Berauscht von deinen wilden Küssen - Yvonne Lindsay - E-Book

Berauscht von deinen wilden Küssen E-Book

YVONNE LINDSAY

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Beschreibung

Ein Blick in Shanals grüne Augen genügt, um Raif Masters vor Verlangen erbeben zu lassen. Sofort ist ihm klar: die oder keine! Nie zuvor hat er eine Frau getroffen, die eine derart brennende Sehnsucht in ihm weckt. Die dunkelhaarige Schönheit ist die pure Versuchung! Und als sie gemeinsam auf einem Hausboot übernachten, hat Raif den leidenschaftlichsten Sex seines Lebens! Noch immer berauscht von Shanals betörenden Küssen, erkennt Raif, dass er sein Herz an sie verloren hat. Doch dann erreicht ihn eine schockierende Nachricht: Shanal will heiraten - seinen Erzfeind!

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Seitenzahl: 207

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IMPRESSUM

BACCARA erscheint in der HarperCollins Germany GmbH

Redaktion und Verlag: Postfach 301161, 20304 Hamburg Telefon: +49(0) 40/6 36 64 20-0 Fax: +49(0) 711/72 52-399 E-Mail: [email protected]
Geschäftsführung:Thomas BeckmannRedaktionsleitung:Claudia Wuttke (v. i. S. d. P.)Produktion:Jennifer GalkaGrafik:Deborah Kuschel (Art Director), Birgit Tonn, Marina Grothues (Foto)

© 2015 by Dolce Vita Trust Originaltitel: „The Wedding Bargain“ erschienen bei: Harlequin Books, Toronto in der Reihe: DESIRE Published by arrangement with HARLEQUIN ENTERPRISES II B.V./S.àr.l.

© Deutsche Erstausgabe in der Reihe BACCARABand 1906 - 2016 by HarperCollins Germany GmbH, Hamburg Übersetzung: Maike Claußnitzer

Abbildungen: Harlequin Books S.A., alle Rechte vorbehalten

Veröffentlicht im ePub Format in 01/2016 – die elektronische Ausgabe stimmt mit der Printversion überein.

E-Book-Produktion: GGP Media GmbH, Pößneck

ISBN 9783733720940

Alle Rechte, einschließlich das des vollständigen oder auszugsweisen Nachdrucks in jeglicher Form, sind vorbehalten. CORA-Romane dürfen nicht verliehen oder zum gewerbsmäßigen Umtausch verwendet werden. Sämtliche Personen dieser Ausgabe sind frei erfunden. Ähnlichkeiten mit lebenden oder verstorbenen Personen sind rein zufällig.

Weitere Roman-Reihen im CORA Verlag:BIANCA, JULIA, ROMANA, HISTORICAL, TIFFANY

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1. KAPITEL

„Wir sind heute hier zusammengekommen …“

Die tragende Stimme des Geistlichen hallte durch die Kirche. Sonnenlicht fiel durch die Buntglasfenster und tauchte das Gotteshaus in leuchtende Farben. Der berauschende Duft der Gardenien in ihrem Brautstrauß – Burton hatte sie extra importieren lassen – stieg Shanal in die Nase.

Der Geruch wirkte geradezu erstickend auf sie.

„… um zwischen Burton und Shanal den Bund der Ehe zu schließen …“

Wollte sie das wirklich? Sie sah ihren Bräutigam an. Burton Rogers, so gut aussehend, so intelligent, so erfolgsverwöhnt. So reich. Er war ein guter Mann, nein, ein toller Mann, und sie mochte ihn.

Mögen.

Was für ein schales Wort.

„… die ein ehrbarer und geheiligter Stand ist, sodass man sie nicht ohne reifliche Überlegung, sondern voller Achtung eingehen sollte.“

Etwas, das sie einmal zu ihrem besten Freund Ethan Masters gesagt hatte, ging ihr durch den Kopf.

„Du hast die Chance auf die Art unsterblicher Liebe, von der viele Menschen nur träumen. Ich beneide dich, denn so möchte ich von dem Mann geliebt werden, den ich einmal heirate. Mit weniger gebe ich mich nicht zufrieden, darauf kannst du Gift nehmen.“

Große Worte, die sie gesprochen hatte, bevor für sie eine Welt zusammengebrochen war. Bevor sie sich entschlossen hatte, ihre Chance auf wahre Liebe zu opfern. Bevor sie die Gelegenheit beim Schopf gepackt hatte, ihren Eltern einen abgesicherten Ruhestand zu ermöglichen, nachdem alles den Bach heruntergegangen war.

War Burton ihre große Liebe? Nein.

Gab sie sich mit weniger zufrieden? Ja.

Alle im Weinbauforschungslabor hatten gesagt, es wäre ihr Glückstag gewesen, als sie Burton ins Auge gefallen war. Sie hatten darüber gewitzelt, dass Burton und sie sich ausgerechnet in diesem sterilen Umfeld verliebt hatten. Und oberflächlich betrachtet hatten ihre Kollegen ja auch nicht unrecht gehabt.

Als ihr Chef stand Burton in dem Ruf, von allem und jedem in seiner Umgebung Spitzenqualität zu erwarten, also musste sie wohl auch in diese Kategorie fallen. Im Kreise ihrer Kollegen hatte sie Freude darüber geheuchelt, dass er ihr einen Heiratsantrag gemacht und gleichzeitig angeboten hatte, ihre Probleme zu lösen. Sie hatte alle anderen überzeugt, bis sie fast selbst daran geglaubt hatte, dass ihre Verlobung sie zur glücklichsten Frau auf der Welt gemacht hatte.

Alle hier in der Kirche dachten, dass heute der schönste Tag ihres Lebens war. Alle bis auf die Person, die versucht hatte, es ihr auszureden.

Shanal warf einen Blick zur Seite, doch in der Menge aus zweihundert Gästen, die dicht gedrängt auf den Kirchenbänken saßen, konnte sie Ethans Cousin Raif Masters nicht entdecken. Sie wusste aber, dass er hier war. Schon als sie mit ihren Eltern das Kirchenschiff entlanggegangen war – ihr Vater, der sich selten in der Öffentlichkeit zeigte, im Rollstuhl –, hatte sie das unterschwellige Prickeln gespürt, das sie nur in Raifs Gegenwart durchlief.

„Im Ehestand sollen die beiden Anwesenden nun vereint werden.“

Shanal bekam keine Luft mehr. Ihre Hände zitterten so sehr, dass der schwere Strauß wackelte und noch eine Schwade seines süßlichen Dufts aufsteigen ließ.

„Wenn jemand unter den Anwesenden ist, der gegen diese Verbindung etwas einzuwenden hat, so möge er jetzt sprechen oder für immer schweigen.“

Stille breitete sich in der Kirche aus – eine Stille, in der sie nur das immer lautere Rauschen in ihren Ohren und ihren unregelmäßigen Herzschlag hörte.

Für immer.

Das war eine sehr lange Zeit.

Einen Sekundenbruchteil lang dachte sie an ihre Eltern. Daran, dass ihr Vater ihre Mutter immer geliebt und für sie gesorgt hatte. Daran, dass ihre Mutter für ihren Mann immer der Fels in der Brandung gewesen war, sogar jetzt noch, obwohl ihre Zukunft so ungewiss war. Würde Burton für sie je ein solcher Fels sein?

Die Worte des Geistlichen gingen ihr durch den Kopf.

„… der gegen diese Verbindung etwas einzuwenden hat …“

„Ja“, sagte Shanal verunsichert und mit zitternder Stimme.

Burton neigte den Kopf und verzog irritiert die Lippen. „Schatz? Das musst du nicht sagen, zumindest jetzt noch nicht.“

Sie ließ den Brautstrauß fallen und achtete nicht mehr auf den Duft der Blumen, die auf dem Altarteppich landeten. Dann zog sie sich mühsam den Verlobungsring mit dem dreikarätigen Diamanten im Prinzessschliff vom Finger. Prinzessschliff für seine Prinzessin, das hatte Burton gesagt, als er ihr den Ring angesteckt hatte – natürlich hatte er perfekt gepasst.

Shanal streckte ihm den Ring hin. „Ich kann das nicht, Burton. Es tut mir sehr leid“, stieß sie hervor.

Zum ersten Mal erlebte sie, dass es ihrem wortgewandten Verlobten die Sprache verschlug. Mit den tadellosen Manieren, die ein wesentlicher Bestandteil seines Charakters waren, nahm er den Ring automatisch entgegen. Als sich seine Finger um das Symbol ihrer gemeinsamen Zukunft schlossen, wandte Shanal sich von dem Geistlichen im vollen Ornat und ihrem Bräutigam im handgenähten Smoking ab und raffte ihre üppigen Röcke.

„Es tut mir leid“, flüsterte sie ihren Eltern zu, die auf der vordersten Kirchenbank saßen und deren Gesichter Entsetzen, Schock und Besorgnis verrieten.

Dann rannte sie los.

Raif Masters hatte der Zeremonie gelauscht, an der er nur teilnahm, um Ethan, der auf Hochzeitsreise war, einen Gefallen zu tun.

Shanal Peat und Ethan waren schon so lange befreundet, dass sie fast zur Familie Masters gehörte. Es war nur angemessen, dass ein Familienmitglied heute für sie da war. Raif wünschte nur, es hätte nicht gerade er sein müssen. Die Vorstellung, mit anzusehen, wie die beste Freundin seines Cousins seinen Erzfeind heiratete, war kaum angenehmer als die, den Tag damit zu verbringen, einen Nierenstein loszuwerden.

Er plante schon heimlich, das Fest bei nächster Gelegenheit zu verlassen, als er die Frage nach den Einwänden gegen diese Ehe hörte. Kurz dachte er daran, aufzustehen, weil er wirklich etwas gegen diese Hochzeit einzuwenden hatte – und das in mehr als einer Hinsicht.

Aber Shanal hatte vor ein paar Monaten überdeutlich gemacht, dass es ihm nicht zustand, sich dazu zu äußern. Sie hatte ihm nicht zuhören wollen, als er ihr zu erklären versuchte, dass Burton Rogers kein Mann war, an den sie sich binden durfte – nicht einmal für fünf Minuten und schon gar nicht für den Rest ihres Lebens. Aber sie war blind, was Rogers anging, und das war diesem sicher auch lieb so.

Als Ethan ihn gebeten hatte, ihn auf der Hochzeit zu vertreten, hatte Raif protestiert und darauf hingewiesen, dass er keine Lust hatte, mitzuerleben, wie Burton Rogers Shanal heiratete. Genau genommen hatte er überhaupt keine Lust, Rogers zu sehen – egal, was der gerade tat. Schon vor dem schwärzesten Tag in ihrer gemeinsamen Vergangenheit hatte irgendetwas an Burton Rogers in Raif immer den Wunsch geweckt, ihm einen Fausthieb ins arrogante Gesicht zu verpassen.

Ethan hatte seine Einwände beiseitegewischt und ihn daran erinnert, dass auf ihrem Familienweingut The Masters so viel zu tun war, dass er als einziger Zeit hatte, zu der Hochzeit zu fahren. Dennoch wurde Raif übel dabei, mit anzusehen, wie Shanal sich willentlich an einen Mann band, der nur eines im Sinn hatte: sein eigenes Leben ohne Rücksicht auf Verluste perfekt zu machen.

Burton Rogers dachte immer nur an seinen eigenen Vorteil. Er war der Mann, dem Raif der Einschätzung des Untersuchungsrichters zum Trotz die Schuld am Tod seiner Exfreundin Laurel Hollis gab.

Rogers war aus dem Unfall beim Canyoning mit blütenweißer Weste hervorgegangen. Raif war selbst nicht dabei gewesen, hatte aber immer geglaubt, dass mehr dahintersteckte, als öffentlich bekannt geworden war. Noch hatte er die Hoffnung nicht aufgegeben, irgendwann die Wahrheit ans Licht zu bringen. Aber erst einmal musste er hier sitzen und zusehen, wie die Frau, die er schon als verliebter Schuljunge begehrt hatte, einen Mann heiratete, der ihm unsympathisch war und dem er nicht über den Weg traute.

Raif war drei Jahre jünger als Shanal und ihr gegenüber immer verlegen gewesen, seit sie sich vor fünfzehn Jahren zum ersten Mal begegnet waren. Nachdem sie ihm einen Korb gegeben hatte, und das peinlicherweise in Anwesenheit seiner ganzen Familie, war ihr Umgang miteinander von Wortgefechten und ständigen kleinen Spitzen gegeneinander geprägt gewesen.

Doch trotz allem fühlte Raif sich noch so zu ihr hingezogen wie eh und je, und obwohl sie sich nie nahegestanden hatten, war sie ihm wirklich wichtig. Er wollte, dass sie glücklich wurde. Und vor diesem Hintergrund hatte er sie aufgesucht, als die Verlobung bekannt gegeben worden war.

Er glaubte einfach nicht, dass Burton Rogers in der Lage war, irgendeine Frau dauerhaft glücklich zu machen. Also hatte er Shanal warnen wollen. Er hätte es besser wissen sollen. Sobald sie ihr Erstaunen darüber, dass er sie besuchte, überwunden hatte, erklärte sie ihm, dass er seine Zeit verschwendete. Er hatte sie trotzdem gedrängt, es sich noch einmal zu überlegen, ob sie wirklich ihren Chef heiraten wollte. Doch Shanal hatte ihm – unverblümt wie immer – nur gesagt, dass er verschwinden sollte.

Und das hatte er getan.

Jetzt war die ganze Hochzeitsgesellschaft vor Fassungslosigkeit wie gelähmt, Raif ebenso wie die Leute, die neben ihm in der Kirchenbank saßen.

Waren seine Worte der Auslöser dafür gewesen, dass Shanal nun in einem Wirbel aus Tüll und Pailletten an ihm vorbei durchs Kirchenschiff aufs Hauptportal zustürmte?

Ihr verzweifelter Gesichtsausdruck, auf den er einen Blick erhascht hatte, rüttelte ihn wach. Meinungsverschiedenheiten hin oder her, sie brauchte Hilfe, und da der Grund dafür war, dass sie seinen Rat beherzigt hatte, schuldete er es ihr, sich um sie zu kümmern.

Er sprang auf und folgte ihr aus der Kirche, dann rannte er die Stufen hinunter, um der Erscheinung in Weiß auf den Fersen zu bleiben, die gerade über die Straße lief, ohne nach rechts oder links zu sehen, und im Park dahinter verschwand.

Dort fand er sie. Als er sie einholte, war sie stehen geblieben. Sie keuchte, und ihre leicht gebräunte Haut wirkte auf einmal bleich und farblos. Raif führte sie zu einer Bank und drückte ihren Kopf nach unten zwischen ihre Knie, bevor sie auf dem Kiesweg zusammenbrechen konnte.

„Atme“, wies er sie an, zog sich die Anzugjacke aus und legte sie ihr um die nackten, zitternden Schultern. Sie war so zierlich, dass sie fast in seiner Jacke verschwand. In Adelaide war es im Juli nicht warm, und in ihrem trägerlosen Kleid würde sie sich binnen kürzester Zeit verkühlen. „Atme langsam und tief. Komm“, ermunterte er sie. „Das schaffst du schon.“

„Ich … musste … weg“, keuchte sie.

Es schockierte ihn, wie verängstigt sie war. Shanal war sonst immer die Ruhe selbst. Nichts ließ sie die Nerven verlieren – vielleicht mit Ausnahme des Rautenpythons, den er ihr als Fünfzehnjähriger in die Tasche gesteckt hatte.

Er massierte ihr die Schultern durch den dünnen Wollstoff des Jacketts hindurch. „Sag nichts, atme einfach, Shanal. Es wird alles gut.“

„Nein“, stieß sie in Panik hervor.

„Ihr findet schon eine Lösung“, sagte er so tröstend, wie er es unter diesen Umständen hinbekam.

Doch noch während er sprach, erinnerte er sich an Burtons Gesichtsausdruck, als er am Altar stehen gelassen worden war. Eine Miene, die Shanal Gott sei Dank nicht gesehen hatte, denn sonst wäre sie vielleicht nie wieder stehen geblieben.

Raif wusste schon lange, dass Burton habgierig war. Er wollte ständig der Beste sein und das Beste haben, koste es, was es wolle. Aber zusätzlich steckte in ihm ein harter Kern, den man ihm ganz kurz angesehen hatte, als seine geplante Neuerwerbung vor ihm geflüchtet war.

Raif hatte in den letzten drei Jahren zwar nicht viel mit ihm zu tun gehabt, aber er wusste, dass Burton Rogers sich nicht einfach damit abfand, wenn man seine Pläne durchkreuzte.

Shanal setzte sich mühsam auf und zog sich Schleier und Blumen aus dem rabenschwarzen Haar, ohne auf die Haarnadeln zu achten, die ihr sicher die Kopfhaut aufschürften. Sie warf die zerstörten Blüten und den zarten Stoff auf den Parkweg. Dann wandte sie sich Raif zu und umfasste seine Hände. Er war entsetzt, wie kalt sie sich anfühlten. Als ob sie bis ins Mark zu Eis erstarrt wäre.

„Bring mich weg“, bat sie. „Bring mich weit weg. Sofort.“

Das war das Letzte, womit er gerechnet hatte.

„Bist du dir sicher?“, fragte er.

„Bring mich bitte einfach von hier weg“, flehte sie. Ihre betörenden hellgrünen Augen glänzten vor Tränen.

Und diese Tränen wurden ihm zum Verhängnis. Er dachte an seinen Maserati, den er ungefähr zwei Blocks entfernt geparkt hatte.

Bisher war nur eine Handvoll Leute aus der Kirche gekommen, aber es würden sicher bald weitere folgen. Wir werden es niemals bis zum Auto schaffen, bevor jemand uns einholt, dachte er. Wenn die Menge erst zu ihnen aufschloss, würde Shanal die Fragen einer ganzen Schar besorgter Familienmitglieder und Freunde über sich ergehen lassen müssen, die wissen wollten, warum sie ihrer eigenen Hochzeit den Rücken gekehrt hatte. Sie sah nicht so aus, als ob sie in der Lage war, jetzt ein Gespräch zu führen.

Während er sich rasch alle Möglichkeiten durch den Kopf gehen ließ, bog ein Taxi um die Ecke. Er umfasste Shanals schmale Hand und zog sie auf die Beine.

„Komm“, sagte er und rannte mit Shanal im Schlepptau zum Bürgersteig.

Er hob die Hand, um den Taxifahrer heranzuwinken. Zu seiner großen Erleichterung hielt der Mann an, wenn er auch vor Überraschung große Augen machte und den Mund aufsperrte, als Raif die hintere Autotür aufriss und Shanal ins Taxi schob. Er rief dem verblüfften Fahrer seine Adresse zu, während er die Tür hinter ihnen zuzog.

Shanal saß neben ihm. Sie war noch immer blass, schien aber endlich die Beherrschung zurückzugewinnen, als das Taxi losfuhr. Raif warf einen Blick durchs Rückfenster. Die Menschenmenge auf dem Bürgersteig vor der Kirche war größer geworden. In der Mitte stand Burton und starrte dem davonfahrenden Taxi nach. Sogar aus dieser Entfernung lief Raif bei seinem Anblick ein Schauer über den Rücken. Der Bräutigam wirkte verständlicherweise nicht erfreut.

Raif sah wieder nach vorn. Ob Burton sich freute, hatte für ihn noch nie eine Rolle gespielt. Solange er seinen Zorn nicht in irgendeiner Form an Shanal ausließ, war Raif, wie er sich eingestehen musste, sogar mehr als erfreut darüber, dass seinem Erzfeind der Tag verdorben worden war.

Im Taxi hatten sie nicht genug Privatsphäre, und so schwieg er, bis sie fast eine Dreiviertelstunde später sein Haus erreichten. Sein Handy, das er für die Hochzeit stummgeschaltet hatte, vibrierte in seiner Hosentasche. Er wusste genau, wer ihn anrief. Doch er hatte nicht die Absicht, ans Telefon zu gehen.

„Was tun wir hier?“, fragte Shanal, als das Taxi abfuhr und sie allein vor Raifs einstöckigem Haus am Rand des traditionsreichen Weinbergs der Familie standen. „Das ist doch der erste Ort, an dem er suchen wird, oder? Er muss gesehen haben, wie wir zusammen ins Taxi gestiegen sind.“

Raif zog die Augenbrauen hoch. „Mir war nicht klar, dass wir uns vor ihm verstecken sollten. Willst du wirklich nicht, dass er weiß, wo du bist? Du bist dir absolut sicher, dass du nicht mit ihm nach einer Lösung suchen möchtest?“

In Reaktion darauf erschauerte Shanal. „Nein, das kann ich nicht. Ich … Ich kann es einfach nicht.“

Raif langte an ihr vorbei, um die Haustür aufzuschließen, und bedeutete Shanal dann, voranzugehen. Ihm wurde bewusst, wie absurd die Situation war: Er hatte sich immer ausgemalt, eines Tages eine Braut in sein Haus zu führen – aber doch nicht so!

Wenn Shanal allerdings wirklich vor Burton fliehen wollte, sollte er ihr wenigstens die Möglichkeit bieten, sich frisch zu machen, bevor sie aufbrach … Wohin auch immer sie nun wollte.

„Möchtest du etwas trinken?“

„Einen Schluck Wasser, bitte.“

Sie folgte ihm in den offenen Wohnbereich. Ihre Absätze klapperten auf dem gefliesten Boden, und ihr mehrlagiger Rock raschelte. In der Küche goss Raif ihr ein Glas Mineralwasser aus dem Kühlschrank ein und reichte es ihr. Sie trank einen großen Schluck.

„Danke“, sagte sie dann und stellte das Glas auf der Granitarbeitsfläche ab. „Das hatte ich bitter nötig. Wohin fährst du mich jetzt? Wir können nicht hierbleiben.“

Wie kam sie darauf, dass er sie irgendwo hinfahren würde? Sie hatte ihn gebeten, sie von der Hochzeit wegzubringen. Das hatte er getan. Aber darauf beschränkte sich seine Beteiligung doch wohl.

Nicht dass er nicht willens gewesen wäre, ihr zu helfen. Aber sie hatte ihn immer von oben herab behandelt und auf Abstand gehalten. Warum verließ sie sich jetzt auf ihn? Das sah ihr gar nicht ähnlich.

Shanal sah ihm offenbar seine Gedanken an. „Entschuldige, das war anmaßend von mir. Was ich damit meine, ist, ob du mir vielleicht helfen kannst, eine Zeit lang von hier wegzukommen. Ich weiß einfach nicht weiter.“ Sie streckte die Arme in einer hilflosen Geste aus.

Und sie hatte recht. Sie war in einer unangenehmen Lage, und dazu noch in ihrem Brautkleid. Sie hatte noch nicht einmal ihre Handtasche dabei.

Raif musterte sie aufmerksam. Ihre Augen wirkten wie die eines verängstigten Tiers. Obwohl das eigentlich nicht sein Problem sein sollte, zermarterte er sich das Hirn, was er tun konnte, um ihr zu helfen. Wohin sie fahren könnte, um Abstand von diesem Schlamassel zu gewinnen. Ethan hat sich wirklich einen tollen Zeitpunkt ausgesucht, um Isobel zu heiraten und eine Kreuzfahrt in die Karibik zu unternehmen, dachte Raif ungnädig. Er lächelte schief, als ihm doch noch eine Idee kam.

„Wie wär’s mit einer Kreuzfahrt?“

„Eine Kreuzfahrt?“ Shanal wirkte überrascht.

„Ja. Auf einem Flussboot. Ich habe einen Freund, der eines aus seiner Flotte gerade generalüberholt hat. Er hat gejammert, dass er keine Zeit hätte, den Motor einzufahren. Eine schöne Tour den Murray hinauf klingt genau nach dem, was du brauchst, und du tust Mac einen Gefallen, indem du den Motor ein paar Stunden laufen lässt.“

„Wann können wir losfahren?“

„Meinst du das ernst? Du willst das wirklich?“

Sie nickte.

„Lass mich kurz bei ihm anrufen.“

Er ging aus dem Wohnbereich ins Arbeitszimmer auf der anderen Seite des Flurs hinüber und warf einen Blick auf sein Handy. Mehrere Nachrichten, die meisten von derselben Nummer – Burton Rogers. Er löschte sie, ohne sie anzuhören. Sollte der Kerl doch eine Weile im eigenen Saft schmoren! Als er die Nummer von Shanals Eltern erkannte, runzelte er die Stirn. Er würde ihnen mitteilen müssen, dass es ihr gut ging, aber erst einmal musste er Kontakt zu seinem Freund aufnehmen.

Wo hatte er doch gleich Macs Nummer gelassen? Aha! Raif erspähte die Visitenkarte, die sein Freund ihm in die Hand gedrückt hatte, als sie sich das letzte Mal in Adelaide auf einen Drink getroffen hatten, und gab die Nummer ins Handy ein. Ein paar Minuten später war alles abgemacht.

Als er zurück ins Zimmer kam, stand Shanal vor der großen zweiflügligen Glastür, die auf den Weinberg hinausging. Sie hatte sein Jackett abgestreift und sich die letzten Nadeln aus dem Haar gezogen, sodass es ihr wie ein langer Fluss aus schwarzer Seide über den Rücken fiel.

Es juckte Raif in den Fingern, die Hand auszustrecken und ihr Haar zu berühren, aber er wusste, dass er dem Drang nicht nachgeben durfte. Die Lektion hatte Shanal ihm schon vor langer Zeit erteilt. Er war seitdem gut durchs Leben gekommen, ohne sich noch einmal solch eine Abfuhr einzuhandeln wie vor zwölf Jahren, und er hatte nicht vor, etwas zu riskieren.

„Geht es dir gut?“, fragte er.

Sie seufzte. „Nein. Ich glaube nicht, dass es mir je wieder gut gehen wird.“

„Hey, natürlich wird es dir wieder gut gehen! Ich habe mit Mac gesprochen, und er stellt dir das Boot gern zur Verfügung. Die Schulferien sind ja jetzt vorbei, sodass er ohnehin nicht viel zu tun hat, und du kannst dir alle Zeit der Welt lassen. Es wird dir guttun – ein perfekter Kurzurlaub. Du kannst in Ruhe nachdenken, und wenn du zurückkommst, kannst du dich mit kühlem Kopf dem stellen, was dann ansteht.“

Sie verzog die Lippen zur Andeutung eines Lächelns. „Ich glaube zwar nicht, dass ein kühler Kopf mir sehr dabei hilft, meine Probleme zu lösen, aber vielen Dank für alles. Wann können wir losfahren?“

Raif dachte nach. Die Autofahrt nach Mannum, wo Macs Hausboot lag, dauerte gut eine Stunde. „Ich muss mich erst umziehen. Soll ich nachsehen, ob Cathleen Kleidung hiergelassen hat?“

Seine kleine Schwester hatte bei ihm eingehütet, als er vor Kurzem geschäftlich nach Frankreich gereist war. Das Haus brauchte eigentlich nicht viel Betreuung, aber obwohl Cathleen es meist genoss, mit dem Rest der Familie auf The Masters zu leben, war sie von Zeit zu Zeit gern eine Weile für sich.

Er hatte Verständnis dafür. Schließlich hatte er für sich selbst ja auch ein eigenes Haus gebaut, hier am Rande des Weinbergs, statt ein paar Zimmer im Familienanwesen zu bewohnen. Manchmal musste ein Mensch einfach allein sein.

„Ja, bitte“, sagte Shanal und zupfte an ihrem Kleid. „Ich möchte das hier wirklich loswerden. So errege ich ein bisschen zu viel Aufmerksamkeit, findest du nicht auch?“

Es war gut, dass sie immer noch über einen Hauch von dem boshaften Humor verfügte, dessen Zielscheibe er früher oft geworden war.

„Ein bisschen“, pflichtete er ihr bei und lächelte. „Lass uns nachsehen, was wir finden können.“

Er führte sie den Flur entlang in den Gästetrakt des Hauses zu dem Zimmer, das Cathleen bewohnt hatte. Dort schob er eine Schranktür auf. Zum ersten Mal im Leben war er seiner Schwester dafür dankbar, dass sie ihre Sachen immer überall liegen ließ. Eine saubere Jeans und einige Oberteile ruhten ordentlich gefaltet auf einem Bord. Eine leichte Jacke hing auf dem Bügel, und auf dem Boden stand sogar ein Paar Turnschuhe.

„Ihr beiden habt doch die gleiche Größe, oder?“, fragte er und zeigte auf die Kleidung im Schrank.

„Ungefähr.“ Shanal nickte, griff nach der Jeans und einem langärmligen T-Shirt und legte beides aufs Bett. „Aber ob die Sachen nun perfekt passen oder nicht, ist mir egal, solange ich nur dieses Kleid nicht mehr tragen muss. Kannst du mir helfen, es auszuziehen? Die Knöpfe sind so winzig. Ich schaffe das nicht allein.“

Raif schluckte gegen die Trockenheit an, die sich plötzlich in seiner Kehle breitmachte. Sie ausziehen? Zum Teufel, von dem Moment hatte er immer wieder geträumt, seit er fünfzehn gewesen war!

Er schob seinen abschweifenden Gedanken energisch einen Riegel vor und sagte sich mit Nachdruck, dass jetzt nicht der richtige Zeitpunkt war, sich Fantasien hinzugeben. Shanal brauchte einen Freund, und der würde er ihr sein. Nicht mehr als das. Etwas anderes wollte sie nicht von ihm, und er würde nicht das Risiko eingehen, noch einmal von ihr zurückgewiesen zu werden.

Shanal wandte ihm den Rücken zu und hob ihr Haar beiseite. Der Duft ihres Parfüms, eine berauschende Mischung aus Gewürzen und Blumen, führte ihn in Versuchung, den Kopf zu senken und tiefer einzuatmen. Er kämpfte gegen den Impuls an und holte durch den Mund Luft. Es stand ihm nicht zu, sie zu berühren, zu schmecken oder überhaupt etwas zu tun, rief er sich ins Gedächtnis.

Sie war gerade ihrem Verlobten davongelaufen, und obwohl jede Zelle seines Körpers darüber freudige Erregung empfand, war er kein Mann, der eine solche Situation ausgenutzt hätte. Nicht aus Respekt vor Burton, der hatte nur seine Verachtung verdient, sondern um Shanals willen. Ganz gleich, was sie dazu getrieben hatte, ihre Hochzeit mitten in der Zeremonie zu verlassen, sie war sichtlich verstört und unglücklich.

Es interessierte ihn zwar brennend, was ihren Sinneswandel in letzter Minute bewirkt hatte, aber ungewollte Aufmerksamkeit von einem Mann war das Letzte, was sie jetzt brauchte.

Raif holte tief Luft und machte sich ans Werk. Shanals Haut war über ihrem trägerlosen Kleid sanft gebräunt, ein Erbe ihrer indischen Mutter.

„Es wundert mich, dass du keinen Sari getragen hast“, bemerkte Raif. Er wollte sie davon ablenken, dass er sich ungewohnt unbeholfen anstellte, weil sie ihm so nahe war und weil mit jedem kleinen Knopf, den er öffnete, mehr von ihrer schönen Haut sichtbar wurde.

Seine Finger glitten von einem Knopf ab und streiften ihre Haut. Shanal bekam eine Gänsehaut, und er hörte sie aufkeuchen.

„Tut mir leid“, sagte er und zwang sich, vorsichtiger zu sein.

„Schon gut“, sagte sie mit etwas rauer Stimme. „Und was den Sari angeht … Burton hat gesagt, ihm wäre es lieber, wenn ich mich traditionell kleiden würde.“

Raif runzelte die Stirn. „Traditionell? Aus wessen Sicht?“