Bergisch Kunst - Eduard Blum - E-Book

Bergisch Kunst E-Book

Eduard Blum

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Beschreibung

Unglaublich, in dem sonst so friedlichen Bergischen wird auf der Aussichtsplattform der weltweit bekannten »Krombacher Insel« ein Kunsthändler brutal ermordet. Sozusagen im Fokus der Öffentlichkeit. In Mafiamanier scheidet der Geschäftsführer eines angesehenen Auktionshauses in einem Nobelpuff unfreiwillig aus dem Leben. Doch damit nicht genug, der Amerikaner, der aus den USA angereist ist, um die beiden Ermordeten zu treffen, verschwindet spurlos im Bergischen Nebel. Die Geschehnisse bringen Kareen Wagenknecht, Chefin der Kripo Gummersbach, so richtig auf die Palme. Sie ist dem Himmel dankbar, dass sie auf den ehemaligen Leiter der Kölner Mordkommission, Carl Blumberg, trifft. Seine Inspiration bringt sie immer dann weiter, wenn gar nichts mehr geht. Nur seine Alleingänge sieht sie je nach Lage mit einem lachenden oder einem tränenden Auge. Und Max, sein Hund, kann richtig sauer werden, wenn sein Leberwurstbrot nicht pünktlich auf den Tisch kommt.

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Zum Buch

Unglaublich, in dem sonst so friedlichen Bergischen wird auf der Aussichtsplattform der weltweit bekannten »Krombacher Insel« ein Kunsthändler brutal ermordet. Sozusagen im Fokus der Öffentlichkeit. In Mafiamanier scheidet der Geschäftsführer eines angesehenen Auktionshauses in einem Nobelpuff unfreiwillig aus dem Leben. Doch damit nicht genug, der Amerikaner, der aus den USA angereist ist um die beiden Ermordeten zu treffen, verschwindet spurlos im Bergischen Nebel. Die Geschehnisse bringen Kareen Wagenknecht, Chefin der Kripo Gummersbach, so richtig auf die Palme. Sie ist dem Himmel dankbar, dass sie auf den ehemaligen Leiter der Kölner Mordkommission, Carl Blumberg, trifft. Seine Inspiration bringt sie immer dann weiter, wenn gar nichts mehr geht. Nur seine Alleingänge sieht sie je nach Lage mit einem lachenden oder einem tränenden Auge. Und Max, sein Hund, kann richtig sauer werden, wenn sein Leberwurstbrot nicht pünktlich auf den Tisch kommt.

Eduard Blum ist in Köln geboren und hat viele Jahre in der Werbung gearbeitet. Heute lebt er als Buchautor und Berater für Self-Publishing mit seiner Familie im Oberbergischen.

Der erste Fall für HauptkommissarinKareen Wagenknecht & Co.

INHALTSVERZEICHNIS

1. KAPITEL

2. KAPITEL

3. KAPITEL

4. KAPITEL

5. KAPITEL

6. KAPITEL

7. KAPITEL

8. KAPITEL

9. KAPITEL

10. KAPITEL

11. KAPITEL

12. KAPITEL

13. KAPITEL

14. KAPITEL

15. KAPITEL

16. KAPITEL

17. KAPITEL

18. KAPITEL

19. KAPITEL

20. KAPITEL

21. KAPITEL

22. KAPITEL

23. KAPITEL

24. KAPITEL

25. KAPITEL

26. KAPITEL

1. KAPITEL

»Verdammter Scheißhund.« Blumberg sah fluchend Max hinterher, der urplötzlich durch die Büsche preschte.

»Max, hierher«, brüllte er, aber wenn der was Spannendes entdeckt hatte, hörte und sah er nichts mehr. Seine Ohren nach hinten geklappt, registrierte er nur noch die aufgenommene Witterung und ansonsten konnte die Welt ihn mal.

Und passend, wie es ja nun mal sein musste, hörte Blumberg ein Motorengeräusch näherkommen. Das konnte nur Steinfeld sein, der Revierförster. Der würde stinksauer, wenn er Max im Revier erwischte. Hastig zwängte sich Blumberg durch das Gebüsch und rief immer wieder nach dem Hund. Knallrot im Gesicht und ekelhaft durchgeschwitzt erreichte er schließlich den Waldweg der zur Aussichtsplattform führte.

Just in dem Moment kam Max aus dem Gebüsch auf ihn zugestürmt. Jaulend umrundete er seinen Chef, schielte schuldbewusst nach oben und bewässerte anschließend ausgiebig eine junge Buche.

Überzeugt, der Form halber sei nun Genüge getan, stürmte er auffordernd auf Blumberg zu, stieß ihn mit seiner Schnauze ans Bein und lief einige Meter vor. Dabei drehte er sich immer wieder um und vergewisserte sich, dass sein Herr und Meister ihm nun ja auch folgte. Er musste etwas entdeckt haben, das er ihm zeigen wollte.

Nur kein verendetes Wild, hoffte Blumberg, den Appetit auf den nächsten Rehbraten wollte er sich nicht vermiesen lassen. Er nahm den Hund an die Leine und ließ sich von ihm nach vorne ziehen. Erleichtert atmete er auf, die Gardinenpredigt von Steinfeld war nicht angesagt.

Mit einem tiefen Knurren zog Max ihn auf die neu angelegte Krombacher Aussichtsplattform.

Blumberg sah sofort was los war.

Auf einer der drei Rastbänke saß in sich zusammen gesunken eine dunkel gekleidete Gestalt. Regungslos, den Kopf auf die Brust gesenkt, die Arme rechts und links oben auf die Bank gelegt, machte sie den Eindruck einer schlafenden Person. Friedlich, unspektakulär, wenn da nicht der große dunkle Fleck auf der Erde gewesen wäre. Er ging einige Meter näher und konnte das Gesicht eines Mannes erkennen.

Das Gesicht eines älteren Intellektuellen. Fein geschnitten, goldgerahmte Brille, weiße, kragenlange Haare, dunkler Anzug, rote Fliege. Nur das kreisrunde Loch in seiner Stirn passte nicht ganz zu dem feinen Eindruck.

»Max, das darf doch nicht wahr sein, so eine Sauerei«, sagte Blumberg entsetzt. Er starrte auf den Toten und registrierte, dass man ihn gefoltert hatte. Beide Hände, an die oberste Leiste der Holzbank mit Klebeband gebunden, waren blutüberströmt. Mehrere Fingerkuppen waren regelrecht zerfetzt.

Blumberg spürte, dass sich seine Haut perlte wie bei einem gerupften Huhn. Und die schwarzen, runden Löcher in der Brust des Toten, machten es auch nicht besser. Brandlöcher von Zigaretten. Das durfte doch alles nicht wahr sein.

Sekunden später wurde er abgelenkt durch einen Landrover, der auf den Rastplatz fuhr. Steinfeld kam gerade richtig. Blumberg hob den Arm und gab ihm ein Zeichen, dass er stoppen sollte. Die Spuren am Tatort durften nicht zerstört werden.

Steinfeld verstand sofort, hielt sein Auto an, stieg aus und kam mit fragender Miene auf ihn zu.

»Morgen, Carl, was ist denn hier los?«, grüßte er und blickte irritiert auf den Toten.

»Grüß dich Lutz, hier ist eine ganz große Sauerei passiert, der Mann dort wurde erschossen.«

Steinfeld war geschockt.

»Das gibt es doch nicht, das sieht ja wie brutaler Mord aus, und das hier in meinem Revier, das stinkt doch gewaltig. Hast du schon die Polizei verständigt?«

»Noch nicht, das wollte ich gerade machen.«

»Gut, dann mache ich das jetzt.«

Steinfeld ging zu seinem Auto um zu telefonieren. Anschließend rief er Blumberg zu sich und sagte ihm, dass sie sich in den Wagen setzen sollten.

»Wir möchten nun ja nichts anfassen und dafür sorgen, dass keiner den Rastplatz betritt, so die Anweisung aus dem Polizeirevier. In etwa einer halben Stunde wären sie hier. Und Carl, die kennen dich, dein ehemaliger Job bei der Kölner Kripo scheint dort bestens bekannt zu sein.«

»Schon möglich.«

Blumberg dachte an einige Ermittlungen, in deren Verlauf er mit den Kollegen aus Gummersbach zu tun hatte.

»Das hier war kein gewöhnlicher Mord Lutz, sie haben ihn gefoltert, widerlich gefoltert, das müssen besonders brutale Typen gewesen sein.«

Steinfeld zeigte auf den Platz.

»Die müssen sich hier auskennen, die Aussichtsplattform ist neu. Um vom Wanderparkplatz Nespen hier hin zu kommen muss man den Weg kennen. Der ist noch nicht ausgeschildert und die Zufahrt mit dem Auto ist nicht öffentlich.« Fragend sah er Blumberg an.

»Wann hast du den Toten gefunden?«

»Ich war höchstens fünf Minuten vor dir hier. Ich wollte mir den Platz mal ansehen. Der Bericht im Wochenanzeiger über den Aussichtspunkt hat mich neugierig gemacht. Bis dato konnte man die Krombacher Insel ja nur sonntags im Fernsehen vor dem Tatort sehen. Der Zugang zur Talsperre war ja gesperrt.«

»Hier ist wirklich eine wunderschöne Ecke entstanden«, schwärmte Steinfeld. »Jetzt besonders interessant, da man die Insel seit kurzem im Fernsehen ja nicht mehr zu sehen bekommt. Und nun dieser Mord hier, der wirft doch ein ganz schlechtes Licht auf das Ganze.«

Kareen Wagenknecht ging nachdenklich auf die am Landrover wartenden Männer zu. Sie war sich nicht schlüssig, wie sie mit Carl Blumberg umzugehen hatte. Sollte sie ihn behandeln wie jeden anderen Zeugen, oder musste sie ihm als ehemaligen Kölner Kripochef gewisse Freiräume zugestehen? Sie hatte einiges von ihm gehört, sein Ruf war geradezu legendär. Sie beschloss, die Chemie entscheiden zu lassen.

Freundlich lächelnd erreichte sie die beiden Männer und begrüßte den Forstbeamten zuerst.

»Herr Steinfeld, es ist lange her, dass wir uns das letzte Mal gesehen haben. Ich glaube, es war im Frühjahr bei der Aktion Sichere Umwelt. Wir haben damals Vorträge in den Schulen gehalten, das war eine wirklich gute Sache.

Tja«, mit gerunzelter Stirn blickte sie auf das rege Treiben der Spurensicherung.

»Und nun das hier.«

Dann wandte sie sich an Blumberg und stellte sich mit einem festen Händedruck vor:

»Kareen Wagenknecht, Hauptkommissarin in Gummersbach.«

Sie blickte in seine dunklen Augen, sie strahlten Ruhe und Wärme aus. Anfang sechzig, schätzte sie. Halbglatze, leicht gerötete Wangen, glatt rasiert, solide, zuverlässig. Er war ihr sofort sympathisch.

»Na, endlich mal eine Frau an der Spitze der Bergischen Kripo, und dazu noch eine so junge.«

Blumberg strahlte über das ganze Gesicht. Ungeniert musterte er die Hauptkommissarin, er schätzte sie auf etwa Anfang vierzig. Offenes einnehmendes Gesicht, schulterlange braune Haare, kräftige sportliche Figur, Jeans und Sportschuhe an.

»In meiner aktiven Zeit hatte ich ja schon mal öfters mit den Kollegen hier im Bergischen zu tun. Das waren alles prima Leute. Allerdings schon etwas älter und manchmal, wie soll ich sagen, sehr bedächtig«, sagte er schmunzelnd.

Er blickte in Wagenknechts klare, blaue Augen.

»Dagegen halten Sie ihre Leute ja ganz schön auf Trapp, wie ich das hier so sehe.«

Sie freute sich über seine Bemerkung, ging aber nicht weiter darauf ein. Sie zeigte auf die Gruppe, die sich um den Tatort kümmerte.

»Die Pathologin schätzt, dass der Tod vor etwa fünf Stunden eingetreten ist, also so um fünf Uhr heute Morgen. Es war kein Raubmord. Die Brieftasche des Toten mit dreihundert Euro war noch in seiner Jackentasche und seine Rolex hatte er auch noch an.«

Blumberg nickte beipflichtend.

»Dafür spricht auch, dass er gefoltert wurde, man wollte etwas aus ihm heraus pressen.«

»Und wie es aussieht, hat er ganz schön lange durchgehalten.« Wagenknecht zog fröstelnd die Schulter hoch.

»Diese Wunden, man muss sich das mal vorstellen. Ihm wurden an der linken Hand zwei, und an der rechten Hand drei Fingernägel abgerissen, der muss ja verrückt geworden sein vor Schmerzen. Und dann noch die ausgedrückten Zigaretten auf seiner Brust, das ist einfach nur irre. Die Obduktion wird sicherlich noch Näheres ergeben.

Wir wissen aber, wer der Tote ist.«

Blumberg war nun echt gespannt.

»Roman Mansfeld. Laut seiner Visitenkarte Kunsthändler aus Köln.«

»Das ist Mansfeld?«

Überrascht sah Blumberg sie an.

»Kennen Sie ihn?«

»Ich kann mich erinnern, dass ein Mansfeld vor Jahren in eine miese Kunstgeschichte verwickelt war. Es ging um eine heiße lokale Kölner Sache. Mansfeld hatte einem Ratsmitglied der Stadt einen Van der Meeren verkauft, ein Ölgemälde, das im Art Loss Register verzeichnet war.

Eine Carola Rosenstern hat durch die Presse von dem Verkauf erfahren, das Bild erkannt, und konnte belegen, dass es aus der Sammlung ihres jüdischen Großvaters stammte. Nach langem hin und her wurde ihr das Bild schließlich zurückgegeben. Natürlich wollte das Ratsmitglied von Mansfeld sein Geld zurück. Das waren so einige tausend Euro. Es muss dann noch viel Stunk zwischen den beiden gegeben haben.«

»Ich habe zwar nicht viel Ahnung von Kunst«, meinte Steinfeld, »aber wenn ich in der Presse lese, mit welchen Millionenbeträgen da rum geschmissen wird, könnte ich mir vorstellen, dass so ein fieser Mord wie der hier, gut in dieses Milieu passen würde. Übrigens«, er blickte fragend zu Blumberg hin.

»Art Loss Register, Carl, ist das etwas, das ein Bergischer Revierförster kennen muss?«

»Nein, musst du nicht. Das ist ein öffentliches Verzeichnis über Kunstwerke, die verschollen sind oder als vermisst eingetragen wurden.« Blumberg grinste heiter.

»Lutz, wenn man dir deinen Van Gogh klaut, stellst du das Bild in dieses Register. Geht heute schon im Internet. Nun kann jeder Auktionator, Kunsthändler oder Sammler, dem das Bild angeboten wird, in diesem Register nachsehen, ob es gesucht wird. In deinem Fall würde er also erfahren, dass dir der Van Gogh gestohlen wurde.«

»Und was geschieht dann?«

»Es gibt zwei Möglichkeiten. Ist derjenige, der im Art Loss Register das Bild findet eine ehrliche Haut wird er sich mit dir oder einer Behörde in Verbindung setzen. Ihr könntet dann an den Verkäufer herantreten um näheres zu erfahren, beziehungsweise das Bild zurück fordern. Die zweite Möglichkeit besteht darin, das derjenige, der das Bild im Register sieht, die Sache tot schweigt und versuchen wird, seinen Reibach zu machen.«

»Und es ist in der Tat leider so«, mischte sich die Hauptkommissarin ein, »dass sogar bekannte Kunsthäuser sich auf solch einen unseriösen Handel eingelassen haben. Unter Ausschluss der Öffentlichkeit versteht sich. Da hat kein Mensch was von mitbekommen.«

Bevor sie weiter darauf eingehen konnte sah sie, dass ihre Leute die Utensilien einpackten. Jetzt musste sie klären, ob Mansfeld Angehörige hatte. Danach stand die Durchsuchung seiner Wohn- und Geschäftsräume an.

»Meine Herren«, sie zeigte auf den grauen Van.

»Den Toten werde ich in die Pathologie nach Köln schicken. Vielleicht wissen ja dort die Kollegen aktuell was über Mansfeld.«

Sie wandte sich an Blumberg, seine Meinung wollte sie noch hören.

»Wie schätzen Sie den Fall ein?«

»Nun, es ist schon nahe liegend, das hier krimineller Kunsthandel im Spiel ist. Steinfeld hat schon Recht, wenn es um viel Geld geht, gelten hier dieselben Spielregeln wie in allen anderen dreckigen Geschäften. Kommt es zu Streitigkeiten, oder die Brüder wollen sich gegenseitig bescheißen, sind kaltblütiger Mord und Foltermethoden eine gängige Spielart. Mansfeld muss jedenfalls in einer größeren Sache drinhängen, dieser Aufwand hier sieht sehr nach organisiertem Verbrechen aus.

Was mir aber so richtig stinkt«, nachdenklich sah Blumberg auf den Tatort. »Das ist, dass diese Killer sich jetzt auch hier bei uns herumtreiben. Seht euch diesen wunderschönen neuen Platz an, idyllisch gelegen, mit bequemen Ruhebänken, mit Blick auf die berühmte Krombacher Insel, alles in herrlicher Natur. Und nun wird das Ganze durch so eine Sache entweiht.« Frustriert schüttelte er den Kopf.

»Hier wagt sich doch keiner mehr hin.«

»Wir werden versuchen, den Fall bedeckt zu halten, aber«, Wagenknecht sah ihn zweifelnd an, »die Öffentlichkeit wird davon Wind bekommen, das wird sich nicht vermeiden lassen. Und Sie wissen ja, wie dass hier ist, das geht rund, durch sämtliche Orte, bis hin zum letzten Siefen.«

Wagenknecht bat noch Blumberg und Steinfeld sie zu informieren, wenn sie etwas erfahren würden, was mit dem Fall zu tun haben könnte. Dann verabschiedete sie sich und ging rasch zu ihren Leuten.

Steinfeld bot Blumberg an, ihn bis zum Parkplatz mitzunehmen. Blumberg lehnte dankend ab, er wollte nachdenken, und das konnte er am besten beim Laufen durch die Natur.

Er blickte auf die Uhr und dachte daran, dass er sowieso genug Zeit hatte. Elsa war auf einem Malseminar in Bad Reichenhall, er musste sich also selbst etwas zu Essen machen. Von daher war Pünktlichkeit nicht angesagt. Nachdenklich ging er in Richtung Parkplatz. Seine Gedanken kreisten um den Mord. Für ihn stand fest, dass das Bergische in diese Geschichte verwickelt sein musste. Niemals waren die Killer von Köln über die A4 sechzig Kilometer bis aufs Land gefahren um Mansfeld zu liquidieren. Das hätten sie in der Großstadt bequemer erledigen können.

Und wie Steinfeld richtig erkannt hatte, mussten sie sich in der Gegend auskennen. Aber beim besten Willen konnte er sich nicht vorstellen mit welchen Leuten aus dem Bergischen ein Kunsthändler wie Mansfeld krumme Dinger gedreht haben könnte. Es musste Verbindungen geben, die noch für einige Überraschungen sorgen konnten.

Wie auch immer, er würde sich jetzt erst einmal was Ordentliches kochen, er hatte einen Bärenhunger. Und wenn er das richtig sah, wurde Max auch langsam sauer, dass ihm sein Menü noch nicht serviert wurde.

2. KAPITEL

Zu Hause angekommen, entschloss sich Blumberg, etwas typisch Bergisches zu kochen. Seine Tante Frieda hatte ihm nicht nur ihr Haus, sondern auch einen Ordner mit alten Bergischen Kochrezepten vererbt. Elsa kochte hin und wieder eines dieser Gerichte, sie schmeckten immer super lecker. Er sah nach, was an Naturalien vorrätig war, blätterte in den Kochrezepten und entschied sich für Bergischen Grünkohleintopf. Das ging schnell und er konnte direkt für zwei Tage kochen.

… Rezept – Zutaten

1 Tiefkühlpackung Grünkohl, ca. 500–600g, ½ Liter Fleischbrühe, 100g geräucherten rohen Speck, ½ Pfd.

Kartoffeln, 2 Mettenden, Salz, Pfeffer, Muskat, ½ Zwiebel gewürfelt

Er setzte den Grünkohl mit der Fleischbrühe auf, gab die gewürfelten Kartoffeln hinzu und würzte das Ganze mit Salz, Pfeffer und ein wenig Muskatnuss. Den Speck schnitt er anschließend in kleine Stücke, ließ ihn aus und schmorte ihn danach mit den Zwiebelwürfeln leicht an. Dann gab er Speck und Zwiebel zum Grünkohl hinzu. Die Mettenden schnitt er mehrmals ein und ließ sie kurz vor Ende der Garzeit im Grünkohl ziehen. Damit nichts ansetzte, rührte er öfters um und schmeckte mit Salz und Pfeffer nochmals ab, fertig war das Ganze.

Pingelig bemüht, original zu kochen wie Tante Frieda, hatte er doch eine dreiviertel Stunde gebraucht und deckte nun in Vorfreude auf das Essen den Tisch.

Max war natürlich wie immer nicht aus der Küche zu schlagen. Dieser Hund war ein richtiger Fresssack und wenn sein Herr und Meister kochte, wusste er, dass auch für ihn mal wieder etwas Besonderes abfiel.

Blumberg nahm sich ein gut gekühltes Veltins aus dem Kühlschrank, füllte den Teller mit Grünkohl, legte daneben die Mettwurst und gab als Abrundung noch etwas scharfen Senf aus der Kölner Senfmühle dazu.

Dann ließ er es sich so richtig gut schmecken.

Schmunzelnd ignorierte er Max, der auf seinen beiden Hinterläufen hoch aufgerichtet jeden seiner Bissen mit bettelnden Hundeaugen verfolgte.

Es schmeckte vorzüglich, und ihm wurde mal wieder bewusst, wie gut es ihm doch wieder ging. Monatelang hatte ihm während seiner Krankheit überhaupt nichts mehr geschmeckt. Letztendlich hatte er immer weniger gegessen, sein Gewicht war um fünfundzwanzig Kilo gesunken, die Muskulatur wurde so schlapp, dass er fast Anwärter für einen Rollator geworden wäre. Nach der lebensrettenden Operation hatte er dann aber wieder die Kurve gekriegt.

Ja, Tante Frieda, dachte er, eigentlich bist du zur richtigen Zeit gestorben. Just in dem Moment, wo nach dem ganzen Schlamassel Elsa und ich beschlossen haben, nur noch bewusst und ohne Hektik den Rest unseres Lebens zu genießen, hast du für immer friedlich die Augen geschlossen und mir dein wunderschönes Häuschen hier im Bergischen vermacht.

Er sah Max an und lachte lauthals über seine abstrusen Gedanken.

Zum einen hätte er seiner Tante noch viele Jahre Lebensfreude gewünscht und zum anderen wegen dem geerbten Häuschen. Von wegen Häuschen, dieses Haus war schon immer sein Traumhaus gewesen.

Am Rande von Nümbrecht gelegen, Fachwerk Bauweise, anderthalbgeschossig, einhundertfünfzig Quadratmeter Wohnfläche. Doppelgarage mit Satteldach, Grundstück über zweitausend Quadratmeter groß. Lage mit fantastischem Blick über das Bergische.

Max alleine hatte einen eingezäunten Gartenbereich in einer Größe, auf die in Zeiten fast unbezahlbarer Grundstückspreise andere Leute ein Haus einschließlich Umlage bauten.

Blumberg hatte immer gerne in Köln gelebt, in dieser wunderbaren Stadt voll pulsierenden Lebens. Rheinische Kultur, der Dom, der Rhein, die Altstadt. Und eine Geschichte, die schon in der Römerzeit ihre Fundamente hatte. Während seiner Zeit bei dem ersten Mordkommissariat hatte er die Stadt in- und auswendig kennen gelernt. Die Viertel, die Urkölner, den rheinischen Humor. Wenn er auf Mörderjagd war, war es seine Stadt gewesen und man hatte ihm den entsprechenden Respekt gezollt. Doch nach der Krebsgeschichte wollte er nur noch frische, gesunde Luft einatmen, ursprüngliche Natur erleben, Tiere beobachten oder einfach nur spazieren gehen.

Für Elsa war es Anfangs ein Kulturschock gewesen, als sie ins Bergische gezogen waren. Aber dann war sie hingegangen, hatte sich in dem großen Haus eine Malwerkstatt eingerichtet und Kurse gegeben, die bald schon eine feste Institution wurden. Sie richtete eigene Ausstellungen aus und ging auf Seminarreisen. Auch sie hatte die Erfüllung ihres Lebens gefunden.

Über diese Entwicklung war er einfach nur glücklich. Jetzt auch noch dieser dicke Mordfall, das Leben war doch schön. Und Max bekam heute ein besonders großes Leberwurstbrot.

Nachdem er die Küche aufgeräumt hatte, legte er sich auf die Gartenliege und freute sich auf sein geliebtes Mittagsschläfchen. Aber er konnte nicht abschalten. Er dachte an den Toten auf der Rastbank, an den irrsinnigen Mord hier im Bergischen. Das war einfach nicht normal. Seine Gedanken wurden durch das Vibrieren des Handys unterbrochen.

Elsa meldete sich.

»Carl«, wie immer fiel sie direkt mit der Tür ins Haus.

»Stell dir vor, hier in Bad Reichenhall, im Seminar sind doch zwei Kursteilnehmerinnen die aus dem Bergischen kommen.

Die Sofie und die Hilde.

Die Sofie Seinisch, die kommt aus Heddinghausen und ist ganz nett. Mit der gehe ich abends immer in den Gasthof Zum Ochsen was essen. Der ist praktisch direkt um die Ecke der Salinen, du weißt ja, dort sind die Seminare. Wir quatschen ein bisschen, das ist nach dem anstrengenden Seminar dann immer ein schöner Tagesabschluss.

Aber die andere, die Hilde Dickes, die ist ja wohl so was von eingebildet, die erzählt nur von ihren Ausstellungserfolgen und wie viel Geld sie damit verdient. Dabei ist die nicht in der Lage, auch nur annähernd das gesetzte Tagesthema zu erreichen oder einen geraden Strich zu ziehen. Und weißt du was das Schärfste ist?«

Blumberg wusste nicht.

»Sie bringt immer ihren Mann mit, der ihr die Paletten säubert und die Leinwände bespannt. Dabei schielt dieser geile Bock doch nur nach den Aktmodels, egal ob Weiblein oder Männlein. Vielleicht brauchen die das ja, um abends mal wieder einen, na ja, du weißt schon, was ich meine.«

Blumberg hörte geduldig zu, er wusste, bei dieser Tonlage war Elsa nicht zu bremsen.

»Aber Carl, nun sag mal, wie geht es dir? Denkst du an deine Tabletten und trinkst du auch genug? Du weißt ja, was die im Krankenhaus gesagt haben.«

Blumberg, der dieses Thema nun gar nicht diskutieren wollte, bestätigte, dass er an alles denke, dass es ihm super ginge und ansonsten gäbe es auch nichts Neues. Den Mordfall hielt er wohlweislich zurück. Elsa kannte ihn gut genug, um zu wissen, dass er dabei nicht außen vor bleiben würde. Während sie noch darüber diskutierten, ob er runter nach Reichenhall kommen sollte, um bis zu ihrem Seminarende einige Tage Urlaub zu machen, sah er im Display ein eingehendes Gespräch.

»Du, Elsa, ich rufe dich gleich zurück, ich muss eben ein Gespräch annehmen«, sagte er und drückte sie weg.

»Wagenknecht hier«, meldete sich die Hauptkommissarin.

»Herr Blumberg, wir sind hier im Büro von Roman Mansfeld in Köln. Wir sind auf Adressen gestoßen, an die er anscheinend verkauft hat. Diese werden gerade überprüft, das wird einige Zeit dauern. Sie könnten mir zwischenzeitlich einen Gefallen tun.«

»Kein Problem, um was geht es?«

»Nun, wir haben ein Fax aus USA gefunden, das vor einer Woche von einem Paul Stern aus Nord Carolina an Mansfeld geschickt wurde. Das ist wirklich spannend, denn dieser Paul Stern schreibt, dass er in dem Magazin USArt über die Versteigerung des Protkov-Bildes Dorfleben gelesen hat, ein Bild, das seinem Vater gehörte. Es wurde als entartete Kunst 1942 von den Nazis beschlagnahmt und ist seitdem verschwunden. Und dieser Paul Stern schreibt weiter, er hätte dieses Bild vor Jahren in das Art Loss Register ins Internet eingestellt. Als Nachweis für die Richtigkeit seines Besitzanspruches hätte er sogar den Kaufvertrag über den Erwerb des Bildes, den er im Nachlass seines Vaters gefunden hatte ebenfalls veröffentlicht.

Und nun raten Sie mal«, Wagenknecht machte es richtig spannend, »wer das Bild Dorfleben dem Auktionshaus Merzbach und Söhne zur Versteigerung in Auftrag gegeben hat?«

»Mansfeld?«

»Genau, und das könnte ein ganz dickes Ding sein. Der Vater von Paul Stern war Jude, ebenso der Großvater der Carola Rosenstern, die Sie heute Morgen erwähnten. Das heißt, Mansfeld hat zumindest in diesen beiden Fällen Bilder verkauft, die ursprünglich in jüdischem Besitz waren. Und es steht fest, das diese Bilder seit der Beschlagnahmung durch die Nazis in der Versenkung verschwunden waren.«

»Wahnsinn.«

Blumberg wollte kein Mittagsschläfchen mehr, er fühlte sich wie ein Bluthund auf der Fährte.

»Und das Auktionshaus Merzbach und Söhne hat putzmunter mitgespielt?«

»Ja, und wo glauben Sie, wo der Vater von Paul Stern herkommt?«

»Keine Ahnung, hier aus dem Bergischen?«

»Genau. Jacob Stern war Tuchfabrikant in Engelskirchen, ein dort hoch angesehener Bürger.«

»Das ist ja der Hammer.«

Blumberg war echt überrascht.

»Sagen Sie, hat dieser Amerikaner, dieser Paul Stern, in seinem Schreiben Mansfeld bedroht?«

»Nein, er hat ihn aber aufgefordert, zu belegen, wie er zu dem Bild gekommen ist. Und das innerhalb von zwei Tagen per Fax.«

»Das heißt, wenn Mansfeld diesen Termin aus welchen Gründen auch immer, nicht eingehalten hat, sind heute fünf Tage nach Ablauf der Frist vergangen.«

»Genau, und in dieser Zeit könnte Paul Stern so manchen Stein ins Rollen gebracht haben.«

Wagenknecht klang erregt. Blumberg spürte, sie hatte Feuer gefangen. Er kannte das, es war wie bei der Liebe, Kribbeln im Bauch und hochsensibel ohne Ende.

»Herr Blumberg, ich hätte folgende Bitte an Sie: Könnten Sie herausfinden, was es damals, drei Jahre vor Kriegsende, mit der Familie Jacob Stern in Engelskirchen auf sich hatte? Es wäre super, wenn wir auch Informationen bekämen, ob es noch Familienangehörige gibt, und wenn ja, wer und wo sie sind und was aus dem damaligen Unternehmen Stern geworden ist.

Sie kommen doch von hier, ich könnte mir denken, dass es in Ihrer Familie oder in Ihrem Bekanntenkreis noch ältere Personen gibt, die das eine oder andere von früher noch wissen. Dinge, an die wir nicht so ohne weiteres heran kommen. Sie wissen ja, wie die Leute sich in ihr Schneckenhaus verkriechen, wenn die Kripo vor ihnen steht. Ehrlich gesagt habe ich auch nicht genug Leute, um so breit aufgestellte Recherchen kurzfristig durchführen zu können.«

Umso länger Blumberg zuhörte, desto aufgekratzter wurde er. Das war genau das, was er brauchte.

»Aber«, Wagenknecht hörte sich besorgt an.

»Bitte unternehmen Sie nur dann etwas, wenn Sie sich wirklich danach fühlen. Entschuldigen Sie, wenn ich das jetzt hier so sage, aber ich habe gehört, was Sie hinter sich haben. Ich möchte auf keinen Fall, dass Sie irgend etwas tun, das Ihnen gesundheitlich schaden könnte.« Blumberg war total überrascht, dass die Hauptkommissarin ihn in einer laufenden Mordsache um Hilfe bat. Das war außergewöhnlich, die meisten Kollegen verschlossen sich wie eine Auster und er fand, genau so sahen auch einige aus. Wagenknecht war anders, und sie mochten sich, das hatte er schon nach wenigen Minuten auf dem Rastplatz gespürt.

»Machen Sie sich keine Sorgen, mir geht es ausgezeichnet, ich freue mich, Ihnen helfen zu können«, stimmte er zu.

3. KAPITEL

Das alte Gemäuer sah nicht gerade einladend aus. Großes, dunkles Backsteingebäude, eiserne rostige Fensterrahmen, blinde Scheiben. Nichts gepflegt, alles vermockt. Eine Umlage, die einen Gärtner zu Methusalems Zeiten das letzte Mal gesehen haben musste.

Blumberg betrachtete das Firmenschild neben der Eingangstür.

»Otto Stern, Export-Import«

Also zumindest einen Stern gab es noch. Eine Weile beobachtete er, wie mehrere Gabelstapler große Holzkisten und Gitterboxen vom Hof durch ein Tor in das Gebäude fuhren. Geschäftig, fast lautlos, unauffällig.

Auf dem Lieferanten-Parkplatz stand ein herunter gekommener LKW mit polnischem Kennzeichen. Ohne Beschriftung, dafür aber mit geflickter Ladeplane und verrostetem Auspuff. Die Lappen im Führerhaus waren zugezogen, der Fahrer pennte wahrscheinlich noch. Nicht gerade ein Vorzeigeunternehmen, ging es Blumberg durch den Kopf. Wenn das der alte Stern sehen könnte, der würde sich im Grabe umdrehen.