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Geht Ihnen die geheuchelte Freundlichkeit an den Ladentheken des hiesigen Lebensmitteleinzelhandels auch mitunter mächtig auf die Nerven? Und wünschen Sie sich nicht manchmal jemanden, der in solch gekünstelten Situationen verbal dazwischengrätscht? Dann ist das hier genau Ihr Buch. Der Lieblingsbäcker ist quasi ein Spezialist, wenn es um das Foppen seiner Kundschaft geht. Dieser liebenswürdig-mürrische Zeitgenosse, dem man durchaus eine antikapitalistische Einstellung und den Hang zur sarkastischen Misanthropie nachsagen kann, macht keinen Unterschied in Sachen sozialer Herkunft oder Bildungsgrad. An seiner Ladentheke wird jede*r gleichermaßen verhohnepiepelt. Denn im Verkaufsgespräch läuft er zur Hochform auf und zeigt sich im Dialog von seiner unterhaltsamsten Seite. Deshalb war es an der Zeit, die verbalen Sternstunden endlich in Buchform zu fassen. Das Resultat liegt nun in Ihren Händen. Genießen Sie es mit Ironischer Vorsicht und eventuell einem ehrlichen Filterkaffee, denn das ist in Sachen Heißgetränken die einzige in der Lieblingsbäckerei erhältliche Variante.
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Seitenzahl: 81
Veröffentlichungsjahr: 2024
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Beim Lieblingsbäcker
Auf Leben und Brot
Quichotte
Alle Rechte vorbehalten
Copyright 2021 by
Lektora GmbH
Schildern 17–19
33098 Paderborn
Tel.: 05251 6886809
Fax: 05251 6886815
www.lektora.de
Coverdesign: Olivier Kleine
Lektorat: Lektora GmbH
Layout Inhalt: Denise Bretz
ISBN: 978-3-95461-193-5
»Wer sich in seiner Lebensführung den Bedingungen kapitalistischen
Erfolges nicht anpasst, geht unter oder kommt nicht hoch.«
MAX WEBER
»Ein Graubrot? Macht zweihundert Euro.«
DER LIEBLINGSBÄCKER
Vorwort
Liebe Leser*innen,
wir schreiben das Jahr 2021. Ganz Deutschland wird beherrscht von der sozialen Marktwirtschaft. Lächelnde Smalltalkgottheiten besetzen die hiesigen Ladentheken und nähren ihre aufgesetzte Freundlichkeit an den Mutterzitzen des Kundenorientiers.
Wobei … ganz Deutschland? Nein! Eine vom unbeugsam misanthropischen Lieblingsbäcker besetzte Backstube hört nicht auf, dem Kapitalismus und geheuchelten Verkaufsfrohsinn Widerstand zu leisten. Im schummrigen Dämmerlicht, umhüllt von staubigen Mehlsilhouetten, auf die sich stetig weiter ausbreitenden Bäckereiketten Zeter und Mordio schimpfend, klopft dieser Fels in der Brandung der Systemgastronomie mit bloßer Faust seine einzigartigen Laibe zurecht. Hier wird noch in Rage gerührt, kunstvoll geknetet und mit Gusto glasiert.
Kurzum: »Backmischung« gilt hier als Schimpfwort.
Dies ist das natürliche Habitat meines Lieblingsbäckers. Wobei er sich in Personalunion auch um den Verkauf seiner geliebten Backwaren kümmern muss. Und dies tut er nicht ohne ein gewisses Maß an Abscheu, die er für sich wohl durch eine ganz eigene Art des Kundenumgangs zu kaschieren weiß.
Von Zeit zu Zeit halte ich mich zum Zweck der Inspiration oder einfach zur Zerstreuung in seinem Verkaufsraum auf und lausche den mitunter wunderlichen Gesprächen. Im Laufe der Besuche ist mir dieser Bäcker sehr ans Herz gewachsen, vielleicht auch deshalb, weil er jene Ehrlichkeit zu leben im Stande ist, die sich viele von uns im Umgang mit den Mitmenschen, Geschäftspartner*innen und Alltagsbegegnungen wünschen.
Der Lieblingsbäcker ist unfreundlich im sympathischsten Sinne und dabei Antikapitalist aus Versehen – denn sind wir ehrlich: Faktisch vergrault er mit seiner schnippischen Art des Verkaufsgesprächs mehr Kunden*innen, als er gewinnt. Diese Art von Ehrlichkeit ist jedoch genau das, was die Seele jenes aus der Zeit gefallenen Graubrotgourmets ausmacht.
Lassen Sie uns also gemeinsam diesen Ort betreten, an welchem ein gesundes Verständnis von Ironie und Sarkasmus unabdingbar ist, um nicht nach vier Sekunden unwiederbringlich die Contenance zu verlieren. Folgen Sie mir in die heiligen Hallen meines Lieblingsbäckers, der mir schon so oft Quell der Erheiterung war! Denn letztlich sind mir diese Bäckerei und das Lauschen der skurrilen Dialoge so sehr angenehme Flucht aus dem geleckten Alltag gesellschaftlicher Etikette geworden, dass ich den kauzigen Kornknacker mittlerweile liebe wie einen Freund. Nun aber genug der sentimentalen Vorrede.
Hier ist die Tür.
Warten Sie, ich öffne!
Hören Sie die Glocke?
Wir sind drin.
Nehmen Sie Platz und lauschen Sie dem unterhaltsamen Treiben! Und wenn Sie irgendwann mutig genug sind, versuchen Sie doch mal Ihr Glück mit einer Bestellung …
Spezifische Bestellungen
Kunde: »Ich hätte gerne ein Brot.«
Bäcker: »Brot!? Ach, Sie meinen diese Dinger ... aus Mehl, meistens rund oder oval, mit Kruste ...?«
Kunde: »Äh, ja genau.«
Bäcker: »Tut mir leid. Sowas haben wir hier gar nicht.«
Kunde: »Aber Sie sind doch eine Bäckerei ...«
Bäcker: »Tja. Ich kann Ihnen einen Katzenkalender anbieten.«
Kunde: »Jetzt hören Sie aber mal auf! Da hinten in der Auslage liegt doch Brot.«
Bäcker: »(dreht sich um) Was Sie nicht sagen, tatsächlich ... (ruft in die Backstube) Geeeeeeerda! Du wirst nicht glauben, was wir hier in der Auslage haben ... Brooooooot.«
Kunde: »Sie wollen mich doch veräppeln.«
Bäcker: »Exakt, was wollen Sie?«
Kunde: »Ein Graubrot.«
Bäcker: »Gute Wahl! Wollen Sie noch einen Katzenkalender dazu haben?«
Er ist einfach ein Serviceguru.
Das Baguette
Kunde: »Letztens gab es eine Schießerei in einer Bäckerei hier um die Ecke.«
Bäcker: »Davon hab ich gehört.«
Kunde: »Und ... sind Sie jetzt besorgt?«
Bäcker: »Nee. Hier bei mir gibt es sowas nicht.«
Kunde: »Aber davor ist doch keiner sicher!«
Bäcker: »Wenn einer hier ’ne Knarre zieht, kriegt der sofort eins mit dem Baguette drüber.«
Kunde: »Ha! Das tut doch nicht weh!«
Bäcker: »Aber hallo, die Dinger sind vier Tage alt, damit kann man Türen einschlagen.«
Kunde: »Hm. Aber die können Sie doch nicht verkaufen! Das ist doch alte Ware.«
Bäcker: »Heidi Klum ist auch alt, verkauft sich aber immer noch prächtig.«
Kunde: »Sie können doch Heidi Klum nicht mit einem Baguette vergleichen!«
Bäcker: »Ach, nein? Dünn, relativ lang, nicht sehr schlau ... ich finde, da gibt es einige Parallelen.«
Kunde: »Jetzt hören Sie aber mal auf! Das taugt doch allenfalls noch als Semmelbröseln für Frikadellen.«
Bäcker: »Meinen Sie jetzt das Baguette oder Heidi Klum?«
Kunde: »Na, na! Jetzt werden Sie aber ganz schön gemein!«
Bäcker: »Sie haben recht. Wer will schon mit Heidi Klum verglichen werden? Das ist wirklich unmenschlich. So, was nehmen Sie?«
Kunde: »Ein Baguette.«
Bäcker: »Ha, der war gut. Sie machen wohl Frikadellen?«
Kunde: »Nee, ich wohne im Bahnhofsviertel.«
Kunden, die was wollen ...
Kunde: »Ich will einen Cappuccino und ein Franzbrötchen.«
Bäcker: »Wie, ›ich will‹? Was meinen Sie, was ich alles will: ein Haus im Grünen, ’ne Segeljacht und einen gelben Flamingo!«
Kunde: »Wieso einen gelben Flamingo?«
Bäcker: »Fragt der, der ein Franzbrötchen bestellt ... beziehungsweise ›will‹. Wer sind Sie – Kaiserin Sissi, oder wat?«
Kunde: »Verstehe ich nicht. Was hat das mit dem Flamingo zu tun?«
Bäcker: »Der Flamingo heißt Franz.«
Kunde: »Hä? Sie haben doch gar keinen!?«
Bäcker: »In meiner Vorstellung heißt er Franz.«
Kunde: »Und wieso bin ich dann Kaiserin Sissi?«
Bäcker: »Na, weil Sie auch ein Vogel sind! Kommen hier rein und WOLLEN ausgefallenen Shit ... ›Ich bin etwas Besonderes. Ich esse nur Franzbrötchen‹.«
Kunde: »Ich kann Ihnen nicht folgen.«
Bäcker: »Das will ich auch schwer hoffen, sonst hätte ich Sie ja den ganzen Tag hinter mir!«
Kunde: »Äh … Ach so, wegen folgen!?«
Bäcker: »Jetzt erklärt er auch noch meine Wortwitze. Hör mal zu, du Franzbrötchen: Noch nie ..., aber wirklich noch nie ist ein Wortwitz noch besser geworden, wenn jemand die Leute hörbar an seiner Entschlüsselung hat teilhaben lassen.«
Kunde: »Okay. Tut mir leid.«
Bäcker: »Gut. Und jetzt bestell was anderes!«
Kunde: »Wieso duzen Sie mich plötzlich?«
Bäcker: »Du hast hier jeglichen Respekt verspielt!«
Kunde: »Aber ich bin Kaiserin Sissi!«
Bäcker: »Okay, der war gut! Hier, ein Schwarzbrot!«
Kunde: »Aber ich wollte doch ein Franzbrötchen?!«
Bäcker: »Geht nicht. Die Kaiserin ist auf Diät! So, und jetzt raus hier!«
Der Lifecoach
Kunde: »Wie viel kostet denn ein Roggenbrot?«
Bäcker: »Kommt auf Ihr Gehalt an.«
Kunde: »Wie bitte!? Mein Gehalt?«
Bäcker: »Genau. Das ist ein neues Bundesgesetz. Roggenbrot kostet seit letzter Woche immer 0,5 % des Nettomonatseinkommens.«
Kunde: »Im Ernst? Klingt ziemlich absurd! Das wären bei mir ja … Warten Sie … ähm … ich habe es gleich … Das wären ja etwas mehr als 20 Euro!?!?«
Bäcker: »Hoppala! Da verdient wohl jemand vier Riesen im Monat.«
Kunde: »Äh, ja. Ich bin Lifecoach.«
Bäcker: »Aha. Wissen Sie, woran man einen Lifecoach erkennt?«
Kunde: »Nein.«
Bäcker: »Er sagt es Ihnen.«
Kunde: »Ha, ha, ha. Sehr witzig.«
Bäcker: »In der Tat. Haben Sie selbst auch einen Coach? Denn die Frage ist ja immer: Wer coacht eigentlich den Coach?«
Kunde: »Wow! Sie sind ja voll auf der Höhe. Klar, ich habe auch einen Lifecoach.«
Bäcker: »Und hat Ihr Coach auch einen Coach?«
Kunde: »Natürlich, das ist nur professionell. Manche in unserem Metier haben sogar mehrere Coaches.«
Bäcker: »Ihre Branche ist also eine regelrechte Lifecoach-Matroschka!«
Kunde: »Ah, Sie meinen, weil in jedem Gecoachten auch irgendwie ein Coach steckt?«
Bäcker: »Haben Sie auch einen Schnellmerker-Coach?«
Kunde: »Äh … nein.«
Bäcker: »Nun, den könnten Sie brauchen. So, was nehmen Sie denn?«
Kunde: »Ich wollte ja eigentlich ein Roggenbrot, aber … Was können Sie mir denn noch empfehlen?«
Bäcker: »Also, ich als Ihr Brot-Coach kann Ihnen nur das Schwarzbrot ans Herz legen.«
Kunde: »Das hatte ich jetzt so gar nicht auf dem Schirm.«
Bäcker: »Deswegen haben Sie ja mich. Ich erweitere Life-Perspektiven.«
Kunde: »Ha, großartig! Okay, dann nehme ich eins.«
Bäcker: »Bestens. Hier. Macht 240 Euro.«
Kunde: »Ich dachte, hier kostet alles 0,5 % des Monatsgehaltes!?«
Bäcker: »Korrekt. Es ist nur so: Das Schwarzbrot wird Ihre Leistungsfähigkeit um das Zwölffache steigern – demnach wird sich auch Ihr Gehalt entwickeln. Es ist ein perspektivischer Preis.«
Kunde: »Das klingt irgendwie unglaubwürdig.«
Bäcker: »Ja, natürlich. Es ist schon absolut bescheuert, dass Sie die Geschichte mit den 0,5 % geglaubt haben.«
Kunde: »Das ist ja eine Frechheit! Ich sollte Sie anzeigen. Sie erzählen den Leuten hier ja anscheinend nur Quatsch.«
Bäcker: »Na, dann sage ich mal: Willkommen im Club, Kollege Lifecoach. Und jetzt raus hier!«
»Was heißt hier eigentlich ›Sanella ist Backen‹? Sanella ist in erster Linie Margarine.«
DER LIEBLINGSBÄCKER
Rheinland vs. Norden
Kunde: »Moin, ein Croissant!«
Bäcker: »Ah, ein Nordmann.«
Kunde: »Ach, wegen dem ›Moin‹!?«
Bäcker: »Nee, wegen des Croissants, du Eumel! Wer kennt das nicht – du fährst nach Lübeck und bei Überschreitung der Stadtgrenze: zack, alles voller Croissants. Sagt man nicht auch ›Croissantköppe‹ zu euch Nordlichtern?«
Kunde: »Oh, ein Witzbold! Ich bin wegen dem Croissant hier, nicht um veräppelt zu werden.«
Bäcker: »Des Croissants! Es heißt ›wegen des Croissants‹. Genitiv ist das Stichwort.«
Kunde: »Das gibt es ja gar nicht! Sowas hab ich noch nie erlebt!«
Bäcker: »Was, Grammatikstunden? Das glaube ich gerne. Aber, um es mal in Ihrer Sprache zu sagen: Das tut Not bei deinem Schnack!«
Kunde: »Oh, ein Kosmopolit. Ich will dir mal was sagen, du Fatzke: Ich lass mir doch nicht von einem Bäcker sagen, wie ich zu reden hab. Das ist Umgangssprache.«
Bäcker: »Seit wann duzen wir uns eigentlich?«
Kunde: »Keine Ahnung. Ich bin der Horst.«
Bäcker: »Ich bin der Bäcker.«
Horst: »Oh Mann, ich kann Sie echt gut leiden. Dieses ganze pissfreundliche Rheinlands-Gewese geht mir doch gehörig auf den Keks. Sie sind da eine erfrischende Ausnahme.«
Bäcker: »Und warum siezen Sie mich jetzt wieder?«
Horst: »Ist der Respekt.«
Bäcker: »Sie wissen aber schon, dass Sie mir hier gerade mein Geschäftsmodell kaputtmachen, oder?«
Horst: »Wieso?«
Bäcker: »Normalerweise laufen die Leute irgendwann immer genervt zu Backwerk, weil sie meinen Humor nicht abkönnen.«
Horst: »Backwerk? Das ist aber ein Schlag in die Fresse. Die gehören doch pleite gegangen, die Stümper!«
Bäcker: »Hören Sie auf, ich muss gleich weinen. Vor Rührung.«
Horst: »Apropos Rührung: Haben Sie auch Kaffee?«
Bäcker: »Oh Mann, der war aber schlecht!«
Horst: »Genau wie Ihr Geschäftsmodell.«
Bäcker: »Ha! Ich glaube, ich verliebe mich gerade in Sie!«
Horst: »Okay, das ist jetzt wieder typisch Rheinland!«
Bio
Kundin: »Sind Ihre Brötchen eigentlich ›bio‹?«
Bäcker: »Bio? Nääää. Viel zu unhygienisch der Mist. Wir backen ausschließlich mit dem Plastikmehl zerriebener Tupperdosen.«
Kundin: »Sie zerreiben extra Plastikschalen?«