Best Man - Vi Keeland - E-Book
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Best Man E-Book

Vi Keeland

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Beschreibung

Für Nat Rossi ist die Hochzeit ihrer besten Freundin in Kalifornien eine willkommene Abwechslung. Ihre eigene Ehe ist vor Kurzem auf skandalöse Weise in die Brüche gegangen, und seitdem trägt sie die Verantwortung für eine Stieftochter im Teenageralter, die Nat für den Verlust ihres Zuhauses verantwortlich macht. Ein bisschen Spaß kann also nicht schaden! Nicht geplant war allerdings, am nächsten Morgen im Hotelbett des unverschämt attraktiven Trauzeugen und schwerreichen Weiberhelden Hunter Delucia aufzuwachen – und sich an nichts erinnern zu können ...

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Buch

Die Hochzeit ihrer besten Freundin in Kalifornien ist eine willkommene Abwechslung für Trauzeugin und New-Yorkerin Nat Rossi. Die Ehe der 28-Jährigen ist vor Kurzem auf skandalöse Weise in die Brüche gegangen, und seitdem trägt sie die Verantwortung für ihre Stieftochter im Teenageralter, die Nat jeden Tag zu verstehen gibt, dass sie sie nicht ausstehen kann. Ein bisschen Spaß kann also nicht schaden. Sie hatte allerdings nicht geplant, am nächsten Morgen im Hotelbett des unverschämt attraktiven Trauzeugen und schwerreichen Weiberhelden Hunter Delucia aufzuwachen. Das war eindeutig zu viel Spaß! Als sich die beiden ein Jahr später wiedersehen, besteht Hunter auf Nats Handynummer, und um ihn auf die Probe zu stellen, gibt sie ihm die Nummer ihrer Mutter. Sie kann ja nicht ahnen, dass Mama Rossi Gefallen an dem charmanten Millionär findet. Und Mama Rossi kann nicht ahnen, dass Hunter alles andere als ehrenwerte Absichten mit ihrer Tochter hat …

Weitere Informationen zu Vi Keeland

sowie zu lieferbaren Titeln der Autorin

finden Sie am Ende des Buches.

Vi Keeland

Best Man

Roman

Aus dem Amerikanischen

von Babette Schröder

Der Inhalt dieses E-Books ist urheberrechtlich geschützt und enthält technische Sicherungsmaßnahmen gegen unbefugte Nutzung. Die Entfernung dieser Sicherung sowie die Nutzung durch unbefugte Verarbeitung, Vervielfältigung, Verbreitung oder öffentliche Zugänglichmachung, insbesondere in elektronischer Form, ist untersagt und kann straf- und zivilrechtliche Sanktionen nach sich ziehen.
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Die amerikanische Originalausgabe erschien 2018 unter dem Titel »Sex, not Love« bei EverAfter Romance.
Copyright © der Originalausgabe 2018 by Vi KeelandCopyright © der deutschsprachigen Ausgabe 2019by Wilhelm Goldmann Verlag, München,in der Penguin Random House Verlagsgruppe GmbH,Neumarkter Str. 28, 81673 MünchenPublished by arrangement with Brower Literary & ManagementUmschlaggestaltung: UNO Werbeagentur, MünchenUmschlagmotiv: FinePic®, MünchenRedaktion: Antje SteinhäuserMR · Herstellung: kwSatz: KompetenzCenter, MönchengladbachISBN: 978-3-641-23658-8V002www.goldmann-verlag.de
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Im Leben geht es nicht um den großen Gewinn.

Es geht darum, wen man als Erstes anruft,

wenn man gewonnen hat.

1. Kapitel

Natalia

»Ist ein intelligenter Mann besonders gut im Bett? Gibt es da einen Zusammenhang, was meinst du?« Ich zog an dem winzigen selbstgedrehten Stummel und hielt die Luft in der Lunge, während ich den Joint an meine beste Freundin weiterreichte. Zumindest musste ich diesmal nicht geschlagene fünf Minuten lang husten und würgen. Wir hatten beide seit zehn Jahren nicht mehr gekifft, zuletzt zu Highschoolzeiten. Es schien passend, dass wir zum offiziellen Ende unserer Kindheit etwas rauchten, das Anna gestern bei ihrem sechzehnjährigen Bruder beschlagnahmt hatte.

»Ich heirate einen Mann, der denkende Roboter baut. Natürlich sage ich, dass kluge Männer besser im Bett sind. Ich meine, Derek schafft den Zauberwürfel in weniger als dreißig Sekunden. Eine Vagina ist längst nicht so kompliziert.«

»Sein Freund Adam ist süß. Aber er hat mir die ganze letzte Stunde von irgendeinem Algorithmus erzählt, den er für einen Roboter namens Lindsey entwickelt. Ich habe lediglich vereinzelt ein Wow oder ein Faszinierend eingeworfen. Kannst du Derek sagen, dass er sich dümmere Freunde suchen soll?«

Anna inhalierte und sprach, während sie zugleich versuchte, nicht auszuatmen, wodurch ihre Stimme zwei Oktaven in die Höhe ging. »Er war am Massachusetts Institut of Technologie und arbeitet in einem IT-Unternehmen – da begegnet er nicht vielen dummen Menschen.« Sie stieß mich mit der Schulter an. »Darum musst du herziehen. Die ganze Zeit nur kluge Leute um mich herum, das halte ich nicht aus.«

»Wie charmant.« Ich seufzte. »Zumindest ist Adam ganz nett.«

»Dann wirst du dein Zölibat also heute Abend beenden?«

»Vielleicht morgen Abend nach der Hochzeit.« Ich grinste. »Wenn er Glück hat. Ich bin noch an die New Yorker Zeit gewöhnt. Heute Abend werde ich wohl ungefähr zur Nachtischzeit allein ins Bett fallen.«

Die zukünftige Braut und ich versteckten uns vor den übrigen Gästen, die am Abendessen vor der Hochzeit teilnahmen, hinter einem mit Efeu bewachsenen Rankbogen im Hof des Restaurants. Eine tiefe, heisere Stimme erschreckte mich zu Tode, und fast hätte ich das verdammte Ding umgeworfen.

»Er hätte also Glück, sagen Sie? Sehen Sie von vorn genauso gut aus wie von hinten, oder sind Sie einfach nur eingebildet?«

»Wer zum Teufel …?« Ich drehte mich um und sah im Dunkeln einen Mann auf uns zukommen. »Warum kümmern Sie sich nicht einfach um Ihre eigenen Angelegenheiten?«

Der Typ kam noch ein paar Schritte näher und trat in den Lichtstrahl eines Scheinwerfers, den Anna und ich gemieden hatten. Mir fielen beinahe die Augen aus dem Kopf. Er war umwerfend. Groß, verdammt groß – ich war knapp ein Meter fünfundsechzig, trug hohe Absätze und musste den Hals recken, um zu ihm hochzusehen. Er hatte dunkles, etwas zu langes Haar, was ihm aber verdammt gut stand. Gebräunte Haut und ein markantes Kinn mit einem Bartschatten, der bei all dem Testosteron, das dieser Typ verströmte, wahrscheinlich innerhalb von zwei Stunden nachwuchs. Die hellblauen Augen hoben sich von seinem dunklen Teint ab, und die zarten Fältchen um seine Augen ließen mich vermuten, dass er gern und viel lächelte. Und dieses Lächeln. Es war kein richtiges Lächeln – eher das freche Grinsen einer Katze, die gerade den Kanarienvogel verspeist hat.

Es dauerte einen Moment, bis ich diese beeindruckende Gestalt von einem Mann in Gänze erfasst hatte. Doch während ich sprachlos war, warf Anna ihm die Arme um den Hals.

Hoffentlich kannte sie ihn und war nicht nur noch bekiffter als vermutet.

»Hunter! Du hast es geschafft.«

Uff.

»Na, klar. Ich lasse mir doch nicht die Hochzeit meines besten Freundes entgehen. Tut mir leid, dass ich zu spät bin. Ich hatte geschäftlich in Sacramento zu tun und musste mir einen Mietwagen nehmen. Mein Flug wurde heute Nachmittag gestrichen.«

Der umwerfende Lauscher richtete seine Aufmerksamkeit auf mich. Angefangen bei meinen Füßen unterzog er meinen Körper einer ausgiebigen, unglaublich unverschämten, aber auch verführerischen Prüfung. Während ich beobachtete, wie sich währenddessen die Farbe seiner Augen vom Blau eines sonnigen Nachmittags in das der frühen Abenddämmerung verwandelte, richteten sich meine Nippel auf.

Als er fertig war, trafen sich unsere Blicke. »Yep, stimmt.«

Bitte?

Als er meine verwirrte Miene sah, klärte Hunter mich auf: »Sie sehen von vorne genauso gut aus wie von hinten. Sie haben recht. Mit wem auch immer Sie schlafen wollen, er hat Glück.«

Mir blieb der Mund offenstehen. Die Unverschämtheit dieses Kerls verschlug mir die Sprache … doch meine Haut begann zu kribbeln.

»Adam«, sprang Anna ein. »Er ist auf der Hochzeit ihr Begleiter. Sie wird morgen Abend mit Adam schlafen.«

Hunter streckte mir die Hand entgegen und nickte. »Hunter Delucia. Haben Sie einen Namen, Schönheit? Oder soll ich Sie einfach die Frau, die Adam vögelt nennen?«

Aus irgendeinem unerklärlichen Grund sagte mir mein Bauch, dass es eine schlechte Idee war, meine Hand in seine zu legen. Mein Körper und seiner durften sich niemals berühren, nicht ein einziges Mal. Ich tat es trotzdem.

»Nat Rossi«, sagte ich und reichte ihm die Hand.

»Nat? Ist das eine Abkürzung?«

»Für Natalia. Aber so nennt mich niemand.«

Wieder lächelte er. »Freut mich sehr, Sie kennenzulernen, Natalia.«

Ohne dabei meine Hand loszulassen, wandte Hunter seine Aufmerksamkeit wieder Anna zu. »Und warum ist Adam der Begleiter dieser wunderschönen Natalia und nicht ich?«

Meine Freundin schnaubte. Sie war eindeutig stoned. »Weil ihr zwei euch gegenseitig umbringen würdet.«

Die Antwort schien ihm zu gefallen. Um seine Augen bildeten sich Lachfältchen, und er richtete den Blick wieder auf mich. »Stimmt das?«

Ich spürte die elektrische Spannung zwischen uns, doch etwas sagte mir, dass sie von einem Gewitterblitz herrührte. Das letzte Mal hatte ich mich derart körperlich zu einem Mann hingezogen gefühlt, als ich Garrett begegnet war. Von jenem Blitzeinschlag hatte mein empfindsames Herz eine Wunde zurückbehalten, die noch immer nicht verheilt war.

»Erinnerst du dich, als Dereks Bruder Andrew seinen Job verlor und sich schwertat, unter Leute zu gehen?«, fragte Anna. »Er ist zu oft zu Hause geblieben, und ich habe mir Sorgen gemacht, dass er agoraphob werden könnte?«

»Ja«, sagte Hunter. »Ich erinnere mich. Es ist ein paar Jahre her.«

»Ich schlug ihm vor, sich einen Therapeuten zu suchen, der mit ihm daran arbeitet, seine Ängste zu überwinden. Und was hast du gesagt?«

»Ich sagte, du wärst verrückt, er bräuchte einfach nur einen Tritt in den Hintern und einen Job.«

Anna lächelte. »Nat ist Verhaltenstherapeutin. Sie behandelt Menschen mit Angststörungen und arbeitet mit ihnen an der Bewältigung der Situationen, in denen sie normalerweise unter Druck geraten.«

Er zog die Augenbrauen hoch. »Das gibt es wirklich?«

Ich entzog ihm meine Hand. »Ja. Ich arbeite vor allem mit Menschen mit Zwangsstörungen.«

»Na, was sagt man dazu? Und ich dachte, du hättest dir diesen Quatsch ausgedacht.«

»Hunter ist Bauunternehmer«, fuhr Anna fort. »Er baut große Projekte wie Einkaufspassagen. Solche Dinger, für die man Bäume fällt, um Platz für Gap, Baby Gap und Abercrombie zu schaffen. Er hat auch das Zentrum in dem Park gebaut, in dem wir als Kinder gern gespielt haben – Medley Park. Er und Derek sind zusammen aufgewachsen. Sie sehen sich nicht oft, weil Hunter manchmal monatelang wegen seiner Projekte durchs Land reist.«

Mr. Groß, Dunkel und Gutaussehend schien stolz auf diese Darstellung zu sein.

Ich schenkte ihm ein zuckersüßes Lächeln. »Ich habe diesen Park geliebt. Damit haben Sie die CO2-Bilanz an der Upper East Side erhöht und der Umwelt geschadet.«

»Eine Baumumarmerin? Klingt, als hätte Anna recht. Vermutlich würden wir uns umbringen, wenn ich Ihr Begleiter wäre.«

»Hmm … ich hab Lust auf Käsekuchen. Hast du Durst? Ich habe einen Riesendurst.«

Yep. Anna war eindeutig stoned. »Wir haben noch nicht einmal zu Abend gegessen«, erklärte ich.

»Wen interessiert das? Besorgen wir uns Nachtisch. Komm!« Sie leckte sich über die Lippen und schritt vorweg ins Restaurant.

Hunter lachte. »Es war nett, Sie kennenzulernen, Natalia. Und wenn es mit diesem langweiligen Adam nicht so läuft, ich habe Zimmer 315 im Hotel.« Er zwinkerte mir zu, beugte sich zu mir herunter und flüsterte mir ins Ohr: »Vielleicht würden wir uns umbringen, aber sich zu Tode zu vögeln, ist ein schöner Tod.«

»Sind die noch frei?«

Adam und ich aßen gerade unseren Nachtisch, als Hunter herüberkam und auf zwei leere Stühle gegenüber von uns zeigte. Das Paar, das dort gesessen hatte, war vor wenigen Minuten gegangen.

»Nein«, log ich.

Adam war höflich genug, mich zu korrigieren. »Dort saßen eigentlich Eric und Kim, aber die haben sich vor zwei Minuten verabschiedet, erinnerst du dich, Nat?«

Auf Hunters Gesicht erschien ein breites, hämisches Grinsen. Er zog einen Stuhl für seine Hochzeitsbegleiterin heraus und setzte sich selbst auf den Platz mir gegenüber. »Das ist Cassie. Sie ist eine IT-Göttin – hat ihren Abschluss an der Caltech gemacht. Haben Sie Adam schon kennengelernt, Cassie?«

Adams Interesse war geweckt. »Wir sind uns heute Nachmittag kurz begegnet. Aber mir war nicht klar, dass Sie ITlerin sind. Ich habe an der MIT studiert und arbeite mit Derek drüben bei Clique an der Roboterentwicklung.«

Die Unterhaltung zwischen Adam und Cassie nahm Fahrt auf wie ein Hochgeschwindigkeitszug. Keiner von beiden bemerkte den finsteren Blick, den ich dem Vermittler dieses Gesprächs unter Computernerds zuwarf.

Ich beugte mich lächelnd vor und sagte mit zusammengebissenen Zähnen. »Ich weiß, was Sie vorhaben.«

Hunter lehnte sich auf seinem Stuhl zurück und grinste von einem Ohr zum anderen. »Ich habe keine Ahnung, worauf Sie anspielen.«

»Das funktioniert nicht.«

»Wenn Sie meinen. Aber ich bin da, wenn Sie später einen Ersatzmann brauchen.«

Ich trank meinen Kaffee aus, strich mein Kleid glatt und brachte mein Dekolleté zur Geltung. Dann nahm ich meine Serviette vom Tisch und ließ sie unauffällig auf den Boden fallen. Anschließend pickte ich mit der Gabel ein kleines Stück Käsekuchen auf und ließ es versehentlich in mein Dekolleté fallen.

Hunter verfolgte die Vorstellung mit Interesse.

Ich beugte mich vor und legte Adam eine Hand auf den Arm. »Hast du eine Serviette für mich? Die müssen meine versehentlich mitabgeräumt haben, und ich habe da leider etwas gekleckert.«

Ganz Gentleman entschuldigte sich Adam bei seiner Gesprächspartnerin und wandte seine Aufmerksamkeit mir zu. Sein Blick fiel auf den Käsekuchen, und ich wusste sofort, dass ich gewonnen hatte. Ich lächelte siegessicher und gestattete dem Computerfreak, mir beim Säubern zu helfen. Hunters finsterer Blick fühlte sich wie ein Sieg an.

Ehrlich gesagt, war ich während des Abendessens zu dem Schluss gekommen, dass ich doch nicht mit Adam schlafen wollte – irgendwie fehlte mir dazu die körperliche Chemie zwischen uns, auch wenn es nur für einen One-Night-Stand war. Aber ich genoss es, Hunter zu ärgern.

»Wenn ich müde werde, bin ich ein Tollpatsch«, sagte ich zu Adam. »Ich bin noch die New Yorker Zeit gewohnt. Ich glaube, ich fahre zurück ins Hotel.«

»Ich begleite dich«, erwiderte er prompt. Cassie wer?

So leicht gab Hunter allerdings nicht auf – das musste ich ihm lassen.

Er stand auf. »Ich bin mit dem Wagen hier. Ich kann Sie beide nach Hause fahren. Bist du bereit zum Aufbruch, Cass? Ich nehme an, wir wohnen alle vier im Carlisle?«

Ich zeigte Mr. Unnachgiebig meine strahlend weißen Zähne und hakte mich bei Adam ein. »Ich bin mit dem Mietwagen da, Adam und ich sind also versorgt. Haben Sie jedoch vielen Dank für das Angebot, Tanner.«

»Hunter.«

»Ach, richtig.« Ich lächelte.

Das Hotel lag nur eine Meile entfernt die Straße hinauf. Als wir eintraten, entdeckte ich in der Bar einige vertraute Gesichter – Freunde des Bräutigams. Die Party schien sich vom Abendessen ins Hotel verlagert zu haben. Als wir vorbeikamen, rief einer der Kerle Adam zu, er sollte noch einen mittrinken.

Bevor er antwortete, fragte er zunächst mich: »Was meinst du? Hast du noch Lust auf einen Absacker?«

»Ich bin ziemlich fertig – die Zeitverschiebung und alles. Aber geh du nur. Viel Spaß.«

»Sicher?«

»Absolut. Ich schlafe, bevor mein Kopf das Kissen berührt.«

Adam umarmte mich flüchtig zum Abschied, und ich ging allein zum Fahrstuhl.

Ich war wirklich erschöpft. Anna und Derek hatten die gesamte oberste Etage für Gäste von außerhalb reserviert, und ich hatte vergessen, dass man dort nur hingelangte, indem man die Zimmerkarte im Fahrstuhl in einen Schlitz steckte. Nachdem ich ein paarmal auf den Knopf gedrückt hatte, fiel es mir wieder ein, und ich grub in meiner Tasche nach der Karte. Ich war vollauf mit der Suche beschäftigt, als ich jemanden sagen hörte:

»Natalia.«

Ich riss den Kopf hoch, und vor mir stand Hunter mit einem überheblichen Grinsen im Gesicht.

»Sie …«

»Ich«, sagte er.

Ich blickte an seiner breiten, beeindruckenden Gestalt vorbei. »Wo ist Ihre Begleiterin?«

Er zwinkerte mir zu. »Die habe ich an der Bar bei Ihrem Begleiter gelassen. So können die beiden sich kennenlernen.«

»Sind Sie dann nicht einsam?«, fragte ich sarkastisch.

»Vielleicht. Aber ich wüsste, wie man das ändern könnte.«

»Sie nehmen die Dinge gern selbst in die Hand, oder?«

Endlich hatte ich die Zimmerkarte in dem Chaos in meiner Handtasche gefunden. Hunter lachte, nahm sie mir ab und schob sie in den Schlitz. Natürlich wohnten wir auf derselben Etage, schließlich waren wir Gäste derselben Hochzeit. Als sich die Türen schlossen, kam mir der Aufzug auf einmal enorm klein vor. Was dadurch verstärkt wurde, dass Hunter es nicht für nötig gehalten hatte, sich umzudrehen und mir den Rücken zuzuwenden. Er stand dicht vor mir, und mein Körper nahm diese Nähe sehr deutlich wahr.

»Wissen Sie nicht, wie man sich in einem Fahrstuhl benimmt?«, fragte ich. »Drehen Sie sich um und starren auf die Zahlen wie ein normaler Mensch.«

»Warum sollte ich meine Zeit damit verschwenden, wenn die Aussicht in dieser Richtung doch viel hübscher ist?«

»Ich schlafe nicht mit Ihnen.«

»Warum nicht? Sie wollten doch mit Adam schlafen.«

»Das ist etwas anderes.«

»Warum?«

»Adam kenne ich schon. Er ist ein netter Kerl.«

»Ich bin auch ein netter Kerl.«

»Sie kenne ich nicht.«

Hunter schob die Hände in die Hosentaschen. »Hunter Delucia, neunundzwanzig, Single, keine Exfrau, keine Kinder. Studium in Berkeley. Abschluss als Bauingenieur. Ich bin im Haus neben Derek aufgewachsen, wir sind seit Kleinkindertagen befreundet. Er kann bezeugen, dass ich ein anständiger Kerl bin. Ich besitze ein Haus in Idyllwild, ungefähr eine Stunde von dem glücklichen Paar entfernt, keine Hypothek. Ich habe es selbst gebaut, und auf meinem Grundstück befinden sich jede Menge Bäume – das sollte Bonuspunkte geben. Mein letzter Check-up beim Arzt liegt einen Monat zurück – alles einwandfrei. Und, am allerwichtigsten …« Er trat einen Schritt näher auf mich zu, sodass unsere Körper sich praktisch berührten. »Ich glaube, Sie sind überaus sexy. Irgendwie herrscht hier eine irre Energie, und ich glaube, die sollten wir erforschen.«

Ich schluckte. Zum Glück hielt der Aufzug, und die Türen öffneten sich zur obersten Etage. Ich brauchte Luft, die nicht nach Hunter Delucia roch, trat um diesen Baum von einem Mann herum und stieg aus. Er folgte mir auf dem Fuß. Als ich abrupt stehenblieb, weil ich feststellte, dass ich in die falsche Richtung ging, rannte er in mich hinein. Er fing mich auf und presste dabei seine Hände auf meine Hüften.

»Hoppla. Alles in Ordnung?«

»Was zum Teufel? Sie hätten mich fast umgerannt.«

»Sie sind plötzlich stehengeblieben.«

»Wenn Sie mir nicht am Hintern kleben würden, wäre das nicht passiert.«

Noch immer standen wir mitten im Flur, und noch immer hielt er meine Hüften fest … was sich ziemlich gut anfühlte. Gott, es war lange her. Über zwei Jahre.

Er verstärkte den Griff ein wenig und neigte den Kopf, um mir ins Ohr zu flüstern: »Du riechst unglaublich.«

Meine Haut unter seinen Fingern brannte. Ich schloss die Augen. Hmmm … Er und Derek waren seit ihrer Kindheit befreundet. Er konnte kein so schlechter Kerl sein. Vielleicht …

Zum Glück bewahrte mich der andere Fahrstuhl vor einer Dummheit. Ein paar Freunde von Derek stiegen aus und schienen nicht zu bemerken, was zwischen Hunter und mir vor sich ging.

»Hey, Delucia!« Jemand legte ihm einen Arm um die Schultern. »In unserem Zimmer gibt’s jetzt Shots.«

Ich schüttelte den Kopf, kam zur Vernunft, nutzte die Gelegenheit zu entkommen und rannte praktisch den Flur hinunter zu meinem Zimmer. Natürlich musste mein Zimmer das letzte sein. Als ich mit der Schlüsselkarte an der Tür herumfummelte, rief Hunter meinen Namen. Ich ignorierte ihn und stürzte hinein. Innen lehnte ich mich gegen die geschlossene Tür und stieß erleichtert die Luft aus.

Was um alles in der Welt war mit mir los? Reiß dich zusammen, Nat. Ich war buchstäblich vor einem Mann davongelaufen, anstatt sein Angebot einfach abzulehnen oder ihm zu sagen, er sollte abhauen? Aber etwas an diesem Typen machte mich unruhig und nervös – als müsste ich in die andere Richtung rennen.

Als es leise an der Tür klopfte, an der ich noch immer lehnte, fuhr ich vor Schreck zusammen.

»Natalia.«

Warum zum Teufel musste er mich so nennen. »Ich schlafe.«

Ich hörte ihn lachen. »Ich wollte dir nur sagen, mein Zimmer ist direkt nebenan. Sogar das Hotel meint, wir sollten miteinander schlafen.«

Ich schüttelte den Kopf, lächelte jedoch. »Gute Nacht, Hunter.«

»Nacht, Natalia. Ich kann es kaum erwarten, dich morgen zu sehen.«

2. Kapitel

Natalia

Ein ganzes Team machte sich an der Braut zu schaffen. Jack Johnson sang im Hintergrund sehr passend von Wellen und Kämmen, und die riesige Brautsuite roch nach Flieder – Annas absolutem Lieblingsduft. Jedes Mal, wenn ich im Frühling durch New Yorks Flower District lief, dachte ich, sie werde gleich um die Ecke biegen.

Als sie mich hereinkommen sah, hielt ihr Spiegelbild eine Champagnerflöte in die Luft. »Verdammt, ich heirate.«

Normalerweise sprach alles, was mit Hochzeiten zu tun hatte, meine harte, negative Seite an, doch um Annas willen verdrängte ich diese Gefühle. Ich nahm ihr die Flöte aus der Hand und erwiderte ihr Lächeln. »Verdammt, du heiratest.«

Der Stylist, der mit ihrem Haar beschäftigt war, schüttelte grinsend den Kopf.

»Wir haben eben Stil, was soll ich sagen?«, bemerkte ich.

In zwei Stunden würde meine beste Freundin den Gang hinunterschreiten, um einen reichen, gutaussehenden, jungen Computerfreak zu heiraten, der den Boden vergötterte, über den sie lief. Es war weit entfernt von meiner Scheinhochzeit.

»Ich habe gesehen, dass Hunter dir gestern Abend gefolgt ist«, sagte Anna. »Die arme Cassie ist kaum mitgekommen, so schnell ist er hinter dir her.«

Für ein Gespräch über diesen Mann brauchte ich ebenfalls einen Drink. Ich leerte Annas Glas und ging zu dem Krug mit Sekt und Orangensaft auf dem Tresen, um ihr nachzufüllen und mir ein eigenes Glas einzuschenken. »Erinnerst du dich noch, als wir siebzehn waren und ich in Mr. Westbrook, den Vertretungslehrer in Englisch, verknallt war?«

»Wie könnte ich das vergessen? Er war zweiunddreißig und umwerfend.«

»Hunter ist … nun ja, um ehrlich zu sein, weiß ich nicht, was ich von ihm halten soll. Er ist anzüglich, dreist, aufdringlich … und schrecklich sexy.«

»Umwerfend, finanziell abgesichert, selbstbewusst und schrecklich sexy«, fügte Anna hinzu.

Ich seufzte. »Ja. Alles zusammen. Aber er hat irgendetwas an sich, das ich nicht genau benennen kann. Jedenfalls wirkt er auf mich genauso verboten wie Mr. Westbrook.«

Mit funkelnden Augen sah Anna mich aus dem Spiegel an. »Wirklich?«

»Was grinst du so?«

»Es fühlt sich verboten an, weil du seinetwegen Schmetterlinge im Bauch hast.«

»Hab ich nicht«, log ich.

Ich wusste noch nicht einmal, warum ich deshalb log. Außerdem waren die Schmetterlinge, die ich seinetwegen im Bauch hatte, nicht die, die man üblicherweise kennt – diese flatterten etwas tiefer.

»Hast du wohl.«

»Nein, habe ich nicht.«

»Warum lässt du dich dann nicht darauf ein? Du hast doch gerade selbst gesagt, dass du ihn sexy findest. Du hast überlegt, mit Adam zu schlafen, und der ist nicht halb so sexy wie Hunter.«

Ich dachte daran, wie sich Hunters Hand gestern Abend auf meiner Hüfte angefühlt hatte, und wieder flatterten Schmetterlinge in meinem Bauch. Diese verdammten Biester bildeten ein Team mit Anna, um mir etwas zu beweisen, das ich nicht wahrhaben wollte.

»Er ist mir zu großspurig.«

»Du magst großspurige Männer. Im Grunde waren alle deine Typen Großmäuler.«

»Genau.« Ich nickte. »Mit denen bin ich jetzt durch.«

Anna grinste schief und wandte sich an ihren Friseur. »Sie wird ganz bestimmt mit ihm schlafen.«

Er blickte zu mir herüber, dann wieder zu Anna. »Ich weiß.«

Derek und Anna heirateten an einer Steilküste mit Blick aufs Meer. Trotz meiner Verachtung für die Ehe vergoss selbst ich ein paar Freudentränen. Ich hatte bemerkt, dass mehr als nur einer der Trauzeugen ebenfalls glänzende Augen bekommen hatte. Einer faszinierte mich besonders. Nachdem Hunter mich zum zweiten Mal dabei erwischte, wie ich seinen Anblick in Smoking und mit zurückgegeltem Haar bewunderte, schaffte ich es, seinem Blick für den Rest der Trauung und während der ersten Stunde auf dem Empfang auszuweichen. Was angesichts unserer Pflichten auf der Hochzeitsparty nicht ganz einfach war, mir aber irgendwie gelang.

Bis ich mit Annas Vater zu einem langsamen Stück tanzte.

»Darf ich?« Hunter tippte Mark auf die Schulter. »Sie beanspruchen die schönste Frau unter den Gästen ganz für sich allein.«

Annas Dad lächelte und hob drohend den Finger. »Du hast Glück, dass du unter den Gästen gesagt hast. Denn die schönste Frau des Abends ist natürlich die Braut.«

Die beiden Männer klopften sich gegenseitig auf die Schultern, dann befand ich mich in Hunters Armen. Anders als Mark, der den gebotenen Abstand gehalten hatte, nahm Hunter meine Hand in seine, ließ die andere über meinen Rücken gleiten und zog mich an sich. Verdammt, das fühlt sich gut an.

»Sie halten mich ein bisschen zu fest.«

»Ich sorge nur dafür, dass du nicht wieder weglaufen kannst.«

Ich legte den Kopf in den Nacken. »Wieder? Ich bin nie vor Ihnen weggelaufen.«

»Nenne es, wie du willst, aber du hast mich gemieden, als wäre ich ansteckend.«

»Wahrscheinlich sind Sie das auch«, murmelte ich.

Er ignorierte mich. »Du siehst wunderschön aus. Es gefällt mir, wenn du dir die Haare hochsteckst.«

»Danke.«

Er zog mich noch näher an sich und zwang mich, den Kopf an seine Schulter zu lehnen, dann beugte er sich zu mir herunter und raunte mir ins Ohr: »Ich kann es nicht erwarten, es später zu lösen.«

Was dieser Kerl sich anmaßte.

Und Gott, warum zum Teufel wollte ich, dass er mir das Haar löste?

»Sie haben den Verstand verloren. Im Grund war fast alles, was Sie gesagt haben, seit wir uns kennengelernt haben, unangemessen.«

»Dann darfst also nur du darüber sprechen, dass du jemanden vögeln willst? Ich darf das nicht?«

»Ich habe nicht darüber gesprochen, dass ich mit jemandem schlafen will.«

»Als wir uns das erste Mal begegnet sind, hast du mit Anna darüber gesprochen, dass du mit Adam schlafen willst.«

»Das war ein vertrauliches Gespräch.«

Er zuckte die Schultern. »Das hier auch.«

»Aber …« Ich war ratlos – zum Teil weil er irgendwie recht hatte. In meiner Vorstellung war es okay, mit einer dritten Person darüber zu reden, dass man mit jemandem schlafen wollte. Ich fand es aber nicht okay, es der Person, die es anging, geradeheraus zu sagen. Das ergab wirklich keinen Sinn, doch ich hielt mich an einem Punkt fest, der einigermaßen logisch klang. »Sie sind unverschämt. Ich war nicht so deutlich. Anstößig ist nicht, was Sie sagen, sondern wie Sie es tun.«

»Dann stehst du nicht auf Dirty Talk? Vielleicht hast du noch keinen guten gehört.«

»Es war völlig okay.«

»Dann stehst du auf Dirty Talk?«

Dieser Mann war unmöglich. Zum Glück für meinen Verstand – und vermutlich für meine Willenskraft – endete der Song, und der DJ verkündete, dass es Zeit zum Abendessen sei. Dennoch lockerte Hunter den Griff um mich nicht.

»Der Tanz ist zu Ende. Sie können mich jetzt loslassen.«

»Versprichst du mir, dass du später noch einmal mit mir tanzt?«

Ich lächelte breit. »Keine Chance.«

Natürlich gefiel Hunter diese Antwort. Er kicherte und küsste mich auf die Stirn. »Ich wette, du bist eine Rakete im Bett. Ich kann es kaum erwarten.«

»Einen schönen Abend, Mr. Delucia.«

Als ich die Tanzfläche verließ, spürte ich bei jedem Schritt seinen Blick auf meinem Hinterteil.

Offiziell war ich erst seit eineinhalb Jahren Single. Ich hatte nicht vor, wieder zu heiraten, darum blieb ich sitzen, als das obligatorische Werfen des Brautstraußes anstand. Natürlich ließ Anna das nicht zu. Sie schnappte sich das Mikrofon vom DJ und bestand darauf, dass ich zusammen mit einigen anderen, die sich vor diesem besonderen Programmpunkt drücken wollten, meinen Hintern auf die Tanzfläche bewegte. Ich machte keine Szene, sondern gehorchte, hielt mich allerdings absichtlich allein ganz am Rand. Ich wollte nichts mit diesem Strauß zu tun haben.

Der DJ forderte die Menge auf herunterzuzählen, bis Anna, die mit dem Rücken zu all den ängstlichen Singlefrauen in der Mitte der Tanzfläche stand, den Strauß warf.

»Drei, zwei, eins!«

Der große Wurf über den Kopf der Braut hinweg erfolgte nicht. Stattdessen drehte sie sich um und warf das blöde Ding genau dorthin, wo ich im Abseits stand. Reflexartig fing ich das auf mich zufliegende Ding auf.

Grrr. Ich hätte sie umbringen können.

Insbesondere als ich auf der anderen Seite des Raums Hunter bemerkte, der übertrieben die Knöchel knacken ließ und mit einem breiten Grinsen zu mir herübersah.

Zehn Minuten später stand ich neben Anna und verfolgte, wie sich eine Horde Singlemänner auf der Tanzfläche darum riss, das Strumpfband zu fangen, das ihr Mann ihr gerade ausgezogen hatte. Meine Hand umklammerte einen starken Wodka Cranberry, falls ich etwas flüssigen Mut brauchen sollte. Die Tradition verlangte, dass der Mann, der das Strumpfband fing, es der Frau, die den Brautstrauß erwischt hatte, übers Bein schob.

»Wenn Hunter das Ding fängt, bring ich dich um.«

»Die, die am lautesten protestieren, haben in der Regel am meisten zu verbergen.«

»Die, die für Ärger sorgen, bekommen einen Tritt in ihren dürren Hintern«, schoss ich zurück.

»Er ist wirklich ein toller Kerl. Ich kann mir schlimmere Typen vorstellen, die dir unter den Rock gehen.«

»Wenn er so toll ist, sag mir doch noch mal, warum er nicht mein Begleiter war?«

Anna seufzte. »Er ist klug, selbstbewusst und ein großer Charmeur.«

»Und …«

»Und ich kenne ihn jetzt schon seit Jahren, und jedes Mal, wenn ich ihn sehe, hat er eine neue wunderschöne Frau dabei. Ich dachte, nach Garrett willst du vielleicht einen anderen Typen.«

Als sie meinen Exmann erwähnte, kippte ich die Hälfte des Drinks herunter. »Warum fühle ich mich von Arschlöchern angezogen?«

»Weil sie attraktiv sind. Das ist einer der Gründe, warum sie zu Arschlöchern werden. Und Hunter ist kein schlechter Kerl. Bestimmt nicht. Ich wette, er ist außerdem toll im Bett. Ich an deiner Stelle würde eher Hunter als Adam für einen One-Night-Stand nehmen.« Sie drehte sich zu mir um. »Hunter bedeutet Sex, keine Liebe. Solange du mit dieser Haltung darangehst, haut er dich um. Darauf wette ich.«

Plötzlich zog lautes Gebrüll unsere Aufmerksamkeit wieder auf die Tanzfläche. Wir hatten verpasst, wie Derek das Strumpfband geworfen hatte, doch das großspurige Grinsen des Mannes, der es nun um seinen Finger kreisen ließ und in meine Richtung blickte, war nicht zu übersehen.

»Besteht auch nur die geringste Chance, dass ihr auf die Tradition verzichtet?«

Anna grinste. »Auf gar keinen Fall.«

Die Drinks stiegen mir zu Kopf. Nachdem ich mit Anna den Wodka Cranberry geleert hatte, bestellte ich mir noch einen und trank ihn in Rekordzeit. Was bedeutete, dass ich einen hübschen Rausch hatte, als der DJ einen einsamen Stuhl in die Mitte der Tanzfläche stellte und meinen Namen rief. Derek und Anna traten zu uns, und die gesamte Hochzeitsgemeinde verfolgte das Geschehen.

»Warum setzen Sie sich nicht, Nat?«, sagte der DJ und tippte auf den Stuhl. »Unsere wunderhübsche Braut hat die Wahl des Songs dem Gentleman überlassen, der das Strumpfband gefangen hat. Ich dachte, wir spielen ihn an und sehen, ob er für Sie okay ist, denn schließlich fasst er Ihnen unters Kleid.«

Der DJ tippte eine Taste auf seinem iPad, und die Musik röhrte los – AC/DCs You Shook Me All Night Long. Nach zehn Sekunden betätigte der DJ erneut eine Taste, und die Musik verstummte.

»Und was meinen Sie?«, fragte er über das Mikrofon. »Hat Hunter den richtigen Song für den Abend ausgesucht?«

Ich schüttelte den Kopf, die Menge lachte, und Hunters Augen leuchteten.

»Na, gut. Vielleicht lassen wir Sie lieber die Musik wählen. Fällt Ihnen etwas Passenderes ein?«

Ich dachte einen Moment nach, dann winkte ich den DJ zu mir herunter, damit ich ihm ins Ohr flüstern konnte.

Er lächelte und tippte wieder auf seinem iPad herum, dann sagte er zu Hunter: »Hier gibt es offenbar einen kleinen Dissens – vielleicht verbergen sich hinter Ihrer Songwahl ja zwei unterschiedliche Botschaften.«

Hunter sah mich an, und ich zuckte gerade die Schultern, als der DJ meinen Song spielte. Jason Derulos Ridin Solo schallte aus den Lautsprechern, und Hunter warf lachend den Kopf in den Nacken. Nachdem sich alle amüsiert hatten, erklärte der DJ der Menge, die Sache werde wohl runder laufen, wenn er den Song auswählte.

Also ging Hunter zu Beyoncés Single Ladies auf ein Knie herunter. Natürlich machte er daraus eine ziemliche Show. Er ließ das Strumpfband um den Zeigefinger kreisen, während er den Zuschauern ein Megawattlächeln schenkte. Dann hob er langsam meinen Fuß an, platzierte einen zärtlichen Kuss darauf und schob das Strumpfband meine Wade hinauf.

»Haben wir hier heute einen Gentleman?«, fragte der DJ übers Mikrofon. »Wird er noch höher gehen?«

Das freche Funkeln in Hunters Augen sagte mir, dass er nicht vorhatte, sich wie ein Gentleman zu benehmen. Unter dem Johlen der männlichen Gäste, die ihn mit Höher-Rufen anfeuerten, schob Hunter das Band in den nächsten Minuten ganz langsam weiter mein Bein hinauf. Dabei bewegte er es nicht einfach nur nach oben, sondern streichelte lasziv mit dem Daumen die Innenseite meines Schenkels. Als er die Mitte des Oberschenkels erreicht hatte, drückte er mein Bein, um meine Aufmerksamkeit auf sich zu ziehen, und unsere Blicke trafen sich.

Dann bewegte er die Hand weiter nach oben.

Warum hielt ich ihn nicht auf? Warum lagen meine Hände brav neben meinem Körper, und wo war meine normalerweise kräftige Stimme geblieben? Die Reaktion meines Körpers machte es mir einfach unmöglich zu protestieren. Die Wirkung der einen Hand war erheblich. Meine Nippel verhärteten sich, mein Atem wurde flach, und eine Gänsehaut überlief meinen Körper. Ich war deutlich erregter, als ich es hätte sein dürfen. Und das lag nicht nur an seiner Hand – sondern an der Art, wie er mich ansah. Ich wusste ohne jeden Zweifel, dass er genauso erregt war wie ich – und das tat seine Wirkung.

Langsam und sinnlich strichen Hunters Finger über meinen Schenkel, bis sie ganz oben waren. Ich spürte die Hitze seiner Hand zwischen meinen Schenkeln.

Obwohl uns die Menge zusah, konnte dank meines Trauzeugenkleides niemand sehen, wie weit er tatsächlich gegangen war. Und obwohl sich die ganze verrückte Szene für mich in erotischer Zeitlupe abspielte, war Beyoncé noch nicht einmal fertig mit ihrem Song für die Singlefrauen.

Hunter ließ die Hand zu meinem Knie hinuntergleiten, drückte es und beugte sich vor. »Versuch nicht, mir weiszumachen, ich wäre der Einzige, der das hier spürt.«

Der DJ bat alle zu applaudieren, und Hunter küsste mich auf die Wange, stand auf und hielt mir die Hand hin, um mir aufzuhelfen. Ich war immer noch wie betäubt.

Anna zog die Brauen zusammen. »Ist alles in Ordnung?«

Ich räusperte mich. »Ich brauche einen Drink.«

»Wie wäre es, wenn wir zu viert zur Bar gehen?«, schlug Annas neuer Ehemann vor.

Ein Drink führte zum zweiten, der zweite zum dritten und der dritte zu …

3. Kapitel

Natalia

Gott, ich fühle mich schrecklich.

Mein Kopf pochte, und meine Muskeln schmerzten. Ohne den Kopf zu heben, blickte ich mich im Zimmer um und sah meinen Koffer auf der Ablage in der Ecke – Gott, ich kann mich noch nicht einmal erinnern, wie ich ins Hotelzimmer zurückgekommen bin. Aber ich war verdammt froh, dass ich hier war und nicht nebenan. Ich versuchte, mir meine letzte Erinnerung ins Gedächtnis zu rufen. Ich hatte den Strauß gefangen, Hunter das Strumpfband, seine Hand unter meinem Kleid.

Oh, Gott. Ich fühlte mich total beschissen, doch bei der Erinnerung regte sich immer noch etwas in mir.

Wir waren zu viert zur Bar gegangen – Anna, Derek, Hunter und ich. Hunter trank auf die drei wichtigsten Dinge im Leben – eine volle Flasche, einen treuen Freund und eine wunderschöne Frau – und auf den Mann, der das alles hatte. Ich erinnerte mich, dass man Anna und Derek rief, um einige Bilder zu machen, Hunter uns noch eine Runde bestellte und mir Kindheitsgeschichten von sich und Derek erzählte. Er war eindeutig von Natur aus ein Charmeur, aber die Art, wie er von seinem Freund sprach, hatte auch etwas Liebenswertes.

Danach versank meine Erinnerung im Nebel. Ich konnte mich beim besten Willen nicht erinnern, wie ich die Party verlassen hatte oder ins Hotel zurückgekommen war. Ich griff nach dem Telefon auf meinem Nachttisch, um nach der Uhrzeit zu sehen. Mist. Es war fast zehn, mein Flug ging um eins. Ich wollte gerade meinen müden Hintern aus dem Bett schaffen, als mich ein Laut erstarren ließ.

Es klang wie ein Schnarchen.

Ein Schnarchen mit einem tiefen Vibrato.

Ich hatte auf der Seite gelegen, jetzt riss ich den Kopf herum, um den Ursprung des Lautes ausfindig zu machen.

Und erstarrte.

Erstarrte.

Ich war mir ziemlich sicher, dass mein Herz ein oder zwei Schläge aussetzte.

Neben mir im Bett lag ein Mann, das Gesicht von mir abgewandt. Und an den breiten Schultern erkannte ich, dass es sich nicht um irgendeinen Mann handelte. Doch ich brauchte Gewissheit. Ich hielt den Atem an, beugte mich über den breiten Körper und linste in das Gesicht. Just, als ich Hunter identifiziert hatte, ließ er ein weiteres lautes Schnarchen ertönen, und ich sprang aus dem Bett. Um ihn nicht zu wecken, blieb ich still stehen, sobald ich die Beherrschung wiedererlangt hatte.

Mist. Was habe ich getan?

Mit rasendem Herzen schlich ich auf Zehenspitzen ins Bad und versuchte verzweifelt, mich an die letzte Nacht zu erinnern – an irgendetwas, das Hunter Delucia in meinem Zimmer betraf.

In mir.

Das war schlimmer als meine schlimmste Nacht auf dem College. Wieso konnte ich mich an nichts erinnern? Mein Spiegelbild gab mir die Antwort – ich sah aus wie der wandelnde Tod. Mein rabenschwarzes Haar hing als wirrer Ball an meinem Kopf, überall hingen Nadeln heraus. Meine normalerweise helle Haut wirkte noch blasser als üblich, und meine grünen Augen waren gerötet und geschwollen.

Dann endlich blickte ich an mir herunter. Ich trug ein T-Shirt und eine Jogginghose und darunter BH und Slip. Nicht nur, dass ich mich nicht daran erinnern konnte, mich überhaupt angezogen zu haben. Ich fragte mich auch, warum ich angezogen war. Wenn ich den BH einmal ausgezogen hatte, zog ich ihn doch nicht wieder an. Ganz zu schweigen davon, dass ich nicht prüde mit meinem Körper war – es war nicht meine Art, mich nach einer leidenschaftlichen Nacht wieder komplett anzuziehen.

War es möglich, dass wir zusammen in einem Bett geschlafen hatten, ohne Sex zu haben?

Ich griff in meine Jogginghose und tastete meine Genitalien ab. Ich war kein bisschen wund. Obwohl das noch kein Beweis war – vielleicht war der Riese von einem Mann, der derzeit in meinem Bett schnarchte, anatomisch nicht konsequent gebaut und zudem ein zärtlicher Liebhaber. Doch beides schien mir nicht sehr wahrscheinlich.

Ich suchte im Abfalleimer nach Hinweisen auf ein Kondom und untersuchte, ob die Handtücher benutzt worden waren, um damit letzte Nacht etwas fortzuwischen. Nichts. Dennoch war ich vollkommen aufgelöst – ich sah aus, als hätte ich wilden, hemmungslosen Sex gehabt …

Leider – oder vielleicht auch zum Glück – blieb mir keine Zeit darüber zu grübeln, was geschehen war. Wenn ich nicht in einer Viertelstunde zum Flughafen aufbrach, würde ich meinen Flug verpassen.

Ich duschte schnell, trocknete mich ab und schlich auf Zehenspitzen zu meinem Koffer. Ich sammelte meine Kleider ein, doch das Strumpfband, mit dem das ganze Chaos angefangen hatte, war nirgends zu finden. Ich war enttäuscht, dass ich es nicht als Andenken mitnehmen konnte.

Hunter rührte sich noch immer nicht. Vielmehr schnarchte er jetzt noch lauter und regelmäßiger. Ich zog mich eilig an, band das Haar zu einem Pferdeschwanz zusammen und rieb mir etwas Feuchtigkeitscreme ins Gesicht, dann stopfte ich alles in meinen Koffer.

Ich wollte mich gerade hinausschleichen, da übermannte mich der Gedanke, dass ich einfach wissen musste, was passiert war. Ich ließ den Koffer an der Tür stehen, damit ich schnell verschwinden konnte, und ging leise zu Hunters Seite des Bettes.

Anders als ich sah er heute Morgen noch genauso gut aus wie gestern Abend. Ich ließ mir einen Augenblick Zeit, den Anblick zu genießen. Sein kupferbraunes Haar war strubbelig, aber irgendwie machte ihn das noch attraktiver als die gestriegelte Frisur von gestern Abend. Dichte, dunkle Wimpern säumten die geschlossenen, mandelförmigen Augen – die von einem erstaunlich leuchtenden Blau waren, wie ich mich erinnerte.

Er schnarchte leise in einem gleichmäßigen Rhythmus weiter, darum holte ich tief Luft und trat näher zu ihm. Ich musste sehen, was unter der Decke war. Sein Oberkörper war nackt, aber trug er darunter eine Unterhose?

Noch ein Schritt.

Wieder blieb ich stehen, um sein Gesicht zu betrachten, ehe ich die letzte Bewegung machte. Er schlief noch immer. Oder zumindest dachte ich das …

Ich streckte die Hand aus, fasste einen Zipfel der Bettdecke und hob sie ganz vorsichtig an. Dann beugte ich mich vor und spähte darunter.

Himmel Herrgott.

Er trug Boxershorts.

Aber … er hatte eine morgendliche Erektion. Eine riesige Beule wölbte sich unter der engen Hose. Unter keinen Umständen war dieses Ding in mir gewesen. Sonst wäre ich zumindest ein bisschen wund.

Erleichtert (aber auch mit dem merkwürdigen Gefühl von Bedauern und Verlangen danach, dieses beeindruckende Gemächt zu sehen), ließ ich die Decke zurücksinken und wandte mich zum Gehen. Da schloss sich eine kräftige Hand um mein Handgelenk.

»Du würdest dich daran erinnern, Süße. Glaub mir.« Hunters heisere Stimme klang eine Spur amüsiert.

»Ich … ich habe etwas gesucht.«

Er zog eine Augenbraue nach oben. »Ach ja? Was denn?«

»Meinen Schuh.«

Seine Mundwinkel zuckten. »Welche Farbe hat er?«

Ich musste scharf nachdenken, welche Schuhe ich eigentlich auf die Reise mitgenommen hatte. »Schwarz mit einer silbernen Schnalle.«

Hunters Blick fiel auf meine Füße. Fuck.

Er sah wieder zu mir hoch. »Hab ihn gefunden.«

Um seinem durchdringenden Blick auszuweichen, starrte ich auf meine Schuhe. »Ach, wie dumm von mir. Ich hab verschlafen und bin völlig durch den Wind. Ich muss mich beeilen, sonst verpasse ich meinen Flug.« Ich wollte mich losmachen, doch sein Griff um mein Handgelenk wurde stärker.

»Du gehst nirgendwohin, ehe du nicht zwei Dinge getan hast.«

»Zwei Dinge?«

»Gib mir deine Nummer und einen Abschiedskuss.«

»Ich … ich … Du hast dir nicht die Zähne geputzt.«

Hunter lachte. Ich hatte das Gefühl, dass er meinen ganzen Quatsch durchschaute. Er griff nach seinem Telefon auf dem Nachttisch und hielt es mir hin, dann stand er auf. »Ist noch Zahnpasta im Bad?«

»Die kleine Tube vom Hotel.«

»Ich putze mir die Zähne. Du gibst deine Nummer ein.«

Während er im Bad war, überlegte ich, einfach nichts in sein Telefon zu tippen. Unter keinen Umständen wollte ich mit einem Mann in Kontakt bleiben, der dreitausend Meilen weit weg wohnte. Ein Typ wie er war das Letzte, was ich brauchte. Doch dann überlegte ich mir, dass es doch besser war, nicht nur zu behaupten, ich hätte meine Nummer eingegeben. Er schien mich ziemlich schnell zu durchschauen. Darum tippte ich stattdessen Name und Nummer ein, vertauschte aber die letzten beiden Ziffern.

Und das war gut so, denn als Hunter aus dem Bad zurückkehrte, sah er als Erstes nach, ob ich etwas eingegeben hatte. Zum Glück probierte er nicht, mich anzurufen. Zufrieden warf er das Telefon aufs Bett und nickte.

»Danke. Jetzt küss mich.«

Es war klar, dass er mich sonst nicht gehen lassen würde. Damit ich mein Flugzeug nicht verpasste, opferte ich mich deshalb, stellte mich auf die Zehenspitzen und gab ihm einen flüchtigen Kuss auf die Lippen.

Mmmh … angenehm weich. (Und minzig frisch.)

»Also … es war nett, dich kennenzulernen.« Ich wandte mich ab, um aus der Tür zu flitzen, doch Hunter packte mich erneut am Handgelenk.

»Ich sagte Küss mich.«

»Das habe ich!«

»Küss mich so, wie du mich gestern Nacht geküsst hast.«

Bevor seine Worte überhaupt ganz bei mir angekommen waren, riss Hunter mich an sich. Mit seiner großen Hand umfasste er meinen Nacken und führte meinen Kopf dorthin, wo er ihn haben wollte. Dann presste er seine Lippen auf meine.

Meine Empörung darüber, plötzlich seinen Mund auf meinem zu spüren, verpuffte rasch, als er mit der Zunge über meine Lippen strich und mich aufforderte, sie für ihn zu öffnen. Als ich seinem Drängen nachgab, stöhnte er auf und neigte meinen Kopf nach hinten. Der Laut vibrierte zwischen uns und trieb ein Kribbeln durch meinen Körper. Anschließend warfen wir jegliche Zurückhaltung über Bord. Er packte meinen Hintern, und ich sprang an ihm hoch und schlang die Beine um seine Taille. Als er uns gegen die Wand drückte, hatte ich eine Art Déjà-vu. Ich konnte mich nicht an die Einzelheiten unseres letzten Kusses erinnern, aber jetzt wusste ich tief im Inneren wieder, wie er sich angefühlt hatte.

Ich ließ das Handy fallen, schob meine Finger in sein Haar, krallte mich an ihn und konnte nicht genug bekommen. Ein Stöhnen löste sich tief aus meiner Brust und drängte sich durch unsere miteinander verschmolzenen Lippen. Hunter schob sich fester gegen mich und presste seine heftige Erektion zwischen meine gespreizten Beine. Während er mich küsste, bewegte er sich leicht hin und her. Und selbst durch zwei Lagen Stoff erzeugte er mit dieser Reibung Gefühle, von denen ich nicht geglaubt hatte, sie vollkommen bekleidet überhaupt erleben zu können.

Es fühlte sich an, als wollte er mich verschlingen, und in diesem Moment hätte ich das zugelassen. Meine Brüste waren an seine Brust gedrängt, und ich spürte einen wilden Herzschlag – war es seiner oder meiner? Gott, wo lernte ein Mann, so zu küssen?

Als er den Kuss unterbrach, war ich außer Atem und sprachlos. Hunter saugte an meiner Unterlippe, dann ließ er von meinem Mund ab.

Seine Stimme klang angespannt. »Buch deinen Flug um. Wir sind hier noch nicht fertig.«

Ich schluckte und versuchte, meine Fassung wiederzuerlangen. »Ich kann nicht.« Meine Stimme war kaum mehr als ein Flüstern. Mehr brachte ich nicht zustande.

»Kannst du nicht, oder willst du nicht?«

»Ich kann nicht. Heute kommt Izzy zurück.«

Hunter zog den Kopf zurück und gab mir etwas Platz zum Atmen. Und zum Sprechen. »Izzy?«

»Meine Stieftochter, die mich nicht ausstehen kann.«

4. Kapitel

Hunter – Zwölf Jahre zuvor

Verdammt. Ich gehe auf die falsche Schule.

Es war der heißeste Tag, an den ich mich erinnern konnte. Im Autoradio hieß es, es seien schon vierzig Grad, und die ungewöhnliche Feuchtigkeit in Los Angeles machte die Temperatur unerträglich. Da mir bis zu dem Treffen mit meinem Bruder noch einige Stunden Zeit blieben und ich mich auf seinem Campus nicht auskannte, setzte ich mich auf eine Backsteintreppe. Sie lag gegenüber von einem offenen Platz mit einem großen, runden Brunnen, und ich hoffte, dass dort ein leichtes Lüftchen ging. Das Lüftchen kam nicht, dafür aber etwas viel Besseres. Das bezauberndste Mädchen, das ich je gesehen hatte, trat an den gut dreißig Meter entfernten Brunnen, streifte sich die Schuhe ab, stieg auf die Umrandung und sprang hinein. Sie tauchte unter und wieder auf, schnappte nach Luft und strich sich das nasse blonde Haar aus dem Gesicht.

Passanten blickten zu ihr hinüber, doch sie schien sie nicht zu bemerken oder sich kein bisschen um sie zu scheren. Sie ließ sich auf dem Rücken im Wasser treiben, das vermutlich nur einen halben Meter tief war. Das Lächeln auf ihrem Gesicht war ansteckend, und ich merkte, dass ich sie fasziniert beobachtete. Vor einem knappen Monat war meine Mutter gestorben, und es kam mir vor, als hätte ich mich ewig nicht so glücklich und frei gefühlt.

Nach wenigen Minuten setzte sich das Mädchen auf und blickte in meine Richtung. »Kommst du mit rein, oder glotzt du nur wie ein Spanner?«

Ich blickte mich um. Meinte sie tatsächlich mich? Niemand anders war in der Nähe. Also stand ich auf und ging zum Brunnen.

»Ist das so eine Art Initiationsritus der Studentenvereinigung?«

Sie lächelte. »Wärst du beruhigt, wenn ich Ja sage? Du hast mich nämlich von da drüben angesehen, als wäre ich nicht ganz dicht.«

»Das stimmt nicht.«

»Für mich hat es so ausgesehen.«

Ich streifte die Schuhe ab und stieg in den Brunnen. »Ich habe dich angesehen und mich gefragt, ob du immer so lächelst oder ob dich die Abkühlung einfach so glücklich macht.«

Sie legte den Kopf schief und musterte mich. »Was gibt es für einen Grund, nicht glücklich zu sein? Schließlich leben wir, oder etwa nicht?«

Das kühle Wasser fühlte sich verdammt gut an. Eine Weile ließen wir uns schweigend treiben. Jedes Mal, wenn einer von uns den anderen dabei erwischte, dass er ihn beobachtete, lächelten wir.

»Ich bin Summer«, sagte sie schließlich.

»Hunter.«

»Magst du die Hitze?«

»Nicht diese.«

»Was ist deine Lieblingsjahreszeit, Hunter?«

Ich grinste. »Der Sommer.«

Sie paddelte an den Rand des Brunnens, stützte sich mit den Ellbogen auf dem Rand ab und betrachtete die nie versiegende Fontäne in der Mitte. Ich tat es ihr gleich, stützte mich neben ihr ab und bemühte mich, nicht auf ihre Nippel zu starren, die sich unter dem nassen T-Shirt abzeichneten. Keine leichte Aufgabe.

Summer wandte sich zu mir um. »Studierst du hier an der Uni?«

»Nein, aber mein Bruder. Ich bin übers Wochenende zu Besuch. Und du? Studierst du hier, oder wolltest du dich nur in dem Brunnen abkühlen?«

Ihr Lächeln blendete mich wie die Sonne. »Ich studiere hier. Kunst im Hauptfach.«

Sie stieß sich vom Rand ab und schwamm auf die andere Seite des Brunnens. Ich beobachtete sie, ihr spontanes Verhalten faszinierte mich. Nachdem sie sich einen neuen Platz gesucht hatte, legte sie die Hände um den Mund und schrie, obwohl der Brunnen nicht gerade groß war: »Wahrheit oder Pflicht?«

Das Mädchen war seltsam. Und hinreißend. Wer hätte gedacht, dass seltsam und hinreißend eine derart anziehende Mischung sein konnten.

»Wahrheit«, rief ich zurück.

Sie verzog das Gesicht zu einer bezaubernden Grimasse und tippte sich nachdenklich mit dem Finger ans Kinn. Als sie wusste, was sie fragen wollte, hellte sich ihre Miene derart auf, dass nur die Blase mit der Glühbirne über ihrem Kopf fehlte. Ich schmunzelte in mich hinein.

»Was macht dir am meisten Angst?«, schrie sie.

Eine normale Antwort wäre »Der Tod« gewesen, schließlich hatte ich gerade erst meine Mutter verloren. Oder vielleicht hätte ich etwas Typisches wie »Spinnen« oder »Höhe« antworten sollen. Doch stattdessen tat ich, was mich immer in Schwierigkeiten brachte – ich antwortete unumwunden ehrlich.

»Dass du mir das Herz brichst.«

5. Kapitel

Natalia

Als ich gerade die Treppe hinunterlief, um mit dem Zug zurück in die Stadt zu fahren, klingelte mein Handy. Da es Anna war, trat ich zurück auf den Bürgersteig, um das Netz nicht zu verlieren. Ich hatte es nicht eilig, nach Hause zu kommen.

»Hey, Mrs. Weiner.«

Sie seufzte. »Wirst du meinen neuen Nachnamen jemals aussprechen können, ohne dich darüber lustig zu machen?«

»Ich würde mich nicht darauf verlassen. Ich kann immer noch nicht glauben, dass du Anna B. Goodwin aufgegeben hast, um Anna B. Weiner zu werden.«

»Ich ignoriere deinen übelgelaunten Kommentar, weil ich im siebten Himmel bin.«

»Übelgelaunten Kommentar? Die Ausdrucksweise deines neuen Ehemanns färbt auf dich ab.«

Sie lachte. »Ich bin auf dem Weg zum Flughafen. Wir fliegen gleich nach Aruba, aber ich wollte dich um etwas bitten.«

»Was gibt’s?«

»Hunter nervt meinen Mann, weil er deine Telefonnummer haben will. Er sagt, du hättest sie ihm gegeben, müsstest dich aber vertippt haben. Hast du ihm eine falsche Nummer genannt?«

»Nope. Ich habe die richtige Nummer eingegeben, um Eden zu erreichen.«

»Eden? Erzähl mir nicht, dass du immer noch Telefonsexnummern an achtundzwanzigjährige Männer verteilst?«

»Natürlich nicht.«

»Wer ist dann Eden?«

»Eine Escortdame, die zufällig eine sehr ähnliche Nummer hat wie ich.«

Anna seufzte. »Dann willst du wohl nicht, dass Hunter deine Telefonnummer bekommt?«

»Er ist ein Playboy, der dreitausend Meilen weit weg wohnt. Wozu?«

»Verstehe. Obwohl er wirklich ein toller Typ ist. Ich dachte, zwischen euch würde die Chemie stimmen.«

»Mit Chemie zu spielen führt zu Explosionen.«

»Gut. Derek gibt ihm deine Nummer nicht – obwohl er ihn schon seit Tagen deshalb nervt.« Sie stieß die Luft aus. »Wie geht es Izzy? Hat sie die Woche mit ihrer Großmutter genossen?«

»Sie sagte, sie würde nie wieder dorthin gehen. Ich gebe es ja nur ungern zu, aber ich habe mich ein bisschen gefreut, dass sie sie ebenfalls verabscheut.«

»Ihr zwei habt eine Pause gebraucht.«

Meine Stieftochter Isabella wohnte jetzt seit zwei Jahren bei mir. Nun ja, eigentlich schon seit drei Jahren, denn Garrett und ich hatten nach dem Tod seiner Exfrau das Sorgerecht für sie erhalten. Als Izzy in der siebten Klasse war, verlor sie ihre Mutter an Krebs. Dann, in der Mitte der achten Klasse – am 31. Oktober, um genau zu sein –, verlor sie auch noch ihren Vater. Diesmal allerdings nicht aufgrund einer Krankheit. Auf dem Höhepunkt der Halloween-Party, die wir veranstalteten, wurde mein Mann verhaftet, weil er mit seiner angesehenen Investmentfirma ein Schneeballsystem betrieben hatte. Zu jenem Zeitpunkt trug er ein Piratenkostüm – Ironie vom Feinsten.

»Ja, wir haben eine Pause gebraucht. Seit ich wieder zu Hause bin, ist sie einigermaßen nett zu mir. Aber das wird sich wieder ändern. Sonntag ist Besuchstag. Nach den Besuchen bei Garrett ist sie immer eine Woche lang noch zickiger. Und diesen Monat habe ich ihn per Brief gebeten, ihr zu sagen, dass sie nach diesem Jahr von der Privatschule auf eine öffentliche Schule wechseln muss. Ich kann mir das nicht mehr leisten. Darum wird sie besonders gereizt sein.«