Beloved Fuckup - Lisa Gibbs - E-Book

Beloved Fuckup E-Book

Lisa Gibbs

5,0

Beschreibung

Die besten Freunde. Auf ewig. Zumindest glaubte Manon das immer. Denn Manon und Eric verbindet mehr als eine gemeinsam verbrachte Kindheit. Sogar als Eric mit seinen Eltern zurück in die USA zieht, halten die beiden die innige Freundschaft aufrecht. Doch sechzehn Jahre und unzählige Briefe später, bricht für Manon eine Welt zusammen, als Eric jäh die Verbindung abbricht. Nach einem Einsatz als Fotoreporter bei einem Blauhelmeinsatz in Idlib, ist er wie vom Erdboden verschluckt. Manon bleibt nur die Erinnerung und eine Frage: Was ist geschehen? Als Manon drei Jahre später eine Einladung zu einer von Erics Ausstellungseröffnungen erhält, ergreift sie die Chance, ihn wiederzusehen, und als sie nach so langer Zeit wieder aufeinandertreffen, wird Manons Leben durcheinandergewirbelt. Aus dem blonden Jungen mit den Sommersprossen ist ein erfolgreicher Mann mit einer klirrend kalten Ausstrahlung geworden. Ein Womanizer, mit zahlreichen Affären, der einsam ist und kaum in der Lage, zu lieben. Manon ist hin und hergerissen zwischen dem Wunsch nach der lang vermissten Vertrautheit und der bitteren Erkenntnis, dass Eric ein Fremder geworden ist, der auch auf sie eine zermürbende und sinnliche Anziehung ausübt.

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BELOVED

FUCKUP

Lisa Gibbs

Beloved Fuckup

Lisa Gibbs

© 2020 Sieben Verlag, 64823 Groß-Umstadt

© Covergestaltung Andrea Gunschera

ISBN Taschenbuch: 9783864439025

ISBN eBook-mobi: 9783864439032

ISBN eBook-epub: 9783864439049

www.sieben-verlag.de

Inhalt

Prolog

Kapitel 1

Kapitel 2

Kapitel 3

Kapitel 4

Kapitel 5

Kapitel 6

Kapitel 7

Kapitel 8

Kapitel 9

Kapitel 10

Epilog

Über den Autor

Prolog

„Tut es weh?“

Hastig strich Manon den Schweiß von ihrer Stirn, während sie schnell die grobe Strickleiter nach oben kletterte.

„Nö.“ Eric schüttelte den Kopf und wischte mit einer Hand fahrig über seine Nase, während er vor ihr ins Baumhaus stieg. Er setzte sich auf den Holzboden und lugte nervös aus dem, von weit ausladenden Weidenästen verdeckten, kleinen Fenster.

Es war ziemlich unwahrscheinlich, dass die drei Jungs aus ihrer Schule ihnen gefolgt waren. Eric und sie waren so schnell gerannt, dass ihr Herz immer noch raste. Trotzdem zog Manon die Strickleiter sicherheitshalber nach oben, als sie sich im Baumhaus neben Eric setzte.

Die alte Trauerweide war blickdicht und das Baumhaus somit quasi unsichtbar. Außerdem dämmerte es.

Es war Spätsommer und noch warm. Die dichten Büschel der dunkelgrünen Blätter spendeten Kühle, aber sie machten es im Inneren des Baumhauses duster.

Manon knipste die kleine Taschenlampe an und hängte sie mit der Schlaufe an den Haken an der Decke.

„Was machst du, wenn sie dich am Montag abfangen?“

Im Schein der Lampe sah man die dunkle Schwellung unter der Schramme auf Erics rechter Wange. Außerdem zog sich ein roter Blutstreifen von der Nase bis zum Ohr.

Manon zuckte mit den Schultern. „Werden die nicht. Die halten mich doch sowieso für verrückt. Und so bescheuert, wie die sind, denken die, dass sie sich an meiner Verrücktheit anstecken, wenn sie mir zu nahe kommen. Die werden sich ein paar fiese Sachen ausdenken oder irgendeinen Mist rumerzählen, mehr nicht.“

An Gerüchte war sie gewöhnt, genauso daran, gemieden zu werden. Eric grinste schief, bevor er seinen Hinterkopf erschöpft an die Wand lehnte.

Bis auf ihre ruhiger werdenden Atemzüge war nur das Rascheln der Blätter im Wind zu hören. Keine Stimmen oder Schritte.

Die meisten Kinder in der Schule hielten Manon für seltsam und nicht ganz richtig im Kopf. Was unter anderem daran lag, dass sie mehrere imaginäre Freunde hatte. Ihre Mutter dachte, dass sie sich die unterschiedlichen Charaktere ausgedacht hatte, weil sie sich schwertat, nach dem Umzug von Frankreich nach Deutschland neue Freunde zu finden. Aber das stimmte nicht. Die Gestalten, die sie sich ausdachte, waren schon viel früher da gewesen.

Und da ihr bewusst war, dass diese Wesen nur in ihrer Fantasie existierten, fand sie es auch nicht sonderlich beunruhigend, dass sie sich mit ihnen auseinandersetzte.

Eric war ihr einziger „realer“ und allerbester Freund. Auf ewig.

Auch ihm haftete diese Plakette, nicht zu den anderen Kindern zu passen, an. Eine kleine Gruppe Jungs hatte es heftig auf ihn abgesehen und ihn schon mehrmals verhauen. Ein Grund dafür, heute endlich zurückzuschlagen. Manon hatte sich zum ersten Mal im Prügeln versucht, aber sie war von den Jungs nur festgehalten worden, während Eric ganz schön eingesteckt hatte. Zumindest hatten zwei der anderen auch eine blutige Nase kassiert.

„Zeig mal“, flüsterte sie, während sie näher an ihn heranrutschte, um sich die Schwellung anzuschauen. Seine Nase blutete immer noch.

Sie zog ihren linken Turnschuh und danach ihre Socke aus. Wenn sie eines wusste, dann, dass ihre Mutter beim Waschen nie auf den Verschmutzungsgrad ihrer Strümpfe achtete. Also der perfekte Ort für Blut oder Popel. Mit dem Rand der Socke um ihre Finger gestülpt, kam sie der Wunde näher.

„Spinnst du?“, zischte Eric, als sie seine Nase leicht berührte.

„Stell dich nicht so an“, konterte sie. „Durch deine Wischerei ist das Blut jetzt überall. Du siehst aus wie aus einem Horrorfilm.“

Widerwillig hielt er still, während sie vorsichtig das Blut aus seinem Gesicht putzte.

„Und?“ Wieder zuckte er zurück, weil sie zu nah an die geschwollene Schramme gekommen war. „Wer war vorhin dabei? Ein irrer Wikinger? Oder die kaputte Geisterfrau?“

Manon drückte absichtlich ihren Sockensaum gegen seine Schramme, sodass Eric laut fluchte. „Komm schon, war nur ein Witz. Na, sag schon“, sagte er beschwichtigend, während er seine blonden Strähnen aus der Stirn strich.

Die Holzmaserung prägte sich in ihren nackten Fuß, weil sie darauf hockte. „Metalhead, wer sonst.“

Momentan vereinte sie in ihrem Gemüt vier Freunde, die ihr in unterschiedlichen Situationen zur Seite standen. Metalhead war ein ehemaliger Kampfpilot, der über dem Amazonas abgestürzt war. Schwer verletzt musste er in der Wildnis gegen gefährliche Tiere kämpfen und eine Strategie entwickeln, wie er dort überleben konnte. Erst nach Jahren wurde er von Soldaten wiederentdeckt. Bei späteren Untersuchungen wurde klar, dass sich beim Absturz ein Metallteil in seinen Kopf gebohrt hatte. Und aufgrund dieser Verletzung war es zu einer starken Veränderung seiner Persönlichkeit gekommen. Metalhead, geprägt von seinem Überleben in der Wildnis und der dort gewonnenen Stärke, lehnte den Vorschlag, das Metall aus seinem Kopf entfernen zu lassen, ab. Und kämpfte seitdem mit der wirren Frage, ob die Zeit im Amazonas real gewesen war oder er Wahnvorstellungen gehabt hatte.

„Hätte ich mir denken können“, sagte Eric. Mit dem Daumen strich er über ihre Backe.

Getrocknete Erde rieselte hinunter. Bevor sie losgezogen waren, hatte sich Manon eine erdige Kampfmaske aufs Gesicht geklatscht. Jeweils ein dicker Strich unter den Augen und ein senkrechter kurzer zwischen den Augenbrauen. Ganz nach Metalheads Vorstellung aus dem Urwald. Ein Krieger, dem niemand etwas anhaben konnte. Ziemlich hilfreich, wenn man von älteren Jungs in die Mangel genommen wurde.

„Den finde ich cool“, betonte Eric mit einem Grinsen in der Stimme.

Manon sah auf, um durch einen Blick in sein Gesicht abschätzen zu können, ob er sie wieder auf die Schippe nahm oder nicht.

Es gab einen seltsamen Moment, der irgendwie wehtat. Weil sie in seinen blauen Augen erkannte, dass er sie nicht verarschte, sondern es genau so meinte, wie er es sagte.

Eric war der einzige Mensch auf der ganzen Welt, der jeden einzelnen ihrer imaginären Freunde und deren Geschichten kannte. Er war in der vierten Klasse und störte sich nicht daran, dass sie über ein Jahr jünger war.

Seit zwei Jahren hatten sie sich quasi jeden Tag nach der Schule im Baumhaus getroffen, sich auf den Boden gelegt und, wenn es warm genug war, die nackten Füße hinaushängen lassen.

Eric hatte einen der Cola-Lollis, die es nur auf dem Stützpunkt seines Vaters zu kaufen gab, mit ihr geteilt, und sie hatte ihm die Geschichten der Wesen erzählt, die in ihr „hausten“, so nannte sie es. Sie hatten gedacht, dass sie auf das gleiche Gymnasium gehen würden.

„Kannst ihn mir ja ausborgen für eine Weile“, schlug er vor.

Aus ihren Gedanken gerissen, brach sie den Blickkontakt ab und zog die dreckige Socke wieder über den Fuß. „Nö, du musst dir deine Helden schon selbst basteln“, antwortete sie. Dann zog sie auch ihren Turnschuh wieder über.

„Ich glaub, so was kannst nur du“, flüsterte er.

„Das kommt von allein, du musst dir nur überlegen, wen du einfach immer an deiner Seite haben willst.“ Mit einem Knoten zog sie die Schnürsenkel fest.

Er murmelte ein zustimmendes Geräusch. „Du musst mal Bücher schreiben.“

Die Schwere in seiner Stimme schnürte ihr die Kehle zu.

„Mal sehen, vielleicht.“

Die letzten Tage hatten sie über das Thema geschwiegen und es ignoriert. Obwohl sich die Umzugskartons in der Wohnung von Erics Eltern auf der amerikanischen Basis stapelten. Morgen früh würden sie zurück nach Wisconsin fliegen, sein Vater war dorthin verlegt worden. Weil es an dieser Sache nichts zu rütteln gab, hatten sie eine Liste gemacht. Darauf standen alle Dinge, die sie schon immer gemeinsam machen wollten.

In den letzten Tagen waren sie mit einem Einkaufswagen die Rampe des Kaufhausparkplatzes hinuntergejagt, hatten ihre Namen in den Baumstamm der Weide geritzt und mehr oder weniger die Jungs vermöbelt, die ihnen schon die ganze Zeit auf den Zeiger gegangen waren.

Aber jetzt war es halb neun abends, und sie würde einen Haufen Ärger bekommen, weil sie noch nicht zu Hause war.

Sie hatte keine Ahnung, wie sie sich verabschieden sollte. Der Gedanke, dass Eric morgen einfach nicht mehr da sein würde, ließ ihr einen mächtigen Kloß in die Kehle steigen.

Sie schluckte schwer, zog die Nase hoch und rutschte Richtung Eingangsluke.

„Ich muss los“, sagte sie und warf die Leiter wieder raus. „Und vergiss nicht zu schreiben. Briefe, keine Mails oder Nachrichten. Das ist wichtig, damit wir uns vorher überlegen, was wir wirklich sagen wollen, okay?“

Den Gedanken an eine Brieffreundschaft fand sie schön. Außerdem hatte sie so das Gefühl, dass ihr Kontakt besonders blieb. Sie würde alles dafür tun, ihren besten Freund nicht zu verlieren.

Eric nickte.

Erst als sie schon rausgeklettert war und mit den Füßen auf der Strickleiter stand, sagte er: „Hey Manon!“ Er legte sich bäuchlings auf den Boden, sodass sein Gesicht vor ihrem war.

Wie eingefroren blieb sie auf der Sprosse stehen.

Erics Gesicht war so nah vor ihrem, dass sie die Sommersprossen auf seiner Nase erkannte. Und sie sah auch, dass er seine Lippen bedrückt aufeinanderpresste.

Sie war nicht sicher, ob sie wollte, dass er noch etwas sagte. Auch wenn sie gern so tat, als würde sie das alles allein hinbekommen, sie hatte furchtbare Angst und war wütend, dass er gehen musste.

Sie sahen sich ein paar Sekunden lang an, dann presste er seinen Mund auf ihren.

Seine Lippen fühlten sich weich und warm an. Trotzdem hatte sie das Gefühl, dass ihr Herz gerade wie ein kleiner Sack Murmeln in ihre Knie plumpste.

Er löste sich schnell wieder und presste die Lippen erneut aufeinander. Der Blick in seinen blauen Augen wirkte kämpferisch und traurig zugleich.

Manon brachte nur noch ein kurzes Nicken zustande, dann kletterte sie runter und sprang den letzten Meter auf die Wiese.

Sie sah nicht mehr zurück.

Ihr erster Kuss lag auf ihren Lippen. Sie versuchte, sich das Gefühl genau einzuprägen, doch die Tränen spülten den getrockneten Matsch ihrer Kampfmaske von den Wangen. Nach kurzer Zeit schmeckte sie nur noch Erde und Salz, während sie nach Hause rannte. Weder Metalhead noch einer der anderen konnte ihr helfen, denn ihr allerbester Freund würde morgen Tausende Kilometer weit weg sein und nicht zurückkommen.

Aus einem Brief von Eric, 18. Juli 2003:

Hi Manon,

wir sitzen im Flugzeug. Meine Eltern sind durchgedreht, sie reden nur noch über Kisten, neue Jobs und das Haus in Wisconsin.

Paula sagt, dass der neue Posten für Ryan sehr wichtig ist. Ich verstehe nicht, warum manche Dinge wichtiger sein sollten als andere.

Aus schlechtem Gewissen haben sie mir eine neue Kamera geschenkt. Eine Canon, der Hammer. Wenn ich angekommen bin, mache ich damit ein paar Fotos, die schicke ich dir das nächste Mal mit. Ich verstehe übrigens immer noch nicht, warum wir nicht einfach Mails schreiben, aber wenn es eine Liste für Verrückte geben würde, dann wärst du sicher ganz oben mit dabei.

Aus einem Brief von Manon, 24. Juli 2003:

Hi Eric,

seit wann nennst du deine Eltern beim Vornamen? Macht man das so in Wisconsin?

Ich bin nicht verrückt, das Briefeschreiben ist wichtig!

Ich kann sie alle sammeln und in einer Box im Baumhaus verstecken. Und wenn ich will, kann ich sie auspacken und lesen.

Gestern musste ich nachsitzen. Benedikt aus deiner Klasse hat mich angespuckt und ich habe ihm zwischen die Beine getreten …

Mach’s gut, deine Manon (Die Idioten in der Schule nennen mich jetzt Mo, kotz!)

1.

Manon, 6. Februar 2019

Es war der Tag, an dem Rosamunde Pilcher starb.

Ein seltsames Omen für den Start in Berlin.

„Dit erste Mal inne Hauptstadt, wa?“, tönte eine Frau um die fünfzig, die neben ihr in der U-Bahn saß.

Manon nickte unbeholfen, weil sie es nicht gewohnt war, einfach so von Fremden angesprochen zu werden. Außerdem war sie von dem kleinen silbernen Flachmann abgelenkt, den die Frau in den Händen hielt.

Dem Geruch ihres Atems nach zu urteilen, war in dem Ding Hochprozentiges, das auch schon mehrmals durch ihre Kehle geflossen war.

Keine Ahnung, was sich Manon vorgestellt hatte, aber die Ankunft in Berlin hatte nichts Magisches an sich, und der Hauch von Abenteuer roch bislang nach Schnaps und Schweiß einer überfüllten Bahn. Klar, das konnte sie auch alles in ihrer Wahlheimat Paris haben, doch sie hatte damit gerechnet, dass sich der neue Zauber etwas länger halten würde.

Noch drei Stationen bis zum Görlitzer Bahnhof in Kreuzberg.

Mittlerweile versuchte der vierte Straßenzeitungsverkäufer in unverständlichem Gelalle, sein Blatt an die Fahrgäste zu bringen.

Es war später Nachmittag, draußen wischten die vollgestopften Straßen und die verzierten Altbauten der geschichtsgeschwängerten Großstadt vorbei. Das Abteil war so voll, dass die Luftfeuchtigkeit einem fast den Atem nahm.

Jedes Mal wenn die U-Bahn anhielt, öffneten sich die Türen mit einem lauten Piepen, dann folgte ein Zischen und die unterschiedlichsten Menschen schoben sich routiniert aus der Bahn, bevor sich ein neuer Pulk hereindrückte.

Die Bahn wirkte wie eine Raupe, die aus- und einatmete und dabei einen Schwall Menschen bewegte.

Als die elektronische Stimme den Görlitzer Bahnhof ansagte, stand Manon auf und versuchte, ihre große Tasche und ihren Rucksack durch die Sitzreihen zu manövrieren, ohne an die anderen Fahrgäste zu stoßen. Die halbe Bahn schien das gleiche Ziel zu haben, denn plötzlich bewegte sich ein ganzer Tross an Leuten auf den grünen Druckschalter der mittleren Tür zu.

Körperkontakt, den sie gern vermieden hätte. Und eine neue Geruchsnuance von Knoblauch mischte sich in ihre Nase.

Drei Jungs drängelten sich vor, sodass sie es knapp schaffte, sich aus der sich schließenden Türe zu drücken, ohne darin eingeklemmt zu werden.

Es gab zwei Ausgänge. Manon entschied sich für den in Fahrtrichtung liegenden und ging die Treppen hinunter.

Unten war ein kleiner Kiosk, vor dem zwei Bierbänke standen. Vier Männer debattierten mit einem Bier in der Hand über die riesige Moschee, die auf der gegenüberliegenden Straßenseite thronte.

Manon zog ihren Rucksack auf und kramte das Smartphone aus der Jackentasche ihres grünen Parkas. Sie öffnete Google Maps und rief die Route auf, die sie schon in Paris eingegeben hatte, um einen besseren Überblick über ihren Weg zu bekommen.

Die Oranienstraße lag direkt vor ihr. Sie lief über eine Ampelkreuzung und wich dem meckernden Fahrradkurier aus, der rasend schnell aus der Seitenstraße geschossen kam. Überrumpelt murmelte sie eine Entschuldigung, bevor sie weiterging. Es war fast unmöglich, auf dem Bürgersteig voranzukommen. Ein Straßencafé reihte sich an die nächste Bar, immer wieder stieg ihr der Geruch von süßem Kirschtabak aus einer der Shishas in die Nase. Zum ersten Mal, seit sie gelandet war, spürte sie den Puls dieser riesigen Blase Berlin. Elektronische Musik drang aus den mit Aufklebern und Graffitis vollgepflasterten Hauseingängen. Und alles war voller Menschen.

Multikulti Wortwirrwarr. Sie erkannte arabische Fetzen, englische und sogar ein paar Worte Französisch.

Ein paar Meter weiter roch es nach Pizza, dann orientalisch. Hausnummern gab es quasi nicht. Zumindest waren die meisten Fassaden vollgeklebt oder angesprüht.

Etwas hilflos schaute sie auf den Plan auf ihrem Smartphonedisplay, als sie gegen einen jungen Mann rempelte, der rauchend vor einem Club stand.

Sie entschuldigte sich und fragte kurz entschlossen: „Wo finde ich das Malt?“

Der Typ schaute sie irritiert an.

„Eine Galerie?“, fragte sie weiter.

Plötzlich huschte Verständnis über sein Gesicht. Er deutete vier Häuser weiter und erklärte auf Englisch, dass die Galerie im Hinterhof zu finden sei.

Sie bedankte sich und folgte der Wegbeschreibung.

Vor einem massiven Eisentor standen zwei tätowierte Männer in Anzügen mit langen Bärten, die sie von oben bis unten musterten.

Sie las den fünfstelligen Zahlencode aus der Mail, die sie von der Assistentin im Vorfeld geschickt bekommen hatte, vom Display ihres Smartphones ab.

Es dauerte eine knappe Minute, bis die Türsteher die Bestätigung durch ihr Headset bekamen. Dann durfte sie rein.

Seit heute Morgen war sie unterwegs, sie hatte Hunger und Durst und musste tierisch dringend pinkeln. Nicht die besten Voraussetzungen, um cool und gelassen auf einer hippen Ausstellungseröffnung zu erscheinen.

Seit knapp sechzehn Jahren hatte sie Eric nicht gesehen.

Nachdem er mit seinen Eltern in die USA gezogen war, hatten sie sich geschrieben. Sie hatten Fotos ausgetauscht, aber getroffen hatten sie sich nie. Zuerst hatte die Schule die ganze Zeit gefressen, dann das Studium. Literatur und Kulturwissenschaften studierte sie in Paris, in der Geburtsstadt ihrer Mutter. Eric hingegen hatte sich voll auf die Fotografie gestürzt. Auch wenn er sich während seiner Fotoreportagen in der ganzen Welt herumgetrieben hatte, war der Kontakt nie abgerissen. Sie hatten sich immer regelmäßig geschrieben.

Zumindest bis vor drei Jahren. Dann hatte er plötzlich nicht mehr geantwortet. Ihre Briefe waren mit dem Vermerk Empfänger unbekannt verzogen zurückgekommen.

Zuerst hatte sie sich schrecklich gesorgt. Sie hatte sogar seine Eltern kontaktiert, doch zu denen hatte er den Kontakt genauso abgebrochen. Sie erzählten, dass er für längere Zeit, für knappe drei Monate in Syrien gewesen sei, sich eine ganze Weile gar nicht gemeldet habe und ihnen danach per Mail mitgeteilt habe, dass er Abstand brauche.

Seine Eltern hatten sich wahnsinnige Sorgen gemacht. Seine Bitte, dass sie sich nicht bei ihm melden sollen, hatte seine Mutter nicht akzeptiert und versucht, ihn anzurufen. Doch seine Telefonnummer hatte er genauso gewechselt wie seinen Wohnsitz. Auch über die alte E-Mail-Adresse kam keine Antwort. Keiner wusste so recht, was geschehen war. Alle fühlten sich vor den Kopf gestoßen, und Manon verstand die Welt nicht mehr. Es war mehr als gekränkter Stolz. Es tat richtig weh.

Dann plötzlich, nach zermürbenden Wochen, in denen sie sich verloren gefühlt hatte, war ein Brief gekommen.

Zwei Zeilen, mehr nicht.

Ich brauche Zeit, Manon. Es tut mir leid. – Eric

Zuerst rebellierte alles in ihr dagegen. Weil es nie etwas gegeben hatte, worüber sie nicht geredet hatten. Etwas Schwerwiegendes musste geschehen sein, und er schloss sie aus seinem Leben aus.

Zumindest zeitweise. Es war eine Mischung aus Verletztheit und Trotz gewesen, die sie irgendwie gerettet hatte. Sie hatte ihr Leben weitergelebt, und es stimmte zum Teil, was die Menschen sagten. Wunden heilten vielleicht nicht mit der Zeit, aber es tat weniger weh, auch wenn sie ihn nie vergessen hatte. Es war so, als ob ein wichtiger Teil von ihr fehlte.

Als sein Name dann in den Medien aufgetaucht war, war sie erst erschrocken und dann schrecklich enttäuscht gewesen. Plötzlich war von ihm als gefragter Fotograf und Künstler die Rede.

Sein Wandel vom Reportage- zum Modefotografen hatte sie überrascht. Sie gönnte ihm den Ruhm von Herzen, denn er schien mittlerweile sehr erfolgreich zu sein. Seine Bilder wurden für Unsummen verkauft. Doch in den Briefen der vergangenen Jahre hatte er immer davon gesprochen, wie wichtig er es finde, dokumentarisch zu arbeiten. Geld hatte da nie eine Rolle gespielt.

Außerdem war die Tatsache, dass er ihre Freundschaft so jäh beendet hatte, immer noch schmerzhaft und ließ sie die ganze Zeit über nicht los. Vielleicht, weil sie nie wirklich abschließen konnte.

Mittlerweile stand sie am Ende ihres Studiums und es fehlte noch ein Praktikum. Sie hatte sich bei unterschiedlichen Filmproduktionen beworben und verschiedene Zusagen bekommen. Unter anderem aus Berlin.

Auch wenn sie nicht sonderlich abergläubisch war, kam es ihr schicksalstechnisch doch irgendwie gelegen. Das Portfolio der Produktion klang spannend und Erics Agentur saß in Berlin.

Das hatte sie unter anderem für seine Mutter herausgefunden, die sich regelmäßig erkundigte, ob Manon etwas von Eric gehört hatte.

Lange hatte sie gehadert, ob sie noch einen Kontaktversuch unternehmen sollte. Aber der Gedanke hatte sie nicht losgelassen. Also war sie nach drei Jahren absoluter Funkstille über ihren Schatten gesprungen und hatte Erics Agentur per Mail kontaktiert, mit der Bitte, die persönlichen Zeilen an ihn weiterzuleiten. Sie hatte geschrieben, dass sie arbeitstechnisch für ein paar Wochen in Berlin sein werde. Dass sie zwar noch keine feste Adresse habe, aber es vielleicht eine Möglichkeit sei, sich zu sehen.

Sie erinnerte sich genau an dieses Zögern, das sie gespürt hatte, bevor sie auf den Senden-Button geklickt hatte.

Sie wollte sich nicht anbiedern, hatte aber auch irgendwie den Impuls, ihn endlich zur Rede zu stellen, was um Himmels willen mit ihm passiert war. Der Kerl, dem sie immer alles anvertraut hatte, war zu einem fremdartigen Geist mutiert, von dem sie nur in der Presse las.

Die abstrusesten Ideen hatte sie im Kopf gehabt. Vielleicht war er von einer Sekte beeinflusst worden. Oder er hatte sein Gedächtnis verloren …

Die Neugier hatte gesiegt, und sie hatte die Mail losgeschickt.

Dann plötzlich hatte sie eine Antwort bekommen. Eine E-Mail, offensichtlich von Erics Assistentin verfasst. Darin ein fünfstelliger Zahlencode, die Einladung zu dieser Ausstellung und der Vermerk, dass eine Übernachtungsmöglichkeit für sie vorhanden sei.

Weil sie keine Ahnung hatte, was sie erwarten würde, hatte sie Erics Eltern nichts davon erzählt. Und es bei ihrem Vater nur angedeutet, denn bei ihm wusste sie, dass er die Klappe halten würde.

Gehen konnte sie immer noch, sagte sie sich, sobald sie nervös wurde. Dummerweise pumpte schon die ganze Zeit das Adrenalin durch ihren Körper. Das war wie eine Achterbahnfahrt, bei der man nicht ahnen konnte, wie tief der nächste Abgrund war, oder ob man plötzlich rasend schnell durch einen Looping schoss.

Trotzdem stand sie jetzt auf dem dunklen Hinterhof. Vereinzelt parkten hier alte Porsche Modelle. Die Außenfassade des Backsteingebäudes wurde mit Lichtkegeln angestrahlt.

In der fünften und letzten Etage gab es eine moderne Glasfront, die nachträglich in das Gebäude eingesetzt worden sein musste. Genauso wie der gläserne Aufzug. Von unten konnte man erkennen, dass es oben sehr voll sein musste. Schattenspiele und Schemen tummelten sich hinter der Scheibe.

Los geht’s, dachte sie, bevor sie tief durchatmete und auf den Knopf des Lifts drückte. Sie fuhr in die fünfte Etage. Als sich die Türen öffneten, lag eine riesige Fabriketage vor ihr. Es war so voll mit Menschen, dass sie sich kaum orientieren konnte. Aber es musste riesig sein, denn es war kein Ende absehbar. Zwar erkannte sie ansatzweise die vereinzelt ausgestellten Fotografien an den Wänden, das war aber auch alles.

Sie drängelte sich durch die ersten Meter. Dabei fiel ihr auf, dass die Menschen alle perfekt gekleidet und gestylt waren. Es sah aus, als wäre sie in einem hippen Magazin über teures „Understatement“ gefangen. Mit ihrem grünen Parka, der Jeans und ihrer Tasche fiel sie auf und wurde gemustert.

Sie hasste es, sich wie auf dem Präsentierteller zu fühlen.

Bislang hatte sie Eric nicht entdeckt. Aber zumindest hatte ihr ein Kellner die Richtung zur Toilette verraten. Sie schickte tausend dankbare Stoßgebete gen Himmel, dass dies die erste Veranstaltung in ihrem Leben war, bei der keine Schlange vor dem Klo lauerte. Und sie fand sogar noch mehr als genügend Kabinen in der Toilette vor. Es gab ein großes Aquarium, das in der Wand eingelassen war, und Jazzmusik tönte durch den grau gekachelten Waschraum. Eigentlich war es hier schöner als draußen.

Sie ging auf die Toilette und ließ ihre schwere Tasche vor der Kabine stehen. Beim Händewaschen danach bemerkte sie, dass sogar kleine Schalen neben dem Waschtisch standen. Darin waren Damenhygieneartikel und verschiedene Duftsprays. Sie schnupperte an zweien und stellte fest, dass sie die Düfte nicht überzeugten. Seit sie denken konnte, liebte sie ihr Parfüm. Es war weder blumig, noch hatte es diesen besonderen Frischekick. Stattdessen war es eher erdig und geheimnisvoll.

Als sie den angenehmen Mikrokosmos Damentoilette wieder verließ, pirschte sie sich so unauffällig wie möglich am Rand des Ausstellungslofts entlang, bis sie vor einem der exponierten Fotos ankam. Es war eine schwarz-weiße Aktfotografie eines dunkelhaarigen Models. Ihre Haut leuchtete fast mystisch im Zwielicht des Schattenspiels. Sie hockte in einer Pose, die an eine Tanzszene erinnerte. Das linke Bein war zur Seite gestreckt, das rechte unter dem Körper. Ein Handrücken verdeckte gekonnt ihren Schritt, während der linke Arm parallel zu ihrem Bein ausgestreckt war. Ihre langen Haare flogen um ihr Gesicht, als hätte sie ihren Kopf gerade dynamisch nach vorn geworfen. In ihrer Miene war ein herausfordernder Ausdruck. Es erinnerte an eine Raubkatze, die kurz vor dem Absprung war. Als hätte sie ihr Opfer schon im Auge. Es war ausdrucksstark und hatte irgendwie einen kämpferischen Beigeschmack.

Die Frau hatte einen wunderschönen Körper, besonders die perfekten Brüste fielen Manon auf. Umso nüchterner erschien diese Leere, in der sie eingefangen worden war. Diese Schwärze.

Es wirkte kühl und sachlich, nur ihr Blick hatte Feuer.

„Schätzchen, ich weiß nicht, ob ich dich rebellisch oder bemitleidenswert finden soll.“ Ein Mann, den sie auf Mitte dreißig schätzte, stand ein Rotweinglas in der Hand schwenkend hinter ihr und zog seine rechte Augenbraue kritisch nach oben, während er sie musterte.

„Wie bitte?“, rutschte ihr über die Lippen.

„Dieser Parka, ist das dein Ernst?“, fragte er.

Perplex sah sie an sich hinunter und wusste nicht, ob sie sich angegriffen oder beleidigt fühlen sollte.

„Oje“, sagte er echauffiert und fischte ein Glas Wein von dem Tablett eines vorbeistreifenden Kellners. „Trink, Kleines. Die Hyänen hier werden dich gleich zerfleischen.“

Sie stellte die Tasche ab und nahm den Rotwein. Nach einem tiefen Schluck fragte sie: „Hyänen?“

Er ließ seine Hand in einer Geste bedeutungsschwanger über die anwesenden Gäste schweifen, bevor er ihr einen vielsagenden Blick zuwarf und sie so auf skurrile Weise zu seiner Verbündeten dieser mannigfaltigen Menschensafari machte.

Sie nickte und nahm noch einen Schluck Wein. „Okay“, betonte sie.

„Die Leute hier haben genug Geld und prestigeträchtige Jobs, um sich sehr wichtig zu fühlen. Hier bekommst du an der Theke Koks, wenn du willst.“

Sie schüttelte den Kopf.

„Das Model auf dem Foto hinter dir läuft normalerweise für Versace und Dior.“ Er machte eine kurze Pause. „Also, wer bist du und was um Himmels willen machst du hier?“

Plötzlich kam sie sich in ihren Bikerstiefeln und dem Parka noch deplatzierter vor. Was seltsamerweise nicht an der Direktheit des Typen lag. Sie war sogar ein bisschen dankbar dafür, dass sie sich unterhalten konnte, auch wenn der Kerl so affektiert war.

„Ich möchte zu Eric. Wir sind alte …“ Sie haderte kurz, ob sie das Wort noch in den Mund nehmen wollte oder konnte. Aber vielleicht vereinfachte es die Geschichte. „… Freunde“, schloss sie.

„Freunde?“, hakte er nach. „Eric Blent hat keine Freunde.“ Er betrachtete sie einen Augenblick lang ungläubig, während sie das Glas Rotwein in einem Schluck leerte. „Ich bin Peter.“ Er streckte ihr seine Hand entgegen.

Sie schüttelte die Hand und stellte ihr Glas auf einem schmalen Sideboard ab, bevor sie ihren Parka auszog. Der Wein heizte gehörig ein.

„Mein Name ist Manon“, stellte sie sich vor.

„Manon?“, fragte er nach.

„Meine Mutter ist Französin.“

„Also, Manon. Dein Name hat Potenzial“, betonte er mit einem Grinsen. „Was hat es mit diesem obskuren Freundschaftsding auf sich?“

Sie zuckte mit den Schultern. „Unsere Eltern waren befreundet. Wir sind zusammen aufgewachsen. Eric war mein bester Freund, bis sein Vater zurück in die USA berufen wurde. Ich war acht und Eric zehn Jahre alt, als sie weggezogen sind. Wir haben uns geschrieben, zumindest eine Weile.“

Ein Bild aus ihrer Erinnerung huschte vor ihr geistiges Auge. Der blonde Junge mit den blauen Augen und den vereinzelten Sommersprossen auf der Nase.

Sie musste schmunzeln.

Ryan, sein Vater, war Amerikaner und zeitweise auf der Militärbasis in Ramstein stationiert gewesen. So hatte es Erics Familie für ein paar Jahre nach Deutschland verschlagen. Paula, seine Mutter, war gebürtige Deutsche, die aber seit Jahren in den USA lebte und auch dort arbeitete. Erics Mutter hatte damals darauf bestanden, dass ihr Sohn zumindest für die Zeit ihres Aufenthaltes in Ramstein eine deutsche Schule besuchte. Weil sie selbst deutsche Wurzeln hatte und auch nicht wollte, dass Eric die ganze Zeit in der amerikanischen Blase lebte.

Wenn Manon jetzt darüber nachdachte, war es eigentlich seltsam, dass sich ihre und Erics Eltern so gut verstanden hatten. Manons Eltern Ella und Max waren Lehrer. Persönlich würde sie beide eher in die Hippie Ecke schieben, während Erics Eltern Ryan und Paula immer sehr schick gewirkt hatten.

Manon erinnerte sich daran, dass es sie immer fasziniert hatte, wenn sie auf der Basis zu Besuch gewesen waren. Es war irgendwie so anders dort. Die meisten Leute sprachen englisch, und es gab andere Sachen zu essen. Der süße Geschmack der Cola-Lollies, nach denen sie verrückt gewesen war, stahl sich auf ihre Zunge zurück.

Was Eric und sie geeint hatte, war das Gefühl, anders zu sein. Anders als die Kinder in der Schule, anders als ihre Eltern. Sie waren ein Team. Es hatte nichts gegeben, was sie sich nicht gegenseitig erzählt hatten, wenn sie in ihrem Baumhaus gewesen waren.

Einmal hatte sie eine Phase gehabt, in der sie alle Aufsätze in der Schule in Comicsprache verfasst hatte. Eric hatte das klasse gefunden, ihre Lehrerin leider nicht.

„Wie lange habt ihr euch nicht gesehen?“, fragte Peter und zog sie so ins Hier und Jetzt zurück. Seine linke Augenbraue war so weit nach oben gezogen, dass ihr Misstrauen angeregt wurde.

„Sechzehn Jahre. Aber geschrieben haben wir uns bis vor drei Jahren.“ Es war seltsam, das einem eigentlich wildfremden Menschen zu erzählen. „Eine lange Geschichte. Jedenfalls habe ich vor ein paar Wochen eine Mail geschrieben und von seiner Agentur die Einladung für dieses Event bekommen.“

Er nickte. „Ich hoffe, du erwartest dir nicht allzu viel.“

Langsam verunsicherte Peter sie wirklich.

Es klang fast so, als wäre Eric zu einem Menschenfeind geworden. Plötzlich nahm Peter ihr Kinn in die Hand und drehte ihr Gesicht nach links und rechts, als würde er sie begutachten.

„Aber du hast vor, länger zu bleiben?“ Er deutete auf ihre Reisetasche und ließ ihr Kinn wieder los.

Perplex antwortete sie: „Ich fange Montag bei einer Filmproduktion an. Es ist ein Praxisteil für mein Studium. Ich studiere Literatur- und Kulturwissenschaften in Paris. Das ist mein erstes Mal Berlin.“

Und sie hatte nichts weiter als ihre Reisetasche mit ein paar Klamotten und anderen Sachen. Ein paar Adressen von Hotels hatte sie auf dem Smartphone abgespeichert. Ihr Geld würde ausreichen, um die ersten Tage über die Runden zu kommen. Heute war Samstag. Am Montag begann ihr Praktikum, und sie konnte sich ein WG-Zimmer suchen. Sich im Vorfeld um so etwas zu kümmern, war ungefähr so schwierig gewesen, wie auf dieser Veranstaltung an etwas kohlenhydratreiche Nahrung zu kommen.

Der rebellische Gedanke, sich einfach ins Ungewisse zu stürzen und alles spontan zu regeln, kam ihr jetzt ziemlich naiv vor. Wenigstens hatte sie nicht vor, sich auf die Zusage der Assistentin in der E-Mail zu verlassen. Sie würde schon irgendwie klarkommen.

Schlagartig befiel eine nervöse Unruhe die Atmosphäre im Loft.

Alle Frauen mit High Heels und Kleidergröße vierunddreißig schienen in einen Sog geraten zu sein, der sie Richtung Aufzug strömen ließ.

„Auftritt Eric Blent“, flüsterte Peter in ihr Ohr.

Ihr Herz klopfte schneller, sodass sie ihren Puls im ganzen Brustkorb pochen fühlte. Eine innere Aufregung nahm jeden einzelnen ihrer Sinne in Beschlag. Um einen Blick über die Menschen erhaschen zu können, reckte sie sich ein bisschen in die Höhe und stellte sich auf die Zehenspitzen. Doch bislang sah sie rein gar nichts. Es war aufregend, aber auch einschüchternd, dass Erics bloßes Auftauchen so eine Unruhe auslöste.

„Zwei Minuten höchstens, du kannst die Zeit stoppen“, wisperte Peter, als wäre er der Off-Kommentator der Szene. „Länger hält er es nie aus.“

„Wie meinst du das?“

„Ich arbeite für ihn. Aber das ist der härteste Job ever“, betonte er. „Seine Agentur hat mich beauftragt, damit ich mich um seine Social Media Präsenz kümmere. Gestaltet sich allerdings schwierig, wenn der Künstler sich nie auf Events zeigt und ansonsten auch keinen Bock auf Publicity hat.“

„Aber er macht doch die Fotos“, hakte sie nach.

„Tja, der Mann ist ein Rätsel.“ Peter hob die Hände nach oben und gab einem Fotografen ein Handzeichen, woraufhin der sich sofort ins Gewimmel warf. Der Fotograf schaffte es, sich eine Schneise zu erkämpfen, durch die Manon einen Blick erhaschen konnte.

Ihr Herz fühlte sich an, als wäre es wie eine Brausetablette in Wasser geworfen worden. Das Prickeln strömte durch jede einzelne Nervenbahn.

Eric war groß. Er hatte breite Schultern bekommen. Seine blonden Haare waren etwas dunkler, als sie es in Erinnerung hatte. Er trug sie oben etwas länger und an den Seiten kurz. Obwohl er sie nach hinten gestrichen hatte, fielen ein paar Strähnen in seine Stirn. Ein Dreitagebart schimmerte dunkel auf seiner sonnenbraunen Haut. Er hatte ein schwarzes Hemd mit Stehkragen an, dessen Ärmel locker nach oben gekrempelt waren. Außerdem trug er eine schwarze Hose und dunkle Sneakers.

Dem Outfit nach zu urteilen, war es ihm vollkommen gleich, wie teuer seine Klamotten waren. Auch die Tatsache, dass er seinen Ruhm nicht voll auskostete, sondern solche Veranstaltungen eher mied, passte zu der Version von Eric, die sie kannte.

Kurz spielte sie mit dem Gedanken, einfach zu ihm zu gehen und ihn anzusprechen. Aber es waren schlicht zu viele Menschen um ihn herum.

Für einen Atemhauch touchierte er ihren Blick.

Sie setzte gerade zu einem pantomimischen „Hallo“ an, doch die Geste blieb ein Hauch, der ihr in der Kehle stockte.

Weil Eric sofort wieder wegsah und sich einer Blondine zuwandte, die ihm ein kleines Mikro vor die Nase hielt. Außerdem war nicht ein Funke des Wiedererkennens in seinem Blick gewesen.

Sie hatte keine Ahnung, was sie erwartet hatte. Zumindest vielleicht ein leichtes Aufblitzen, ein Lächeln, irgendwas. Aber da war nichts gewesen.

Er wirkte sehr kühl und unnahbar. Er war ein attraktiver Mann mit kantigen Gesichtszügen und auffallend hellen Augen. Trotzdem wirkte er auf sie kalt.

„Hoffentlich ist ein Foto dabei, sonst bekomme ich die absolute Vollkrise“, sagte Peter, der neben ihr ein Tablet zückte, auf dem er wild herumzutippen begann.

Manon kam sich vor wie im falschen Film. Wahrscheinlich war es schlicht eine blöde Idee gewesen, Eric anzuschreiben und hier aufzutauchen. Allein, dass er seine Assistentin hatte antworten lassen, hätte ihr Warnung genug sein sollen.

„Und schon macht er sich wieder auf den Weg“, schlussfolgerte Peter, während sich die Schneise wieder schloss und sich die Menge weiter drängte.

„Und was ist mit den Bildern?“ Etwas Besseres fiel Manon nicht ein. Sie hatte sich vorgenommen, keine Erwartungen zu haben, trotzdem war sie enttäuscht. Das hier war eine Show, kein Wiedersehen. Sie schnappte ihren Parka und ihre Tasche. Länger hierzubleiben brachte nichts.

„Schätzchen.“ Peter sah sie irritiert an. „Die sind längst verkauft.“

Der Fotograf kam auf sie zu und grinste Peter an, dann gab er ihm die Speicherkarte der Kamera. Peter schob sie in den Slot des Tablets und rief die Bilder auf.

„Mega“, sagte er zufrieden, nachdem er die ersten Fotos begutachtet hatte. „Das hier.“ Er deutete auf ein Schwarz-Weiß-Foto, auf dem Eric im Anschnitt zu erkennen war.

Sein kantiger Kiefer und die hellen Augen stachen vor. Kurz ließ sie sich von seiner kühlen Miene und dem fesselnden Blick in einen Bann ziehen.

„Manon Robin?“

Als Manon aufblickte, sah sie in das Gesicht einer rothaarigen Frau, die sie von unten nach oben musterte.

Manon nickte, langsam genervt davon, dass man hier permanent gemustert wurde, und wartete, bis der irritierte Blick der Frau wieder in ihrem Gesicht angekommen war. Das Gefühl, in einem Moloch aus unverschämten Ersteindrücken gelandet zu sein, verhärtete sich zusehends.

„Ich bin Estelle. Hey Peter.“ Sie begrüßte Peter mit angedeuteten Küsschen links und rechts. „Ich bin Erics Assistentin. Wie du siehst, ist er beschäftigt, ich soll dich mitnehmen“, erklärte sie mit einem Blick auf ihre blinkende Smartwatch. Erst jetzt fiel Manon auf, dass Estelle in ihrer roten Mähne ein Headset trug. Schwungvoll machte sie auf dem Absatz kehrt und stolzierte in ihrem dunklen Hosenanzug los.

„Mitnehmen wohin?“, fragte Manon irritiert, während sie sich von Peter verabschiedete und versuchte, Estelles schnellen und gezielten Schritten durch die Menge hinterherzukommen.

Nachdem Estelle hektisch mit den Händen herumgewedelt hatte, öffnete das Sicherheitspersonal schnellstmöglich die Türen und machte den Weg frei. Es ging zwar zackig, dafür war es die unhöflichste und unpersönlichste Methode, die Manon je erlebt hatte.

„In Erics Berliner Loft. Ist nicht weit von hier. Draußen ist ein Wagen, der Fahrer bringt dich hin. Er sagte, du könntest dort übernachten“, erklärte Estelle gestresst, während sich die Aufzugtüren hinter ihnen schlossen.

Berliner Loft? Hatte Eric mehrere Lofts?

Manon schüttelte die Frage ab. Sie hatte den Eindruck, wie ein Flipperball hin und her gestoßen zu werden. Hatte Eric sie doch erkannt? War das jetzt eine Einladung?

„Ich kann mir ein Hotel nehmen, das ist kein Problem.“ Sie hatte das Gefühl, sich abgrenzen zu müssen. Man musste sich nicht um sie kümmern, dazu war sie sehr wohl selbst in der Lage. Sie war weder hier, um sich einen Schlafplatz zu ergaunern, noch um Erics Angestellte zu ärgern. Sie hatte einen alten Freund treffen wollen, mehr nicht.

„Glaub mir, Schätzchen“, betonte Estelle, während sich die Aufzugtüren öffneten. „Wenn Eric sagt, ich soll dafür sorgen, dass du in sein Loft kommst, dann tue ich genau das.“

Mit einem klackenden Geräusch öffnete ein Mann die hintere Tür eines Mercedes, der direkt vor dem Lift geparkt hatte. Estelle stellte sich kämpferisch mit vor dem Oberkörper verschränkten Armen neben den Wagen und sah sie herausfordernd an.

Am liebsten hätte Manon gefragt, ob sie hier eigentlich alle durchgedreht waren. Aber das Gefühlschaos, das in ihr tobte, nahm ihr die Fähigkeit zu kontern oder die Ansage trotzig abzutun. Sie war schlicht überfordert mit der Situation.

Nach einem kurzen Zögern stieg sie ein. Als die Tür zufiel, zuckte sie erschrocken zusammen. Normalerweise würde sie sich als selbstbewusst bezeichnen, aber hier und jetzt färbte dieser ganze Schein irgendwie auf sie ab. Dass Estelle Erics Ansagen befolgte, ohne groß auf andere Bedürfnisse einzugehen, war erschreckend. Es fühlte sich so an, als sollte man Eric besser kein Kontra geben.

In ihr tobte aber auch das Gefühl von Hoffnung, weil er sie anscheinend doch erkannt hatte. Es war seltsam.

Als der Fahrer losfuhr, klingelte ihr Smartphone. Aus Versehen entleerte sie die ganze Innentasche ihres Parkas, während sie nach dem Telefon kramte. Als sie es gefunden hatte, las sie unbekannte Nummer auf dem Display. Sie nahm den Anruf an, da fiel ihr Estelle schon ins Wort: „Es gibt einen vierstelligen Türcode. Acht, vier, zwei, eins. Im oberen Stock gibt es ein Zimmer, in dem ein Bett steht. Ansonsten findest du dich sicher zurecht.“ Und schon legte sie wieder auf.

Manon fluchte, weil sie gern noch gewusst hätte, woher Estelle ihre Nummer hatte und wann denn Herr Blent gedenke, sich dort einzufinden. Aber hier schien es nur um Fremdbestimmtheit und irgendwelche Codes zu gehen.

„Gibt es hier so was wie eine WG-Börse oder was Ähnliches?“, fragte sie den Fahrer, während sie die Fahrscheine, die Kaugummis und die Tampons, die aus ihrer Tasche gefallen waren, wieder vom Sitz und dem Boden glaubte.

„Tagesspiegel oder die Zitty. Da gibt es Anzeigen, denke ich“, antwortete er. „Gibt es an jedem Kiosk oder beim Spätkauf.“

Sie bedankte sich und stopfte sich einen Kaugummi in den Mund. „Auch einen?“

Er schüttelte den Kopf und sagte: „Wir sind da.“

Überrascht sah sie nach draußen. Die kurze Strecke ließ darauf schließen, dass sie immer noch in Kreuzberg waren.

Der Fahrer öffnete die Tür, wartete, bis sie ausgestiegen war und trug ihre Tasche zum Eingang. „Wie soll das hier funktionieren?“, fragte sie leicht überfordert, als sie die Konsole an der riesigen Kassettentür des Altbaus sah.

Der Fahrer lächelte höflich und half ihr, das Zahlenfeld aufzurufen. Sie tippte den Code ein, den ihr Estelle genannt hatte. Dann öffnete sich mit einem Zischen das integrierte Schloss der Tür.

Bevor der Fahrer wieder einstieg, rief sie ihm zu: „Wie ist er so? Eric Blent, meine ich.“ Mittlerweile war ihr der Gedanke, allein in Erics Wohnung zu gehen, sehr unangenehm.

„Ich habe mich noch nie mit ihm unterhalten. Normalerweise fahre ich die Damen, die ich hier abhole, zum Flughafen oder zu einer Veranstaltung.“

Das hörte sich so an, als wäre Eric kein Kind von Traurigkeit, wenn er einen Fahrer allein zu diesem Zweck beschäftigte. Das Bild des kühlen und attraktiven Womanizers passte so gar nicht zu dem des Jungen aus ihrer Vergangenheit. Sie hatte das Gefühl, einzelne Puzzleteile aufzusammeln, die einfach nicht ineinanderpassten.

Manon bedankte sich und ging in das Gebäude. Es war ein riesiger mit beigen Kacheln verzierter Flur. Vor ihr lagen zwei gigantische Aufzugtüren. Es war eine interessante Mischung aus erhaltener Substanz des Altbaus mit modernen Elementen und neuer Technik. Sie drückte den Knopf und hoffte, dass sie durch einen schicksalhaften Zufall irgendwie an die Info kam, in welchem Stockwerk sie Erics Wohnung finden würde.

Der silberne Lastenaufzug öffnete, sie stieg ein und fand auf dem Tableau im Lift neben jedem Stockwerk eingeprägte Namen. Im fünften, dem obersten Stockwerk, standen die Initialen E.B. Sie drückte darauf und fuhr nach oben. Im fünften Stock angekommen blieben die Türen verschlossen. Neben der Konsole leuchtete eine integrierte Nummerntafel auf.

Das war wie eine Schatzsuche, sie hatte nur keine Lust mehr auf Spielchen. Manon versuchte es mit demselben Code wie unten und hatte Glück, der Aufzug öffnete. Vorsichtig lugte sie zwischen den Türen hindurch.

„Hallo“, rief sie in die Leere.

Automatisch schalteten sich Lichter an. Außer ihr schien keiner hier zu sein.

Es gab keinen Flur, keine Innenwände und dementsprechend auch keine Räume. Nach zwei beherzten Schritten stand sie mitten in dem riesigen Loft. Bodenlange Fenster, grauer Schieferboden, ganz hinten war eine riesige weiße Fläche, wahrscheinlich eine Leinwand. Diverse Lampen und Fototechnik standen herum.

Als sie nach rechts sah, blieb ihr fast das Herz stehen. Ein ovaler Pool war in den Boden eingelassen. Daneben stand ein Glaskasten, in dem sie eine Dusche und eine Wanne erahnen konnte. Vor der bodentiefen Fensterfront war ein riesiges Bett.

Das hier war komplett abgefahren.

Links war eine offene Küche. Ein langer alter Holztisch stand in der Mitte. Von dort führte eine hängende Treppe nach oben.

Eine Galerie schlängelte sich am Rand entlang. Von dort ging auch die einzige Tür ab. Vorsichtig, als könnte sie mit ihren schweren Bikerboots Abdrücke auf dem makellosen Boden hinterlassen, ging sie zur Treppe. Hinter der einzigen Tür fand sie einen kleineren Raum mit einem Futon unter einem großen Dachfenster. Es war sogar ein kleines Gästebad angeschlossen. Das Bett war zwar bezogen, ansonsten wirkte es klinisch rein, als hätte noch nie jemand in diesem Zimmer übernachtet.

Manon stellte ihre Tasche ab, zog den Parka und die Schuhe aus und ging wieder nach unten. Wie ein Einbrecher streifte sie durch die Wohnung, traute sich aber nicht, irgendwas anzufassen.

Vor der Küchenfront blieb sie stehen. Sie war so hungrig, dass ihr schon übel war. Hinter einer dieser Türen musste ein Kühlschrank sein. Die Türen und Fächer hatten keine Griffe. Man öffnete sie mit sanftem Gegendruck.

Sie entdeckte den Kühlschrank, fand darin aber nur abgepackte Getränke, nichts Frisches. Im Tiefkühlfach war eine angebrochene Packung Karamelleis. Sie schnappte sich das Eis und einen Löffel aus einer Schublade und ging zur Fensterfront. Es war schon seltsam, dass Eric Fotograf war, aber in seiner Wohnung kein einziges Bild hing.

Sie wartete eineinhalb Stunden.

Keine Spur von Eric.

Emotional war das wie in einem Wellenbad. Ein Auf und Ab. Immer wieder überlegte sie, ob sie einfach gehen sollte. Aber die Neugier war einfach zu groß.

Vielleicht hatte Eric mehrere Wohnungen in Berlin und stellte ihr diese zur Verfügung. Aber Interesse, sie zu sehen, hatte er wohl nicht. Das war doch alles bescheuert.

Irgendwann war es zu spät, um zu gehen, also beschloss sie, eine Nacht hierzubleiben und morgen früh in ein Hotel zu wechseln. Sie ging hoch in das einzige Zimmer mit Tür, stieg kurz unter die Dusche des kleinen Gästebades und putzte sich die Zähne. Zehn Minuten später lag sie erschöpft in Schlafshirt und ihren kurzen Shorts im Bett und sah durch das Dachfenster in den dunklen Himmel. Ihr Smartphone vibrierte, eine Nachricht von Sophia, einer Freundin aus Paris. Sie fragte, ob sie gut angekommen wäre und alles in Ordnung sei.

Manon entschied sich für das Allroundtalent: Daumen hoch Emoji, weil sie keine Ahnung hatte, ob alles okay war.

In Wahrheit fühlte sie sich ziemlich allein. In Paris lebte sie in einer kleinen Wohnung. Es war chaotisch, aber heimelig. Sie saß oft mit Freunden zusammen, sie kochten und aßen gemeinsam oder trieben sich in Bars herum.

Vielleicht wäre es besser gewesen, wenn sie die Praxiszeit woanders verbracht hätte.

2.

Sie schrak aus dem Schlaf auf, als sie ein Rumpeln hörte.

Scheiße, scheiße, scheiße … sie war in einer fremden Stadt, in einer fremden Wohnung, in die wahrscheinlich gerade eingebrochen wurde.

Sie sprang aus dem Bett und schlich vorsichtig auf Zehenspitzen zur Tür. Erst lauschte sie. Das Lachen einer Frau war zu hören.