Besteuerung bei Insolvenz - Gerrit Frotscher - E-Book

Besteuerung bei Insolvenz E-Book

Gerrit Frotscher

0,0

Beschreibung

Das Werk enthält eine kompakte Darstellung des Insolvenzsteuerrechts und der zur Problemlösung erforderlichen Grundlagen des Insolvenzrechts. Es bietet zu den in der Beratungspraxis auftretenden insolvenzsteuerlichen Fragestellungen Lösungsvorschläge, die eine sichere Beurteilung der Rechtsfragen ermöglichen. Die Gesamtdarstellung des gegenwärtigen Rechtszustandes behandelt die folgenden Bereiche: - Allgemeines Insolvenzsteuerrecht - Materielles Insolvenzsteuerrecht - Formelles Insolvenzsteuerrecht - Befreiung des Schuldners von seinen Verbindlichkeiten - Grenzüberschreitende InsolvenzverfahrenDie systematische Aufbereitung mit zahlreichen Beispielen und die kritische Auseinandersetzung mit Verwaltungsmeinung und BFH-Rechtsprechung machen dieses Buch zu einem wichtigen Ratgeber für die tägliche Praxis. Rechtsstand: 01.01.2021  

Sie lesen das E-Book in den Legimi-Apps auf:

Android
iOS
von Legimi
zertifizierten E-Readern

Seitenzahl: 712

Das E-Book (TTS) können Sie hören im Abo „Legimi Premium” in Legimi-Apps auf:

Android
iOS
Bewertungen
0,0
0
0
0
0
0
Mehr Informationen
Mehr Informationen
Legimi prüft nicht, ob Rezensionen von Nutzern stammen, die den betreffenden Titel tatsächlich gekauft oder gelesen/gehört haben. Wir entfernen aber gefälschte Rezensionen.



[7]Inhaltsverzeichnis

Hinweis zum UrheberrechtImpressumVorwortAbkürzungsverzeichnisTeil 1: Allgemeines Insolvenzsteuerrecht1 Verhältnis von Insolvenzordnung und Steuerrecht2 Die steuerrechtliche Stellung des Insolvenzschuldners2.1 Verlust des Verwaltungs- und Verfügungsrechts2.2 Auswirkungen auf das materielle Steuerrecht2.2.1 Steuerrechtliche Stellung des Insolvenzschuldners2.2.2 Besonderheiten der einkommensteuerlichen Stellung2.2.3 Besonderheiten der umsatzsteuerlichen Stellung2.3 Die Stellung des Insolvenzschuldners im formellen Steuerrecht2.4 Stellung des Schuldners bei Bestellung eines vorläufigen Insolvenzverwalters3 Die steuerrechtliche Stellung des Insolvenzverwalters und des Zwangsverwalters3.1 Der Insolvenzverwalter als über die Masse Verwaltungs- und Verfügungsberechtigter3.2 Die Stellung des Insolvenzverwalters im formellen Steuerrecht3.2.1 Allgemeine Rechte und Pflichten3.2.2 Handelsrechtliche und steuerrechtliche Buchführungspflichten3.2.3 Steuererklärungspflichten3.3 Haftung des Insolvenzverwalters3.4 Stellung des vorläufigen Insolvenzverwalters3.5 Stellung des Sachwalters und des Treuhänders3.6 Stellung des Zwangsverwalters4 Die steuerrechtliche Stellung der Insolvenzmasse4.1 Die Insolvenzmasse als dem Insolvenzschuldner zuzurechnendes Vermögen4.2 Zugehörigkeit von Steuererstattungsansprüchen zur Insolvenzmasse5 Die Stellung des Geschäftsführers und des VerfügungsberechtigtenTeil 2: Materielles Insolvenzsteuerrecht (Insolvenzsteuerschuldrecht)1 Die Steuerforderung als Insolvenzforderung nach § 38 InsO 1.1 Einordnung der Steuerforderung als Insolvenzforderung1.2 Nicht fällige, nicht entstandene und auflösend bedingte Steuerforderungen1.2.1 Nicht fällige Steuerforderungen1.2.2 Noch nicht entstandene Steuerforderungen1.2.3 Auflösend bedingte Steuerforderungen2 Masseverbindlichkeiten 2.1 Einordnung der Steuerforderungen2.2 Steuerforderungen und Erstattungsansprüche bei Neuerwerb2.3 Geltendmachen der Masseverbindlichkeiten 2.4 Masseverbindlichkeiten bei Masseunzulänglichkeit3 Aussonderung und Absonderung3.1 Aussonderung 3.2 Absonderung4 Aufrechnung4.1 Allgemeine Voraussetzungen4.2 Aufrechnung bei bedingten oder noch nicht fälligen Forderungen4.3 Aufrechnungsverbote 4.4 Begründetsein von Forderung und Gegenforderung4.5 Aufrechnungsverbot bei Masseverbindlichkeiten 5 Insolvenzanfechtung und Anfechtung nach dem AnfG 6 Einkommensteuer in der Insolvenz6.1 Der Begriff des Einkommens in der Insolvenz des Steuerpflichtigen6.2 Entstehung und Zurechnung der Einkünfte im Insolvenzverfahren6.2.1 Grundlegung 6.2.2 Gesamtbetrag der Einkünfte und Verlustausgleich6.2.4 Verlustabzug6.3 Besteuerung von Ehegatten im Insolvenzverfahren6.3.1 Einzel- und Zusammenveranlagung im Insolvenzverfahren6.3.2 Verlustausgleich bei Zusammenveranlagung 6.3.3 Verlustabzug nach § 10d EStG 6.3.4 Geltendmachen der Steuerschuld6.3.5 Erstattungsansprüche bei Zusammenveranlagung 6.3.6 Durchführung der Einzelveranlagung6.4 Die Einkommensteuer als Masseverbindlichkeit oder Insolvenzforderung6.5 Aufteilung der Einkommensteuerschuld – Praktische Durchführung6.6 Versteuerung der stillen Reserven6.7 Einkommensteuer bei abgesonderter Befriedigung6.7.1 Zivilrechtliche Grundlagen6.7.2 Insolvenzrechtliche Einordnung der Einkommensteuerschuld 6.8 Insolvenzrechtliche Probleme der Personengesellschaft6.8.1 Stellung der Personengesellschaft und der Gesellschafter6.8.2 Insolvenzrechtliche Einordnung der Steuerforderungen6.9 Durchsetzung der Einkommensteuerschuld im Insolvenzverfahren6.9.1 Einkommensteuerabschlusszahlung 6.9.2 Einkommensteuervorauszahlung 6.9.3 Anrechenbare Steuerabzüge6.9.4 Anrechnung der Vorauszahlungen und Steuerabzugsbeträge auf die Einkommensteuerschuld 6.10 Veranlagung im Insolvenzverfahren7 Körperschaftsteuer8 Lohnsteuer8.1 Insolvenz des Arbeitnehmers8.2 Insolvenz des Arbeitgebers8.2.1 Lohnsteuerabzug im Insolvenzverfahren8.2.2 Pauschalierung der Lohnsteuer8.3 Auf die Bundesagentur für Arbeit übergegangene Lohnansprüche8.4 Lohnsteuer bei vorläufiger Insolvenzverwaltung9 Gewerbesteuer9.1 Gewerbesteuerpflicht nach Eröffnung des Insolvenzverfahrens9.2 Veranlagung9.3 Aufteilung der Gewerbesteuerschuld9.4 Verlustvortrag9.5 Geltendmachen der Gewerbesteuer als Insolvenzforderung9.6 Sonderbetriebsvermögen bei Personengesellschaften10 Umsatzsteuer10.1 Die Umsatzsteuer aufgrund von Handlungen des Schuldners10.1.1 Vor Eröffnung des Insolvenzverfahrens ausgeführte Lieferungen und sonstige Leistungen10.1.2 Umsatzsteuer auf Vorauszahlungen10.1.3 Sonstige umsatzsteuerliche Ansprüche10.1.4 Geltendmachen der Umsatzsteuerforderung10.2 Umsatzsteuer aufgrund von Handlungen des Insolvenzverwalters10.3 Vorsteuer im Insolvenzverfahren10.3.1 Allgemeines10.3.2 Berichtigung des Vorsteuerabzugs10.4 Umsatzsteuerliche Probleme nicht vollständig erfüllter Verträge (insbesondere Werkverträge)10.4.1 Zivilrechtliche und steuerrechtliche Grundlagen10.4.2 Werkverträge über Bauleistungen10.4.3 Sonstige Werkverträge10.5 Freigabe von Massegegenständen10.5.1 Insolvenzrechtliche Grundlagen10.5.2 Umsatzsteuerliche Würdigung10.6 Umsatzsteuer bei abgesonderter Befriedigung (insbesondere Sicherungsübereignung)10.6.1 Insolvenzrechtliche Grundlagen10.6.2 Umsatzsteuerliche Behandlung10.7 Besonderheiten bei Organschaftsverhältnissen10.8 Ermittlung der Umsatzsteuerschuld11 Probleme der übrigen Steuerarten im Insolvenzverfahren11.1 Billigkeitsmaßnahmen im Insolvenzverfahren11.2 Grunderwerbsteuer 11.3 Erbschaftsteuer11.4 Grundsteuer11.5 Kraftfahrzeugsteuer11.6 Investitionszulage11.7 Zölle und andere Grenzabgaben11.8 Verbrauch- und VerkehrsteuernTeil 3: Formelles Insolvenzsteuerrecht (Verfahrensrecht)1 Insolvenzantrag2 Steuerforderungen als Insolvenzforderungen2.1 Unterbrechung der Steuerverfahren2.2 Anmeldung der Steuerforderung2.3 Das Widerspruchsverfahren2.3.1 Verfahrensgrundsätze2.3.2 Feststellung durch Erlass eines Verwaltungsaktes2.3.3 Feststellung durch Aufnahme der unterbrochenen Verfahren2.3.4 Bestandskräftige Verwaltungsakte in der Insolvenz3 Steuerforderungen als Masseverbindlichkeiten im Insolvenzverfahren4 Steuererstattungsansprüche5 Steuerverfahren bei vorläufiger Insolvenzverwaltung6 Durchsetzung von Steuerforderungen gegenüber dem Insolvenzschuldner6.1 Beitreibung von Insolvenzforderungen6.1.1 Fortsetzung des Verfahrens bei Bestreiten6.1.2 Fortsetzung des Steuerfestsetzungsverfahrens aus sonstigen Gründen6.2 Beitreibung von Masseverbindlichkeiten 6.3 Durchsetzung von Steuerforderungen nach InsolvenzbeendigungTeil 4: Befreiung des Schuldners von seinen Verbindlichkeiten1 Insolvenzplan2 Restschuldbefreiung3 VerbraucherinsolvenzverfahrenTeil 5: Grenzüberschreitende Insolvenzverfahren1 Insolvenzrechtliche Grundlagen2 Besteuerung bei grenzüberschreitender InsolvenzLiteraturverzeichnisStichwortverzeichnis
[1]

Hinweis zum Urheberrecht

Schäffer-Poeschel Verlag für Wirtschaft - Steuern - Recht GmbH

[4]Bibliografische Information der Deutschen Nationalbibliothek

Die Deutsche Nationalbibliothek verzeichnet diese Publikation in der Deutschen Nationalbibliografie; detaillierte bibliografische Daten sind im Internet über http://dnb.dnb.de/ abrufbar.

Print:

ISBN 978-3-7910-4928-1

Bestell-Nr. 13030-0001

ePub:

ISBN 978-3-7910-4929-8

Bestell-Nr. 13030-0100

ePDF:

ISBN 978-3-7910-5039-3

Bestell-Nr. 13030-0150

Gerrit Frotscher

Besteuerung bei Insolvenz

9. Auflage, März 2021

© 2021 Schäffer-Poeschel Verlag für Wirtschaft · Steuern · Recht GmbH

www.schaeffer-poeschel.de

[email protected]

Produktmanagement: Rudolf Steinleitner

Lektorat: Claudia Lange

Dieses Werk einschließlich aller seiner Teile ist urheberrechtlich geschützt. Alle Rechte, insbesondere die der Vervielfältigung, des auszugsweisen Nachdrucks, der Übersetzung und der Einspeicherung und Verarbeitung in elektronischen Systemen, vorbehalten. Alle Angaben/ Daten nach bestem Wissen, jedoch ohne Gewähr für Vollständigkeit und Richtigkeit.

Schäffer-Poeschel Verlag Stuttgart

Ein Unternehmen der Haufe Group

[5]Vorwort

Die 9. Auflage des Standardwerks zum »Insolvenzsteuerrecht« erscheint in neuem Gewand zu einem Zeitpunkt, in dem das Insolvenzrecht und damit auch das Insolvenzsteuerrecht eine ungeahnte Bedeutung erlangt. Die Covid-19-Pandemie hat viele an sich gesunde Unternehmen in erhebliche finanzielle Schwierigkeiten gebracht. Der Staat versucht, mit Hilfen in einmaliger Größenordnung gegen einen massenhaften Zusammenbruch von Unternehmen anzukämpfen. Außerdem wurde die Insolvenzantragspflicht nach § 15a InsO bei Corona-bedingter Überschuldung und Zahlungsunfähigkeit bis zum 30.09.2020, für Überschuldung sogar bis zum 31.12.2020, ausgesetzt sowie das Anfechtungsrecht des Insolvenzverwalters eingeschränkt. Diese Regelungen gelten auch, soweit Steuerforderungen betroffen sind.

Staatliche Maßnahmen zur Corona-bedingten Änderung des Insolvenzsteuerrechts hat es demgegenüber bisher nicht gegeben. Der Staat besteht daher auch in der Corona-Krise uneingeschränkt auf seinem Steueranspruch. Geklärt ist bisher durch die Rechtsprechung nur, dass die Corona-Beihilfen unpfändbar sind und daher nicht zu der Insolvenzmasse gehören (hierzu S. 54).

Ob diese Maßnahmen geeignet sind, die von vielen befürchtete Welle von Insolvenzen zu verhindern oder wenigstens abzumildern war bei Redaktionsschluss noch nicht zu übersehen.

In dieser Situation erlangt das Insolvenzsteuerrecht besondere Bedeutung. Die fiskalisch motivierte Gesetzgebung und die Rechtsprechung des BFH, die, durchaus im Gegensatz zu der Rechtsprechung des BGH, den Steuerforderungen in erheblichen Umfang einen Vorrang einräumen, kann zu einer Verschärfung der Situation führen. Die Bevorzugung der Steuerforderungen führt zu einer Verminderung der den anderen Gläubigern zur Verfügung stehenden Insolvenzmasse und kann dadurch zu Insolvenzen der Gläubigerunternehmen führen. Die Tendenz, Steuerforderungen im Interesse der Deckung des Finanzbedarfs des Staates zu begünstigen, kann daher leicht zur Verstärkung der »Insolvenzwelle« und damit mittelfristig zu einer Verminderung der Steuereinnahmen führen.

Beispiel für eine systemwidrige Begünstigung der Steuerforderungen ist etwa § 55 Abs. 4 InsO, wonach durch den »schwachen« vorläufigen Insolvenzverwalter verursachte Steueransprüche als Masseforderungen eingeordnet werden. Vom BMF wurde sogar der Vorschlag gemacht, dies auf den vorläufigen Eigenverwalter auszudehnen. Zu einer Begünstigung der Steuerforderungen führt auch die Rechtsprechung des V. Senats des BFH, wonach die Umsatzsteuer selbst bei durch den Schuldner vor dem Insolvenzantrag ausgeführte Lieferungen und sonstige Leistungen als Masseforderungen qualifiziert werden, wenn nur das Entgelt während der vorläufigen Insolvenzverwaltung oder nach Eröffnung des Insolvenzverfahrens eingeht. Diese Rechtsprechung, die nicht auf das insolvenzrechtliche »Begründetsein« der Steuerforderung, sondern auf die Erfüllung des steuerlichen Tatbestandes abstellt, haben die anderen Senate des BFH für [6]die anderen Steuerarten übernommen. Im Verhältnis zu Steuerforderungen gibt es daher eine »par conditio creditorum« nicht mehr.

Die 9. Auflage des bewährten Standardwerks zur »Besteuerung bei Insolvenz« enthält eine kritische Gesamtdarstellung des gegenwärtigen Rechtszustandes mit der Darstellung gelöster und einer tiefer gehenden Erörterung nicht gelöster Fragen. Die Darstellungsmethode der Vorauflagen wird beibehalten, indem die systematischen Grundlagen ermittelt und hieraus die Lösungen von Einzelfragen abgeleitet werden. Das Werk konzentriert sich, wie schon seine Vorgänger, auf die Darstellung der »insolvenzsteuerlichen« Fragen. Rein insolvenzrechtliche Fragestellungen sind soweit wie möglich ausgeklammert worden. Das vorliegende Werk kann und soll die insolvenzrechtliche Literatur nicht ersetzen. Soweit es für die Entwicklung von Lösungen zu Fragen der Behandlung von Steuerforderungen im Insolvenzverfahren erforderlich ist, wird die insolvenzrechtliche Rechtslage so weit wie notwendig dargestellt. Auf rein insolvenzrechtliche Institute und Fragestellungen wird aber nicht eingegangen.

Das Werk wendet sich an alle, die mit insolvenzsteuerrechtlichen Fragestellungen befasst sind, also an Insolvenzverwalter, Steuerberater, Finanzverwaltung, Insolvenz- und Finanzrichter und nicht zuletzt an die Wissenschaft.

Es wird wohl kaum ein Insolvenzverfahren geben, in dem die vielfältigen und schwierigen Fragen des Insolvenzsteuerrechts nicht eine erhebliche und wichtige Rolle spielen. Das vorliegende Werk will daran mitwirken, Klarheit bei diesen Fragen zu schaffen und zu interessengerechten Lösungen zu führen.

In dem Werk ist bis Dezember 2020 veröffentlichte Literatur und Rechtsprechung verarbeitet.

Hamburg, im Februar 2021

Prof. Dr. Gerrit Frotscher

[13]Abkürzungsverzeichnis

a. A.anderer Ansichta. a. O.am angegebenen OrteABl. LAmtsblatt der EUAbs.AbsatzAbschn.Abschnitta. E.am EndeAEAOAnwendungserlass zur AOAGAktiengesellschaftAktGAktiengesetzAnm.AnmerkungAOAbgabenordnungAufl.AuflageAZAktenzeichenBAGBundesarbeitsgerichtBBBetriebs-Berater (Zeitschrift)Bd.BandBdFBundesminister der FinanzenBeschl.BeschlussBespr.BesprechungBFHBundesfinanzhofBFHEEntscheidungssammlung des BFHBFH/NVSammlung der amtlich nicht veröffentlichten Entscheidungen des BFH (Zeitschrift)BGBBürgerliches GesetzbuchBGHBundesgerichtshofBGHZEntscheidungssammlung des Bundesgerichtshofs in ZivilsachenBl.BlattBMFBundesminister für FinanzenBSGBundessozialgerichtBStBl.Bundessteuerblattd.desDBDer Betrieb (Zeitschrift)ders.derselbed. h.das heißtdies.dieselbe, dieselbenDiss.DissertationDStRDeutsches Steuerrecht (Zeitschrift)DStZDeutsche Steuerzeitung (Zeitschrift)DZWIRDeutsche Zeitschrift für Wirtschafts- und Insolvenzrecht[14]EFGEntscheidungen der Finanzgerichte (Zeitschrift)EStGEinkommensteuergesetzEStREinkommensteuer-RichtlinienEUEuropäische UnionEuGHEuropäischer GerichtshofEWiREntscheidungen zum Wirtschaftsrechtff.folgendeFGFinanzgerichtFRFinanzrundschau (Zeitschrift)Fn.FußnoteGGesetzGewStDVGewerbesteuer-DurchführungsverordnungGewStGGewerbesteuergesetzGGGrundgesetzggf.gegebenenfallsGrEStGGrunderwerbsteuergesetzGrStGGrundsteuergesetzh. M.herrschende Meinungi. d. F.in der Fassungi. d. R.in der RegelInsOInsolvenzordnungInvZulGInvestitionszulagengesetzi. S. d.im Sinne desi. V. m.in Verbindung mitKGKommanditgesellschaftKOKonkursordnungKraftStGKraftfahrzeugsteuergesetzKStGKörperschaftsteuergesetzKStRKörperschaftsteuerrichtlinienKTSZeitschrift für InsolventrechtLAGLandesarbeitsgerichtLGLandgerichtLStDVLohnsteuer-Durchführungsverordnungm.mitm. E.meines ErachtensNJWNeue Juristische Wochenschrift (Zeitschrift)n.n.v.noch nicht veröffentlichtNr.NummerNWBNeue Wirtschaftsbriefe (Zeitschrift)NZANeue Zeitschrift für ArbeitsrechtNZINeue Zeitschrift für Insolvenz und SanierungOFDOberfinanzdirektion[15]OLGOberlandesgerichtRAOReichsabgabenordnungRev.RevisionRFHReichsfinanzhofRFHEEntscheidungssammlung des RFHRGZEntscheidungen des Reichsgerichts in ZivilsachenRStBl.ReichssteuerblattRz.RandzifferS.Satz; SeiteSGGSozialgerichtsgesetzStSteuerStAnpGSteueranpassungsgesetzStBerJBSteuerberaterjahrbuchStbg.Steuerberatung (Zeitschrift)StBpSteuerliche Betriebsprüfung (Zeitschrift)St. Rspr.Ständige RechtsprechungStSäumnGSteuersäumnisgesetzStuWSteuer und Wirtschaft (Zeitschrift)Tz.TextzifferUrt.UrteilUStUmsatzsteuerUStGUmsatzsteuergesetz (Mehrwertsteuer)URUmsatzsteuerrundschau (Zeitschrift)UVRUmsatzsteuer- und Verkehrssteuerrundschau (Zeitschrift)v.vomVerf.VerfasserVGVerwaltungsgerichtvgl.vergleicheVwGOVerwaltungsgerichtsordnungm. w. N.mit weiteren Nachweisenz.zumz. B.zum BeispielZInsOZeitschrift für das gesamte Insolvenz- und SanierungsrechtZIPZeitschrift für WirtschaftsrechtZPOZivilprozessordnungzust.zustimmendz. Zt.zur Zeit

[17]Teil 1: Allgemeines Insolvenzsteuerrecht

[19]1Verhältnis von Insolvenzordnung und Steuerrecht

Das Verhältnis des Insolvenzrechts zum Steuerrecht ist nur unvollkommen geregelt. Die Insolvenzordnung hat insoweit kaum wesentliche Verbesserungen gebracht.

Weder im Insolvenzrecht noch im allgemeinen oder besonderen Steuerrecht sind ausführliche Regeln darüber enthalten, wie die Eröffnung des Insolvenzverfahrens über das Vermögen eines Steuerpflichtigen auf die materielle Besteuerung und das Besteuerungsverfahren einwirkt. In Steuergesetzen ist das Insolvenzverfahren nur in den §§ 75 Abs. 2, 171 Abs. 13, 251 Abs. 2 und 3, 282 AO, § 11 Abs. 7 KStG, §§ 4, 16 GewStDV erwähnt. Von den steuerlichen Vorschriften ist für das Verhältnis zwischen Insolvenzrecht und Steuerrecht § 251 Abs. 2 AO besonders wichtig. Nach dieser Vorschrift bleiben die Regelungen der Insolvenzordnung unberührt. Über diesen Grundsatz hinaus enthält aber auch § 251 Abs. 2 AO keine umfassende Regelung der Behandlung der Steuerforderungen im Insolvenzverfahren.

Auch in der Insolvenzordnung werden ausdrücklich nur einzelne Probleme angesprochen, die bei der Teilnahme von Steuerforderungen am Insolvenzverfahren entstehen. Zu nennen sind die Vorschrift über die Einordnung der durch den vorläufigen Insolvenzverwalter begründeten Steuerforderungen als Masseverbindlichkeiten, vgl. § 55 Abs. 4 InsO, die Regelung der Zuständigkeit für den Streit über die angemeldete Insolvenzforderung, vgl. § 185 InsO, oder die umsatzsteuerliche Behandlung bei der abgesonderten Verwertung, vgl. §§ 170, 171 InsO. Die Insolvenzrechtsreform hat damit eine Reform des »Insolvenzsteuerrechts« ausgespart und lediglich einige rechtspolitisch umstrittene Fragen geklärt, wie den Wegfall der Vorrechte der Steuerforderungen und Einzelfragen der Behandlung der Umsatzsteuer bei abgesonderter Befriedigung.1

Diese mangelhafte Regelung des Insolvenzsteuerrechts geht zurück bis auf die Reichsabgabenordnung. Von Anfang an standen Rechtswissenschaft und Rechtsprechung daher vor der Aufgabe, sachliche Abgrenzungs- und Regelungskriterien aus einer sehr lückenhaften gesetzlichen Regelung abzuleiten.

Den Beginn der Versuche zur systematischen Klärung des Verhältnisses des Konkursrechts zum Steuerrecht bildete die Erkenntnis, dass die Reichsabgabenordnung das Konkursverfahren als gegeben hingenommen habe, und der daraus entwickelte Grundsatz »Konkursrecht geht vor Steuerrecht«.2 § 251 Abs. 2 AO, wonach die Insolvenzordnung »unberührt« bleibt, scheint diesen Grundsatz gesetzlich verankert zu haben. Bei der praktischen Rechtsanwendung hat [20]sich dieses Prinzip aber nicht als besonders hilfreich erwiesen. Es hat daher schon sehr bald Kritik erfahren und ist sogar in sein Gegenteil verkehrt worden (»Steuerrecht geht vor Konkurs-/Insolvenzrecht«).3 Der Grundsatz »Konkursrecht/Insolvenzrecht geht vor Steuerrecht« hat daher wohl letztlich mehr Verwirrung gestiftet als Klarheit gebracht.4 Eine Abgrenzung von Insolvenzrecht und Steuerrecht kann nämlich nicht nach abstrakten Grundsätzen, sondern nur nach dem Regelungsbereich des jeweiligen Rechtsgebiets erfolgen.

Ausgangspunkt für eine Bestimmung des Verhältnisses von Insolvenzrecht und Steuerrecht muss § 1 InsO sein. Nach dieser Vorschrift dient das Insolvenzverfahren der gemeinsamen Befriedigung der persönlichen Gläubiger, die einen zur Zeit der Eröffnung des Insolvenzverfahrens begründeten Vermögensanspruch gegen den Insolvenzschuldner haben (»par conditio creditorum«)5, dem Erhalt des Unternehmens des Insolvenzschuldners und der Befreiung des redlichen Insolvenzschuldners von seinen Verbindlichkeiten. Diese Zwecke des Insolvenzverfahrens erfordern es, alle persönlichen Gläubiger des Insolvenzschuldners in einem einheitlichen Verfahren zusammenzufassen und sie bestimmten Beschränkungen zu unterwerfen.6 Ohne diese Beschränkungen wären sowohl die gemeinschaftliche und gleichmäßige Befriedigung der Gläubiger als auch der Erhalt des Unternehmens und die Restschuldbefreiung nicht durchführbar.

Diese Zwecke des Insolvenzrechts erfordern eine Einbeziehung aller ihrem Wesen nach schuldrechtlichen Forderungen, ohne Rücksicht darauf, ob ihr Rechtsgrund im privaten oder öffentlichen Recht liegt. § 38 InsO, der die Abgrenzung der Insolvenzforderungen von den Masseverbindlichkeiten enthält, macht demgemäß auch keinen Unterschied nach dem Rechtsgrund der Forderung. Maßgebend für die Teilnahme am Insolvenzverfahren ist daher nicht, ob die Forderung ihren Rechtsgrund im privaten oder öffentlichen Recht hat, sondern nur, ob es sich um eine »persönliche«, d. h. schuldrechtliche Forderung handelt, und wann sie begründet worden ist. Dies ist die Bedeutung des § 251 Abs. 2 AO. Der unpräzise Ausdruck, die Vorschriften der Insolvenzordnung blieben »unberührt«, bedeutet, dass auch die Steuerforderungen in das Insolvenzverfahren einzubeziehen sind, um die Insolvenzzwecke nicht zu gefährden. Die Insolvenzzwecke der gleichmäßigen Befriedigung der Gläubiger, des Erhalts des Unternehmens und der Restschuldbefreiung des Insolvenzschuldners verbieten einen »Wettlauf« der Gläubiger, mit den Mitteln der Individualvollstreckung die individuell beste Befriedigung zu suchen. Daraus folgt die in § 87 InsO enthaltene Regelung, dass Insolvenzgläubiger ihre Forderungen nur nach den Vorschriften über das Insolvenzverfahren verfolgen können, sowie das in § 89 Abs. 1 InsO ausgesprochene Verbot der Individualvollstreckung.

[21]Da das Insolvenzrecht nicht nach dem Rechtsgrund der Forderung differenziert, gilt diese Regelung auch für Steuerforderungen. Ein »Wettlauf« der Gläubiger um die individuell beste Befriedigung stört den Insolvenzzweck nicht nur, wenn es sich um privatrechtliche Forderungen handelt, sondern auch, wenn die Forderungen im öffentlichen Recht wurzeln. Dementsprechend muss sich auch der Steuergläubiger mit seinen vor Eröffnung des Insolvenzverfahrens begründeten Forderungen nach § 87 InsO am Insolvenzverfahren beteiligen. Auch dem Steuergläubiger muss die Einzelvollstreckung untersagt sein, da er sonst den Insolvenzzweck stören würde. Soweit ihm kein dingliches Zugriffsrecht zusteht, ist also auch der Steuergläubiger »persönlicher« Gläubiger i. S. d. § 38 InsO.7 Weiter folgt hieraus, dass auch Steuerforderungen, ebenso wie privatrechtliche Ansprüche, nach §§ 174 ff. InsO zur Insolvenztabelle anzumelden sind, da die einheitliche Verteilung der Masse auf der Zusammenfassung aller berücksichtigungsfähigen Forderungen in der Tabelle beruht. Die Teilnahme einer Steuerforderung am Insolvenzverfahren richtet sich daher grundsätzlich nach der Insolvenzordnung.8

Andererseits kann die Insolvenzordnung die Teilnahme von Steuerforderungen am Insolvenzverfahren nicht lückenlos regeln. Insolvenzrecht und Steuerrecht haben jeweils verschiedene Regelungsbereiche. Das Steuerrecht bestimmt, aufgrund welchen Sachverhaltes und in welcher Höhe ein Steueranspruch entsteht. Das Insolvenzrecht regelt dagegen nicht das Entstehen der privatrechtlichen oder öffentlich-rechtlichen Ansprüche, sondern lediglich, in welcher Form und in welchem Umfang sie im Insolvenzverfahren geltend gemacht werden können.9 Somit haben Insolvenzrecht und Steuerrecht, trotz vieler Überschneidungen im Einzelnen, im Kern unterschiedliche Regelungsbereiche. Das Steuerrecht regelt die Folgen der Tatbestandsverwirklichung, also Grund und Höhe des Steueranspruchs. Das Insolvenzrecht regelt Form und Umfang, in dem diese nach den steuerrechtlichen Vorschriften entstandenen Forderungen im Insolvenzverfahren geltend gemacht werden können. Daraus ergibt sich, dass das Insolvenzrecht das materielle Steuerrecht nicht generell ersetzt, sondern hierauf nur dann einwirkt, wenn und soweit eine unveränderte Geltung der steuerrechtlichen Vorschriften dem Zweck des Insolvenzverfahrens widersprechende Wirkungen hätte. Es gibt also keinen generellen Vorrang des einen Rechtsgebiets vor dem anderen, sondern nur jeweils unterschiedliche Regelungsbereiche der beiden Rechtsgebiete.

Dieses »Gleichgewicht« zwischen Insolvenzrecht und Steuerrecht ist in den letzten Jahren durch die steuerliche Gesetzgebung und Rechtsprechung aus fiskalischen Gründen erheblich gestört worden. Dies ist durch eine deutliche Verschiebung der Grenzlinie zwischen Masseverbindlichkeiten und Insolvenzforderungen hin zur Einordnung der Steuerforderungen als Mas[22]severbindlichkeiten geschehen. Zu nennen sind die neue Regelung des § 55 Abs. 4 InsO10 und die Rechtsprechung des BFH, wonach es für den Zeitpunkt des Entstehens von Masseverbindlichkeiten auf die steuerrechtliche Tatbestandsverwirklichung ankommt.11 Hierdurch wird die insolvenzrechtliche Abgrenzung von Insolvenzforderungen und Masseverbindlichkeiten allein nach steuerlichen Kriterien vorgenommen. Das bedeutet einen systemwidrigen Übergriff des Steuerrechts in das Regelungsgebiet des Insolvenzrechts.12 Im Ergebnis werden dadurch Steuerforderungen vor den Forderungen anderer Gläubiger bevorzugt. Dies gilt beispielsweise auch für Lohnsteuerforderungen gegen den Arbeitgeber,13 wo sich ein Vorrang vor anderen Insolvenzforderungen noch am ehesten begründen ließe. Die geschilderten Tendenzen verstoßen daher gegen den in § 1 InsO festgelegten Grundsatz des »par conditio creditorum« und damit gegen die Grundordnung des Insolvenzverfahrens.

1 Vgl. unten S. 251 ff.; umfangreiche Ausführungen zur Behandlung von Steueransprüchen im Insolvenzverfahren sind in AEAO, zu § 251 AO, enthalten.

2 RFH v. 25.10.1926, GrS 1/26, RFHE 19, 355.

3 So etwa Bühler, Steuerrecht, 1950, Bd. 1, 365.

4 Vgl. z. B. Becker, RAO 1931, 7. Aufl., 610.

5 Hierzu Hölzle, BB 2012, 1572.

6 Vgl. Pape in: Uhlenbruck, InsO, 15. Aufl. 2019 zu § 1 InsO Rz. 1, 3, 4.

7 RFH v. 25 10.1926, GrS 1/26, RFHE 19, 355.

8 Seit RFH v. 25.10.1926, RFHE 19, 355, h. M.; BFH v. 22.01.1965, III 127/64 S, BStB. III 1965, 298; Jatzke, in: Hübschmann/Hepp/Spitaler, AO, FGO, zu § 251 AO Rz. 28; Dißars, in: Schwarz/Pahlke, AO, FGO, zu § 251 AO Rz. 12; Loose in: Tipke/Kruse, AO, FGO, zu § 251 AO Rz. 5.

9 BFH v. 14.02.1978, VIII R 28/73, BStBl. II 1978, 356; Dißars, in: Schwarz/Pahlke, AO, FGO zu § 251 AO Rz. 12; Waza/Uhländer/Schmittmann, Insolvenzen und Steuern, 12. Aufl. 2019, Rz. 463.

10 Vgl. hierzu S. 81 f.

11 Vgl. S. 209 ff.

12 Zur Kritik auch Hölzle, BB 2012, 1571.

13 Vgl. S. 193 ff.

[23]2Die steuerrechtliche Stellung des Insolvenzschuldners

2.1Verlust des Verwaltungs- und Verfügungsrechts

Die rechtliche Stellung des Insolvenzschuldners im Insolvenzverfahren bestimmt sich nach § 80 Abs. 1 InsO. Danach verliert der Insolvenzschuldner mit der Eröffnung des Insolvenzverfahrens die Befugnis, sein zur Insolvenzmasse gehöriges Vermögen zu verwalten und hierüber zu verfügen. Ab diesem Zeitpunkt kann der Insolvenzschuldner wirksame Verwaltungs- und Verfügungshandlungen über die Masse nicht mehr vornehmen. Das Verfügungsverbot verhindert alle Maßnahmen des Insolvenzschuldners, die als Rechtshandlungen materielle Wirkungen entfalten. Hierunter fällt auch die Abtretung eines Steuererstattungsanspruchs sowie die Erteilung der Abtretungsanzeige nach § 46 Abs. 2 AO. Die Abtretungsanzeige ist materielle Wirksamkeitsvoraussetzung für die Abtretung und damit eine Verfügung mit materieller Wirkung.14 Sie fällt damit in den Bereich des Verwaltungs- und Verfügungsrechts des Insolvenzverwalters15 und muss daher von dem Insolvenzverwalter erstattet werden bzw. es muss aus der Abtretungsanzeige hervorgehen, dass der Insolvenzschuldner die Anzeige mit Zustimmung des Insolvenzverwalters erstattet.

Die Wirkungen der Eröffnung des Insolvenzverfahrens beschränken sich aber für den Insolvenzschuldner auf diesen Verlust des Verwaltungs- und Verfügungsrechts. Der Insolvenzschuldner verliert weder die Rechts- noch die Geschäftsfähigkeit. Er bleibt Eigentümer der zur Insolvenzmasse gehörenden Gegenstände, Gläubiger der zur Insolvenzmasse gehörenden Forderungen und Schuldner der gegen die Insolvenzmasse gerichteten Forderungen. Die Rechtshandlungen des Insolvenzverwalters berechtigen und verpflichten den Insolvenzschuldner persönlich, und zwar auch für die Zeit nach Beendigung des Insolvenzverfahrens. Auch die Entscheidungen in Aktiv- und Passivprozessen, die der Insolvenzverwalter führt, wirken für und gegen ihn.16 Die Eröffnung des Insolvenzverfahrens bewirkt nur den Verlust des Verwaltungs- und Verfügungsrechts (einschließlich des Prozessführungsrechts) an der Insolvenzmasse. Der Insolvenzschuldner ist aber weiterhin materiell berechtigt.

Mit Aufhebung des Insolvenzverfahrens erlangt der Insolvenzschuldner die Verwaltungs- und Verfügungsbefugnis über sein Vermögen zurück.

[24]Nach § 270 InsO kann die Verwaltung der Insolvenzmasse und die Verfügung über die zur Insolvenzmasse gehörenden Vermögensgegenstände dem Insolvenzschuldner übertragen werden (»Eigenverwaltung«). In diesem Fall wird nach § 270c InsO ein Sachwalter bestellt. Im Falle der Eigenverwaltung steht das Verwaltungs- und Verfügungsrecht weiterhin dem Insolvenzschuldner zu. Er benötigt zwar für bestimmte Geschäfte die Zustimmung des Sachwalters, doch ändert dies nichts daran, dass er verwaltungs- und verfügungsberechtigt, für gewöhnliche Geschäfte sogar allein verwaltungs- und verfügungsberechtigt ist. Allerdings setzt sich nicht seine originäre Verwaltungs- und Verfügungsbefugnis aus der Zeit vor der Anordnung des Insolvenzverfahrens mit Eigenverwaltung fort. Vielmehr übt er eine abgeleitete Verwaltungs- und Verfügungsbefugnis als Amtswalter aufgrund der Anordnung des Insolvenzgerichts aus.17 Das Verfahren der Eigenverwaltung soll durch das Sanierungsrechtsfortentwicklungsgesetz neu gefasst werden.18

Ist der Insolvenzschuldner eine natürliche Person, die keine wirtschaftliche Tätigkeit unterhält oder nur eine solche, die nach Art und Umfang einen eingerichteten kaufmännischen Geschäftsbetrieb nicht erfordert, folgt das Insolvenzverfahren nach §§ 304 ff. InsO den Regelungen der Verbraucherinsolvenz.19 Kommt es dabei nicht zur Annahme des Schuldenbereinigungsplans nach § 305 Abs. 1 Nr. 4 InsO, schließt sich nach § 311 InsO ein vereinfachtes Insolvenzverfahren an.

Im Insolvenzverfahren über das Vermögen einer juristischen Person (§ 11 Abs. 1 S. 1 InsO) und einer Personengesellschaft (§ 11 Abs. 2 Nr. 1 InsO) endet die Geschäftsführungs- und Vertretungsbefugnis der vertretungsberechtigten Organe bzw. der Geschäftsführer sowie die Organstellung der nichtvertretungsberechtigten Organe (Aufsichtsrat, Gesellschaftsversammlung).

2.2Auswirkungen auf das materielle Steuerrecht

2.2.1Steuerrechtliche Stellung des Insolvenzschuldners

Aus der rechtlichen Stellung des Insolvenzschuldners als Rechtsträger der Insolvenzmasse und als rechtlich Berechtigter und Verpflichteter aus den Handlungen des Insolvenzverwalters folgt, dass er auch steuerrechtlich Steuersubjekt der Insolvenzmasse ist und die aus der Insolvenzmasse fließenden Besteuerungsgrundlagen ihm zuzurechnen sind. Er ist regelmäßig nicht nur der rechtliche, sondern auch der wirtschaftliche Eigentümer der zur Insolvenzmasse gehörenden Vermögensgegenstände. Diese sind ihm somit nach § 39 AO zuzurechnen. Somit treten die steuerlichen Folgen aus den zur Insolvenzmasse gehörenden Besteuerungsgrundlagen in der Person des Insolvenzschuldners ein. Er ist Steuerschuldner nach § 43 AO und Steuerpflichtiger [25]nach § 33 AO. Das gilt auch für Verträge, die der Insolvenzverwalter innerhalb seines Verwaltungs- und Verfügungsrechts abgeschlossen hat. Die daraus fließenden Besteuerungsgrundlagen sind dem Insolvenzschuldner zuzurechnen.20 Die Eröffnung des Insolvenzverfahrens über das Vermögen des Insolvenzschuldners hat nach § 80 Abs. 1 InsO nur zur Folge, dass er hinsichtlich der Masse das Verwaltungs- und Verfügungsrecht verloren hat. Die steuerliche Zurechnung von Besteuerungsgrundlagen und die Stellung als Steuerschuldner und Steuerpflichtiger sind aber nicht davon abhängig, dass dem Steuerpflichtigen bzw. Steuerschuldner auch die Verwaltungs- und Verfügungsbefugnis hinsichtlich der Besteuerungsgrundlagen bzw. des Vermögens, in dessen Bereich die steuerpflichtigen Tatbestände verwirklicht werden, zustehen.21 Die Eröffnung des Insolvenzverfahrens über das Vermögen des Steuerpflichtigen und die damit verbundene Einschränkung der Verwaltungs- und Verfügungsbefugnis ändern daher an der materiellen steuerrechtlichen Stellung des Insolvenzschuldners nichts. So wie er zivilrechtlich Träger der zur Insolvenzmasse gehörenden Vermögensgegenstände und Verbindlichkeiten bleibt, sind ihm diese auch steuerrechtlich zuzurechnen. Ebenso wie der Insolvenzschuldner aus den Handlungen des Insolvenzverwalters zivilrechtlich berechtigt und verpflichtet wird, und zwar auch für die Zeit nach Beendigung des Insolvenzverfahrens, treffen ihn die steuerrechtlichen Wirkungen der von dem Insolvenzverwalter verwirklichten Steuerrechtstatbestände materiell-rechtlich als Steuerpflichtigen und Steuerschuldner.

2.2.2Besonderheiten der einkommensteuerlichen Stellung

Der Einkommensteuer unterliegen nach § 2 Abs. 1 S. 1 EStG die Einkünfte aus den sieben Einkunftsarten, die der Steuerpflichtige erzielt. Die steuerlichen Folgen der Einnahme- und Einkünfteerzielung treten bei derjenigen Person ein, der die Erfüllung des Tatbestandes der Einnahmen- und Einkunftserzielung zuzurechnen ist. Für diese Zurechnung ist nicht die Verfügungsmacht über die Gegenstände der Einkunftserzielung (Wirtschaftsgüter) maßgebend, sondern nur, auf wessen Rechnung und Gefahr der Tatbestand der Einnahme- und Einkünfteerzielung verwirklicht wird.22 Wie oben ausgeführt, ist dies auch hinsichtlich der Insolvenzmasse der Insolvenzschuldner. Positive und negative Einkünfte aus der Insolvenzmasse sind also steuerlich bei ihm zu erfassen.

Soweit das Einkommensteuerrecht Rechtswirkungen davon abhängig macht, dass der Steuerpflichtige Verfügungsmacht über gewisse Vermögensgegenstände hat, enden diese steuerlichen Wirkungen. Das ist z. B. der Fall bei der Betriebsaufspaltung, wenn über Betriebs- und Besitzunternehmen unterschiedliche Insolvenzverfahren eröffnet werden, da dann die per[26]sönliche Verflechtung entfällt.23 Das kann zur Folge haben, dass bei dem Besitzunternehmen, auch wenn über ihr Vermögen kein Insolvenzverfahren eröffnet worden ist, eine Betriebsaufgabe vorliegt, die zur Aufdeckung und Versteuerung der stillen Reserven führt. Ebenso endet bei Insolvenz der Organgesellschaft die Organschaft, da die finanzielle (Körperschaftsteuer und Gewerbesteuer) bzw. die organisatorische (Umsatzsteuer) Eingliederung entfällt.24

Nach § 2 Abs. 7 EStG ist die Einkommensteuer eine Jahressteuer. Das bedeutet, dass die einkommensteuerrechtlich relevanten Besteuerungsgrundlagen, die dem Steuerpflichtigen zuzurechnen sind und die das gleiche Kalenderjahr betreffen, zusammenzufassen sind und als zusammengefasster Betrag die Bemessungsgrundlage der Einkommensteuer bilden. Grundlage der Einkommensteuer ist also ein einheitlicher, wenn auch aus verschiedenen Quellen fließender Betrag, welcher das Einkommen bildet (synthetischer Einkommensbegriff). Das gilt auch für Zeiträume, für die das Insolvenzverfahren über das Vermögen des Steuerpflichtigen eröffnet worden ist.25 Dem Steuerpflichtigen sind daher, jeweils für den entsprechenden Veranlagungszeitraum, die aus dem Vermögen vor Eröffnung des Insolvenzverfahrens fließenden Besteuerungsgrundlagen und die von dem Insolvenzverwalter verwirklichten Besteuerungsgrundlagen zur Versteuerung zugeordnet und bei ihm steuerlich zu erfassen.

2.2.3Besonderheiten der umsatzsteuerlichen Stellung

Der Umsatzsteuer unterliegen nach § 1 Abs. 1 UStG Umsätze (Lieferung, sonstige Leistung, einschließlich Eigenverbrauch nach § 3 Abs. 1b, 9a UStG; innergemeinschaftlicher Erwerb) von Unternehmern. Unternehmer ist nach § 2 Abs. 1 UStG, wer eine gewerbliche oder berufliche Tätigkeit selbstständig ausübt.

Mit Eröffnung des Insolvenzverfahrens über sein Vermögen ist der Insolvenzschuldner nicht mehr in der Lage, Umsätze für die Insolvenzmasse auszuführen, da ihm die Verfügungsbefugnis fehlt. Die herrschende Lehre hat daraus jedoch nicht die Folgerung gezogen, dass der Insolvenzschuldner mit Eröffnung des Insolvenzverfahrens die Stellung als Unternehmer verliert.26 Das Tatbestandsmerkmal der »Ausübung« der gewerblichen oder beruflichen Tätigkeit, dessen Vorliegen zur Unternehmereigenschaft führt, bedeutet nicht, dass diese Tätigkeit eigenhändig ausgeübt werden muss. Unternehmer ist vielmehr jeder, dem umsatzsteuerlich die gewerbliche oder selbstständige Tätigkeit zuzurechnen ist. Die von dem Insolvenzverwalter im Rahmen seines Amts ausgeübte Tätigkeit für die Masse ist zivilrechtlich dem Insolvenzschuldner [27]zuzurechnen.27 Ihn treffen die Wirkungen der Verfügungsgeschäfte des Insolvenzverwalters. Er wird hieraus berechtigt und verpflichtet. Es gibt keinen Grund, umsatzsteuerlich hiervon abzuweichen. Der Insolvenzverwalter tritt nach außen nicht als auf eigene Rechnung tätiger Unternehmer oder für eine selbstständige Vermögensmasse (»Insolvenzmasse«) auf, sondern als Verfügungsberechtigter über fremdes Vermögen, nämlich das Vermögen des Insolvenzschuldners. Auch nach außen ist damit klargestellt, dass die Wirkungen der Handlungen des Insolvenzverwalters den Insolvenzschuldner treffen sollen. Somit ist nicht nur nach der rechtlichen, sondern auch nach der wirtschaftlichen Betrachtungsweise der Insolvenzschuldner derjenige, der im Geschäftsverkehr Leistungen erbringt, und zwar durch den Insolvenzverwalter. Die durch den Insolvenzverwalter bewirkten Umsätze sind daher auch umsatzsteuerlich dem Insolvenzschuldner zuzurechnen. Er ist für die Umsätze der Insolvenzmasse der Unternehmer,28 nicht der Insolvenzverwalter.29

War der Insolvenzschuldner bis zur Eröffnung des Insolvenzverfahrens nicht unternehmerisch tätig, stellt sich die Frage, ob er allein durch Verwertungshandlungen des Insolvenzverwalters die Unternehmereigenschaft erwirbt. Die Folge wäre dann, dass die Umsätze durch den Insolvenzverwalter umsatzsteuerbar würden.

Der BFH30 hat entschieden, dass die Veräußerung von Gegenständen der privaten Lebensführung nur dann zur Unternehmereigenschaft führt, wenn die veräußernde Person sich wie ein Händler verhält. Das sei der Fall, wenn An- und Verkäufe mit auf Güterumschlag gerichteter Absicht getätigt würden. Selbst die Veräußerung einer ganzen Briefmarkensammlung wurde danach nicht als unternehmerisch, sondern als letzter Akt der privaten Betätigung angesehen. Danach begründet der Insolvenzverwalter für einen Insolvenzschuldner nicht allein dadurch die umsatzsteuerliche Unternehmereigenschaft, dass er dessen Vermögensgegenstände des Privatvermögens versilbert. Diese Tätigkeit ist als letzter Akt der privaten Tätigkeit, in der die Vermögensgegenstände angesammelt wurden, anzusehen. Der Schuldner wird bei der bloßen Liquidierung seines Vermögens durch den Insolvenzverwalter nicht wie ein Händler tätig, der durch An- und Verkäufe im Güterumschlag tätig werden will; er wird durch diese Tätigkeit also nicht Unternehmer im umsatzsteuerlichen Sinne.31

[28]2.3Die Stellung des Insolvenzschuldners im formellen Steuerrecht

Der Insolvenzschuldner bleibt auch nach Eröffnung des Insolvenzverfahrens Subjekt des Verwaltungsverfahrens. Er ist daher Beteiligter i. S. d. § 78 AO. Da er jedoch nach § 80 Abs. 1 InsO das Recht verliert, sein zur Insolvenzmasse gehörendes Vermögen zu verwalten, fehlt ihm auch steuerrechtlich diese Verwaltungsbefugnis. Er ist daher hinsichtlich der Insolvenzmasse nach § 79 AO nicht mehr in der Lage, Verfahrenshandlungen vorzunehmen, soweit sein Verwaltungsrecht insolvenzrechtlich eingeschränkt ist. Er ist insoweit nicht handlungsfähig. Er ist daher persönlich an Verfahren nicht mehr beteiligt, und zwar weder an den Verwaltungsverfahren noch an finanzgerichtlichen Verfahren. Er ist nicht beizuladen und hat kein Akteneinsichtsrecht.32

Für den Steuerpflichtigen handelt der Insolvenzverwalter. Dieser hat nach § 34 AO alle steuerrechtlichen Pflichten des Schuldners zu erfüllen, soweit sie sich auf die Insolvenzmasse beziehen.33

Daraus folgt jedoch nicht, dass der steuerpflichtige Insolvenzschuldner seinerseits von allen steuerrechtlichen Pflichten befreit ist, die der Insolvenzverwalter zu erfüllen hat. Die Steuergesetze erlegen dem Steuerpflichtigen i. S. d. § 33 AO vielfältige Pflichten auf. Die Erfüllung dieser Pflichten wird dem Steuerpflichtigen auch dann nicht erlassen, wenn (auch) ein anderer sie für ihn zu erfüllen hat. Die §§ 34, 35 AO bestimmen nicht, dass die steuerrechtlichen Pflichten in der Weise auf die dort genannten Personen übergehen, dass die Steuerpflichtigen selbst von diesen Pflichten befreit würden. Grundsätzlich bleiben auch sie mit diesen Pflichten belastet. Allerdings ist insoweit der insolvenzrechtlichen Situation Rechnung zu tragen.34 Der allgemeinen steuerrechtlichen Regelung, die für so verschieden gelagerte steuerliche Sachverhalte wie gesetzliche Vertreter natürlicher und juristischer Personen, Insolvenzverwalter und Testamentsvollstrecker gilt, muss die spezifisch insolvenzrechtliche Regelung vorgehen. Das Verwaltungsrecht an der Masse geht nach § 80 Abs. 1 InsO auf den Insolvenzverwalter über. Der Insolvenzverwalter hat die Insolvenzmasse nach § 148 Abs. 1 InsO in Besitz zu nehmen; dazu gehören nach § 36 Abs. 2 Nr. 1 InsO auch die Geschäftsbücher. Der Insolvenzschuldner wird daher häufig nicht mehr in der Lage sein, die Buchführung abzuschließen und auf ihrer Grundlage Bilanz und Steuererklärung zu erstellen. Die steuerrechtlichen Pflichten können den Steuerpflichtigen insoweit nicht treffen, als er aus rechtlichen oder tatsächlichen Gründen nicht in der Lage ist, sie zu erfüllen. Daraus folgt, dass der Insolvenzschuldner nur insoweit zur Erfüllung der steuerrechtlichen Pflichten verpflichtet bleibt, als er an ihrer Erfüllung nicht durch das Verwaltungsrecht des Insolvenzverwalters gehindert ist. Soweit der Steuerpflichtige jedoch zur Erfüllung dieser Pflichten in der Lage ist, etwa weil es sich um Wissenserklärungen [29]handelt oder der Insolvenzverwalter ihm den Zugang zu der Buchführung, ihren Abschluss und die Erstellung der Bilanz gestattet, bleibt der Insolvenzschuldner zur Erfüllung der steuerrechtlichen Pflichten auch hinsichtlich der Insolvenzmasse verpflichtet.

Den Insolvenzschuldner treffen in diesem Rahmen die Mitwirkungspflichten des Beteiligten nach § 90 AO. Er hat nach § 93 AO Auskünfte zu erteilen. Diese Pflicht ist praktisch bedeutsam, da er i. d. R. besser als der Insolvenzverwalter über Einzelheiten seiner steuerlich bedeutsamen Verhältnisse informiert ist und die Auskunftserteilung als Wissenserklärung durch die Verwaltungsbefugnis des Insolvenzverwalters nicht beeinträchtigt werden wird. Die Verpflichtung, zur Auskunftserteilung nach § 93 Abs. 3 S. 2 AO die Geschäftsbücher heranzuziehen, trifft ihn nur, wenn der Insolvenzverwalter ihm den Zutritt zu der Buchführung gestattet.35 Entsprechend hat der Insolvenzschuldner die Verpflichtung zur Vorlage von Urkunden, vgl. § 97 AO, und von Wertsachen, vgl. § 100 AO, nur dann zu erfüllen, wenn er diese in Besitz hat oder der Insolvenzverwalter sie ihm überlässt. Das gilt auch für die Zeit nach Beendigung des Insolvenzverfahrens. Die Gestattung zum Betreten von zur Insolvenzmasse gehörenden Grundstücken und Räumen nach § 99 AO ist allein Sache des Insolvenzverwalters. Die Buchführungs- und Aufzeichnungspflichten nach §§ 140 ff. AO für die Insolvenzmasse wird der Insolvenzschuldner i. d. R. nicht erfüllen können; dies ist regelmäßig Sache des Insolvenzverwalters.

Steuererklärungen für die zur Insolvenzmasse gehörenden Besteuerungsgrundlagen kann der Steuerpflichtige i. d. R. nicht abgeben, er ist hierzu also auch nicht verpflichtet. Stellt ihm der Insolvenzverwalter jedoch die erforderlichen Daten zur Verfügung, hat der Insolvenzschuldner auch insoweit Steuererklärungen abzugeben. Tut er dies nicht, können gegen ihn Verspätungszuschläge und Zwangsmittel festgesetzt werden. Dies gilt auch für sonstige steuerrechtliche Anzeigen.

Der Insolvenzschuldner ist auch verpflichtet, nach § 153 AO eine Erklärung zu berichtigen, wenn er nachträglich ihre Unrichtigkeit oder Unvollständigkeit erkennt. Die Berichtigungspflicht tritt nur ein, wenn er die Unrichtigkeit oder Unvollständigkeit positiv kennt. Kennenmüssen genügt nicht.

Die Berichtigungspflicht bezieht sich auf eine Wissenserklärung, nicht eine Willenserklärung. Daher ist der Insolvenzschuldner zur Berichtigung verpflichtet, auch wenn ihm nicht das Verwaltungs- und Verfügungsrecht über die Masse zusteht. Die Berichtigung von Steuererklärungen gehört als Wissenserklärung nicht zu dem Bereich der Verwaltung und Verfügung, von dem der Insolvenzschuldner durch den Insolvenzverwalter ausgeschlossen ist.

[30]Der Insolvenzschuldner hat auch eine von dem Insolvenzverwalter abgegebene Erklärung zu berichtigen, wenn er deren Unrichtigkeit oder Unvollständigkeit erkennt. Der Insolvenzverwalter gibt die Erklärung »für« den Insolvenzschuldner ab, sodass diesen die Berichtigungspflicht nach § 153 Abs. 1 Nr. 1 AO trifft. Da es sich bei der Berichtigung um eine Wissenserklärung handelt, greift der Insolvenzschuldner damit nicht in das Verwaltungs- und Verfügungsrecht des Insolvenzverwalters ein.

Soweit der Insolvenzschuldner in der geschilderten Weise zur Erfüllung von steuerlichen Pflichten verpflichtet ist, die die Insolvenzmasse betreffen, hat i. d. R. auch der Insolvenzverwalter diese Pflichten zu erfüllen. Es steht im Ermessen der Finanzbehörde, an welchen der Verpflichteten sie sich halten will. Es ist in der Regel ermessensfehlerfrei, wenn sie sich an den Verpflichteten hält, dessen Inanspruchnahme am erfolgversprechendsten ist. Erklärt sich aber einer der Verpflichteten (z. B. der Insolvenzschuldner) bereit, die Verpflichtung in geeigneter Weise zu erfüllen, wäre es ermessensfehlerhaft, wenn die Finanzbehörde auf der Erfüllung durch den anderen Verpflichteten bestehen würde.

2.4Stellung des Schuldners bei Bestellung eines vorläufigen Insolvenzverwalters

Wird ein vorläufiger Insolvenzverwalter bestellt, verliert der Schuldner das Verwaltungs- und Verfügungsrecht, wenn dieser Insolvenzverwalter ein »starker« vorläufiger Insolvenzverwalter ist, auf den das Verwaltungs- und Verfügungsrecht übertragen worden ist (§ 22 Abs. 1 InsO). In diesem Fall gelten für die steuerrechtliche Stellung des Schuldners die für das Insolvenzverfahren geltenden Regeln. Er hat insbesondere die steuerlichen Pflichten nicht mehr zu erfüllen. Diese Pflichten treffen den »starken« vorläufigen Insolvenzverwalter.

Ist dagegen nur ein »schwacher« Insolvenzverwalter bestellt, bleibt der Schuldner auch dann verwaltungs- und verfügungsberechtigt, wenn der vorläufige Insolvenzverwalter seinen Verfügungen zustimmen muss. Der Schuldner hat dann uneingeschränkt die steuerlichen Pflichten zu erfüllen.36 Steuerbescheide sind ihm, nicht dem »schwachen« vorläufigen Insolvenzverwalter, bekannt zu geben. Wird eine vorläufige Eigenverwaltung angeordnet, übt der Schuldner das Verwaltungs- und Verfügungsrecht, anders als bei der Eigenverwaltung im eröffneten Insolvenzverfahren, aus eigenem privatautonomen Recht aus.37

14 BFH v. 06.02.1996, VII R 116/94, BStBl. II 1996, 557, BFH/NV 1996, 120.

15 BFH v. 06.02.1996, VII R 116/94, BStBl. II 1996, 557, BFH/NV 1996, 120.

16 Vgl. zu dieser insolvenzrechtlichen Stellung des Schuldners Mock in: Uhlenbruck, InsO, 15. Aufl. 2019, zu § 80 InsO Rz. 12.; Blersch/von Olshausen in: Blersch/Goetsch/Haas, InsO, zu § 80 InsO Rz. 8 ff.

17 BFH v. 27.11.2019, XI R 35/17, BFH/NV 2020, 482, Rz. 50.

18 Art. 5 des Referentenentwurfs eines Gesetzes zur Fortentwicklung des Sanierungs- und Insolvenzrechts.

19 Vgl. hierzu S. 355 ff.

20 BFH v. 02.04.2019, IX R 21/17, BStBl. II 2019, 481, BFH/NV 2019, 880, Rz. 14.

21 Vgl. Waza/Uhländer/Schmittmann, Insolvenzen und Steuern, 12. Aufl. 2019, Rz. 481.

22 Vgl. hierzu Lindberg, in: Frotscher/Geurts, EStG, zu § 2 EStG Rz. 86.

23 Vgl. BFH v. 06.03.1997, XI R 2/96, BStBl. II 1997, 460, BFH/NV 1997, 315; Waza/Uhländer/Schmittmann, Insolvenzen und Steuern, 12. Aufl. 2019, Rz. 1373.

24 Im Einzelnen hierzu S. 185, 258, sowie Frotscher in: Frotscher/Drüen, KStG, GewStG, UmwStG, zu § 14 KStG Rz. 675 ff.

25 BFH v. 02.04.2019, IX R 21/17, BStBl. II 2019, 481, BFH/NV 2019, 880, Rz. 14; näher hierzu S. 127.

26 BFH v. 16.01.2007, VII R 7/06, BStBl. II 2007, 745, BFH/NV 2007, 808; ebenso BFH v. 23.07.1988, V R 203/83, BStBl. II 1988, 920 für durch den Zwangsverwalter erzielte Umsätze sowie BFH v. 18.05.1988, X R 27/80, BStBl. II 1988, 716; BFH v. 15.06.1999, VII R 3/97, BStBl. II 2000, 46, BFH/NV 1999, 1659.

27 Vgl. S. 23.

28 BFH v. 17.10.1957, V 167/55 U, BStBl. III 1957, 453; BFH, 15.06.1999, VII R 3/97. BStBl. II 2000, 46, BFH/NV 1999, 1659; Dißars, in: Schwarz/Pahlke, AO, FGO, zu § 251 AO Rz. 17.

29 Das gilt selbstverständlich nur hinsichtlich des zur Insolvenzmasse gehörenden Gewerbe- oder sonstigen Betriebs des Schuldners. Hinsichtlich seiner Insolvenzverwaltertätigkeit unterhält der Insolvenzverwalter ein eigenes Insolvenzverwalterunternehmen und ist insoweit Unternehmer.

30 BFH v. 29.06.1987, X R 23/82, BStBl. II 1987, 744; BFH v. 16.02.1987, X R 48/82, BStBl. II 1987, 752.

31 Dißars, in: Schwarz/Pahlke, AO, FGO, zu § 251 AO Rz. 18.

32 BFH v. 12.05.2009, VIII B 27/09, BFH/NV 2009, 1449; BFH v. 19.03.2009, X B 224/08, BFH/NV 2009, 1149 für eine Nichtzulassungsbeschwerde; BFH v. 16.10.2009, VIII B 346/04, BFH/NV 2010, 56.

33 Vgl. S. 33.

34 Dißars, in: Schwarz/Pahlke, AO, FGO, zu § 251 AO Rz. 15; vgl. Loose in: Tipke/Kruse, AO, FGO, zu § 251 AO Rz. 6.

35 BFH v. 23.08.1994, VII R 134/92, BFH/NV 1995, 570. Der Schuldner braucht danach grundsätzlich Bücher und Unterlagen nicht heranzuziehen, die sich nicht in seinem Besitz, sondern in dem des Insolvenzverwalters befinden. Das gilt auch für die Zeit nach Beendigung des Insolvenzverfahrens; BFH v. 14.10.1998, VII B 102/98, BFH/NV 1999, 447.

36 BFH v. 30.12.2004, VII B 145/04, BFH/NV 2005, 665; BFH v. 16.05.2017, VII R 25/16, BStBl. II 2017, 934, BFH/NV 2917, 1217, Rz. 8; BFH v. 26.09.2017, VII R 40/16, BStBl. II 2018, 772, BFH/NV 2018, 304; BFH v. 22.10.2019, VII R 30/18, BFH/NV 2020, 711; FG München v. 29.05.2010, 8 K 2529/19, EFG 2020, 1347, Rev. eingelegt, AZ des BFH VII R 32/20.

37 BFH v. 27.11.2019, XI R 35/17, BFH/NV 2020, 482, Rz. 51.

[31]3Die steuerrechtliche Stellung des Insolvenzverwalters und des Zwangsverwalters

3.1Der Insolvenzverwalter als über die Masse Verwaltungs- und Verfügungsberechtigter

Es gehört zu den grundlegenden Folgen der Eröffnung des Insolvenzverfahrens, dass mit diesem Zeitpunkt der Insolvenzschuldner das Recht verliert, die Masse zu verwalten und hierüber zu verfügen. Beide Rechte übt der Insolvenzverwalter aus (§ 80 Abs. 1 InsO). Das Verwaltungs- und Verfügungsrecht des Insolvenzverwalters endet mit der Einstellung des Insolvenzverfahrens.38

Steuerlich hat der Übergang des Verwaltungs- und Verfügungsrechts auf den Insolvenzverwalter i. d. R. zur Folge, dass mit Eröffnung des Insolvenzverfahrens über das Vermögen der Organgesellschaft die körperschaft-, gewerbe- und umsatzsteuerliche Organschaft endet.39

Die Stellungen von Insolvenzschuldner und Insolvenzverwalter sind bezüglich der Insolvenzmasse insofern miteinander gekoppelt, als der Insolvenzverwalter gerade die und ebenso viele Verwaltungs- und Verfügungsrechte erwirbt, wie der Insolvenzschuldner verliert. Auf den Insolvenzverwalter gehen daher alle Verwaltungs- und Verfügungsrechte sowie alle Pflichten bezüglich der Insolvenzmasse über, die ohne Eröffnung des Insolvenzverfahrens in der Person des Insolvenzschuldners entstanden wären. Dieser Übergang der Rechte und Pflichten auf den Insolvenzverwalter erfolgt in dem Umfang und mit dem Inhalt, in denen der Insolvenzschuldner ohne Eröffnung des Insolvenzverfahrens die Rechte hätte wahrnehmen können und die Pflichten hätte erfüllen müssen.

Die steuerlichen Folgen, die der Übergang des Verwaltungs- und Verfügungsrechts vom Insolvenzschuldner auf den Insolvenzverwalter hat, hängen von dem Verständnis der Stellung des Insolvenzverwalters ab. Zur systematischen Einordnung der Stellung des Insolvenzverwalters werden im Wesentlichen drei Theorien vertreten:

Nach der Vertretertheorie handelt der Insolvenzverwalter als gesetzlicher Vertreter des Schuldners.40 Der Insolvenzverwalter hat danach die gegenständlich auf die Insolvenzmasse [32]beschränkte Vertretungsmacht, für den Insolvenzschuldner zu handeln. Dieser wird, ebenfalls gegenständlich beschränkt auf die Masse, als Geschäftsunfähiger behandelt. Der Insolvenzverwalter verfügt im Namen des Insolvenzschuldners über die zur Insolvenzmasse gehörenden Gegenstände; er geht ebenso im Namen des Insolvenzschuldners Verpflichtungen ein. Die Haftung des Insolvenzschuldners mit der Insolvenzmasse für Handlungen des Insolvenzverwalters ergibt sich aus § 278 BGB. Der Insolvenzschuldner ist im Prozess Partei. Der Insolvenzverwalter wird als sein Vertreter tätig.

Nach der Amtstheorie handelt der Insolvenzverwalter als Träger eines Amtes im eigenen Namen.41 Dieses Handeln in eigenem Namen bringt Rechtswirkungen nicht für den Insolvenzverwalter persönlich hervor, sondern für den Insolvenzschuldner als Träger der Insolvenzmasse. In den Wirkungen unterscheidet sich die Amtstheorie nicht wesentlich von der Vertretertheorie. Die Haftung des Insolvenzschuldners, gegenständlich beschränkt auf die Masse, wird aus analoger Anwendung des § 278 BGB oder aus § 31 BGB abgeleitet. Im Prozess ist der Insolvenzverwalter Partei kraft Amtes. Der wesentliche Unterschied der Amtstheorie im Vergleich zur Vertretertheorie besteht darin, dass die Amtstheorie besser als die Vertretertheorie zum Ausdruck bringt, dass der Insolvenzverwalter nicht im Interesse des Insolvenzschuldners tätig wird (was er als dessen Vertreter tun müsste), sondern unabhängig zwischen Insolvenzschuldner und Gläubigern steht.

Zu anderen Ergebnissen kommt die Organtheorie. Danach ist die Insolvenzmasse materiell selbstständiger Rechtsträger, der Parteifähigkeit besitzt. Der Insolvenzverwalter wird als Organ des Rechtsträgers »Insolvenzmasse« tätig. Da die Insolvenzmasse ein von dem Insolvenzschuldner getrenntes Rechtssubjekt ist, treffen die Wirkungen der Handlungen des Insolvenzverwalters nur die Insolvenzmasse, nicht den Insolvenzschuldner.

Zur Beurteilung der steuerlichen Wirkungen der Eröffnung des Insolvenzverfahrens ist eine Entscheidung zwischen der Vertretertheorie und der Amtstheorie nicht erforderlich. Nach beiden Theorien treten die Wirkungen des Handelns des Insolvenzverwalters in der Person des Insolvenzschuldners ein. Das genügt, um steuerrechtlich die zur Insolvenzmasse gehörenden Besteuerungsgrundlagen dem Insolvenzschuldner zuzuordnen. Der Insolvenzverwalter handelt auf fremde, nicht auf eigene Rechnung, sodass ihm die Besteuerungsgrundlagen nicht zuzurechnen sind.42 Unterschiedliche materielle oder verfahrensrechtliche Auswirkungen auf das Steuerrecht haben diese Theorien daher nicht.

Steuerrechtlich zu anderen Ergebnissen kommt jedoch die Organtheorie. Da danach die Insolvenzmasse selbstständiger Rechtsträger ist, wäre sie ertragsteuerlich körperschaftsteuerpflichtiges Steuersubjekt43 und umsatzsteuerlich Unternehmer. Die ertragsteuerlichen und [33]umsatzsteuerlichen Besteuerungsgrundlagen wären der Insolvenzmasse, nicht dem Schuldner, zuzurechnen. Die Organtheorie hat sich im Zivilrecht bisher jedoch nicht durchsetzen können. Die herrschende Meinung in Rechtsprechung und Lehre sowie die Praxis folgt der Amtstheorie. Dem hat das Steuerrecht zu folgen. Eine so grundlegende zivilrechtliche Frage wie die nach der Stellung des Insolvenzverwalters lässt sich nicht vom Steuerrecht her beantworten. Das Steuerrecht hat das Ergebnis der insolvenzrechtlichen Diskussion zu übernehmen. Daher kann das Steuerrecht bei der Zuordnung der Besteuerungsgrundlagen nicht von der Organtheorie ausgehen. Auch bedeutet die Organtheorie m. E. einen so einschneidenden Eingriff in die zivilrechtliche Güterzuordnung (Zuordnung des Vermögens zu einem Rechtsträger Insolvenzmasse anstelle des Rechtsträgers Insolvenzschuldner), dass sie einer ausdrücklichen gesetzlichen Grundlage bedürfte.

3.2Die Stellung des Insolvenzverwalters im formellen Steuerrecht

3.2.1Allgemeine Rechte und Pflichten

Nach den obigen Ausführungen treffen den Insolvenzverwalter in seiner Eigenschaft als Verwalter des Vermögens des Insolvenzschuldners die steuerlichen Pflichten. Er kann die steuerlichen Rechte geltend machen, soweit sie zu dem Verwaltungsbereich der Insolvenzmasse gehören. Dementsprechend bestimmt § 34 Abs. 3 AO ausdrücklich, dass er diejenigen Pflichten zu erfüllen hat, die ohne die Eröffnung des Insolvenzverfahrens dem steuerpflichtigen Insolvenzschuldner obliegen würden.44

Die steuerlichen Pflichten des Insolvenzverwalters enden mit der Aufhebung des Insolvenzverfahrens.45

Der Insolvenzverwalter kann auch alle Rechte des Insolvenzschuldners geltend machen, sofern diese zur Insolvenzmasse gehören. Er kann daher hinsichtlich der Steuerforderungen, die Insolvenzforderung oder Masseverbindlichkeit sind, einen Antrag auf abweichende Steuerfestsetzung nach § 163 AO oder auf Erlass nach § 227 AO stellen.46

Nicht zu dem Verwaltungsbereich des Insolvenzverwalters gehört ein gegen den Insolvenzschuldner gerichtetes Strafverfahren. Wird ein Außenprüfungsverfahren in ein steuerstrafrechtliches Ermittlungsverfahren übergeleitet, richtet sich dieses gegen den Insolvenzschuldner persönlich, nicht gegen den Insolvenzverwalter. Unterlagen können in diesem Strafverfahren auch bei dem Insolvenzverwalter nach §§ 94 ff. StPO beschlagnahmt werden. Es gibt keinen allgemeinen Vorrang des Insolvenzrechts gegenüber dem Strafrecht, wonach ein strafrechtlicher [34]Eingriff in das Insolvenzverfahren unzulässig wäre. Im Gegenteil, das öffentliche Interesse an der Strafverfolgung überwiegt das private Interesse der Gläubiger.47

Die steuerlichen Pflichten, die sich insbesondere aus den §§ 90, 93 ff., 137 ff., 140 ff., 149 ff. AO, aber auch z. B. aus § 22 UStG ergeben, müssen somit auch im Insolvenzverfahren, und zwar bezüglich der Insolvenzmasse durch den Insolvenzverwalter, erfüllt werden. Diese Pflichten umfassen die Steuererklärungspflicht, Buchführungs- und Aufzeichnungspflichten (dies spricht § 155 Abs. 1 S. 2 InsO ausdrücklich aus) sowie Auskunfts-, Anzeige- und Nachweispflichten. Zu diesen Pflichten gehören auch die Erstellung länderbezogener Berichte multinationaler Unternehmensgruppen, gem. § 138a AO, und die Pflicht zur Mitteilung grenzüberschreitender Steuergestaltungen, gem. § 138d AO. Ebenfalls erfüllen muss der Insolvenzverwalter die handelsrechtlichen und steuerrechtlichen Aufbewahrungspflichten nach § 36 Abs. 1 Nr. 1 InsO.

Erfüllt der Insolvenzverwalter seine ihn gemäß § 34 AO treffenden steuerlichen Verpflichtungen nicht, können gegen ihn persönlich Zwangsmittel festgesetzt werden.48 Für diese haftet der Schuldner nicht (arg. § 70 AO). Ein Zwangsgeld kann mit Wirkung gegen die Insolvenzmasse oder gegen den Insolvenzverwalter persönlich festgesetzt werden, da der Insolvenzverwalter nach § 34 Abs. 1 AO die steuerlichen Pflichten als Person erfüllen muss.49

Zum Verhältnis dieser Pflichten des Insolvenzverwalters zu den Pflichten des Schuldners vgl. S. 28 f.

Andererseits kann der Insolvenzverwalter alle steuerlichen Rechte geltend machen, die dem Insolvenzschuldner zustehen. Der Insolvenzverwalter kann daher nach § 9 UStG zur Umsatzsteuer optieren,50 er kann auf die Anwendung der Kleinunternehmerregelung nach § 19 UStG verzichten51 und er kann steuerliche Freistellungsbescheinigungen beantragen.52

Bescheide, wie der Feststellungsbescheid nach § 251 Abs. 3 AO und über Masseverbindlichkeiten sind an den Insolvenzverwalter zu adressieren und ihm bekannt zu geben.53 Für die richtige Adressierung genügt es, wenn durch Auslegung aufgrund der objektiven Umstände und der Kenntnis der Betroffenen zweifelsfrei ergibt, dass der Steuerbescheid an den Insolvenzverwalter in dieser Funktion gerichtet ist. So genügt es, wenn der Bescheid auf einen anderen Bescheid verweist, in der der Adressat ausdrücklich als Insolvenzverwalter bezeichnet ist oder die Steuernummern der beiden Bescheide identisch sind.54

[35]Da der Insolvenzverwalter hinsichtlich der Rechte und Pflichten an die Stelle des Insolvenzschuldners tritt, kann er auch die gleichen Auskunftsansprüche gegen die Finanzbehörde geltend machen, die dem Insolvenzschuldner ohne Eröffnung des Insolvenzverfahrens zustünden.55 Das Steuergeheimnis, gem. § 30 AO, steht dem nicht entgegen, da dieses den Steuerpflichtigen schützen, nicht aber ihm bzw. den für ihn handelnden Personen Informationen vorenthalten soll.56 Da nach der AO kein uneingeschränktes Akteneinsichtsrecht besteht, liegt die Entscheidung im Ermessen der Finanzbehörde. Bei der Ermessensentscheidung hat die Finanzbehörde das berechtigte Interesse des Insolvenzverwalters, Auskünfte zu erhalten, zu berücksichtigen.57 Berechtigt ist das Interesse des Insolvenzverwalters dann, wenn sein Auskunftsersuchen unmittelbar mit der Erfüllung der ihn treffenden steuerlichen Pflichten oder der Prüfung der angemeldeten Insolvenzforderungen zusammenhängt. Kann der Insolvenzverwalter ein berechtigtes Interesse dartun, etwa weil die Unterlagen des Insolvenzschuldners unvollständig sind, stellt die Weigerung, Auskunft zu erteilen, einen Ermessensfehler dar. Dagegen ist das Interesse des Insolvenzverwalters, Auskünfte bzw. einen Kontoauszug zur Prüfung von Anfechtungsmöglichkeiten zu erhalten, kein mit seinen steuerlichen Pflichten und der Prüfung von Insolvenzforderungen zusammenhängendes Interesse und ist bei der Interessenabwägung nicht zu berücksichtigen.58 Besteht dem Grunde nach ein Anfechtungsrecht nach §§ 129 ff. InsO, besteht hinsichtlich Art und Umfang des Anfechtungsrechts ein zivilrechtlicher Anspruch gegen die Finanzbehörde auf Auskunft, für den der Zivilrechtsweg gegeben ist. Hinsichtlich des Rechtsgrundes eines möglichen Anfechtungsrechts gilt das nicht; insoweit muss sich der Insolvenzverwalter an den Insolvenzschuldner halten.59

Für die Akteneinsicht in einem Gerichtsverfahren, einschließlich eines unterbrochenen Gerichtsverfahrens, und zwar auch, bevor der Rechtsstreit aufgenommen worden ist, gilt § 78 FGO.60 Die Einsicht in eine in Papierform geführte Akte hat nach § 78 Abs. 3 FGO in den Diensträumen des Gerichts zu erfolgen, ggf. auch in den Diensträumen eines nähergelegenen Finanzamts. Eine Akteneinsicht im Büro des Insolvenzverwalters ist nur in Ausnahmefällen möglich. Darüber hat das Finanzgericht nach seinem Ermessen zu entscheiden, wobei es die öffentlichen Belange (Sicherstellung eines ordentlichen Geschäftsganges, Sicherung gegen Aktenverlust, -beschädigung und -manipulation, Schutz von Beweismitteln, Wahrung des Steuergeheimnisses gegenüber Dritten) gegen die berechtigten Interessen des Insolvenzverwalters (Zeit- und Kostenaufwand) abzuwägen hat. Geringe Unannehmlichkeiten bei der Akteneinsicht in Diensträumen, wie räumliche Enge, rechtfertigt allein nicht die Überlassung in die Räume [36]des Insolvenzverwalters. Regelmäßig hat die Akteneinsicht in Gegenwart eines Bediensteten zu erfolgen.61

Ein weiter gehendes Akteneinsichtsrecht kann sich aus dem Informationsfreiheitsgesetz des Bundes und den Informationsfreiheitsgesetzen der Länder ergeben. Der Regelung des Akteneinsichtsrechts nach der AO kommt eine Sperrwirkung gegenüber den entsprechenden Regelungen nach den Informationsfreiheitsgesetzen außerhalb des Besteuerungsverfahrens nicht zu.62 Insbesondere betrifft das Anfechtungsrecht nach §§ 129 ff. InsO kein Besteuerungsverfahren, für das die AO Anwendung findet. Eine Anfechtung lässt die Steuerforderung dem Grund und der Höhe nach unberührt, sodass der Anwendungsbereich des Steuerverfahrensrechts nicht eröffnet ist. Ein Anspruch des Insolvenzverwalters auf Einsichtnahme in die Kontoauszüge, um ggf. anfechtbare Zahlungen zu identifizieren, richtet sich daher nur nach den Informationsfreiheitsgesetzen der Länder, nicht nach der AO.63 Der Rechtsweg führt zu den Verwaltungsgerichten, nicht den Finanzgerichten.64

Allerdings bestimmt § 32e AO, dass für diese Auskunftsansprüche § 32c Abs. 1 Nr. 2 AO entsprechend gilt. Danach besteht kein Recht auf Auskunft, soweit die Erteilung der Auskunft die Finanzbehörde in der Geltendmachung, Ausübung oder Verteidigung zivilrechtlicher Ansprüche oder der Verteidigung gegen zivilrechtliche Ansprüche beeinträchtigen würde.65 Dies betrifft auch Auskünfte hinsichtlich der Anfechtungsansprüche. Entsprechendes gilt für § 32i AO. Da § 32i Abs. 2 AO nur der Durchsetzung des Datenschutzes dient, nicht unabhängig davon der Durchsetzung von Auskunftsrechten, gilt die in dieser Vorschrift enthaltene Rechtswegzuweisung an die Finanzgerichte für Auskunftsansprüche aus den Informationsfreiheitsgesetzen nicht.66

Das Steuergeheimnis ist auch nicht verletzt, soweit dem Insolvenzverwalter Verhältnisse des nicht von der Insolvenz betroffenen zusammen veranlagten Ehegatten des Insolvenzschuldners bekannt werden.67 Bei Zusammenveranlagung erstreckt sich das Informationsrecht des Insolvenzverwalters auf alle Merkmale, die in die gemeinsame Steuer eingehen, also auch die von dem Ehegatten verwirklichten. Dies ist durch § 30 Abs. 4 Nr. 1, Abs. 2 Nr. 1 Buchst. a AO gedeckt.

Die Stellung des Sachwalters bei der Eigenverwaltung nach § 270 Abs. 3 InsO ist der des Insolvenzverwalters nicht vergleichbar. Das Steuergeheimnis steht daher Auskunftserteilungen an ihn grundsätzlich entgegen.

[37]3.2.2Handelsrechtliche und steuerrechtliche Buchführungspflichten

§ 155 Abs. 1 InsO regelt das Verhältnis der handels- und steuerrechtlichen Buchführungs- und Aufzeichnungspflichten zu den entsprechenden insolvenzrechtlichen Verpflichtungen. Nach § 153 Abs. 1 InsO hat der Insolvenzverwalter auf den Zeitpunkt der Eröffnung des Insolvenzverfahrens eine Vermögensübersicht (»Insolvenzeröffnungsbilanz«) aufzustellen, in der nach § 152 Abs. 2 InsO die tatsächlichen, erzielbaren Werte der Vermögensgegenstände anzugeben sind.68 Außerdem hat er nach § 66 InsO Schlussrechnung zu legen.

Durch diese insolvenzrechtlichen Pflichten können die steuerrechtlichen Pflichten jedoch nicht erfüllt werden.69 Die insolvenzrechtlichen Pflichten zur Rechnungslegung sind zu unterscheiden von den handelsrechtlichen und steuerrechtlichen Buchführungs- und Aufzeichnungspflichten. Insolvenzbilanzen sind Vermögensbilanzen und dienen daher nicht dem Zweck der handelsrechtlichen oder steuerrechtlichen Gewinnermittlung, sondern sollen den Zeitwert des vorhandenen Vermögens darstellen. Die insolvenzrechtlichen Vorschriften treten daher neben die steuerrechtliche Buchführungs- und Bilanzierungspflicht. Wie § 155 Abs. 1 S. 1 InsO ausdrücklich bestimmt, bleiben die handelsrechtlichen und steuerrechtlichen Buchführungspflichten auch in der Insolvenz bestehen.

Der Insolvenzschuldner bzw. die Personengesellschaft, über deren Vermögen das Insolvenzverfahren eröffnet worden ist, behält die Eigenschaft als Kaufmann nach § 1 HGB und bleibt steuerlich Gewerbetreibender nach § 15 EStG. Bestehende Buchführungspflichten bleiben durch die Eröffnung des Insolvenzverfahrens unberührt.70 Handelsrechtlich sind auch für diese Zeit Bücher nach § 238 HGB zu führen, wobei die Grundsätze ordnungsgemäßer Buchführung und Bilanzierung zu beachten sind. Dabei sind, je nach dem Ziel des Insolvenzverfahrens, Liquidationswerte anzusetzen oder die fortgeführten Buchwerte, wenn das Insolvenzverfahren auf Fortführung und Erhaltung des Unternehmens auf Dauer gerichtet ist.71 Steuerlich sind auf jeden Fall die Buchwerte fortzuführen, da die Eröffnung des Insolvenzverfahrens allein keine Gewinn- oder Verlustrealisierung rechtfertigt.72

Diese handels- und steuerrechtlichen Buchführungs- und Bilanzierungspflichten sind von dem Insolvenzverwalter zu erfüllen,73 und zwar auch insoweit, als diese Pflichten den Zeitraum vor Eröffnung des Insolvenzverfahrens betreffen. Der Insolvenzverwalter ist von dieser Verpflich[38]tung auch dann nicht befreit, wenn die Masse zur Begleichung der dadurch entstehenden Kosten nicht ausreicht.74

Für den handelsrechtlichen Bilanzstichtag bestimmt § 155 Abs. 2 S. 1 InsO, dass mit der Eröffnung des Insolvenzverfahrens ein neues Geschäftsjahr beginnt. Bei Eröffnung des Insolvenzverfahrens entsteht also regelmäßig ein Rumpfgeschäftsjahr. Die in der Satzung bzw. dem Gesellschaftsvertrag festgelegte Bestimmung des Geschäftsjahrs wird dadurch »überschrieben«, sodass der Insolvenzverwalter den neuen Rhythmus der Geschäftsjahre beibehalten kann, also das Geschäftsjahr nicht erneut auf den in der Satzung bestimmten Rhythmus der Geschäftsjahre umstellen muss. Da die Bestimmung des Geschäftsjahrs in der Satzung bzw. dem Gesellschaftsvertrag nicht beseitigt wird, kann er jedoch zu diesen Geschäftsjahren zurückkehren, ohne dass darin eine Satzungsänderung liegt. Dies muss nach außen dokumentiert werden, entweder durch eine Eintragung im Handelsregister oder eine sonstige Mitteilung an das Registergericht.75 Die Wahl eines anderen Geschäftsjahres als dem in der Satzung vorgeschriebenen ist jedoch nur durch Satzungsänderung zu erreichen. Hinsichtlich des Bilanzstichtages gilt der Grundsatz der Maßgeblichkeit der Handelsbilanz für die Steuerbilanz. Der steuerliche Bilanzstichtag ist daher mit dem handelsrechtlichen Bilanzstichtag identisch. Das gilt auch für den nach § 155 Abs. 2 S. 1 InsO entstehenden Bilanzstichtag der Eröffnung des Insolvenzverfahrens. Dem handelsrechtlichen Rumpfgeschäftsjahr entspricht ein steuerliches Rumpfwirtschaftsjahr.

Dieser Umstellung des Wirtschaftsjahres kann die Finanzbehörde nicht nach § 4a Abs. 1 Nr. 2 EStG widersprechen. Das Zustimmungserfordernis dient der Verhinderung von Missbräuchen aufgrund des Rechts des Steuerpflichtigen, sein Geschäftsjahr/Wirtschaftsjahr zu wählen.76 Erfolgt die Umstellung aufgrund einer zwingenden gesetzlichen Vorschrift, wie im Fall des § 155 Abs. 2 S. 1 InsO, kann keine Missbrauchsabsicht des Steuerpflichtigen bestehen. Es besteht also kein Grund, der gesetzlich angeordneten Folge die steuerrechtliche Wirkung zu versagen.

Steuerrechtlich hat der Insolvenzverwalter nach § 34 Abs. 3 AO, § 155 Abs. 1 InsO auf das Ende des jeweiligen Wirtschaftsjahres eine Steuerbilanz aufzustellen, die den steuerlichen Ansatz- und Bewertungsvorschriften, vgl. §§ 5 ff. EStG, entspricht. Er hat auch die Verpflichtung nach § 5b EStG zur Einreichung einer E-Bilanz einschließlich der Mussangaben nach § 51 Abs. 4 Nr. 1b EStG zu erfüllen.77

[39]3.2.3Steuererklärungspflichten

Zu den steuerlichen Pflichten, die der Insolvenzverwalter zu erfüllen hat, gehören auch die Steuererklärungspflichten.78 Dazu gehört auch eine sog. Nullerklärung, aus der sich voraussichtlich keine steuerlichen Auswirkungen ergeben. Hierzu kann er durch ein Zwangsgeld angehalten werden.79 Der Insolvenzverwalter kann sich dieser Verpflichtung nicht mit dem Argument entziehen, die Kosten für die Erstellung der Steuererklärungen könnten nicht aus der Masse gedeckt werden.80 Nicht zu dem Verwaltungsbereich des Insolvenzverwalters gehört eine außerinsolvenzrechtliche Tätigkeit des Schuldners. Über Umsätze und Einkünfte aus freigegebenen oder pfändungsfreien Vermögen bzw. aus dem Einsatz der persönlichen Arbeitskraft des Schuldners hat dieser, nicht der Insolvenzverwalter, die Steuererklärungen abzugeben.81

Ist der Steuerpflichtige eine natürliche Person, die betrieblich tätig ist, hat der Insolvenzverwalter für die Insolvenzmasse die Umsatz- und Gewerbesteuererklärung abzugeben. Hinsichtlich der Ertragsteuern hat der Insolvenzverwalter eine Erklärung über die einkommensteuerlichen Bemessungsgrundlagen abzugeben, soweit diese Besteuerungsgrundlagen ihre Wurzeln in der Insolvenzmasse haben (z. B. Einkünfte, die der Insolvenzverwalter erzielt hat; Sonderausgaben und außergewöhnliche Belastungen, wenn die Zahlungen aus der Insolvenzmasse geleistet werden).

Hat der Insolvenzschuldner außerhalb des Insolvenzverfahrens Ausgaben geleistet, die steuerlich zu berücksichtigen sind (Sonderausgaben, außergewöhnliche Belastungen), hat der Insolvenzverwalter diese Besteuerungsgrundlagen nicht in die von ihm abzugebenden Steuererklärungen einzubeziehen, da diese Ausgaben nicht seiner Verwaltung unterliegen. Hierüber hat der Insolvenzschuldner selbst eine Steuererklärung abzugeben. Gleiches gilt für Besteuerungsgrundlagen (Einkünfte, Ausgaben) des Schuldners, soweit diese nicht zur Insolvenzmasse gehören (z. B. pfändungsfreies Arbeitseinkommen) und Besteuerungsgrundlagen der Ehefrau des Schuldners, wenn Zusammenveranlagung erfolgt.

Ist der Insolvenzschuldner eine juristische Person, sind alle von ihr geschuldeten Steuererklärungen von dem Insolvenzverwalter abzugeben (Körperschaft-, Gewerbe- und Umsatzsteuererklärung). Da die Körperschaft keinen Bereich haben kann, der außerhalb des Insolvenzverfahrens liegt, umfasst die Verwaltung durch den Insolvenzverwalter die gesamte steuerliche Sphäre.

[40]Der Insolvenzverwalter hat im Insolvenzverfahren über das Vermögen einer Personengesellschaft die Umsatzsteuer- und die Gewerbesteuererklärung82 abzugeben.

Nicht zu den Steuererklärungen, die der Insolvenzverwalter im Insolvenzverfahren über das Vermögen einer Personengesellschaft abzugeben hat, gehört die Erklärung zur einheitlichen und gesonderten Feststellung des Gewinns der Personengesellschaft. Der Insolvenzverwalter hat alle Pflichten des Insolvenzschuldners zu erfüllen, die diesen ohne Eröffnung des Insolvenzverfahrens träfen, soweit sich diese Pflichten auf das von dem Insolvenzverfahren ergriffene Vermögen beziehen. Dazu gehören die Steuererklärungspflichten, soweit die Steuern aus dem vom Insolvenzverfahren ergriffenen Vermögen (als Masseverbindlichkeiten oder Insolvenzforderung) zu entrichten sind. Ist über das Vermögen einer Personengesellschaft das Insolvenzverfahren eröffnet worden, richtet sich die an die Einkünfte der Personengesellschaft anknüpfende Einkommensteuer der Gesellschafter aus keinem möglichen Rechtsgrund gegen die Insolvenzmasse. Schuldner sind vielmehr die Gesellschafter. Die Durchführung der einheitlichen Gewinnfeststellung gehört daher zu den insolvenzfreien Angelegenheiten, sie betrifft die Gesellschafter persönlich, nicht die Insolvenzmasse. Der Insolvenzverwalter ist daher nicht zur Abgabe der Erklärung zur einheitlichen und gesonderten Gewinnfeststellung verpflichtet.83 Praktische Schwierigkeiten, die dadurch entstehen können, dass der Insolvenzverwalter den Gesellschaftern die Buchführung nicht aushändigen darf, können dadurch überwunden werden, dass zur Erstellung der Feststellungserklärung Einblick in die Buchführung gewährt wird. Die Gesellschafter können von dem Insolvenzverwalter die Vorlage steuerlicher Jahresabschlüsse der Personengesellschaft verlangen. Sie müssen der Masse aber die hierfür entstehenden Kosten erstatten.84 Der Insolvenzverwalter im Insolvenzverfahren über das Vermögen einer Personengesellschaft muss zwar den Gewinn aus Gewerbebetrieb ermitteln, um die Gewerbesteuerklärung abgeben zu können. Das führt aber nicht zur Verpflichtung zur Erstellung der Feststellungserklärung, da diese für die Gewerbesteuer nicht bindend ist.

Nach § 34 AO hat der Insolvenzverwalter die den Insolvenzschuldner treffenden Pflichten, und damit auch die Steuererklärungspflicht, nur zu erfüllen, »soweit die Verwaltung reicht«. Soweit für die Zeit vor Eröffnung des Insolvenzverfahrens noch keine Steuererklärungen abgegeben wurden, hat diese der Insolvenzverwalter abzugeben, obwohl seine Verwaltung diese Zeitspanne nicht umfasst. Die Gegenmeinung würde jedoch bedeuten, dass für diese Zeit überhaupt keine ordnungsgemäßen Steuererklärungen abgegeben werden könnten. Gemäß §§ 36 Abs. 2 Nr. 1, 148 Abs. 1 InsO hat der Insolvenzverwalter die Geschäftsbücher in Besitz zu nehmen. Aus [41]insolvenzrechtlichen Gründen kann nicht zugelassen werden, dem Insolvenzschuldner Zugang zu den Geschäftsbüchern zu gewähren, etwa um die Abschlussarbeiten vorzunehmen.85 Der Insolvenzschuldner kann daher ab Insolvenzeröffnung auch für die vor Insolvenzeröffnung liegende Zeit keine Steuererklärungen abgeben. Da aber der Insolvenzverwalter die Verwaltungsaufgaben soweit wahrzunehmen hat, wie der Insolvenzschuldner durch die Insolvenzeröffnung hieran gehindert ist, trifft die Steuererklärungspflicht insoweit den Insolvenzverwalter.86

Der Insolvenzverwalter hat also alle steuerlichen Pflichten zu erfüllen, die während der Zeit der Verwaltung zu erfüllen sind, auch wenn sie die Zeit vor seiner Verwaltung betreffen.

Nach § 153 AO hat der Steuerpflichtige seine Steuererklärungen zu berichtigen, wenn er, ohne dass er sich hierdurch strafbar gemacht hätte, eine unrichtige oder unvollständige Steuererklärung abgegeben hat.

Soweit der Insolvenzverwalter selbst eine unrichtige oder unvollständige Steuererklärung abgibt, ist er in diesem Rahmen gemäß § 153 AO zur Berichtigung verpflichtet.

Aufgrund der ausdrücklichen Regelung des § 153 Abs. 1 S. 2 AO hat der Insolvenzverwalter auch eine vor Eröffnung des Insolvenzverfahrens von dem Insolvenzschuldner abgegebene unrichtige oder unvollständige Steuererklärung zu berichtigen, wenn er, der Verwalter, während seiner Verwaltung die Unrichtigkeit oder Unvollständigkeit erkennt.87

Die Berichtigungspflicht nach § 153 AO trifft den Steuerpflichtigen dann nicht, wenn er sich durch die Berichtigung der Gefahr strafrechtlicher Verfolgung aussetzen würde. Dies würde mit dem rechtsstaatlichen Grundsatz in Widerspruch stehen, dass niemand gezwungen sein kann, sich selbst anzuzeigen.