BEHEMOTH 2333: Die Pforten der Hölle - Joshua Tree - E-Book

BEHEMOTH 2333: Die Pforten der Hölle E-Book

Joshua Tree

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Beschreibung

Alle Figuren sind in Position, als Alexander Moreau, Supervisor von Bismarck und Kopf der Human Corporation und der mysteriöse Neuromorph zum letzten Spiel bitten - einem Spiel, das Pascal Takahashi nur zu gerne spielt. Doch dieses Spiel folgt keinen Regeln mehr und die Einsätze sind so hoch wie noch nie. Inmitten einer sterbenden Kolonie müssen Jeremy und seine Crew gemeinsam mit Pascal einen Weg finden, selbst die Weichen für die Zukunft der Menschheit zu stellen, bevor andere es tun. Denn unter der Finsternis der Barriere regen sich dunkle Geheimnisse, die kurz davor stehen, an die Oberfläche zu gelangen.

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Veröffentlichungsjahr: 2025

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BEHEMOTH 2333

DIE PFORTEN DER HÖLLE

JOSHUA TREE

INHALT

1. Pascal

2. Zwischenspiel

3. Jeremy

4. Zwischenspiel

5. Pascal

6. Zwischenspiel

7. Jeremy

8. Zwischenspiel

9. Pascal

10. Zwischenspiel

11. Kommandant-Erzeuger

12. Zwischenspiel

13. Jeremy

14. Zwischenspiel

15. Pascal

16. Zwischenspiel

17. Jeremy

18. Zwischenspiel

19. Zwischenspiel

20. Pascal

21. Jeremy

22. Pascal

23. Jeremy

24. Pascal

25. Jeremy

26. Pascal

27. Jeremy

28. Pascal

29. Jeremy

30. Pascal

31. Jeremy

32. Pascal

33. Jeremy

Nachwort

Zeitlinie (lang)

Glossar: Locusts

Glossar: Menschen

Personenregister

1

PASCAL

KOLONIEMOND BISMARCK, ARCHIMEDES SYSTEM, 29. NOVEMBER 2333, 20:17 UHR

Jemand pochte kräftig an die Haustür. Pascal erschrak nicht, denn er hatte damit gerechnet. Trotzdem beeilte er sich, zu dem Stapel Gewehre zu laufen, der unter dem Wohnzimmerfenster lag. Nacheinander reichte er die Waffen an Jeremy, Macella, WizKid, Walter und Felicity weiter und lud dann seine eigene durch.

»Wir werden nicht viel Zeit haben, darum müssen die ersten Salven sitzen«, erklärte Pascal mit gesenkter Stimme. »Ich werde um Hilfe rufen, dann kommen sie hoffentlich überstürzt herein und flankieren uns nicht durch die Fenster. Ich denke nicht, dass sie eine professionelle Ausbildung genossen haben. Es dürfte sich um Amateure handeln. Sobald sie hereinkommen, feuert ihr aus allen Rohren.«

Die anderen nickten stumm. Er sah, dass WizKids Hände zitterten, bevor sie begann, die Waffe hin und her zu bewegen, um das Zittern zu verstecken.

Hoffentlich geht das Ganze nicht nach hinten los, dachte er und winkte in Richtung der Tür zum Flur. Während die anderen dort in Deckung gingen und auf die Haustür anlegten, nahm er Newt an der Hand und führte sie zum Bett hinüber.

»Okay Kleines«, sagte er und bemühte sich kläglich um einen warmen, kindgerechten Tonfall – oder zumindest das, was er dafür hielt. »Du musst mir jetzt einen Gefallen tun, in Ordnung?«

Newt antwortete nicht, nickte jedoch schwach und schaute ihn aufmerksam aus ihren großen, braunen Augen an. Ihre Mundwinkel hingen erschreckend weit herab. Es tat ihm leid, dass sie in ihrem zarten Alter bereits mehr hatte durchmachen müssen, als die meisten Menschen in ihrem gesamten Leben.

»Ich möchte, dass du dich unter das Bett legst und mir Bescheid gibst, wenn dort«, er deutete in Richtung des zugehängten Schlafzimmerfensters, »Füße auftauchen. Kannst du das für mich tun? Du darfst dein Versteck aber erst verlassen, wenn ich dich rufe. Es ist wirklich wichtig.«

Wieder nickte Newt stumm und krabbelte mit seiner Hilfe unter das Bett.

»Ich zähle auf dich, Newt«, schickte er noch hinterher, bevor er ein letztes Mal den Sicherungshebel seines Gewehrs überprüfte und dann schrie: »HILFE!«

Ein kurzer Moment der Anspannung folgte, während dessen stiller Schwere er hoffte, dass die Männer vor der Tür nicht zu genau hinhörten und überstürzt folgern würden, dass Moreau gerufen hatte.

Glücklicherweise ging seine Rechnung auf und vor dem Haus wurden Rufe laut. Ohrenbetäubendes Gewehrfeuer brandete auf und durch den Flur konnte er sehen, wie das dünne Komposit der Haustür zerfetzt wurde. Myriaden feiner Splitter rasten ihnen entgegen und vermischten sich mit Staub, Rauch und großen Holzbrocken aus der Kommode, die vor der Tür gestanden hatte.

Jeremy und Macella zogen die Köpfe ein und wichen von der Kante der Wohnzimmertür zurück, um sich zu schützen. Auf der anderen Seite taten Walter und Felicity dasselbe. WizKid wartete in der Küche und zielte von dort auf den offenen Durchgang zum Flur. Jeder, der durch den langen Gang auf die Wohnzimmertür zulief, würde an der Küchentür vorbeikommen und in ihr Kreuzfeuer geraten.

»Feuer!«, schrie Pascal über den Lärm hinweg, lehnte sich ein wenig zur Seite, um gefahrlos an den anderen vorbei in den Flur zielen zu können und drückte den Abzug.

Der Lärm war ohrenbetäubend, als fünf Gewehre gleichzeitig ihre Munition ausspuckten und den schmalen Gang mit Blei füllten. Pascal konnte schemenhafte Umrisse in der Nähe der Haustür erkennen, dann spritzte Blut und Schmerzensschreie mischten sich mit dem Knattern der Waffen. Das Mündungsfeuer ließ grelle Blitze wie Feuerblumen aufflackern, die bizarre Schatten warfen und seine Netzhaut zu überlasten drohten.

»Lade nach!«, brüllte er und lief in Richtung Küche davon. Walter und Jeremy legten Sperrfeuer, während Macella und Felicity nachluden. Danach wechselten sie sich ab. Pascal schnappte sich ein frisches Magazin vom Gürtel und rammte es in die Fassung auf der Unterseite seines Gewehrs.

Vor dem Fenster zwischen Wohnzimmer und Küche sah er einen Schatten, genau in dem Moment, als er den Blick hob. Ohne nachzudenken zog er den Abzug durch. Das Nanoglas zersplitterte und ein Schrei ertönte.

Pascal wartete nicht, sondern sprang aus vollem Lauf nach draußen. Dabei machte er sich so klein wie möglich, blieb aber trotzdem an einer langen Scherbe im Fensterrahmen hängen. Ein heißer Schmerz durchfuhr seine Schulter und er geriet ins Taumeln.

Draußen, halb in die Reste des Vorhangs eingewickelt, stieß er mit jemandem zusammen und landete schließlich in einer Hecke. Reflexartig drehte er sich um und wand sich aus den Stoffresten. Direkt vor ihm lag ein Mann in zerschlissener Arbeitskleidung und hielt sich stöhnend eine Schusswunde am Bauch. Pascal schoss ihm in den Kopf und blickte gehetzt nach rechts und links.

Niemand war zu sehen. Aus dem zerstörten Fenster sah er noch immer das Aufflackern von Mündungsfeuer und hörte neben dem Knattern der Waffen lautes Geschrei.

Haltet bloß durch, dachte er und rannte an der Außenwand entlang in Richtung Hausecke. Dort angekommen lugte er vorsichtig um sie herum und sah zwei Gestalten, die neben dem zerfetzten Türrahmen der Eingangstür in Deckung gegangen waren. Sie riefen sich etwas zu, doch wurde jedes Wort vom Gefechtslärm verschluckt.

Pascal zog sich zurück, atmete tief durch und machte dann einen Schritt nach vorne. Dabei drehte er sich um und legte eilig, aber kontrolliert an. Zwei kurze Züge mit seinem Zeigefinger und helle Feuerblumen erblühten am Ende seines Gewehrs.

Die Salven verließen die Mündung und fanden routiniert ihr anvisiertes Ziel. Der erste Adventist ging gurgelnd zu Boden, als sein Hals durchschlagen wurde, der andere hatte noch genügend Zeit zu schreien und sich fallen zu lassen. Statt in den Hals, wurde er so am Schädel getroffen und brutal herumgewirbelt.

Pascal verschwendete keine Zeit und lief in ihre Richtung, ging mit gezielten Kopfschüssen auf Nummer sicher und sondierte mit hin und her zuckendem Visier die nähere Umgebung. Er konnte keine weiteren Ziele ausmachen.

Gerade, als er sich eingestehen wollte, dass das zu einfach gewesen war, hörte er weitere Schüsse von der anderen Seite des Hauses und einen lauten Schmerzensschrei. Er stammte eindeutig von einer Frau.

»Scheiße!«, fluchte er und rannte um die nächste Häuserecke in Richtung Rückseite des quadratischen Gebäudes. Niemand war zu sehen.

Zwei Einzelschüsse ertönten, zerrissen brutal den kurzen Moment der Stille, dann folgte ein weiterer Schuss. Pascal lief weiter auf die Ecke des rückwärtigen Gartens zu und wäre vor Schreck beinahe gestürzt, als eine massige Gestalt vor ihm auftauchte. Sie trafen sich genau an der Ecke und auch der Adventist mit der Glatze riss die Augen auf. Seine Waffe hatte er im Gegensatz zu Pascal allerdings noch im Anschlag und drückte sie ihm jetzt mit der Mündung in die Magengrube.

»Das war’s mit dir«, zischte der Mann grinsend und drückte ab.

Ein lautes Klicken ertönte, dann noch eins und der Angreifer starrte entgeistert auf sein leergeschossenes Gewehr hinab.

Pascal gestattete sich einen erleichterten Seufzer und riss sein eigenes Gewehr hoch. Sein massiges Gegenüber befreite sich aus seiner Schockstarre und schwang seine nutzlos gewordene Schusswaffe kurzerhand wie eine Axt.

Als ihm bewusst wurde, dass er die Waffe nicht schnell genug hochbekommen würde, ließ er sich nach hinten fallen. Der Kolben des Gewehrs schoss knapp an seinem Gesicht vorbei und der Adventist stürzte ihm hinterher, kam jedoch zu spät.

Für einen kurzen Moment schien die Zeit still zu stehen und Pascal konnte jede einzelne Pore auf dem fleischigen Gesicht des Mannes sehen: Die kleinen Schweißperlen, die von der Stirn rannen, die geweiteten Pupillen seiner Schweinsaugen. Dann berührten sich die Mündung von Pascals Gewehr und der Bauchnabel des Fremden und er drückte ab. Mit dem Husten der Salve schlug er auf dem Boden auf und keuchte, als sämtliche Atemluft aus seinen Lungen gepresst wurde. Blut spritzte in sein Gesicht und er rollte sich instinktiv zur Seite, um nicht von der fallenden Leiche begraben zu werden.

Panisch rang er nach Luft, doch es fühlte sich an, als presse jemand mit Gewalt seine Lungenflügel zusammen. Es dauerte einige Momente, in denen er beinahe schmerzhaft die Augen aufriss und hechelte, bevor er wieder zur Ruhe kam. Sein Rücken schmerzte höllisch und der Schnitt an seiner rechten Schulter brannte wie Feuer.

Mühsam kam er auf die Beine und fühlte sich mit dem Abklingen des Adrenalinpegels plötzlich schwach und wackelig auf den Beinen. Mit seiner zitternden Hand zog er einen Ärmel hoch und rieb sich Flüssigkeiten aus den Augenhöhlen. Er wollte gar nicht wissen, was sich da alles in das Blut gemischt hatte.

Das Zittern seiner Hände war ein ungeliebter Begleiter seit frühesten Tagen in der Polizeiakademie. Er wusste nicht einmal, woran es lag, denn jemanden zu töten schockierte ihn schon lange nicht mehr. Zu sehr war er abgestumpft von über 40 Jahren Polizeiarbeit, grausamen Tatorten und insgesamt 66 Tötungen. Vielleicht war es einfach die Art und Weise, wie sein Körper dem Stress begegnete, den jeder Kampf unweigerlich erzeugte.

Pascal sah ruckartig zurück in Richtung der Hausfront, als klagende Rufe aus dem Inneren an sein Ohr drangen.

»Mist«, fluchte er und rannte erst unbeholfen, dann immer schneller an der Wand entlang, um die Ecke, durch die Haustür und den völlig zerstörten Flur. Dabei musste er über mehrere zerfetzte Leichen hinwegsetzen, kam kurz ins Straucheln, fing sich jedoch wieder und platzte ins Wohnzimmer.

WizKid lag ausgestreckt auf dem Boden, ihr Haar war blutverschmiert und ihr Gesicht kreidebleich. Felicity kniete über der Analystin und nestelte an ihrer Uniformjacke herum. Die anderen standen besorgt rund um die beiden und schienen nicht so richtig zu wissen, was sie tun sollten. Er kannte diese kollektive Betroffenheit, wusste, wie schrecklich es sich anfühlte, nichts tun zu können, als herumzustehen und sich zu sorgen. Es war ein furchtbares Gefühl.

»Was ist passiert?«, fragte er und alle Blicke, außer jene von WizKid und Felicity richteten sich auf ihn.

»Einer von ihnen hat uns von hinten erwischt. Muss ganz am Anfang schon im Garten gewesen sein«, erklärte Jeremy und schaute besorgt auf die zierliche Analystin hinab. Auf Pascal wirkte er müde. Nicht müde als ob man zu wenig Schlaf hatte. Nein, er sah eine tiefere Müdigkeit, eine generelle Erschöpfung in den großen Augen des Offiziers, die er von Kollegen kannte, kurz bevor sie den Dienst quittierten und sich in Frührente begaben. »Hat sie an der rechten Schulter erwischt. Felicity sagt, es sei ein glatter Durchschuss und sie kommt wieder in Ordnung.«

»Das ist gut«, sagte Pascal und nickte erleichtert. Tatsächlich spürte er eine Last von sich abfallen. Er hatte gar nicht bemerkt, wie sehr er sich um seine neuen Kameraden mittlerweile sorgte. »Der Rest?«

»Sonst wurde keiner verletzt, bis auf ein paar Schrammen und Blessuren durch Querschläger und herumfliegende Splitter.«

»Habt ihr das gehört?«, unterbrach Walter sie mit einem Mal.

»Was denn?«, fragten Pascal und Jeremy gleichzeitig. Dann hörte er es auch: Ein niederfrequentes Flattern, als vibriere die Luft selbst.

»Drohnen!«, fluchte Walter und riss seine Waffe hoch, als im selben Moment ein halbes Dutzend der Locustflieger durch die zerstörten Fenster brachen. Sie kamen von allen Seiten gleichzeitig, schossen einfach heran und breiteten ihre Flügel aus, die zitternd in der Luft hingen.

»Nicht schießen!«, rief Pascal aufgeregt, obwohl es nicht besonders laut war im Haus. Doch die anderen hatten ihre Waffen so schnell hochgerissen und fuchtelten so nervös damit herum, dass er schon das nächste Feuergefecht kommen sah.

»Ich hoffe, du weißt wirklich, was du tust, Inspektor«, grollte Walter und leckte sich nervös über die Lippen.

»Ich weiß es, vertraut mir«, antwortete Pascal und senkte langsam sein eigenes Gewehr.

»Was, wenn das von Moreau gekaperte Drohnen sind?«, gab Jeremy zu bedenken und zielte direkt auf das zentrale Auge einer Drohne vor ihm.

»Dann wären wir schon längst tot.«

Niemand sagte daraufhin etwas und das Schweigen breitete sich aus, füllte jede Ritze des mit einem Mal sehr klein gewordenen Wohnzimmers unangenehm. Die Zeichen der Zerstörung um sie herum schienen nichts Gutes zu verheißen. Genauso wenig wie der Staub, der von den Libellenflügeln der Drohnen aufgewirbelt wurde und Pascal in den Augen brannte. Er erhaschte einen kurzen Blick auf Newt, die noch immer unter dem Bett lag und gerade dabei war, darunter hervorzukriechen. Als sich ihre Blicke trafen, schüttelte er kaum merklich den Kopf. Sie zeigte zwar keine Reaktion in ihrem ausdruckslosen Gesicht, schien seine Geste jedoch zu verstehen und kroch wieder zurück.

Kleine Öffnungen an den Vorderseiten der Drohnen, die sie dicht umzingelt hatten, glitten schmatzend auf und offenbarten linsenartige Kristalle vor einem grünen Schimmern. Dann wurde es hell und grüne Lichtwände strichen über ihre dichtgedrängte Gruppe hinweg.

»Scheiße, Captain, wir sollten lieber auf Nummer sicher gehen und sie abknallen«, murrte Walter nervös und knurrte die Drohne vor sich an wie ein Tier.

»Nicht schießen«, befahl Jeremy zischend, doch seine Stimme klang nicht überzeugt davon, zu 100 Prozent das Richtige zu tun. Pascal konnte sehen, wie der Zeigefinger des jungen Offiziers am Abzug zu zittern begann.

Dann erstarb das Licht mit einem Mal, die Öffnungen schlossen sich und die Drohnen schwebten lautlos zurück. Erst langsam, dann ruckartig, schossen vier von ihnen durch die Fenster hinaus. Die anderen zwei flogen in Richtung des Flurs und fuhren lange Greifarme aus, um dort die Leichen einzusammeln.

»Puh«, machte Macella und atmete erleichtert aus, bevor sie ihre Waffe senkte und sich frischen Schweiß von der Stirn wischte.

»Glaubt ihr mir jetzt?«, fragte Pascal und winkte Newt heran, als er durch den Flur sah, dass auch die anderen Leichen abtransportiert wurden. Das Mädchen kam direkt zu ihm gerannt und gerade als er nervös wurde, weil er befürchtete, dass sie ihn umarmen könnte oder dergleichen, lief sie an ihm vorbei. Er drehte sich um und sah, wie Newt in Macellas ausgebreitete Arme sprang und das Gesicht an ihrer Schulter vergrub.

Für einen Moment wusste er nicht, ob er enttäuscht oder erleichtert sein sollte.

»Ist halt nicht so einfach, wenn man von fliegenden Aliens umstellt ist«, sagte Walter mit düsterer Miene. »Die haben einfach die Leichen mitgenommen.«

»Ja«, erwiderte Pascal und dachte an die Erinnerungen des Neuromorphs, die noch so frisch durch seinen Geist wanderten, als habe er es eben gerade selbst erlebt. »Der Neuromorph lässt alle Leichen einsammeln, damit keine Seuchen ausbrechen.«

»Ein echter Philanthrop, dieser Neuromorph«, meinte Felicity ironisch, während sie WizKids Schulter versorgte.

»Außerdem löst er sie in ihre Bestandteile auf und nutzt das Blut als Dünger«, gab Pascal zu und versuchte dieses eher horrormäßige Bild mithilfe eines sonoren Plaudertons herunterzuspielen.

»Bitte was?«, fragte Jeremy entgeistert.

»Es liegt auf der Hand. Auf einem Friedhof würde letztendlich nichts anderes geschehen, als dass sich der Sarg genauso auflöst wie die Leiche. Am Ende ist alles Dünger für das Erdreich und erzeugt wieder neues Leben«, erklärte Pascal und zuckte mit den Schultern. Natürlich hatte er gewusst, dass sie so reagieren würden, doch er verstand es tatsächlich nicht. Was war so schlimm daran, sterbliche Überreste für etwas Positives zu nutzen? Immerhin würden die gedüngten Pflanzen auf den Farmen dafür sorgen, dass neue Nahrung gedieh.

»Ich kann immer noch nicht glauben, was wir hier tun«, gestand Macella, die Newt an ihrer Brust hielt und beruhigend ihren Kopf tätschelte.

»Dass der Neuromorph statt des personifizierten Bösen tatsächlich ein Ausweg aus der Umklammerung von Alpha ist, war doch seit dem Anfang unserer Mission eine unausgesprochene Möglichkeit«, sagte Pascal.

»Stimmt«, nickte Jeremy ihm zu und half Felicity dabei, einen Verband um WizKids Schulter festzuknoten. Die Analystin sah noch immer etwas blass aus, sprach jedoch bereits wieder gedämpft mit der Nanonikerin.

»Trotzdem ist es eine schwierig zu schluckende Pille, dass wir nach allem, was wir gesehen haben, plötzlich den Invasoren trauen sollen und nicht mehr unseren eigenen Leuten«, fuhr Jeremy fort. Pascal schätzte, dass der junge Bismarcker mit der Situation überfordert war. Wie er den durchaus fähigen Captain kennengelernt hatte, war er ein Getriebener mit dem unbändigen Drang, in jeder Situation das Richtige zu tun. Er versuchte stark zu sein und voranzugehen, gestand sich dabei aber nicht ein, dass ihn die ständige Verantwortung zermürbte. Darum holte er sich auch immer wieder die Meinungen seiner Untergebenen ein: Um sie von seinen Schultern auf mehrere zu verteilen. Er war keiner dieser geborenen Anführer, wie es einige der grauhaarigen Schlachtrösser bei der Navy waren. Männer und Frauen, die nie zögerten, auch im Adrenalinschub aufgrund einer Schlacht einen kühlen Kopf bewahrten und sich keinerlei Sorgen um die Zukunft machten. Jeremy Brandt gehörte nicht zu dieser Sorte Führungstalente. Vielleicht mochte Pascal ihn gerade deshalb und seine Crew auch. Er machte Fehler, ließ sich häufig von den Ereignissen überrollen und dann mitziehen, ohne selbst die Initiative zu ergreifen. Und seine Freunde? Die folgten ihm trotzdem, also musste er in entscheidenden Situationen auf Leben und Tod Dinge getan haben, die sie ihm hoch anrechneten. Außerdem durfte er nicht vergessen, dass Jeremy noch sehr jung war. Er glaubte nicht, dass der Bismarcker mehr als vierzig Jahre zählte, wenn überhaupt.

Umso erstaunlicher, dachte er. Auch jetzt noch blicken sie zu ihm und warten auf eine Entscheidung.

Auch wenn sie ständig am Meckern und Diskutieren waren, schwenkten sie am Ende immer auf Jeremys Linie ein. Scheinbar waren die Debatten dieses bunten Haufens eine Art der Sympathiebekundung, ein ritualisiertes emotionales Schulterklopfen.

»Bist du in Ordnung, Agiou?«, fragte der Captain, als er sich neben der Analystin niederkniete und ihr sanft über die Stirn strich.

»Ich denke, es geht schon«, krächzte WizKid heiser und brachte mit ihren etwas blassen Lippen ein Lächeln zustande.

»Glatter Durchschuss über dem Schultergelenk«, erklärte Felicity grob und half ihr auf die Beine. »Der Blutverlust wird aber ein Problem. In den nächsten Stunden sollte sie sich nicht bewegen.«

»Dann warten wir hier, bis du grünes Licht gibst«, sagte Jeremy, ohne zu zögern.

Pascal wollte schon protestieren, doch am entschlossenen Gesichtsausdruck des Captains sah er sofort, dass es ein Kampf gegen Windmühlen werden würde.

Wenn wir zu lange warten, ist es vielleicht schon zu spät und Moreaus Vorsprung zu groß, dachte Pascal das, was mit Sicherheit auch alle anderen dachten, ohne es auszusprechen. Das also war es. Er stellte das unmittelbare Wohl seiner Kameraden vor die Mission. Kein Wunder, dass sie ihn dafür schätzten und in ihrer Gruppe die Grenzen zwischen Kameradschaft und Freundschaft absolut verschwommen waren.

Scheinbar ist er in diesem Punkt das genaue Gegenteil von mir. Mit schmerzendem Bedauern dachte Pascal an die robuste Befragung durch Battagliano in Neu Rom. Er sah das blutig geschlagene Gesicht von Thandis und wie sie ihn mit einer Mischung aus Enttäuschung und Verletzung angeschaut hatte. Beide Regungen waren nur schlecht unter ihrer lodernden Wut versteckt gewesen, bevor sie ihm einen Faustschlag verpasst hatte. Er war ein Arschloch in seinem Job und ordnete dem Ermittlungserfolg alles unter. Manchmal hasste er sich dafür, wie im Fall von Thandis. Trotzdem wäre er sicherlich nicht der beste Ermittler der Kolonien geworden, wenn er Kompromisse gemacht hätte.

Deswegen bin ich wahrscheinlich besser Einzelgänger, dachte er mit einem Anflug von Melancholie im Herzen.

»Was mich interessieren würde«, sagte Walter mit einem Mal und warf Pascal einen halb neugierigen, halb herausfordernden Blick zu. »Der Neuromorph hat eine Drohne zu uns geschickt, die dir an der Tür einen Rüssel an den Kopf gehalten hat. Darüber hat er dann mit dir kommuniziert und dir alles gezeigt und gesagt, was du wissen musst, richtig?«

Pascal hatte keine Lust, sich auf ein zynisches Katz- und Mausspiel einzulassen, darum nickte er lediglich.

»Warum schickt er dann nicht nochmal ein paar Drohnen vorbei, stöpselt uns alle an und erzählt es uns auch? Klingt ziemlich ineffektiv, es nur einer Person zu sagen und dann zu denken: Macht ihr mal.«

»Das stimmt«, gab Pascal zu und begann auf seiner Unterlippe herum zu kauen, bis er es bemerkte und damit aufhörte.

»Vielleicht hat es etwas mit deiner Verschmelzung mit dem Leviathan zu tun«, mutmaßte Macella und Pascal warf ihr einen raschen Blick zu.

»Was denn?« Offenbar hatte sie den Ausdruck in seinen Augen fehlinterpretiert.

»Du hast recht«, sagte er. »Ich habe noch gar nicht darüber nachgedacht, aber das würde Sinn machen. Vielleicht hat Kommandant-Erzeuger mir etwas eingepflanzt, das mich zur telepathischen Kommunikation befähigt.«

»Kommandant-Erzeuger?«, fragte sie verwirrt und legte ihre zarte Stirn in Falten. »Habe ich etwas verpasst?«

»Ich glaube, dass er die ganze Zeit über ebenfalls im Neuronennetzwerk der Mutter war, während ich mit ihr verschmolzen war.«

»Aber er lief doch ständig bei uns rum?«

»Vielleicht eine Kopie oder Subroutine, ähnlich wie eine Persönlichkeitsmaske im SenseNet als Vorlage für eine künstliche Persona«, erklärte er und hob die Schultern. »Ich habe keine Ahnung, bin mir aber sicher, ihn dort gespürt zu haben.«

»Aha«, sagte sie einfach und ihr Blick verriet nicht, ob sie ihm glaubte, oder für komplett wahnsinnig hielt.

»Selbst wenn er dir etwas Entsprechendes eingepflanzt hätte«, sagte Walter. »Dann hätte es doch keinen Sinn gemacht, dir einen Rüssel an die Stirn zu drücken. Telepathie geht doch ohne Kabel, oder?«

»Möglicherweise. Vielleicht ist die Art der Übertragung aber auch abstrakt und nicht intuitiv«, gab Felicity zu bedenken, die sich gerade mit einem Handtuch die blutigen Hände abwischte, nachdem sie WizKid aufs Sofa geholfen hatte. »Wenn ich dir persönlich etwas sage, verstehst du es. Wenn ich dir einen Morsecode sende, bist du zwar zum Hören der Morsezeichen befähigt, kennst aber eventuell keinen Morsecode. Also kannst du es nicht entziffern, bis es dir jemand beibringt.«

»Klingt einleuchtend«, gab Walter zu, doch sein Gesicht wirkte noch immer wie eine Maske der Unzufriedenheit.

»Aber«, fuhr er fort und Pascal war nicht der Einzige, der die Augen verdrehte. »In dem Fall könnte er doch wieder eine Drohne herschicken, dir über den Rüssel die Erinnerung oder das Wissen einpflanzen, das du brauchst um sein Telepathiesystem zu knacken, und gut ist.«

»Ja«, stimmte Pascal ihm widerwillig zu. Der Ingenieur hatte recht. Trotzdem ließ die Erinnerung, an der der Neuromorph ihn hatte teilhaben lassen, keinen Zweifel daran, dass er vertrauenswürdig war. Er wusste es einfach mit jeder Faser seines Seins, seit er die Eindrücke und Gefühle des Wesens geteilt hatte. Aber wie sollte er das den anderen erklären, ohne dass sie ihn für vollkommen verrückt hielten.

»Wahrscheinlich traut er uns eben doch nicht zu 100 Prozent«, sagte er schließlich und hielt das auch für tatsächlich möglich. Nur weil er dem Wesen vertraute, musste das umgekehrt noch lange nicht gelten. Es sei denn, der Neuromorph hatte auch Pascals Erinnerungen durchlebt, ohne dass er es mitbekommen hätte. Wer wusste das schon.

Walter schien damit jedenfalls zufrieden zu sein, brummte einmal und setzte sich dann zu Kommandant-Erzeuger vor das linke Sofa. Dort hielt er zuerst eine Hand über dessen Oberhauptsnüstern und prüfte dann den Puls am Hals.

»Schon eine Idee, was wir jetzt machen sollen?«, fragte Jeremy einige Zeit später, als sie etwas abseits an der Küchenzeile standen und Sojapacks für die anderen vorbereiteten. Die unterhielten sich leise im Wohnzimmer und bemerkten ihre Blicke nicht. Es sah seltsam aus, die Gruppe dort sitzen zu sehen, inmitten von Splittern, Trümmern und Patronenhülsen. Sie hätten sich ein neues Haus suchen können, immerhin standen wahrscheinlich viele in der Umgebung leer. Doch niemand schien dieses hier verlassen zu wollen. Pascal redete sich außerdem ein, dass der Neuromorph mit Sicherheit einige Drohnen über ihrem Dach patrouillieren ließ, um sie vor Moreau zu schützen.

Falls sie nicht von dem Supervisor gehackt werden, dachte er düster und versuchte den leisen Schauer auf seinem Rücken zu ignorieren.

»Ja, ich habe eine Idee«, antwortete Pascal schließlich und wandte sich dem Captain zu. »Wir sollten uns aufteilen.«

»Aufteilen?«, fragte Jeremy und machte eine abwehrende Geste. »Eine Gruppe aufzuteilen ist eine verdammt schlechte Idee, glaub mir. Wenn etwas passiert, können wir uns nicht helfen. Wenn wir einen Treffpunkt ausmachen und eine Gruppe erscheint nicht, bringen wir die andere mit einer Suchaktion nur in Gefahr. Zusammen sind wir stärker.«

Pascal lächelte schwach. Es war doch interessant, dass sogar er als kein besonders soziales Wesen den Captain so schnell hatte durchschauen können.

»Manchmal drängt die Zeit und es müssen so viele Dinge auf einmal getan werden, dass es nicht anders geht«, erklärte er geduldig und deutete auf die anderen im Wohnzimmer. Es machte ihm kein schlechtes Gewissen, die Schwächen des jungen Captains zu nutzen. Immerhin geschah es zu seinem Besten. »Wenn wir sie alle lebend hier raus bringen wollen, müssen wir uns beeilen und so schnell und umfassend gegen Moreau vorgehen, wie möglich.«

Jeremy schwieg und bedeutete ihm mit einer kurzen Geste, fortzufahren.

»Also, wir machen es folgendermaßen …«

2

ZWISCHENSPIEL

Der Neuromorph wanderte durch sein Kooperationsnetzwerk und nahm so an den Erfahrungen und Eindrücken all seiner Verbündeten teil. Mal waren es die Augen von Locusts, mal die verschiedenen Sensororgane der Drohnen und Freunde, die im Grunde auch Locusts waren. Die Signale verbreiteten sich mittels Quantenwellen schnell genug, um kaum eine Verzögerung zu spüren. Es war ein gutes Gefühl, sich mit willigen Geistern zu verbinden, eingeladen zu werden.

So wanderte sein Fokus auf die Südhalbkugel Bismarcks, die noch immer in absoluter Finsternis verharrte. Finsternis für die Menschen jedenfalls. Für ihn war es eine Umgewöhnung auf weniger Details, er verfolgte stattdessen Neutrino Ströme, Quanten-, Wärme- und Strahlungssignaturen für ein genaues Bild. Es war nicht schön, aber ausreichend. Er wechselte mit hoher Geschwindigkeit zwischen den vielen Augen, Ohren und Sensoren hin und her und verschaffte sich so ein Bild von der dunklen Halbkugel. Mehrere zehntausend Produktionshabitate waren bereits eingetroffen und exakt achthunderttausend Freunde bereit zum Schlüpfen. In ihren Geburtskammern spürte er schon die Vorfreude auf ihren Jungfernflug aufkeimen. Es versetzte ihm einen Stich des Bedauerns, dass sie ihre ersten Bahnen nicht zwischen den Sternen ziehen konnten. Sie gehörten nicht in die Enge eines Planeten unter einer Barriere. Die unendlichen Weiten des Weltalls waren ihre Bestimmung und ihr Geburtsrecht. Das Wissen, dass viele von ihnen schon bald sterben würden, ließ eine düstere Melancholie in ihm erwachen. Gewissenhaft schirmte er diese Gefühle vor dem Gaiafeld ab, um seine Diener und Verbündeten nicht zu verunsichern. Sie benötigten Stärke und Entschlossenheit jetzt mehr als alles andere.

Seine Aufmerksamkeit wanderte weiter durch die organischen Kuppelbauten, die innerhalb der letzten drei Tage gewachsen waren und übergangsweise die Heimat für mehrere Millionen Locust-Krieger waren. Sie warteten in Schlafkapseln auf ihren Einsatz.

Und ihren Tod, dachte er traurig.

Zwar befanden sich ihre Körper und Außenkörper in einer Art Schlafzustand, doch ihre Gehirne waren überaus aktiv. Über lokale Gaiafelder exerzierten die einzelnen Einheiten alle möglichen Gefechtssimulationen durch. Bis auf die notwendigen Schlafphasen für ihr psychologisches Verarbeitungsvermögen trainierten sie wie die Besessenen. Schon bald würde die Dunkelheit wieder dem Funkeln der Sterne weichen und dann war es an der Zeit, dass die Galaxie eine Schlacht erlebte, wie es sie nie zuvor gegeben hatte.

3

JEREMY

KOLONIEMOND BISMARCK, ARCHIMEDES SYSTEM, 29. NOVEMBER 2333, 23:41 UHR

Sie liefen nun schon seit etwa einer Stunde von Haus zu Haus, überquerten mit eingezogenen Köpfen Straßen und duckten sich unter Zäunen hindurch. Jeremys Rücken begann langsam zu brennen. Sie hatten Kommandant-Erzeuger auch aus den letzten Resten seines Panzers geschält und ihn dann in Bettlaken eingewickelt. Als kompaktes Paket verschnürt, hatten sie ihm den Locust auf den Rücken geschnürt. Die Trage war einfach zu unpraktisch, da sie sie jedes Mal fallen lassen mussten, wenn Gefahr drohte. Zwar war das Alien nicht besonders schwer ohne seinen Anzug, doch das Gewicht reichte aus, um ihn schnell ermüden zu lassen.

Blinzelnd versuchte er, frischen Schweiß aus seinen Augen zu vertreiben und schirmte diese gegen das grelle Licht der Habitate am Himmel ab. Einen Blick nach oben werfend, sah er Felicity, die auf dem Dach einer der letzten Vorstadtvillen angekommen war und in Richtung der Megascraper schaute.

»Und? Sieht sie etwas?«, fragte Macella neben ihm. An einer Hand hielt sie die stumme Newt, mit der anderen hatte sie sich lässig ihr Gewehr über die Schulter gelegt.

»Felicity?«, zischte Jeremy nach oben und die Nanonikerin blickte zu ihnen herab.

»Ich glaube, ich sehe, wo wir hin müssen«, antwortete sie so leise, dass er sie kaum hören konnte. Ihr Gesicht war eine Maske der Sorge, die nicht bloß von den tiefer gewordenen Falten um ihre Augen herrührte.

»Was ist los?«, fragte er besorgt.

»Es ist Moreau. Ich glaube, er rührt sich.«

Jeremy biss sich auf die Zunge. Er hasste es, nicht mit eigenen Augen sehen zu können, was vor sich ging. Doch er war der einzige von ihnen, der mit der höheren Schwerkraft auf Bismarck aufgewachsen war und dementsprechend kräftig gebaut war. Müssten die zierliche Macella oder Felicity den Locust tragen, würden sie noch viel schneller ermüden.

»Was meinst du damit?«

»Warte«, sagte die Nanonikerin, kniete sich auf die Dachkante und sprang dann behände hinab, direkt vor ihn.

»Mitten in der City befindet sich eins dieser Nester, von denen du erzählt hast. Es klebt an der Westseite des BMW-Turms«, fuhr sie fort und deutete in die entsprechende Richtung. Zwar sah er bloß die Hecken des Vorgartens und die Silhouetten der ersten Hochhäuser, doch kannte er den BMW-Turm.

»Und Moreau? Was meintest du damit?«

»Ich habe auf den Straßen Bewegungen gesehen und ich glaube, das waren Bewaffnete.«

»Wie viele?«, drängte er ungeduldig.

»Schwer zu sagen, ich schätze hunderte.«

»Verdammt.«

»Ist der direkte Weg von uns zum BMW-Turm frei?«, fragte Macella und tätschelte gedankenversunken Newts Kopf.

»Im Moment nicht, aber sie waren in Bewegung. Die ersten Kilometer sollten frei sein, danach müssen wir uns in Acht nehmen.«

»Okay, wir arbeiten uns so schnell es geht voran«, sagte Jeremy und deutete nach vorn. »Wichtig ist, dass wir dicht zusammen bleiben. Wenn ihr etwas hört oder seht, sagt sofort Bescheid. Egal, ob ihr euch einbildet, es wäre nichts: Wenn ihr meint, etwas gehört zu haben, halten wir sofort an. Keine Risiken, okay?«

Sie nickten.

Während sie sich weiter von Vorgarten zu Vorgarten bewegten und die Hochhäuser und Megascraper immer riesenhafter und bedrohlicher vor ihnen aufragten, dachte er an sein letztes Gespräch mit Pascal zurück. Er war vehement dagegen gewesen, die Gruppe aufzuteilen, hatte die Argumentation des Inspektors aber anerkennen müssen. Sie ergab sich aus der Natur der Sache: Zum einen mussten sie Moreaus Einfluss auf die Drohnen unterbinden und zum anderen verhindern, dass er das Wurmlochhabitat zerstörte. Beides nacheinander zu tun, würde Ewigkeiten dauern und jede Minute konnte es bereits zu spät dafür sein. Moreau hatte einen Fehler gemacht, indem er dachte, dass sie ihm gegen den Neuromorph beistehen würden. Wie er den Supervisor einschätzte, wiederholte der diesen Fehler allerdings nicht. Wenn sie also ihre kleine Chance des Überraschungsmoments nicht nutzten, würde sich keine neue bieten, soviel stand für ihn fest. Trotzdem haderte er mit zwei Dingen ganz besonders: Zum einen war der Versuch, Kommandant-Erzeuger an dieses Kommunikationsnest des Neuromorphs anzuschließen, sehr ambitioniert. Er glaubte kaum, dass sich dort eine normale Datenbuchse befinden würde, an die sie das Alien einfach anstöpseln konnten. Und selbst wenn dem so wäre, war noch lange nicht sicher, dass er Moreau aus dem Netzwerk werfen konnte. Zum anderen war da das Wissen, dass Walter und WizKid nicht mehr bei ihnen waren, sondern zusammen mit Pascal versuchten, Bomben zu entschärfen. Falls die Bomben schon gelegt waren oder sich überhaupt welche im Megascraper unter dem Habitat befanden. Vor seinem geistigen Auge sah er sich schon auf dem Dach des BMW-Turms stehen und zu dem anderen Turm hinübersehen. Er sah, wie der Turm explodierte und mit ihm das Habitat, das auf seiner Spitze steckte. Fühlte den Schock über den Verlust seiner Freunde.

»Du hast die Verantwortung für sie«, hatte er zu Pascal gesagt, bevor sie sich endgültig voneinander verabschiedet hatten. »Sie sind nicht nur meine Freunde und Crew, sondern meine Familie. Verstehst du das? Bring sie alle sicher durch!«

Der Inspektor hatte ihm eine Weile ernst in die Augen geschaut und schließlich genickt. Natürlich war Jeremys Ansage kindisch und anmaßend gewesen. Niemand konnte für die Sicherheit anderer garantieren. Trotzdem hatte er Pascals Versicherung gebraucht, um nicht durchzudrehen. Die Trennung von den anderen setzte ihm schwer zu und das zu leugnen, würde ihm auch nicht helfen. Es war, als würde ein Teil von ihm fehlen und zwar der Teil, der ihn bisher am Leben gehalten hatte. Kein Zweifel: Ohne ihre eingeschworene Gemeinschaft wären sie schon längst draufgegangen.

Macellas Blick streifte den seinen, als er nach ihr sah und sie schenkte ihm ein warmes Lächeln, das er müde erwiderte.

»Alles in Ordnung?«, fragte sie.

»Ja.«

»Es macht dir zu schaffen, dass die anderen nicht bei uns sind, dass du nicht auf sie aufpassen kannst, richtig?«

Er nickte.

»Ich glaube eher, dass sie auf dich aufpassen, Jeremy Brandt«, sagte sie und grinste, doch die Freude erreichte ihre blauen Augen nicht. Dafür waren die dunklen Ringe rundum zu tief und die Müdigkeit zu präsent.

»Wahrscheinlich hast du recht«, seufzte er und schaute einen Moment lang gedankenversunken die lange Straße hinab, auf die sie gerade traten. Sie zog sich vom Rand der City, an dem sie jetzt angekommen waren, schnurgerade bis zur anderen Seite. Die gesamte Innenstadt war nach amerikanischem Vorbild in ein Schachbrett aufgeteilt. Es folgte einer fortschrittlichen Stadtplanung, die es im Europa der Erde nie gegeben hatte, da jede Stadt über Jahrhunderte oder gar Jahrtausende gewachsen war. Ein Neuanfang wie auf den Koloniemonden hatte Raum gelassen für einige grundlegende Veränderungen. Der Vorteil war nun, dass es einfach werden würde, zum BMW-Turm zu finden. Der Nachteil aber war, dass sie sich schutzlos fühlen würden auf den breiten, langen Straßen der Stadt.

»Halten wir uns links«, schlug er vor und schleppte sich mit Kommandant-Erzeuger auf dem Rücken unter die Balustraden der geschlossenen Geschäfte. Sie zogen sich am Bürgersteig entlang wie bunte Bilder mit pittoreskem Anstrich.

»Wo sind bloß all die Menschen hin?«, fragte Felicity leise, als könnte sie unliebsame Geister wecken, so gespenstisch war die Atmosphäre.

»Keine Ahnung«, gab er zu. »Allerdings kann ich es niemandem verübeln, der bei all den Dingen, die hier vor sich gehen, lieber hinter verschlossenen Türen bleibt.«

Jeremy lies den Blick über die Fassaden aus Nanoglas schweifen und sah hauptsächlich verspiegelte Flächen voller Reflexionen der Nachbarhäuser. Einmal meinte er, hinter einer Scheibe zwei Gesichter zu sehen, doch als er noch einmal hinsah, waren sie verschwunden. Die Wolkenkratzer am Rand der City waren noch keine 100 Stockwerke hoch, wurden jedoch immer höher zum Zentrum hin, wo sich die Megascraper befanden. Sie waren mehrere Kilometer hoch und verschwanden normalerweise in dem dichten Wolkenband des Mondes. Dadurch, dass die Gebäude in den äußeren Bereichen kleiner waren und zur Mitte hin immer größer wurden, sah die Skyline von Neu Berlin ein wenig wie eine Pyramide aus. Eine Pyramide aus quadratischen Klötzen, über denen riesige schwarze Aliengebilde hingen, die sich mit ihren gigantischen Lichtquellen vom Tiefschwarz des Himmels abhoben.

Nach der dritten Kreuzung hörten sie Stimmen und rannten so schnell es ging in eine der kleinen Seitengassen zwischen zwei Wolkenkratzern, die normalerweise hauptsächlich von Wartungsbots genutzt wurden. Dementsprechend war es sehr eng.

»Von wo kamen die?«, fragte Jeremy atemlos, als sie in dem knapp einen Meter breiten Bereich zwischen den Hauswänden standen. Es gab nichts, wohinter sie sich hätten verstecken können. Der Blick auf den Bürgersteig und die leere Straße waren frei, trotzdem war es die einzige Deckung, die sie hatten.

»Ich glaube, von hinten«, flüsterte Macella und legte einen Finger auf den Mund, um Newt zu bedeuten, leise zu sein. Er fragte sich warum, da das Mädchen noch nicht einen Laut von sich gegeben hatte.

Felicity gestikulierte heftig und machte große Augen, um sie beide zum Schweigen zu bringen. Statt etwas zu sagen, deutete sie in Richtung Bürgersteig, der etwa fünf Schritte entfernt war.

Stimmen ertönten, wurden lauter. Sie schwollen so stark an, dass ihm schnell klar wurde, dass die Sprecher in Kürze an ihrer Gasse vorbeikommen würden. Hastig blickte er sich nach hinten um, sah zehn Meter weiter aber lediglich eine schmucklose Kompositwand. Sie war etwas zu hoch, um hinüber zu gelangen. Erst recht nicht mit Kommandant-Erzeuger auf seinem Rücken.

Sie saßen in der Falle und es gab keinerlei Deckung, hinter der sie sich hätten verstecken können. Eilig bedeutete er den anderen beiden, ihm dabei zu helfen, das Bettlaken von seiner Brust zu binden und den Locust abzulegen. Dann legte er beide Handflächen aneinander und an seine Wange, um ihnen zu zeigen, was er vorhatte. Sie verstanden und nickten. Als die Stimmen von der Straße bereits so laut waren, dass die Sprecher jederzeit vor der Gasse auftauchen mussten, legten sie sich rasch ineinander verschlungen vor das Alien.

Jeremy regte sich nicht mehr und hoffte, dass man das Knäuel aus Laken hinter ihnen vom Bürgersteig aus nicht erkennen würde. Immerhin lagen etwa zehn Meter dazwischen.

»… bist du sicher, Mann?«, schnauzte gerade jemand.

»Halt endlich dein Maul, Reinhardt!«, fluchte ein anderer.

»Wieso sollte ich? Die Drohnen da oben gehören zu uns. Keiner hört mich«, sagte die erste Person mit provozierendem Unterton in der rauen Stimme. Aus den Augenwinkeln sah Jeremy Männer mit dunklen Jacken und Gewehren an der Gasse vorbeimarschieren. Sie schienen keinerlei Blicke für ihren kleinen Stapel aus Leibern übrig zu haben, so vertieft waren sie in ihren Streit.

»Keines dieser verfluchten Alienviecher gehört zu uns, hörst du?«, schnauzte eine dritte Person die erste an. Seine Stimme klang hart und befehlsgewohnt. »Wenn der Politikerarsch sie vorerst unter Kontrolle hat – fein. Aber sobald wir diesen Scheißpickel von einem Geschwür ausgeräuchert haben, brauchen wir sie nicht mehr.«

»Das wird Moreau aber nicht gerne hören.«

»Mir doch scheißegal. Ich knall die Dinger ab, sobald wir sie nicht mehr brauchen.«

»Sind mir auch nicht geheuer«, meinte ein weiterer Mann.

Jeremy fragte sich, warum eigentlich nur Männer bei den Adventisten mitmarschierten und wie viele da noch kommen mochten. Es mussten bereits mindestens zehn von ihnen vorbeigelaufen sein und die Gespräche brachen noch immer nicht ab. Immer neue Gesprächsfetzen drangen an seine Ohren.

Etwas ließ ihn aufhorchen und sein Puls begann sich zu beschleunigen.

»Schau mal einer an!«, schnarrte jemand.

»Was ist jetzt schon wieder?«

»Guck doch selbst, du Ochse!«

Jeremy wollte am liebsten die Augen schließen und hoffen, dass es nicht passierte, wagte es jedoch nicht. Vielleicht würden sie es sehen. Aus den Augenwinkeln seiner geöffneten, hoffentlich tot aussehenden Augen, sah er zwei Männer mit geschulterten Gewehren. Sie standen vor der Gasse und schauten ihn, Macella und Felicity direkt an. Newt kauerte zusammengerollt hinter der Nanonikerin und rührte sich nicht. Zum ersten Mal war er glücklich darüber, dass sie extrem introvertiert und leise war.

»Wieder ein paar Leichen«, lachte der eine. »Seit Moreau einige der Drohnen gekapert hat, liegen sie mit ihrem Räumungsplan wohl ein bisschen im Verzug.«

»Eine Schande, unsere Leute hier auf der Straße verrotten zu sehen.«

»Was denn? Willst du sie beerdigen und ihnen ein paar Ave Maria singen?«

»Halt die Klappe!«

»Hey ihr beiden!«, mischte sich eine dritte Stimme ein. Es war die harte Stimme von vorher. »Was macht ihr hier? Setzt euch gefälligst wieder in Bewegung!«

»Freunir hier hat Leichen gefunden«, erklärte einer der beiden Männer sarkastisch.

»Ist mir scheißegal, auch wenn er den verdammten Arsch der Heiligen Jungfrau gefunden hat«, schnauzte die Stimme des Anführers barsch. »Jetzt reiht euch verdammt nochmal wieder ein, sonst liegen hier gleich noch ein paar Leichen mehr!«

»He!«, protestierte einer der beiden Männer, denen die ersten Stimmen gehört hatten.

»Hast du was zu sagen? Hm? Wenn wir nicht schleunigst beim BMW-Turm sind, macht Moreau uns die Hölle heiß, ihr Nichtsnutze!«

Als nächstes hörte Jeremy noch ein kurzes Grollen, dann entfernten sich die drei Silhouetten aus dem Eingang der Gasse. Erleichtert atmete er aus, als die Stimmen weit genug weg waren.

»Meine Güte«, hauchte Macella. »Ich hab mir fast in die Hosen gemacht.«

»Sie gehen zum BMW-Turm«, sagte Felicity besorgt. »Die holen wir nie ein.«

»Moreau muss uns über seine Drohnen beobachtet haben«, meinte Jeremy und schlug sich wütend mit der Faust in die offene Hand.

»Aber wieso haben seine Schläger uns dann gerade nicht aufgegriffen?«, gab Felicity zu bedenken.

»Ich glaube nicht, dass die Kerle das gleiche Ding im Kopf haben, das er sich implantiert hat«, erklärte Jeremy. »Wie sollten die Drohnen mit ihnen kommunizieren? Funken können sie ja auch schlecht und an SenseNet ist gar nicht zu denken.«

»Muss ein logistischer Alptraum sein für unseren abtrünnigen Gönner«, freute sich Macella und Jeremy nickte. Wahrscheinlich musste Moreau seine Leute mit Aufträgen losschicken und dann einfach hoffen, dass sie sie auch ausführten. Er erinnerte sich an Pascals Worte, dass sie Glück hatten, weil die Adventisten Amateure waren und schlecht im Improvisieren. Vielleicht konnten sie das für sich ausnutzen.

»Ich hab eine Idee, wie wir sie vielleicht lange genug beschäftigen können«, sagte Jeremy schließlich und steckte die Köpfe mit ihnen zusammen, als würden sie abgehört. Er erklärte es ihnen und zu seiner Überraschung sagten sie nicht, dass er verrückt sei, sondern nickten eifrig und begannen, Kommandant-Erzeuger aus den Laken zu wickeln.

Während sie daraus ein improvisiertes Seil drehten, schnappte er sich sein Gewehr und knotete das Ende des Lakens um die Mitte der Waffe. Er vergewisserte sich mit heftigem Ziehen und Zurren, dass der Knoten fest und stabil war und nickte dann zufrieden. Es ging alles sehr schnell, er hoffte nur, dass es schnell genug war.

Als auch Macella und Felicity nickten, packte er sein Ersatzgewehr, lud es durch und rannte zum Ausgang der Gasse. Hinter ihm klapperte es, als sie das mit dem Laken verknotete Gewehr über die Wand warfen und festzogen.

Wenn ich mich geirrt habe, sind wir tot, dachte er und atmete tief durch, bevor er mit dem Gewehrkolben an der Wange um die Ecke lugte. Über die Kimme sah er in etwa zweihundert Metern Entfernung die lange Schlange Adventisten davonziehen.

»Jetzt oder nie«, sagte er zu sich selbst und drückte ab. Der Rückstoß, seine fehlende Übung mit der Waffe und sein unkontrollierter Atem sorgten dafür, dass er kaum etwas traf, doch sein Ziel war erreicht. Geschrei ertönte und die Gruppe stob auseinander.

Hastig zuckte Jeremy zurück und schleuderte das Gewehr den Bürgersteig entlang in die Richtung, aus der sie gekommen waren. Dann lief er zur Kompositmauer. Felicity hatte sie bereits erklommen und saß rittlings auf der Kante. Das Laken hing wie ein weißer Faden herab und endete bei Macella, die den Locust gerade dorthin gezogen hatte. Jeremy warf das Gewehr über die Mauer und half ihr dabei, das Alien hochzuheben. Felicity packte die Arme und presste angestrengt die Lippen aufeinander.

Er packte das Laken und kletterte die knappen drei Meter nach oben, um ihr zu helfen, Kommandant-Erzeuger ganz nach oben zu ziehen. Als sie es geschafft hatten, war Newt an der Reihe und dann Macella. Jeremy sprang derweil auf die andere Seite und nahm den Locust entgegen. Er bekam ihn aber nicht richtig zu packen und fluchte lautlos, als die Schulter des Außerirdischen unsanft auf dem harten Asphaltgemisch landete.

Als nächstes sprang Macella hinab und nahm Newt entgegen. Von der anderen Seite waren laute Rufe und Flüche zu hören. Die Adventisten waren gekommen.

»Los, schnell!«, trieb er Felicity zur Eile, die gerade von der Mauer sprang, als Jeremy hochsprang, das verkeilte Gewehr von der Mauerkrone riss und wie wild am Laken zerrte. Als das Ende zu ihnen herabsegelte, hielten sie die Luft an.

»Von wo kamen die Schüsse?«, rief jemand auf der anderen Seite.

»Keine Ahnung! Irgendwo aus dieser Richtung. Hier liegen Patronen rum!«

»Das sehe ich auch, Mann. Patrick hat die Waffe aber dahinten gefunden«, bellte die erste Stimme. »Such die Gasse ab und sieh auch auf der anderen Seite der Mauer nach.«

»Scheiße!«, flüsterte Jeremy grimmig und beeilte sich, Kommandant-Erzeuger wieder in die Laken zu wickeln. Felicity, Macella und Newt scheuchte er hektisch aus der Gasse hinaus auf die Parallelstraße.

Wäre ja auch zu einfach gewesen.

Macella zögerte erst, doch Felicity zog sie widerstrebend hinter sich her. Von der anderen Seite hörte er Schritte. Seine Hände zitterten und als er den Locust auf seinen Rücken hievte, saß der krumm und schief und das Gewicht war so schlecht verteilt, dass er bereits wusste, innerhalb der nächsten Minuten etwas verändern zu müssen. So schnell er konnte, schnappte er sich das verbliebene Gewehr und rannte seinen Begleiterinnen nach, die in diesem Moment um die Ecke verschwanden.

»Ich sehe ihn!«, kreischte jemand hinter ihm triumphierend, als Jeremy gerade den Bürgersteig erreichte und ebenfalls um die Ecke bog. Es krachte laut hinter ihm, als Kugeln in die Wand einschlugen und ihm Staub und Splitter hinterherschickten.

»Lauft!«, schrie er und rannte taumelnd an ihnen vorbei. Das Paket auf seinem Rücken rutschte hin und her und drückte unangenehm zwischen den Schulterblättern. So würden sie den Verfolgern niemals entkommen.

Kurzentschlossen kam er schlitternd auf dem Bürgersteig vor dem Eingangsportal eines Wolkenkratzers zum Stehen.

---ENDE DER LESEPROBE---