»Darf ich fragen, was mit deinem Vater ist?«

Noel seufzte und sah zur Tür. »Ich warte gerade auf ihn, kenne ihn jedoch noch gar nicht.«

»Oh?« Das erklärte, warum er so nervös war.

»Meine Mom, sie ist nicht die Frau, die mich geboren hat. Ich wurde adoptiert. Mein Adoptivvater starb, als ich noch ganz klein war. Als ich älter wurde, fragte ich meine Mom nach den Menschen, die mir das Leben geschenkt haben. Sie sagte, dass es nur noch meinen Erzeuger gebe. Meine leibliche Mutter hatte sich wohl das Leben genommen. Vor ein paar Wochen kontaktierte mein biologischer Vater meine Mom und es stellte sich raus, dass er hier in der Nähe meines Colleges wohnt. Heute treffen wir uns und ich bin ehrlich gesagt neugierig auf ihn.«

»Wow, du musst furchtbar aufgeregt sein!«

Noel lächelte nickend und rieb mit den Händen über seine Oberschenkel.

»Es tut mir übrigens sehr leid, wenn Sam manchmal Grenzen überschreitet«, wechselte ich das Thema, weil ich ihn gerne noch einmal lächeln sehen wollte. Tatsächlich funktionierte es.

»Manchmal?«

»Sie ist sehr … sturköpfig.« Ich zuckte mit den Schultern und Noel schenkte mir einen wissenden Blick. Unangenehmes Schweigen breitete sich zwischen uns aus und ich starrte verlegen auf das Glas Cola, das vor mir abgestellt wurde. Ich beobachtete, wie die Kohlensäurebläschen sich um die Zitronenscheibe sammelten.

»Tut mir leid«, flüsterte Noel plötzlich. »Ich … ich bin es nicht gewohnt … mich mit Leuten zu unterhalten. Irgendwie war ich schon immer ein Einzelkämpfer.«

Ich sah auf und da war diese Verbundenheit zwischen uns. Eine verwandte Seele. Stumm legte ich eine Hand auf seine und ich glaubte, dass er in meinen Augen lesen konnte, dass es mir genauso ging. Sam hatte recht. Noel und ich … wir würden vermutlich gut zusammenpassen. Doch in meinem Herz wohnte ein blonder Engel, der wahrscheinlich gerade Dämonen verprügelte und in mir nur einen recht nützlichen Menschen sah, der ihm Kraft geben konnte. Mein Herz verkrampfte und ich musste Noels Blick ausweichen.

»Stimmt etwas nicht?«

»Nein, das hat nichts mit dir zu tun.« Schmerzvoll lächelte ich ihn an. »Aber ich möchte, dass du weißt, dass du gerne mit mir schweigen darfst. Das ist völlig in Ordnung für mich. Ich hatte vor Sam und Adam nie wirklich Freunde, meine Highschoolzeit habe ich, wie du so schön gesagt hast, als Einzelkämpfer verbracht.«

Erkenntnis funkelte in Noels Augen auf.

»Dir ist klar, dass Sam uns verkuppeln möchte?«, sprach ich das aus, was bisher ungesagt über uns schwebte.

»Ja, das ist mir aufgefallen.« Er sah weg, lächelte aber ein klein wenig. »Menschen halten es nur selten länger an meiner Seite aus. Früher oder später gehen sie.«

Erst jetzt fiel mir auf, wie bitter das Lächeln auf seinen Lippen war.

»Ich habe mich die ganze Zeit gefragt, wie Sam glauben kann, dass sich so ein hübsches Mädchen wie du für mich interessieren könnte, aber ich beginne zu verstehen, wie sie darauf gekommen ist.«

»Ich schätze, wir sind uns ähnlich«, sagte ich und nickte zustimmend, war aber gleichzeitig etwas geschockt davon, wie wenig er von sich hielt. Vor Yashiel hätte ich behauptet, dass Noel das Gesicht eines Engels hätte. Heute wusste ich es besser. Es war nur diese Aura, die um ihn waberte und ihn unscheinbar werden ließ. Sah man genauer hin und ließ sich nicht von ihr täuschen, erkannte man einen wirklich gut aussehenden jungen Mann, der dazu auch noch klug und einfühlsam zu sein schien. Ich wünschte ihm eine ebenso bildschöne Freundin, die ihm nicht weglaufen würde. Nur würde ich das nicht sein. Noel drehte seine Hand unter meiner und ergriff sie. Er beobachtete, was er tat, und schien in Gedanken versunken. Ich ließ ihn, um zu beweisen, dass es wirklich in Ordnung war, wenn wir schwiegen. Es fühlte sich plötzlich auch nicht mehr eigenartig an. Noel holte tief Luft, tauchte förmlich wieder auf und zog seine Hand weg.

»Ich sollte gehen, er kommt wohl nicht mehr.«

»Sicher?«, fragte ich, und Noel nickte.

»Ja … vielleicht habe ich Glück und schlafe ein, bevor Ethan im Zimmer nebenan herumrumort.« Noel schien sich innerlich zu sammeln. »Der Typ ist bestimmt besessen oder so. Irgendwas stimmt mit dem nicht.« Er lachte, doch mir stockte der Atem.

»Warum? Was macht er denn?«

»Nie schlafen … so kommt es mir jedenfalls vor.«

Ich runzelte besorgt die Stirn. »Yashiel macht sich auch Sorgen um ihn«, log ich. »Wenn dir irgendwas Merkwürdiges auffällt, sag es einem von uns. Wir haben uns vorgenommen, zum Wohle aller, uns ein wenig um Ethan zu kümmern.«

Noel sah mich ungläubig an, zuckte aber schließlich mit den Schultern und brummte zustimmend.

»Viel Spaß mit Sams Familie. Ich hoffe für dich, dass die nur halb so verrückt sind wie sie.«

Jetzt musste ich lachen, während Noel aufstand und den Stuhl wieder an den Tisch schob.

»Halt die Ohren steif.« Ich zwinkerte ihm zu und er presste die Lippen aufeinander. Kurz sah es aus, als wollte er noch etwas sagen, doch dann ergriff er die Flucht. Es wäre alles so einfach gewesen, wenn ich mich in ihn hätte verlieben können.

Ich musste Yashiel nachher unbedingt fragen, ob es möglich war, dass Nephilims nicht schliefen. Noel konnte wirklich noch nützlich sein, auch wenn Yashiel Ethan sicherlich nun häufiger beschatten würde. Das würde für den Engel zumindest mehr Sinn ergeben, als bei mir herumzuhängen. Ich seufzte und nahm einen Schluck von der kalten Cola. Die frische Note der Zitrone kitzelte meine Zunge und ließ mich, nachdem ich das Glas wieder abgesetzt hatte, meine Lippen ablecken. Es dauerte noch einige Zeit, bis Sam zurückkam.

»Wo ist Noel? Da vorne steht sein Vater. Der hat mir vor der Tür ein Ohr abgekaut, dass er zum ersten Mal seinen Sohn trifft.«

Ich drehte mich um und sah in die Richtung, in die Sam deutete. Da stand ein komischer Kerl mit Halbglatze und starrte wütend vor sich hin. Also Noel musste sehr nach seiner Mutter kommen. Er hatte so gar nichts von diesem doch eher unansehnlichen Mann, der jetzt das Restaurant wieder verließ. Sam lachte, vermutlich über meinen Gesichtsausdruck.

»Merkwürdiger Kauz«, stellte ich fest. »Ich dachte gerade, dass die Gene seiner Mutter stärker gewesen sein müssen.«

»Zum Glück«, gluckste Sam und setzte sich neben mich. Sie ließ ihre Schultern hängen und betrachtete die Cola, die ich für sie bestellt hatte. »Sie kommen nicht. Irgendein Drama in der Firma und Großmutter fühlt sich heute nicht gut.« Sam griff nach dem Glas und stürzte es fast komplett herunter. Danach schien sie mit der Luft im Bauch zu kämpfen, was uns beide zum Lachen brachte.

»Scheiß drauf, oder?« Entschlossen sah sie mich an. »Wir essen jetzt auf die Rechnung meines Vaters und danach gehen wir tanzen.«

»Klingt nach einem Plan.« Mein Herz schlug mir zum Hals heraus. Ich war noch nie aus und tanzen. Es hatte mir auch nie wirklich gefehlt, aber im College erwartete mich nur Herzschmerz und unterkühltes Schweigen mit einem Engel. Meine Mom sagte immer, dass man Schmerzen weglaufen muss. Vielleicht konnte ich den in meinem Herzen wegtanzen?

***

Kichernd und uns gegenseitig stützend schafften wir es zurück ins Wohnheim. Es war nicht so, dass wir sturzbetrunken gewesen wären, nein … eigentlich hatte ich nur zwei Bier gehabt. Es war reine Erschöpfung vom Tanzen und Lachen. Ich wusste gar nicht, wann ich mich jemals so gut gefühlt hatte. Im zuckenden Licht auf der heißen und überfüllten Tanzfläche hatte ich alles für kurze Zeit vergessen können und mich so lebendig wie niemals zuvor gefühlt. Ich umarmte Sam, als wir an ihrer Tür angekommen waren.

»Danke für diesen unvergesslichen Abend.«

»Abend?«, wiederholte sie und gab eine Mischung aus Lachen und Gähnen von sich. »Es dämmert gleich, ich würde hier eher von Nacht sprechen.«

Ich schloss einen Moment die Augen und lächelte versonnen. Ja, ich, Poliana Havering, hatte eine Nacht durchgetanzt. Wenn man mir das vor einigen Monaten gesagt hätte, ich hätte demjenigen den Vogel gezeigt. Apropos Vogel … da wartete einer in meinem Zimmer. Während sich mein wohl doch etwas angeheitertes Gehirn Yashiel mit einem Schnabel vorstellte, musste ich laut losprusten.

»Ab ins Bett mit dir«, sagte Sam und gab mir einen Klaps auf den Hintern, der mich überrascht aufschreien ließ.

»RUHE JETZT!«, brüllte es hinter einer der Türen. Ich hielt mir die Hand vor den Mund und Sam scheuchte mich mit einer Geste in Richtung meines Zimmers und schloss dann die Tür hinter sich. Ich wollte gerade meine Klinke herunterdrücken, da öffnete sie sich bereits für mich.

»James!« Ich stieg aus meinen Hacken und reichte sie dem Engel, ohne ihn wirklich anzusehen. »Sehr zuvorkommend, dass Sie mir die Tür öffnen.« Ich marschierte hinein und hörte, wie meine Schuhe zu Boden fielen. Als ich mich der Länge nach aufs Bett schmiss, wurde die Tür geschlossen.

»Wo warst du so lange?« Yashiels Stimme klang so eisig, dass es mir kalt den Rücken hinunterlief.

»Ich habe dir eine Nachricht geschrieben, dass Sam und ich noch tanzen gehen.« Okay, sie klang wie ein Telegramm, fehlte nur das Stopp nach jedem Satz.

Gehen noch tanzen. Stopp. Wird spät. Stopp.

Aber daran war nichts, was er hätte missverstehen können. Ich drehte den Kopf zur Seite und sah, wie Yashiel sich umschaute. Wahrscheinlich suchte er sein Handy.

»Du hast sie nicht gelesen«, schlussfolgerte ich, doch das Gähnen blieb mir im Halse stecken, als er näher kam und meine müden Augen sich scharf stellten. Er sah aus, als wäre er rasend vor Wut.

»War es nicht vielmehr Noel, mit dem du die Nacht verbracht hast?«

Ich setzte mich total überrumpelt auf. Bitte, was?

»Ihr habt so schön Händchen gehalten.« Yashiel spuckte Gift und Galle mit jedem einzelnen Wort.

»Erstens: Du wolltest mich nicht verfolgen.« Ruhig, Polly … tief durchatmen. »Zweitens: Noel ist, lange bevor ich mit Sam tanzen gegangen bin, zurück zum College gefahren. Wir haben uns nur kurz unterhalten.« Ich strich mir über die Haare, um irgendetwas zu tun und zumindest eine Hand zu beschäftigen. »Und drittens: Selbst wenn ich mit Noel aus gewesen wäre, würde es dich nichts angehen.«

Yashiel verschränkte die Arme vor der Brust. Warum regte ihn das so auf? Eifersucht konnte es nicht sein, denn er hatte mir in den letzten Tagen klar zu verstehen gegeben, dass er nichts von mir wollte. Oh …

»Hast du etwa Angst, dass deine Quelle der Kraft versiegt?« Meine Worte schmeckten bitter und ich verzog den Mund. Yashiel verengte nur die Augen und seine Kiefer mahlten.

»Wundert dich das? So wankelmütig, wie ihr Menschen seid.«

Die Wut kochte in mir und mein Herz schlug so fest gegen meinen Brustkorb, dass ich Angst hatte, es könnte sich verletzen. Nein, das war es bereits. Er hatte es getan, deshalb schlug es auch so kräftig. Es war wütend und wollte sich wehren, mein Verstand grätschte jedoch dazwischen. Jetzt mit ihm zu diskutieren, führte doch nirgendwo hin. Er liebte mich nicht. Er brauchte mich nur. Das hatte ich vorher schon gewusst.

»Ich schlafe jetzt«, sagte ich und rollte mich wie ein schwer verwundetes Tier unter meiner Decke zusammen. Ich lag mit dem Rücken zu Yashiel und hörte, wie er tief Luft holte.

»Wieso, Polly?«, flüsterte er gepresst.

»Wieso was, Yashiel?« Ich versuchte genervt und nicht beleidigt zu klingen.

Nichts.

Nur atmen.

Dann war auch das verschwunden.

Neugierig drehte ich mich um. Yashiel war nicht mehr zu sehen. Ob er ganz weg war, konnte ich nicht mit Sicherheit sagen, aber ich meinte, seine Anwesenheit noch zu spüren.

***

Am nächsten Tag telefonierte ich mit meiner Mom. Sie erzählte mir den neusten Klatsch und ich von meiner durchtanzten Nacht mit Sam. Ich hatte meine neue Freundin mal in einer Nachricht erwähnt, aber jetzt nutzte sie natürlich die Gelegenheit, mich auszuquetschen, und ich hatte das Gefühl, dass sie sich für mich aus ganzem Herzen freute. Nachdem wir aufgelegt hatten, nahm ich meine Mitschriften aus den Vorlesungen und ging sie noch einmal durch. Ich spürte plötzlich Yashiels Anwesenheit, er hatte mit Sicherheit nach Ethan gesehen, sich ihm vielleicht sogar gezeigt und mit ihm gesprochen. Ich hoffte allerdings, dass er Noel von seiner himmlischen Beschattung verschont hatte. Glaubte er wirklich, ich könnte mich so einfach in ihn verlieben? War er so sehr besorgt, dass seine Quelle der Kraft versiegen könnte? Das tat wirklich weh und dass er jetzt hier herumschlich, war doch dumm. Ob ich etwas sagen sollte? Ja, schließlich war ich kein kleines Kind mehr.

»Ich spüre, dass du da bist. Zeig dich und rede mit mir«, forderte ich ihn auf, doch es geschah nichts.

Feigling, dachte ich, bis sich in mir ein unschöner Gedanke regte. Was war, wenn das gar nicht Yashiel war? Ich nahm mein Handy und entsperrte es mit zittrigen Händen. Es war noch eine Nachricht von meiner Mutter eingegangen, in der sie mir schrieb, dass sie mir für Yashiel etwas von dem guten Honig von daheim schicken würde. Ich wischte sie weg und wählte die Nummer des Engels in den Kontakten aus. Es klingelte, aber nicht in meinem Zimmer.

»Polly?«

»Ja, wo bist du?«

»Ich bin mit Ethan im Park, wieso? Stimmt etwas nicht?«

»Ja.« Damit legte ich auf. Bevor er nicht hier war, würde ich nichts mehr sagen. Da war etwas … eine Präsenz, die sich wie Yashiel anfühlte. Ich gähnte und streckte mich, um das Zittern in meinem Körper zu verbergen. Yashiel würde bald hier sein, da war ich mir sicher, solange musste ich so tun, als wäre alles in Ordnung. Vielleicht sollte ich Sam schreiben und fragen, ob sie kurz zu mir kommen würde? Es klopfte an meiner Tür. Bewusst ruhig erhob ich mich und öffnete sie. Zu meinem Erstaunen war es Noel, der dort stand. Fast schon geschockt starrte er mich an. Ich lächelte.

»Überrascht, dass ich da bin?«, zog ich ihn auf und trat glücklich über sein Auftauchen beiseite. »Komm doch rein.«

»Nein«, sagte er hastig. »Ich meine … tut mir leid. Eigentlich wollte ich …«

»Ja?«

Er sprach nicht weiter, schien nach Worten zu suchen.

»Dein Vater kam gestern Abend doch noch«, entschied ich ein Gespräch anzufangen, bevor er noch türmte. Seine Körperhaltung zeugte eindeutig davon, dass er bald die Flucht ergreifen würde.

»Wirklich?« Der Ausdruck in seinen Augen wechselte so schnell, dass es mich ein wenig überrumpelte. »Er war da?«

»Ja … komischer Kauz. Sorry.«

Noel presste die Lippen aufeinander und wich meinem Blick aus.

»Danke, dass du das mir gesagt hast.« Er verlor keine Zeit, drehte sich von mir weg und eilte strammen Schrittes den Flur hinunter. Ich wollte ihm noch nachrufen, aber ich hörte etwas im Zimmer hinter mir. Yashiel war angekommen und seine Miene war eisern. Ich schloss die Tür und begegnete seinem Blick.

»Hier war eben jemand. Es fühlte sich an wie du. Irgendwer hat mich beobachtet.«

Yashiels Gesichtsausdruck wurde sanfter, aber gleichzeitig auch alarmiert. Er sah sich im Zimmer um.

»Ich kann keine Spuren sehen«, grübelte er laut.

»Kann es sein, dass ein anderer Engel mich beobachtet hat?« Ein ungutes Gefühl breitete sich in mir aus.

»Es ist merkwürdig«, sprach er weiterhin mehr mit sich selbst. Dann sah er mich endlich wieder an. »Dass du spüren kannst, wenn ich da bin. Ich meine, ich würde es verstehen, wenn du weißt, dass ich es bin.«

»Na ja, keine Ahnung. Vielleicht nicht immer oder nur wenn du mir näher bist?«

»Das sollten wir testen. Sag mir, wenn du etwas merkst.« Damit verschwand er schimmernd vor meinen Augen.

»Ich weiß, dass du da bist und ja, ich spüre es auch irgendwie.« Es war kein besonders intensives Gefühl und ich war mir sicher, dass ich nicht abgelenkt sein durfte, um es überhaupt zu bemerken. Yashiel erschien wieder und fasste sich nachdenklich ans Kinn.

»Das ist beunruhigend.«

»Was du nicht sagst.« Ich seufzte.

»Vermutlich hast du schon so viel von Himmel und Hölle gesehen, dass es dein Empfinden geschärft hat. Das ist gut.«

»Gerade war es noch beunruhigend.«

»Nein, das war damit nicht gemeint.« Yashiel kam näher an mich heran, schien nachzusehen, ob ich unversehrt war. »Es war tatsächlich jemand hier. Jemand, der verschwunden sein muss, als ich aufgetaucht bin.«

»Es könnte auch Noel gewesen sein, der ihn oder sie mit seinem Besuch verjagt hat.«

»Also habe ich doch richtig gesehen, er ist hier gewesen.«

Wow, seine Stimme war soeben mindestens sechsunddreißig Grad kälter geworden und rangierte nun irgendwo in der Nähe des Gefrierpunkts. Ich beschloss das Thema sofort fallen zu lassen.

»Hach, ich werde den Rest meines Lebens unter Verfolgungswahn leiden. Schöne Aussichten.«

Yashiel ließ sich auf meinem Bett nieder und wirkte in Gedanken versunken. Ich setzte mich wieder an meinen Schreibtisch und räumte meine Unterlagen zusammen.

»Was macht der Prinz der Hölle?«, fragte ich, nachdem ich alles verstaut hatte. Yashiel reagierte nicht. »Hallo?« Ich fuchtelte mit meinen Armen vor seinen Augen herum.

»Ihr Menschen seid so ungeduldig.«

»Na ja, unsere Lebenszeit ist begrenzt.«

Da war tatsächlich so etwas wie ein kleines Lächeln im Gesicht des Engels.

»Ethan hat einen ziemlich verstörenden Charakter, der dem Umfeld geschuldet ist, in dem er aufgewachsen ist. Er ist sehr auf sich selbst bezogen, macht sich keine Gedanken über das, was andere vielleicht fühlen.«

»Hat er das von seinem Vater?«

»Ich sollte dir beibringen zu kämpfen«, sagte Yashiel vollkommen unverhofft. »Du musst dich wehren können, wenn ich nicht in deiner Nähe bin.«

»Ja, genau«, gluckste ich. »Und am besten noch mit Augenbinde so wie du.«

»Das wäre besser. Dann kann kein Dämon deine Seele manipulieren.«

Ich blinzelte. Einmal. Zweimal. Er sah mich immer noch ernst an.

»Ich würde mir mit einem Schwert vermutlich selbst mehr Schaden zufügen als meinem Gegner. Mal ganz abgesehen davon, dass ich keins ständig mit mir herumschleppen kann.«

Yashiel überlegte. »Dolche?«

»Nein.«

»Ein Bogen?«

Ich musste laut lachen. »Soll ich wie Katniss Everdeen über den Campus laufen?«

»Wer?«

»Kennst du nicht.« Vermutlich hatte er nicht mal einen der zahlreichen Filme über die Bibel gesehen. Obwohl es sicher echt spannend wäre, das mit ihm mal zu machen.

»Eine Pistole?«

»Man würde mich verhaften, wenn jemand Wind davon bekäme, dass ich so etwas mit mir führe.«

»Also doch Dolche.«

Ich massierte mir die Schläfen, hinter denen sich Kopfschmerzen anzubahnen drohten.

»Bei Dolchen muss man den Feind allerdings schon sehr nah an sich heranlassen, ansonsten kann man ihn damit nicht verletzen. Ich weiß nicht, ob das für einen Anfänger so unbedingt die geeignete Waffe ist.«

»Glaubst du denn, der Engel hätte mir etwas tun wollen?«

Yashiel schüttelte den Kopf. »Dann hätte er genug Gelegenheit dazu gehabt. Nein, er spioniert. Vielleicht hat es was mit Asasiels Tod zu tun.«

Mein Magen erinnerte mich daran, dass ich heute noch nichts gegessen hatte, und grummelte in die Stille hinein. Mit einer Hand über dem Bauch wollte ich ihn zum Schweigen bringen, was natürlich nicht funktionierte.

»Lass uns dir etwas zum Essen besorgen«, schlug Yashiel vor, dem das natürlich nicht entgangen war.

»Ich habe hier noch irgendwo eine Tüte Fruchtgummi.«

»Man muss kein Mensch sein, um zu wissen, dass du das nicht als richtiges Essen bezeichnen kannst. Gib mir etwas von eurem Zahlmittel und ich kann für dich gehen. Alleine bin ich ohnehin schneller.«

Ich sah ihn nachdenklich an. »Warum ist es so komisch zwischen uns geworden, Yashiel?«

Dass er so lange auf meine Frage schwieg, deutete darauf hin, dass er sich Worte zusammenlegen musste. Er konnte ja nicht lügen, also musste er sich, was immer er sagen wollte, anders ausdrücken. Ausnahmsweise ließ ich ihn und wartete geduldig. Ich nahm mir aber vor, zwischen den Zeilen zu lesen. Meine Antwort auf die Frage war klar: Wir hätten uns niemals küssen dürfen.

»Es ist meine Schuld, dass du das so empfindest«, sagte Yashiel schließlich und ein Teil von mir gab ihm recht. »Ich habe zu viel Nähe zugelassen, die uns beiden nicht guttut.« Er sah mir direkt in die Augen. »Du liebst mich. Das, was mit mir passiert, wenn wir uns küssen, ist der Beweis.«

Ich schluckte und ich glaubte, dass auch mein Herz ausgesetzt hatte. Yashiel schloss einen Moment die Augen und drehte den Kopf zur Seite.

»Ich hätte das nie tun dürfen. Es tut mir leid.«

Er entschuldigte sich tatsächlich dafür, dass er mich ausgenutzt hatte? Oder weil ich mich in ihn verliebt hatte? Ich war zwischen Tränen und Wut hin- und hergerissen. Yashiels Hände ballten sich zu Fäusten.

»Verdammt«, zischte er und wirkte einen Moment tatsächlich verzweifelt, bis er tief Luft geholt und sich wieder gesammelt hatte. Doch der Schein trog, denn ich konnte sehen, wie schnell sein Brustkorb sich hob und senkte.

»Yashiel?« Ich wollte mich versichern, dass alles in Ordnung war, doch ich rechnete nicht mit einem Wutausbruch. Er sprang von meinem Bett auf und kam auf mich zu.

»Hast du eine Ahnung, was du mir angetan hast?«, fuhr er mich plötzlich an und ich wich im Stuhl so weit es ging nach hinten.

»Ich dir?« Spott triefte nur so aus meinen Worten. Wie konnte er es wagen, mir irgendeinen Vorwurf zu machen. »Darf ich dich daran erinnern, dass du mich ausgenutzt hast? Dass du dir meinen Kuss wie eine Art Powerriegel gegönnt und auf das, was ich dabei fühle, null Rücksicht genommen hast?«

Erstaunen, aber auch Wut funkelten in seinen Augen.

»Das glaubst du allen Ernstes?«

Ich nickte und es sah aus, als hätte ich ihn damit beleidigt.

»Den ganzen Tag kann ich an nichts anderes denken, als dir nahe zu sein. Das Gefühl, das du in mir auslöst, ist so übermächtig, dass es mich schier in den Wahnsinn treibt. Ja, ich habe dich das letzte Mal geküsst, um mir Kraft für den befürchteten Kampf mit einem Seraphim anzueignen. Gleichzeitig dachte ich aber auch, dass es womöglich meine letzte Gelegenheit wäre, dies noch einmal zu tun, denn was dein Kuss mit mir macht, war auch für mich eine Überraschung. Anfangs bekam ich diese Energieschübe schon bei einer Berührung von dir, doch ich lernte sie zu kontrollieren und zu verstecken. Da hatte ich noch keine Ahnung, was die Berührung unserer Lippen in mir anrichten kann. Dass du dich ausgenutzt gefühlt hast, tut mir im Herzen weh, denn es war das meine, dass sich immer und immer wieder von mir gewünscht hat, dass ich meine Lippen auf deine presse. Ich habe dich vor der Sucht gewarnt, die das Berühren eines Engels mit sich bringt, und jetzt ist es genau andersherum.« Er stützte sich mit der Hand am Schreibtisch neben mir ab und kam mir so noch näher. Sein Atem ging heftig und er stieß ihn mir mitten ins Gesicht, während er auf mich herabblickte.

»Ich kann und darf dem nicht nachgeben. Der Wankelmut von euch Menschen kann einen Engel im Handumdrehen das Leben kosten.«

Mein Verstand hatte ausgesetzt und ich wollte ihm um den Hals fallen und ihn küssen. Doch da war etwas in seinen Augen, das mich geschliffen scharf mitten ins Herz traf und mich warnte, es nicht zu tun.

»Du hast bereits jetzt zu viel Macht über mich.« Damit stieß er sich vom Tisch ab und drehte mir den Rücken zu. Er blickte über die Schulter, ohne mich dabei wirklich anzusehen. »Was soll ich dir zum Essen holen?«, wechselte er das Thema und ich fühlte mich, als hätte er mich unter eine Dusche mit eiskaltem Wasser gestoßen. In mir kribbelte es und das Klopfen meines Herzens dröhnte in meinen Ohren. Er sehnte sich nach mir? Deshalb war er so eifersüchtig auf Noel? Aber liebte er mich auch oder war es wirklich nur eine rein körperliche Sucht? Ich wollte ihn so viel fragen, bekam aber kein Wort heraus. Yashiel ging einfach an meinen Rucksack, wo sich immer in einem Fach in der Mitte mein Geldbeutel befand. Er holte ihn heraus und öffnete ihn. Ich sah, wie ein Schein in seiner Hosentasche verschwand, bevor er es ebenfalls in einer kleinen Lichtexplosion tat. Eine Anspannung löste sich, von der ich erst wusste, dass sie dagewesen war, nachdem sie von mir abgefallen war. Ich blieb mit hängenden Schultern an Ort und Stelle sitzen und fragte mich, was seine Worte zu bedeuten hatten. Als ich mich gerade hingestellt hatte, stand Yashiel mit gehetztem Blick plötzlich wieder vor mir.

»Ich bin nicht so stark, wie ich dachte«, sagte er und bevor ich auch nur in der Lage war, einen klaren Gedanken zu fassen, lagen seine Lippen auf meinen. Gleißend helles Licht umhüllte uns, während er mich mit sich zog und wir auf meinem Bett landeten. Es hätte auch eine Wolke sein können, denn ich war im Himmel. Seine Arme umschlangen mich, zogen mich näher und fester an ihn heran und das wohlig brummende Geräusch, das er unserem Kuss beimischte, verursachte heftiges Kribbeln in meinem ganzen Körper. Für den Moment schien alles erlaubt, also vergrub ich meine Hände in seinem dunkelblonden Haar und genoss, wie es sich zwischen meinen Fingern anfühlte. Als Yashiel eine Hand an meinen Oberschenkel legte und sich gleichzeitig noch fester gegen mich drückte, ging plötzlich ein Ruck durch ihn und er verschwand erneut. Mein Atem ging so heftig, als wäre ich gerannt, und der wilde Cocktail an Hormonen, den er mir direkt ins Blut gejagt hatte, vernebelte mir den Verstand.

Kapitel 2

Ich hatte mich mittags mit Sam und Adam in einem Fast Food Restaurant verabredet, welches von den hiesigen Studenten gerne besucht wurde. Heute war es allerdings recht leer. Eine Kellnerin, die vermutlich irgendwann einmal hübsch gewesen war, saß halb auf einem der Barhocker vor dem Tresen und las in einer Zeitschrift. Sie kaute Kaugummi und zog sich immer wieder das viel zu kurze rosa Kleidchen herunter. Seit sie uns bedient hatte, hatte sie sich keinen Zentimeter mehr bewegt. Yashiel war bei uns, das spürte ich, doch wahrscheinlich leuchtete er noch zu stark, um sich zeigen zu können. Unser letzter Kuss hatte mir erneut bewiesen, dass wir ein Problem hatten. Eins, über das wir dringend reden mussten.

»Hier ist kein Honig dran, das ist so geil!«, stöhnte Sam, die ein Stück gegrilltes Hähnchen mit Fritten verdrückte.

»Du solltest mal deine Geschmacksnerven untersuchen lassen«, riet Adam ihr auf einem Truthahnsandwich herumkauend. Sam musterte mich kritisch, während sie einen Schluck Wasser nahm und den Bissen in ihrem Mund damit herunterspülte.

»Okay«, sagte sie schließlich, als ich mit meiner Gabel zum zehnten Mal eine Nudel von einer in die andere Ecke des Tellers schob. »Was hat er gemacht?«

Adam sah fragend zwischen ihr und mir hin und her. »Was hat wer gemacht?«

»Yashiel.«

»Er ist hier«, informierte ich sie und aß die Nudel endlich.

»Toll …« Sam starrte auf den leeren Platz neben mir. »Was hast du mit ihr gemacht? Benimm dich nicht wie ein unnahbarer Engel, der über allem steht und zeig dich.«

Ich würgte die Nudel herunter. »Das kann er gerade nicht.«

»Wieso?« Sam lehnte sich über den Tisch zu mir herüber. »Ist er nackt?«

Ich musste schmunzeln und schüttelte den Kopf.

»Schade.«

Adam stieß sie mit dem Ellenbogen an.

»Was?«

»Benimm du dich lieber.«

Sam sah zur Decke und seufzte kurz, bevor sie sich wieder mir zuwandte. »Du sagst uns jetzt, warum du wie ein Sauertopf guckst.«

»Tut mir leid, das kann ich nicht.«

»Müssen wir den Engel verhauen?« Der Gedanke schien ihr mehr zu gefallen, als sie zugeben würde. Etwas, vermutlich der Schalk, blitzte kurz in ihren Augen auf. »Das wird Spaß machen.«

»Nein. Tut mir leid, wenn ich jetzt die Spaßbremse spielen muss, aber niemand wird geschlagen.«

Sam seufzte erneut. »Schade«, maulte sie und widmete sich wieder ihrem Essen. Adam sah mich entschuldigend an und ich schenkte ihm ein aufmunterndes Lächeln. Es starb auf meinen Lippen, als Yashiel zur Tür hereinkam. Er setzte sich kommentarlos auf den Stuhl neben mir und lehnte sich zu Sam vor.

»Könntest du bitte«, flüsterte er, »in aller Öffentlichkeit das Wort Engel in Bezug auf mich weitestgehend vermeiden?«

Ich verstand sein Problem nicht. Wir saßen an einem Tisch etwas abseits der anderen Gäste und niemand sah so aus, als belauschte er uns. Sam salutierte.

»Jawohl, mein himmlischer Kommandant.«

Yashiel stützte seine Arme auf dem Tisch auf und vergrub sein Gesicht darin.

»Na toll«, sagte ich. »Jetzt hast du unseren Engel kaputtgemacht.«

Yashiel hob den Kopf wieder und sah mich an. Der schwarze Pullover stand ihm so unglaublich gut, aber er machte seine Haut blass und ich meinte fast, seinen Schimmer erkennen zu können. Das Grün seiner Augen schien mich zu fragen, ob es mir gut ginge. Ich wich seinem Blick aus. Das hier war nicht der richtige Ort und auch nicht die richtige Zeit, um zu besprechen, was eben zwischen uns passiert war. Anders als ein Mensch, den mein Wegsehen dazu gebracht hätte, es mir gleichzutun, starrte Yashiel mich weiter an. Ich begegnete erneut nervös seinem Blick und sah, wie er schluckte.

»Ihr könntet uns ja mal erklären, was euer Interesse an Ethan zu bedeuten hat«, sagte Sam und rettete mich aus diesem verwirrenden Starrduell.

»Er ist jemand, für den sich der Himmel sehr interessiert«, antwortete Yashiel leise.

»So viel weiß ich längst. Wir müssen nett zu ihm sein. Aber warum?« Sam war so selbstbewusst, ich bewunderte sie dafür.

»Weil er ein Nephilim ist.«

»Ein was?«, hakte Adam nach und griff nach seinem Erdbeer-Vanille-Twist-Milchshake, von dessen Anblick alleine ich schon Zahnschmerzen bekam.

»In Filmen oder Serien waren das immer Kinder von Engeln und Menschen.« Sam sah sich versichernd zu Yashiel, welcher nickte. »Stimmt es, dass man die im Himmel nicht so gerne sieht?«

Yashiel holte tief Luft und ich spürte, dass er ins Rudern geriet. Die Wahrheit konnte er vermutlich nicht sagen, weil sie Fragen aufwerfen würde, die er nicht beantworten konnte oder wollte.

»Diesen jedenfalls nicht«, kam ich ihm zu Hilfe und ich meinte in dem kurzen Blick, den er mir daraufhin zuwarf, Dankbarkeit gelesen zu haben.

»Krass«, grübelte Adam. »Wie kann so ein Arschloch von einem Engel abstammen?«

»Das ist es ja gerade«, meinte Yashiel. »Er kann gefährlich werden, wenn wir sein Herz nicht zum Guten bekehren.«

»Sollen wir ihn knuddeln und kitzeln, bis er rosa Herzchen furzt?« Sam schien amüsiert zu sein, aber sie kannte ja auch den Ernst der Lage nicht.

»Wir sollten ihm einfach Freunde sein und ihm helfen, keinen Quatsch zu machen«, sagte ich und mahnte sie mit meinem Blick zu Ernsthaftigkeit. Es gelang mir nicht, sie lachte in ihr Wasserglas, bevor sie einen Schluck nahm. Ich schob meinen Teller von mir weg, ich hatte absolut keinen Hunger mehr. Yashiel nahm meine Gabel und kostete eine Nudel. Er verzog das Gesicht und legte das Besteck nieder.

»Nicht in Honig gebadet, das schmeckt ihm nicht«, gluckste Sam und ich lächelte.

»Meine Mom schickt dir übrigens welchen«, teilte ich Yashiel mit. »Ich habe heute Morgen mit ihr telefoniert.«

Überraschung stand in das perfekte Gesicht des Engels geschrieben. Irgendwie konnte er die freundliche Tat meiner Mutter wohl nicht zuordnen. Schließlich lächelte er.

»Danke, das ist wirklich sehr freundlich von ihr.«

»So ist sie.« Ich zuckte mit den Schultern.

»Habe ich da eben eigentlich Noel bei dir an der Tür gesehen?« Sam wusste genau, was sie da tat, das konnte ich in ihren Augen sehen. Sie wollte Yashiel eifersüchtig machen.

»Ja, er war kurz da. Warum?«

»Wir hätten ihn zum Tanzen mitnehmen sollen.«

»Aber da war er doch schon weg.«

»Ich habe seine Handynummer.« Das zufriedene Grinsen auf ihren Lippen machte mich ein wenig wütend. Ihre Versuche, Unruhe zu stiften, fruchteten, das spürte ich in der Luft. Es war, als würde sie angespannt und dicker werden. Ich wandte mich Yashiel zu.

»Noel meinte, dass er das Gefühl hätte, dass Ethan von etwas besessen ist und dass er so gut wie nie schläft. Ist es möglich, dass ein Nephilim weniger Schlaf braucht?«

Yashiel sagte nichts, aber ich konnte die Gedanken hinter seinen Augen förmlich rasen sehen.

»Ich schätze schon«, meinte er schließlich. »Aber ich habe gelernt, dass bei der Vermutung einer Besessenheit oft auch eine besteht.«

»Denkst du denn … er … würde das zulassen?«

»Um ihn so zu lenken, dass er das wird, was er will?« Yashiel lachte bitter auf. »Natürlich.«

»Ist dir an ihm nichts aufgefallen?«

Yashiel schüttelte den Kopf. »Ich sollte das überprüfen gehen.« Er verlor keine Zeit und erhob sich.

»Soll ich mit dir mitkommen?«

»Nein. Er braucht nichts von meiner Untersuchung mitzubekommen.« Er zwinkerte mir zu und in meinem Bauch begann es zu kribbeln. Als er sich dann noch zu mir herunterbeugte und seine Lippen an mein Ohr legte, war ich von einer Sekunde auf die andere bewegungsunfähig. Ich wusste zwar nicht, wann er geduscht hatte, aber der Duft von frisch gewaschenem Mann verwandelte mein Inneres in zitternden Wackelpudding.

»Wir reden später. Alleine.« Er erhob sich und wollte gerade zur Tür hinausgehen, da betrat der Sohn des Teufels höchstpersönlich und wie gerufen den Laden. »Scheint so, als könnte ich bleiben«, sagte Yashiel und winkte Ethan zu uns.

»Na, toll«, stöhnte Adam, der seinen Shake zur Hälfte getrunken hatte und jetzt darin herumrührte und immer wieder etwas Sahne vom Strohhalm lutschte. Ethan gab Yashiel mit einer Geste zu verstehen, dass er gleich zu uns herüberkommen würde. Er sprach mit dem jungen Mann hinter dem Tresen und lehnte sich dabei vertraut vor. Offensichtlich kannten die beiden sich. Sam hatte über ihre Schulter gesehen und die beiden Männer ebenfalls beobachtet.

»Sind Engel eigentlich bisexuell?«, fragte sie, nachdem sie sich umgedreht hatte und steckte sich eine Fritte in den Mund.

»Dass ihr Menschen da so viel Wirbel drum macht.« Yashiel schüttelte grinsend den Kopf.

»Was denn? Ich finde das mega spannend! Worauf fährt ein Engel ab? Seid ihr alle gleich oder mag der eine das, der andere jenes? Vögelt ihr auch untereinander?«

Yashiel behielt Ethan im Auge, während er antwortete. »Nein, wir schlafen nicht mit unseren Schwestern und Brüdern.«

»Ich würde sagen, man kann Engel da nirgendwo zuordnen«, mischte sich Adam ein und als ich ihn fragend ansah, zuckte er mit den Schultern. »Ich habe ihn zu dem Thema schon mal ein wenig ausgequetscht. Ganz andere Spezies, ganz andere Maßstäbe. Sie laufen jedenfalls nicht herum und geifern Menschen nach. Ihm könnte eine nackte Frau mit riesigen Brüsten auf den Schoß fallen. Würde ihn kaltlassen.«

Sam drehte sich ihm erstaunt zu. »Du redest mit ihm über Sex und sagst mir nichts?« Sie gab ihm einen freundschaftlichen Schubs, dann musterte sie Yashiel grübelnd. »Seine Sexualität ist Polly.«

»Ha ha«, äffte ich, da räusperte sich Yashiel, weil Ethan auf dem Weg zu uns war. Die anderen verstanden und ließen das Thema fallen, während sich Ethan vor unserem Tisch aufbaute.

»Die Freaks!«, begrüßte er uns. »Was wollt ihr?«

»Dass du dich zu uns setzt.« Yashiel war immer so direkt, das sollte ich versuchen ihm abzuerziehen. Ethan gluckste mit hochgezogenen Augenbrauen.

»Klingt ja sehr verführerisch … aber ich habe was Besseres vor.«

»Was denn?«

»Ja«, kam Sam Yashiel zu Hilfe. »Was könnte wohl geiler sein, als ein Mittagessen mit dieser elitären Gruppe.«

Ethan lächelte verächtlich. »Mir fallen da auf Anhieb eine Menge Dinge ein.« Sein Gesichtsausdruck änderte sich, als er Yashiel ansah. »Bis später vielleicht.«

Wir schwiegen und sahen uns gegenseitig an, bis er außer Hörweite war.

»Er ist nicht besessen«, hielt Yashiel zufrieden fest und nahm meine Limonade, um einen Schluck zu trinken.

»Sicher? Kommt mir so vor, als wohnt ein Kobold in ihm.«

»Es gibt keine Kobolde.«