Best Friends Forever: Luca & Vanessa: Plötzlich Schwestern! - Hortense Ullrich - E-Book

Best Friends Forever: Luca & Vanessa: Plötzlich Schwestern! E-Book

Hortense Ullrich

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Beschreibung

Luca ist happy mit ihrem Leben, ihrer coolen Atelier-Wohnung im alternativen Viertel und mit ihrem Künstler-Vater Paul. Und auf ein Mal soll alles anders werden? Nur weil sich Paul in eine reiche Galeristin verliebt hat? Das darf einfach nicht sein! Doch ehe Luca weiß, wie ihr geschieht, ziehen sie ins Villenviertel und sie hat auf einmal eine gleichaltrige „Schwester“ – die jedoch gar keine Lust darauf hat, ihre BFF zu werden. Denn Vanessa ist alles andere als begeistert davon, einen Underdog wie Luca in ihr Haus zu lassen …

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Buchinfo

Als Lucas Vater noch einmal heiraten will, bekommt sie eine gleichaltrige Schwester: Vanessa. Die Eltern hoffen, dass die Mädchen beste Freundinnen werden, doch die beiden könnten nicht unterschiedlicher sein: Vanessa ist ein It-Girl mit Entourage, Luca eine exzentrische Außenseiterin. Sie machen sich gegenseitig das Leben schwer und wandeln das von ihren Eltern propagierte „Beste Freundinnen“ in „Beste Feindinnen“ um. Doch werden sie, wenn es hart auf hart kommt, füreinander einstehen?

Autorenvita

© privat

Hortense Ullrich hat über 60 Bücher für Kinder- und Jugendliche geschrieben, von denen es 140 Übersetzungen in 25 Sprachen gibt; mit einer Gesamtauflage von über 3 Millionen Exemplaren. Zuvor hat sie als Journalistin und Drehbuchautorin gearbeitet. Acht Jahre verbrachte sie mit ihrem Mann und ihren beiden Töchtern in New York. Heute lebt sie mit ihrer Familie in Bremen.

Luca

»Das glaub ich ja jetzt nicht! Er malt immer noch!«, schimpfte Luca und bremste in letzter Sekunde ihr Rad vor der Staffelei ihres Vaters ab. Sie war vom Hinterhof direkt durch die offene Ateliertür mitten ins Zimmer hineingefahren. Der offizielle Eingang zur Wohnung war an der Seite des Hauses, doch den benutzte Luca nie.

Milo, der neben der Staffelei gestanden und Lucas Vater fasziniert bei der Arbeit zugesehen hatte, konnte sich gerade noch mit einem Sprung zur Seite retten. Luca hüpfte vom Rad, stellte es ab und ließ ihren Rucksack von der Schulter gleiten. Doch Lucas Vater nahm die Ankunft seiner Tochter gar nicht wahr.

Luca wandte sich an Milo und zeigte auf Paul. »Er muss gleich los!«

Milo verteidigte sich: »Ich hab’s ihm gesagt. Drei Mal!«

Genervt stellte Luca ihren Rucksack auf das alte ausgediente Sofa aus königsblauem Samt. Das Sofa stand mitten in dem riesig großen Raum, den Lucas Vater als Atelier nutzte. Überall hingen dicht an dicht Bilder, die er gemalt hatte; mindestens ebenso viele waren auf dem Boden hintereinander gegen die Wand gelehnt. Hier und da gab es Tische, auf denen Malutensilien lagen und alte Einweckgläser mit Farbverdünnern und Pinselreinigern standen. Farbpaletten, Skizzenblöcke und mit Farben verschmutzte Lappen lagen dazwischen. Die alten Holzdielen des Fußbodens waren mit Farbe verkleckst. Im Laufe der Zeit hatte sich das Atelier zum Wohnzimmer verwandelt, da Lucas Vater dort die wache Zeit seines Tages verbrachte. Auch zu den Essenszeiten verließ er sein Atelier nicht. Luca servierte das Essen in der hinteren Ecke des Raumes an einer Theke; ein Überrest aus der Zeit, als die Räumlichkeiten noch eine Gastwirtschaft beherbergten.

Luca und ihr Vater bewohnten das gesamte Erdgeschoss des Hinterhauses, das im Szeneviertel der Stadt lag, inmitten einer bunten Mischung von Leuten aus aller Herren Länder: Familien mit kleinen Kindern, Studenten, alternativen Akademikern, alteingesessenen Rentnern und ein paar zwielichtigen Gestalten.

»Kundschaft«, rief Milo Luca zu und deutete grinsend mit dem Kopf nach draußen. Eine ältere Dame hatte an einem der Tische, die im Hinterhof standen, Platz genommen. Luca stöhnte. Es kam immer mal wieder vor, dass ältere Leute, die das Lokal noch von früher kannten, sich zu ihnen verirrten. Sie ging raus, um der alten Dame zu sagen, dass hier seit über zehn Jahren kein Gartenlokal mehr war.

Als sie an den Tisch trat, bestellte die Frau: »Einen Kaffee. Und ein Stückchen Kuchen. Egal welchen.«

Luca zögerte. Die alte Frau lächelte sie an. Luca seufzte kurz, dann nickte sie. »Kein Problem, kommt sofort.«

Sie ging wieder rein.

Milo grinste ihr entgegen. »Wieder nicht geschafft, was?«

»Das nächste Mal gehst du. Ist noch Kaffee da?«

»Ich hab für Paul vorhin welchen gekocht. Müsste noch was in der Kanne sein.«

Luca ging in die Küche und rief eine Minute später nach draußen: »Wo ist der Rest vom Marmorkuchen?«

Milo erschien in der Küchentür und murmelte mit schlechtem Gewissen: »Tut mir leid.«

»Macht nichts. Ich schmier ihr ein Marmeladenbrot.«

»Oder du sagst ihr, dass das hier kein Lokal mehr ist.«

»Den Moment hab ich verpasst. Geh mal kurz raus und sieh sie dir an. Dann sag mir, ob sie eher ein Orangen- oder ein Erdbeermarmeladen-Typ ist.«

Fünf Sekunden später kam die Antwort: »Definitiv Erdbeer.«

Während Luca mit einer Tasse Kaffee und dem Marmeladenbrot wieder nach draußen ging, sagte sie zu Milo: »Und jetzt sorg endlich dafür, dass Paul sich fertig macht.«

Sie stellte der älteren Dame den Kaffee und das Marmeladenbrot hin. »Kuchen war alle.«

Die Frau sah auf das Brot und meinte: »Das ist ja originell. Ich werde euch weiterempfehlen.«

»Nein, bitte nicht.«

Erstaunt sah die Frau sie an. Luca zuckte mit den Schultern. »Wir haben nicht so gerne Gäste. Es macht ziemlich viel Umstände.«

»Aber dann solltet ihr kein Lokal betreiben.«

Luca nickte. »Haben wir uns auch überlegt. Wir werden schließen.«

»Ach. Das ist aber schade.« Die alte Dame kramte nach ihrer Geldbörse. »Was bin ich schuldig?«

»Nichts. Geht aufs Haus.«

Als Luca wieder ins Atelier kam, stand Paul immer noch an der Staffelei. Konzentriert über die Leinwand gebeugt, korrigierte er gerade kleine Details an seinem Gemälde. Sie sah Milo vorwurfsvoll an. Milo hob entschuldigend die Hände. »Er hört nicht auf mich.«

Luca stellte sich neben ihren Vater. »Paul?« Sie hatte schon früh damit aufgehört, ihren Vater Papa zu nennen – sie war der Meinung, er sei mehr ein Paul als ein Papa.

Sie legte ihre Hand auf den Arm ihres Vaters. Nun nahm er sie endlich wahr.

»Luca!«, rief er erfreut. Wie immer war er glücklich, wenn er sie sah.

»Ist das eine Auftragsarbeit?«

»Nein.«

»Ist es für die Ausstellung?«

»Nein.«

»Gut, dann leg jetzt den Pinsel weg, geh duschen und zieh dich ordentlich an.«

Paul verzog unwillig sein Gesicht, doch Luca hob abwehrend eine Hand in die Höhe. »Ich will nichts hören. Du hast einen Termin!«

Er drückte ihr den Pinsel in die Hand. »Du weißt schon, dass ich eigentlich der Erwachsene hier bin?«

Luca sah ihn mit hochgezogener Augenbraue an.

Paul meinte: »Na gut, aber könntest du nicht wenigstens manchmal so tun, als ob? Nur um mein Selbstbewusstsein etwas zu stärken?«

»Mit deinem Selbstbewusstsein ist alles okay. Es ist dein Zeitmanagement, das mir Sorgen macht.«

Paul nahm Luca liebevoll in den Arm und drückte sie. Dabei bekamen seine Haare von dem Pinsel, den sie in der Hand hatte, ein paar lila Strähnen. Er hatte es nicht bemerkt. Luca schon. Unglücklich sah sie auf den Farbklecks in seinen Haaren.

Er sagte lächelnd: »Halt durch, es wird der Tag kommen, da wirst du zufrieden mit mir sein.«

»Sprich: Eines Tages bist du pünktlich?«

»So weit würde ich nicht gehen. Aber ich werde mir eine Uhr zulegen.«

»Das hilft nur, wenn du sie dann auch benutzt und gelegentlich draufschaust.«

»Werde ich tun. Dann weiß ich immer genau, wie viele Minuten ich zu spät bin.«

Er wollte gerade gehen.

»Warte.« Sie lief zum Tisch, legte den Pinsel ab, kam mit Pinselreiniger und einem Lappen auf ihren Vater zu.

»Was ist?«, fragte er.

»Farbe.«

»Wo?« Hektisch rieb er sich im Gesicht herum.

»Haare.«

Er hielt ihr den Kopf hin. Während sie sich bemühte, die Farbe aus seinem Haar zu entfernen, fiel ihm etwas ein: »Hast du Blumen besorgt?«

»Ja.« Luca ging zu ihrem Rucksack und holte vorsichtig einen Blumentopf mit einer Gardenie heraus.

»Eine Topfpflanze?«, jaulte er. »Ich wollte einen Blumenstrauß.«

»Du weißt, dass ich grundsätzlich gegen Schnittblumen bin. Was ist denn das für ein Konzept? Fröhlich vor sich hin wachsende Blumen brutal abzuschneiden, sie jemandem zu geben, der ihnen dann beim Sterben zusehen muss.«

»Sie sterben nicht, sie verwelken.«

»Kommt aufs Gleiche raus. Es ist wesentlich sinnvoller, eine Topfpflanze zu verschenken, die lebt und weiterblüht.«

Paul seufzte. Unglücklich betrachtete er die Gardenie. Dann meinte er: »Na gut, starten wir eben einen neuen Trend.«

»Prima. Und jetzt beeil dich«, mahnte Luca.

Nachdem Paul in seinem Zimmer verschwunden war und Luca das Atelier etwas aufräumte, Pinsel reinigte und Ölfarbentuben wieder zudrehte, fragte Milo: »Was für einen Termin hat er denn?«

»Business-Dinner mit der Galeristin, die die Ausstellung für ihn organisiert.«

»Und du schickst ihn mit einer Topfpflanze los?«

»Seine Idee, nicht meine.«

»Er wollte einen ganz normalen Blumenstrauß.«

»Tja, dann darf er mich nicht bitten, Blumen zu besorgen.«

»Wieso bringt er Blumen zu einem Geschäftsessen mit?«

»Keine Ahnung. Von mir aus kann er ihr auch eine Harpune oder ein Häkeldeckchen überreichen. Hauptsache, die Ausstellung wird ein Erfolg.«

»Was, wenn’s klappt?«

»Wie meinst du das?«

»Na, wenn Paul berühmt wird? Zieht ihr dann von hier weg?«

»Unsinn.«

Milo nickte beruhigt.

Luca und Milo waren seit Kinderzeiten unzertrennlich. Er wohnte in der Nachbarschaft, war genauso alt wie Luca und verbrachte die meiste Zeit bei ihr und Paul. Milo war Lucas bester Freund. Luca hatte die Theorie aufgestellt, dass Jungs die besseren Freundinnen waren, weil sie nicht zicken, nicht mit einem in Konkurrenz treten und keine Geheimnisse ausplaudern.

Luca und ihr Vater lebten sehr unkonventionell, eher studentisch, zwangsweise sparsam, aber immer gut gelaunt. Luca war äußerst zufrieden mit ihrer kleinen Welt. Nur ihr Vater machte ihr manchmal Sorgen: Er war verträumt, unorganisiert und wahnsinnig unpünktlich.

Luca stellte sich gern mit den Worten vor: »Ich bin alleinerziehende Tochter.«

Ihre Mutter war gestorben, als Luca zwei Jahre alt war. Im Laufe des Zusammenwohnens mit ihrem Künstler-Vater hatte Luca, als sie älter wurde, die Organisation ihres gemeinsamen Lebens übernommen. Um etwas Teenager-Normalität in ihr Leben zu bringen, hatte sie sich selbst Zu-Bett-geh-Zeiten auferlegt und sich ein paar Verbote erteilt, die offensichtlich üblich waren, soweit sie das aus den Beschwerden ihrer Klassenkameraden heraushören konnte. Zum Beispiel: zeitlich begrenzte Handynutzung. Oder: vitaminreiche Ernährung statt Fast Food, Zimmer aufräumen, Hausaufgaben machen, eben all solche Dinge, die Eltern normalerweise von ihren Kindern fordern. Dass Luca sich selbst Regeln ausdachte und sich auch noch daran hielt, amüsierte ihren Vater sehr, aber gleichermaßen bewunderte er es. Überhaupt hatte Paul van der Beek größten Respekt vor seiner Tochter.

Lucas Vater war ein begnadeter Künstler. Egal ob Öl, Tempera, Aquarell, Kreide oder Tusche, er beherrschte alle Disziplinen. Aber leider war er ein völlig untalentierter Geschäftsmann. Luca war froh, dass sich Britta Schmidt seiner angenommen hatte und mit einer Ausstellung in ihrer Galerie für mehr finanziellen Erfolg sorgen wollte. Sie plante eine Vernissage, ausschließlich mit Werken von Paul van der Beek. Das, wovon jeder Künstler träumt.

Paul hielt sich mit Aufträgen von Verlagen über Wasser, meist waren es Illustrationen für Kinderbücher. Oder Auftragsarbeiten von Privatleuten, etwa Familienporträts nach Fotos; Ölschinken, die dann über dem Sofa im Wohnzimmer eines reichen Spießers landeten. Hier und da mal ein röhrender Hirsch fürs Jagdzimmer oder ein historisches Segelschiff für den Salon in der Segeljacht. Das war keine Kunst, das war Handwerk, seufzte er stets. Wann immer er Zeit hatte, widmete er sich seinen eigenen Bildern. Großformatig, wild, abstrakt, Bilder, die sich durch eine unbändige Farbenfreude auszeichneten. Paul liebte Farben.

Luca war auf die Idee gekommen, er könnte in seinem Atelier Malunterricht geben. Das tat er und zwar mit großem Zulauf. Seine Kurse waren gut besucht, vor allem von weiblichen Interessenten. Das lag sicher auch daran, dass Paul attraktiv, charmant und, wenn es um Kunst ging, enthusiastisch war. Er gab individuelle Kurse für Kunststudenten und einen Anfängermalkurs für gelangweilte Vorstadt-Hausfrauen. Über Letzteres war vor etwa einem halben Jahr der Kontakt mit der Galeristin zustande gekommen. Eine Freundin von Britta Schmidt hatte Pauls Malunterricht besucht und ihr von ihm vorgeschwärmt. Daraufhin hatte sie sich bei ihm gemeldet und sie schien ehrlich beeindruckt von seinen Arbeiten. Nachdem sie alles gesichtet hatte, brachte sie System in seine Werke, wählte einen Titel für die Ausstellung und ermutigte ihn, noch ein paar weitere Bilder zu malen, um das Thema abzurunden. Luca hatte eigentlich einen recht guten Eindruck von ihr, sie schien zu wissen, was sie tat. Sie war ihr zwar zu aufgedonnert, zu teuer gekleidet und etwas zu nett, vor allem zu ihrem Vater, aber hey, Britta Schmidt sollte ihm zu Ruhm und Ehre verhelfen. Aus welchem Grund sie es tat, war ihr egal. Paul hatte immer irgendwelche Verehrerinnen oder Kurzzeitverhältnisse, Luca war daran gewöhnt. Es hatte keinen Einfluss auf ihr Zusammenleben mit ihrem Vater.

»Ich geh dann mal wieder«, sagte Milo.

»Okay.«

»Und was machst du jetzt so?«

»Ich koche Spaghetti.«

»Ach so. Na dann, viel Spaß noch.«

Doch Milo ging nicht. Luca sah ihn an: »Milo, lass uns doch nicht jedes Mal diesen Tanz veranstalten. Du musst sagen, was du willst, sonst bekommst du es nicht. Warte nicht immer drauf, dass Leute deine Gedanken erraten. Wenn du nicht gehen willst, frag doch einfach, ob du bleiben kannst. Ich werde dir eine ehrliche Antwort geben.«

»Das ist es ja gerade. Du würdest auch ohne mit der Wimper zu zucken Nein sagen.«

»Und, wo ist das Problem?«

»Na, ich stell nicht gerne Fragen, bei denen ich als Antwort ein Nein bekomme.«

»Okay, üben wir das mal. Also, frag mich!«

Milo zögerte und schwieg.

»Los! Ich verspreche dir, ich sag nicht Nein.«

»Kann ich noch bleiben?«

»Ja.«

»Auch zum Essen?«

»Ja.«

»Im Thalia läuft ein echt übler Horrorfilm. Gehst du mit mir hin?«

»Nein.«

»Ha, du hast ja doch Nein gesagt!«

»Na hör mal, zwei von drei ist doch ein guter Schnitt. Außerdem wusstest du genau, dass ich mir solche Filme nicht ansehe.«

»Ich dachte, ich probier’s halt mal.«

Als Paul wieder ins Atelier kam, frisch geduscht und umgezogen, sah Luca ihn kopfschüttelnd an. »Ist nicht dein Ernst!«

Paul van der Beek trug Jeans und ein Hemd, auf dem sich bunte Papageien vor einem Dschungel-Hintergrund tummelten.

Er strich sich stolz über die Brust. »Neu. Hab ich mir gestern gekauft.«

Normalerweise trug er Jeans und darüber unifarbene Hemden in lauten Farben.

»Ich dachte, ich probier mal was anderes.«

»Und was willst du den Menschen damit sagen? Rettet den Amazonas? Oder: Hilfe, ich bin ein Tourist, hab mich verlaufen und finde mein Hotel nicht mehr?«

Paul lachte. »Na, mal sehen, wo sie mich hinbringen.«

»Das Hemd sieht grottig aus!«

»Hey, ich bin Künstler.«

»Du siehst aber nicht nach Künstler aus, sondern als hätte man dich für einen Kindergeburtstag engagiert.«

»Als was?«

»Als Clown. Bitte zieh ein anderes Hemd an.«

»Nein, tut mir leid, Fröschlein, es bleibt bei den Papageien. Mein Image ist sowieso nicht zu retten, schließlich halte ich eine Topfpflanze in der Hand.«

»Also wenn deine Galeristin bei dem Hemd nicht schreiend davonläuft und die Ausstellung absagt, muss sie dich echt mögen oder ziemlich überzeugt von deinem Talent sein.«

Paul setzte an, etwas zu erwidern, doch dann schnappte er sich den Blumentopf, verabschiedete sich und ging.

Luca sah ihrem Vater nachdenklich hinterher.

»Er verheimlicht mir was. Ich seh es ihm an. Schon seit ein paar Wochen ist er irgendwie anders. Eigenständiger. Extrem gut gelaunt. Und er lässt sich nichts mehr von mir sagen. Eigentlich könnte ich ja froh sein, von wegen: Endlich ist er erwachsen, aber … dieses Hemd?!«

»Vielleicht steht die Galeristin ja auf solche Hemden.«

»Das hoffe ich! Wenn nicht, werden ihr den ganzen Abend lang die Augen tränen.«

»Vielleicht es ist ja auch kein Business-Dinner, sondern ein Date.«

»Ein Date?«

»Nur so ein Gefühl.«

Luca blickte Milo nachdenklich an.

»Wollen wir ihm hinterherschleichen und es überprüfen?«, schlug Milo vor.

»So was ist total gegen meine Prinzipien.«

Luca hielt kurz inne, dann schnappte sie sich ihr Rad und sah Milo auffordernd an. »Worauf wartest du? Wir müssen los, wenn wir ihn nicht verlieren wollen.«

»Aber du hast doch eben gesagt, dass es gegen deine Prinzipien ist.«

»Ja, ist es auch. Aber das heißt nicht, dass ich es nicht trotzdem tue.«

Vanessa

»Meine Mutter kapiert wieder mal gar nichts!«, beschwerte sich Vanessa bei ihren Freundinnen, nachdem sie die Whats-App-Nachricht gelesen hatte, die ihre Mutter ihr gerade geschickt hatte. Vergiss nicht, dass wir heute Abend einen Gast haben.

»Genau wie meine«, rief Annabell sofort, ohne zu wissen, worum es ging. Sie war stets bemüht, so viele Gemeinsamkeiten wie möglich mit Vanessa zu haben.

Vanessa hatte ihre vier BFFs zu sich bestellt, damit man gemeinsam entscheiden konnte, mit welchem Outfit sie heute Abend bei Adrians Party auftrumpfen würde. Sie gingen alle in dieselbe Klasse einer teuren Privatschule.

»Meine Mutter macht nie wegen irgendwas Theater, sie ist total locker drauf«, sagte Delia. Ständig versuchte sie, Vanessa in allem zu überbieten. »Darfst du etwa nicht zu Adrian?«, fragte sie hoffungsvoll.

Vanessa ärgerte sich. Sie sah Delia vernichtend an. »Natürlich darf ich. Es ging um was ganz anderes!«

»Worum denn?«, fragte Mona, die nach wie vor die Dynamik der Gruppe nicht erkannt hatte und nicht auf die Idee kam, dass diese harmlose Frage Vanessa ärgern könnte. Mona war ziemlich naiv, aber sie kam aus bester Familie und hatte zwei ältere Brüder, worin Vanessa Vorteile sah. Die Brüder waren ihr egal, aber die beiden gehörten zu Adrians Clique und an ihm hatte Vanessa höchstes Interesse.

Theresa war besser darin, Schwingungen, in diesem Fall Vanessas Unmut, zu spüren. Die beiden kannten sich von klein auf. Sie wohnte gleich nebenan in einer schönen alten Villa, in der bereits ihre Großeltern gewohnt hatten. Theresa hatte drei Geschwister: zwei jüngere Brüder und eine kleine Schwester, die noch zur Grundschule ging.

»Ist doch jetzt egal«, sagte Theresa. »Also, bleibt es bei diesem Kleid?«

Vanessa wollte dankbar darauf eingehen, aber dann entschied sie sich um. Sie war noch nicht fertig mit Delia. Die brauchte dringend einen Dämpfer.

»Mein Vater hat mich eingeladen, mit ihm nach New York zu fliegen«, log sie. »Und meine Mutter hat für mich zugesagt. Ohne mich zu fragen! Das geht ja wohl gar nicht!«

»New York! Super! Du bist ein Glückspilz!«, freute sich Annabell.

Vanessa zuckte mit den Schultern. »Ich werde ihm absagen. Er nervt. Er ist so anhänglich und seit der Scheidung will er ständig Vater-Tochter-Sachen unternehmen.«

Annabell nickte. »Ja, das ist total uncool.«

»Sei doch froh! Wenigstens interessiert er sich für dich«, meinte Theresa. »Andere Väter kümmern sich oft nur noch um die neue Familie.«

Vanessa musste schlucken. Genau das war ihr Problem. Vanessas Vater hatte sie aus seinem neuen Leben ausgeschlossen. Er hatte kurz nach der Scheidung wieder geheiratet und seit er zwei Kinder mit seiner neuen Frau hatte, hatte er völlig das Interesse an ihr verloren und den Kontakt weitestgehend eingestellt; worunter Vanessa sehr litt. Vor ihren Freundinnen hielt sie jedoch tapfer die Story vom treu sorgenden Vater aufrecht.

»Also, wir fliegen diesen Sommer für eine Woche nach New York. Mit der ganzen Familie«, trumpfte Delia auf.

Vanessa verstand: Wieder einmal wollte Delia ihr mitteilen, dass sie in einer heilen Familie aufwuchs. Ihre Eltern waren nach wie vor verheiratet und Delia hatte noch eine zwei Jahre ältere Schwester, Selina, worum Vanessa Delia tatsächlich beneidete. Delias Familie war einflussreich und wohlhabend. Der Grund für ihre anhaltende »Freundschaft« war, dass ihre und Vanessas Mutter befreundet waren und die Mädchen sich seit der fünften Klasse kannten. Damals war Delia unscheinbar und schüchtern gewesen, meist übellaunig und ihr fehlte die Fähigkeit, Freundschaften zu schließen. Vanessa, schon immer hübsch, aufgeschlossen und beliebt, hatte sich auf Wunsch ihrer Mutter Delias angenommen. Inzwischen sah Delia allerdings ebenso gut aus wie Vanessa und war ihre schärfste Konkurrentin geworden.

»Ach, hast du es gut!«, sagte Annabell zu Delia. »Wir fahren immer bloß an den Gardasee.«

Vanessa war sauer. Annabells Bewunderung und Zuwendung stand ihr zu, nicht Delia! Annabell gehörte nur zu der Gruppe, weil Vanessa sie vorgeschlagen hatte. Und Vanessa hatte sie vorgeschlagen, weil Annabell ihr treu ergeben war. Sie bewunderte Vanessa und kam stets an, wenn Vanessa pfiff. Allein ihr hatte Annabell es zu verdanken, dass sie in diesen kleinen exklusiven Kreis aufgenommen worden war, denn eigentlich passte sie nicht wirklich zu ihnen; sie wohnte in einer Doppelhaushälfte, beide Eltern mussten arbeiten, damit sie sich die teure Privatschule für ihre einzige Tochter leisten konnten, und sie nahmen einige Einschränkungen hin, damit ihr Kind mit ihren reichen Freundinnen mithalten konnte.

»Gardasee ist doch voll schön«, sagte Theresa, bevor Delia oder Vanessa eine abfällige Bemerkung machen konnten. Doch Annabell freute sich nicht darüber, sondern blickte Delia und Vanessa abwartend an, um zu sehen, ob die beiden Theresas Meinung waren.

Aber weder Vanessa noch Delia interessierte sich dafür, wo Annabell Urlaub machte.

»Also, zurück zu deinem Outfit!«, wechselte Theresa das Thema.

»Das Kleid ist wunderschön«, sagte Annabell bewundernd.

»Hat mir mein Vater aus Paris mitgebracht.«

»Ich war letzten Monat mit meiner Mutter und meiner Schwester in Paris zum Shoppen. Im Lafayette hab ich mir ein Traumkleid ausgesucht«, berichtete Delia.

»Tja, schade, dass es nicht bei Adrians Party zum Einsatz kommt«, meinte Vanessa spitz.

»Du hast sooo ein Glück«, schwärmte Annabell.

Vanessa war wieder zufrieden. Sie nickte gnädig und sagte: »Ich schau mir das heute mal an. Wenn es was taugt, werde ich dafür sorgen, dass er euch in Zukunft auch einlädt.«

So hielt Vanessa ihre Mädels geschickt bei der Stange: immer kleine Belohnungen in Aussicht stellen.

Delia erwiderte sofort: »Nicht nötig, ich krieg meine eigenen Einladungen.«

»Na anscheinend ja nicht, sonst würdest du dich jetzt auch schick machen.«

»Ich geh nicht hin, weil Selina gesagt hat, dass er heute Abend bei der Probeparty nur die B-Mannschaft eingeladen hat. Alle wichtigen Leute kommen am Wochenende.«

»Und dann gehst du hin?«, fragte Mona.

»Weiß ich noch nicht«, meinte Delia, verärgert über die Frage. »Meine Schwester wird heute mal vorbeischauen, checken, ob es sich überhaupt lohnt, am Samstag dort rumzuhängen.«

»Bist du denn auch zu der echten Party eingeladen?«, fragte Mona noch mal nach und zog sich damit langsam Delias Zorn zu.

»Selinas Einladung gilt natürlich auch für mich«, zischte sie. Dann wandte sie sich an Vanessa. »Wie ist es denn bei dir? Hast du eine Einladung für die richtige Party?«

Vanessas Augen blitzten kurz auf. So gelassen wie möglich sagte sie: »Ich hab am Wochenende keine Zeit. Deshalb hat Adrian vorgeschlagen, ich soll heute kommen.«

»Wieso hast du keine Zeit?« Mona wieder!

»Familienangelegenheit.«

»Was denn?«

Manchmal hatte Vanessa das Bedürfnis, Mona zu schütteln und zu fragen: »Geht’s noch?« Aber bei Mona konnte man zumindest sicher sein, dass sie es definitiv nicht böse meinte und niemanden in Schwierigkeiten bringen wollte. Also, was wäre eine gute Erklärung? Sie lächelte.

»Die Firma meines Vaters hat 150-jähriges Jubiläum und das ist natürlich ein Riesending mit allem Drum und Dran, der Bürgermeister hält eine Rede und so, na, ihr wisst schon.«

»Das ist nicht die Firma deines Vaters, er hat sie nur gekauft«, stellte Delia gleich richtig.

»Wenn er sie gekauft hat, ist es ja wohl seine Firma!«, antwortete Vanessa scharf.

Theresa wechselte wieder das Thema: »Sollten wir jetzt nicht mal passende Schuhe für das Kleid suchen?«