Billionaires & Secrets - Nancy Salchow - E-Book
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Billionaires & Secrets E-Book

Nancy Salchow

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Beschreibung

Erstmals zusammen in einem Sammelband: Die Erfolgsromane "Das Boss-Tabu", "Der Milliardär auf meinem Dachboden" und "Stop this Feeling". Kurztext zu Boss-Tabu: Als Boss eines großen Unternehmens ist Darrell extrem erfolgreich, zielstrebig und selbstbewusst – aber auch sehr unnahbar. Der einzige Mensch, den er wirklich an sich heranlässt, ist seine kleine, an den Rollstuhl gefesselte Schwester Christie, die mit ihm zusammen in seiner Villa lebt. Als Darrell eine Nanny für Christie sucht, stellt er die kompetente Olivia ein. Christie ist sofort hellauf von Olivia begeistert. Darrell hingegen ist skeptisch, als Olivia anfängt, ihm in Christies Erziehung hineinzureden. Das Einzige, das ihn mehr stört, ist die Tatsache, dass er sich vom ersten Moment an auf eine Weise zu Olivia hingezogen fühlt, die absolut nicht in sein Konzept passt. Wie lange wird er ihr widerstehen können? Für Olivia ist der Nanny-Job in Darrells Villa ein wahrer Segen. Nach einigen Fehlgriffen in der Vergangenheit hofft sie, wenigstens beruflich endlich zur Ruhe zu kommen. Doch diese Rechnung hat sie ohne ihr Herz gemacht, das vom ersten Augenblick an auf den geheimnisvollen Darrell reagiert. Einerseits fällt es ihr schwer, seine seltsamen Ansichten zu Christies Erziehung und seine kühle Distanziertheit nachzuvollziehen, andererseits bereitet ihr die erotische Anziehung, die sie sofort in seiner Gegenwart spürt, große Sorge. Schließlich hat Olivia nur eine Regel: Sich unter keinen Umständen in den Boss zu verlieben. Als sie jedoch Darrells Geheimnissen gefährlich nahekommt, sind das erotische Knistern zwischen ihnen und die Differenzen bezüglich Christies Erziehung ihre geringsten Probleme ...

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Seitenzahl: 666

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Inhaltsverzeichnis

Buch 1: Das Boss-Tabu

Prolog

Kapitel 1

Kapitel 2

Kapitel 3

Kapitel 4

Kapitel 5

Kapitel 6

Kapitel 7

Kapitel 8

Kapitel 9

Kapitel 10

Kapitel 11

Kapitel 12

Kapitel 13

Kapitel 14

Kapitel 15

Kapitel 16

Kapitel 17

Kapitel 18

Kapitel 19

Kapitel 20

Kapitel 21

Kapitel 22

Kapitel 23

Kapitel 24

Kapitel 25

Kapitel 26

Kapitel 27

Kapitel 28

Kapitel 29

Kapitel 30

Kapitel 31

Kapitel 32

Kapitel 33

Kapitel 34

Kapitel 35

Kapitel 36

Kapitel 37

Kapitel 38

Kapitel 39

Kapitel 40

Kapitel 41

Kapitel 42

Kapitel 43

Kapitel 44

Kapitel 45

Kapitel 46

Kapitel 47

Kapitel 48

Kapitel 49

Kapitel 50

Kapitel 51

Kapitel 52

Kapitel 53

Kapitel 54

Kapitel 55

Kapitel 56

Epilog

Buch 2: Stop this Feeling

Prolog

Kapitel 1

Kapitel 2

Kapitel 3

Kapitel 4

Kapitel 5

Kapitel 6

Kapitel 7

Kapitel 8

Kapitel 9

Kapitel 10

Kapitel 11

Kapitel 12

Kapitel 13

Kapitel 14

Kapitel 15

Kapitel 16

Kapitel 17

Kapitel 18

Kapitel 19

Kapitel 20

Kapitel 21

Kapitel 22

Kapitel 23

Kapitel 24

Kapitel 25

Kapitel 26

Kapitel 27

Kapitel 28

Epilog

Buch 3: Der Milliardär auf meinem Dachboden

Prolog

Kapitel 1

Kapitel 2

Kapitel 3

Kapitel 4

Kapitel 5

Kapitel 6

Kapitel 7

Kapitel 8

Kapitel 9

Kapitel 10

Kapitel 11

Kapitel 12

Kapitel 13

Kapitel 14

Kapitel 15

Kapitel 16

Kapitel 17

Kapitel 18

Kapitel 19

Kapitel 20

Kapitel 21

Kapitel 22

Kapitel 23

Kapitel 24

Kapitel 25

Kapitel 26

Kapitel 27

Kapitel 28

Kapitel 29

Kapitel 30

Kapitel 31

Kapitel 32

Epilog

Impressum

Nancy Salchow

___________________________

Billionaires & Secrets

Sammelband mit drei Romanen

Roman

Buch 1: Das Boss-Tabu

Über das Buch:

Als Boss eines großen Unternehmens ist Darrell extrem erfolgreich, zielstrebig und selbstbewusst – aber auch sehr unnahbar. Der einzige Mensch, den er wirklich an sich heranlässt, ist seine kleine, an den Rollstuhl gefesselte Schwester Christie, die mit ihm zusammen in seiner Villa lebt.

Als Darrell eine Nanny für Christie sucht, stellt er die kompetente Olivia ein. Christie ist sofort hellauf von Olivia begeistert. Darrell hingegen ist skeptisch, als Olivia anfängt, ihm in Christies Erziehung hineinzureden. Das Einzige, das ihn mehr stört, ist die Tatsache, dass er sich vom ersten Moment an auf eine Weise zu Olivia hingezogen fühlt, die absolut nicht in sein Konzept passt. Wie lange wird er ihr widerstehen können?

Für Olivia ist der Nanny-Job in Darrells Villa ein wahrer Segen. Nach einigen Fehlgriffen in der Vergangenheit hofft sie, wenigstens beruflich endlich zur Ruhe zu kommen. Doch diese Rechnung hat sie ohne ihr Herz gemacht, das vom ersten Augenblick an auf den geheimnisvollen Darrell reagiert. Einerseits fällt es ihr schwer, seine seltsamen Ansichten zu Christies Erziehung und seine kühle Distanziertheit nachzuvollziehen, andererseits bereitet ihr die erotische Anziehung, die sie sofort in seiner Gegenwart spürt, große Sorge. Schließlich hat Olivia nur eine Regel: Sich unter keinen Umständen in den Boss zu verlieben.

Als sie jedoch Darrells Geheimnissen gefährlich nahekommt, sind das erotische Knistern zwischen ihnen und die Differenzen bezüglich Christies Erziehung ihre geringsten Probleme ...

Dieses Buch enthält sehr eindeutige und leidenschaftliche Szenen.

In sich abgeschlossener Einzelroman. Keine Serie.

Prolog

Er lässt seine Fingerspitze hinab zu meinem Bauchnabel gleiten. Eine simple Berührung, die mir eine Gänsehaut beschert.

Erregt schließe ich die Augen und werfe seufzend meinen Kopf aufs Kissen.

Ich spüre seine Lippen auf meinem Unterleib und seine starken Hände, die meine Hüften packen.

Jede Berührung, jeder Kuss macht diesen Moment umso magischer.

Wie gelingt es ihm nur, mich derart um den Verstand zu bringen? Wie schafft er es, mir alles zu sagen, was ich hier und jetzt wissen muss, ohne auch nur ein einziges Wort dabei zu sagen?

Ich bäume mich unweigerlich unter seinen Liebkosungen auf, fast unfähig, mich länger zusammenzureißen. Alles in mir sehnt sich danach, ihn mit Haut und Haaren zu spüren.

„Du bist wunderschön“, flüstert er sanft auf meine Haut, als sich das Zimmer plötzlich in tiefe Dunkelheit hüllt.

Erschrocken fahre ich in die Höhe, während sich meine Augen nur langsam an die Tatsache gewöhnen, dass es nicht Nacht, sondern früher Morgen ist.

Die Sonne stiehlt sich durch die Gardinen; meine Sinne kommen nur langsam zu sich.

Instinktiv wandern meine Finger zu meinem Bauchnabel, als müssten sie sich vergewissern, dass es wirklich nur ein Traum war.

Müde lasse ich mich zurück aufs Kissen fallen und starre an die Decke.

Nein, es kann kein Traum gewesen sein, dafür war es viel zu real.

Kapitel 1

Darrell

Die Fensterfront meines Büros ist das Erste, das den meisten Besuchern auffällt. Von hier aus kann man den gesamten Wismarer Hafen sehen und sich, bei angewinkeltem Fenster, im wohlvertrauten Kreischen der Möwen verlieren.

Als ich jedoch an diesem Junimorgen mit den Händen in den Hosentaschen vor den Fenstern stehe, ist es nicht der Hafen, auf den ich schaue. Vielleicht sind meine Augen auf ihn gerichtet, doch meine Gedanken sehen etwas anderes.

Heute sind es auf den Tag genau fünf Jahre.

Fünf Jahre, in denen ich jeden Morgen mit derselben Frage aufwache: Warum sie? Warum unsere Familie?

Das Klopfen an der Tür reißt mich aus meiner Schwermut.

„Darrell?“

Nur widerwillig drehe ich mich um. „Ja?“

Tessa setzt ihr übliches 1000-Volt-Lächeln auf, während ihr akkurat frisierter, kaffeebrauner Kurzhaarschnitt den Blick auf ihr perfektes Make-Up freigibt. Wieder frage ich mich, wie viel Zeit sie sich wohl an diesem Morgen für das Aussuchen ihres knielangen Kostüms und den passenden High Heels und Ohrringen genommen hat. Äußerliche Perfektion scheint für sie über allem zu stehen.

„Deine Schwester ist am Telefon“, sagt sie. „Soll ich sie durchstellen?“

„Ja.“ Ich trete vom Fenster weg. „Ja, natürlich.“

Ich setze mich zurück an den Schreibtisch, während Tessa die Tür hinter sich schließt. Nach einem kurzen Klingeln hebe ich schließlich den Hörer ab.

„Darrell?“ Ihre Stimme ist für einen Jahrestag wie diesen unerwartet fröhlich.

„Hallo meine Süße. Es ist kurz nach zehn. Hast du gar keinen Unterricht? Wo ist Xavier?“

„Doch natürlich. Mathe und Geschichte haben wir schon hinter uns. Xavier macht gerade eine kleine Kaffeepause, da dachte ich mir, ich rufe dich kurz an.“ Sie hält kurz inne. „Oder stör ich dich gerade?“

„Nein nein, alles gut. Mein nächster Termin ist erst in einer Stunde. Ich freue mich, deine Stimme zu hören.“ Ich seufze. „Vor allem heute.“ Ich verstumme. Ein Schweigen, das sie selbst am Telefon sofort durchschaut.

„Du hast mir doch versprochen, nicht traurig zu sein“, sagt sie.

Es ist einer der Momente, in denen ich besonders stolz auf ihre Tapferkeit bin. Gerade sie hätte allen Grund, an diesem Tag schwermütig zu sein.

„Ich bin nicht traurig, Christie.“ Ich räuspere mich. „Alles okay.“

„Komm schon, Bruderherz, ich kann es doch an deiner Stimme hören.“

Ich atme tief ein. Warum nur fällt es ihr so leicht, jede meiner Stimmungen mühelos zu durchschauen?

„Ich mache mir nur Sorgen um dich“, sage ich schließlich.

„Um mich?“ Sie lacht leise. „Warum denn das?“

„Na ja, die letzte Nanny ist nun schon seit einem Monat nicht mehr bei uns. Wir sollten uns langsam um Ersatz kümmern, findest du nicht?“

„Erst wenn du endlich aufhörst, sie Nanny zu nennen. Ich bin vierzehn, Darrell, und kein kleines Kind mehr.“

„Das weiß ich doch. Aber wen interessiert es, wie wir sie nennen? Wichtig ist, dass sie ihre Rolle ernstnimmt. Genau deshalb habe ich auch ...“ Ich zögere kurz.

„Was hast du?“

„... eine Annonce aufgegeben.“

„Ach, Darrell“, sie seufzt, „findest du wirklich, dass ich jemanden brauche?“

„Du bist fast den ganzen Tag allein zu Hause. Emma und Xavier können sich nur bedingt um dich kümmern. Und auf Dauer ...“

„Wieso muss sich denn ständig jemand um mich kümmern?“, fällt sie mir eingeschnappt ins Wort. „Ich bin vierzehn.“

„Lern sie doch erst mal kennen. Ich bin mir sicher, dass sie dir gefallen wird.“

„Sie? Heißt das, du hast schon jemanden ausgesucht?“

„Sie ist bisher die Einzige, die in Frage kommt. Am Telefon klang sie sehr kompetent und ihre Ansichten scheinen ziemlich vernünftig. Du wirst sie ganz bestimmt mögen. Ich habe sie für morgen zu uns eingeladen, damit ihr euch kennenlernen könnt.“

„Morgen schon?“

„Spricht etwas dagegen?“

Dass sie gerade genervt ihre Mundwinkel verschiebt, weiß ich, ohne sie zu sehen.

„Komm schon, Christie. Wir haben von Anfang an gesagt, dass wir wieder jemanden einstellen werden.“

„Du hast das gesagt. Nicht ich.“

„Du bist nur so genervt, weil du Angst hast, dass sie wieder genau so ein Drachen wie die Letzte sein wird. Aber glaub mir, da besteht bei dieser Kandidatin kein Risiko.“

„Ihre Vorgängerin fandest du anfangs auch nett.“

„Kann schon sein, aber aus Fehlern lernt man.“

Wieder verfällt sie in undefinierbares Schweigen.

„Warum hast du eigentlich angerufen?“, frage ich schließlich, um wenigstens kurzzeitig das schwierige Thema zu wechseln.

„Ich wollte nur fragen, wann du nach Hause kommst. Ich will nicht im Dunkeln zum Friedhof.“

„Ich mache heute früher Schluss. Spätestens um zwei bin ich zu Hause, dann können wir vorher noch gemeinsam zum Blumenladen und etwas besonders Schönes für sie aussuchen.“

„Gut.“

„Und wegen der anderen Sache ...“

„Schon gut, Darrell. Du hast deine Entscheidung ja sowieso längst getroffen.“

„Nur dass wir jemanden einstellen. Wer es ist, entscheidest du.“

Sie atmet geräuschvoll aus. „Von mir aus. Xavier kommt gerade wieder rein. Ich mach jetzt Schluss, okay?“

„Alles klar, Süße. Wir sehen uns nachher.“

Sie legt ohne eine weitere Antwort auf, was typisch für sie ist, sobald ich das Nanny-Thema anschneide. Trotzdem bin ich erleichtert, es endlich angesprochen zu haben.

Wieder muss ich an das gestrige Telefonat mit einer gewissen Olivia denken. Sie schien von meinem Anruf ehrlich überrascht, dennoch war sie sofort in der Lage, mir kompetent und ohne Zögern auf jede meiner Fragen zu antworten.

Ob mich mein gutes Gefühl am Ende wieder täuschen wird? Aber welche Wahl habe ich, als es einfach darauf ankommen zu lassen?

Ich stehe auf und gehe erneut zum Fenster. Auf dem Schreibtisch hinter mir stapeln sich die Meeting-Notizen und Preisanfragen, doch ich bin einfach nicht in der Lage, meine Gedanken zu sortieren.

Mein Blick wandert hinaus zu einem der Kutter, vor dem sich bereits eine fischbrötchenhungrige Menschenschlange gebildet hat.

Vielleicht sollte ich ein paar Minuten an die frische Luft gehen und mir auch ein Brötchen gönnen. Etwas Ablenkung wird mir guttun – auch und gerade heute.

Kapitel 2

Olivia

„Nicht dein Ernst!“ Mike zieht seine rote Dienstjacke über und schließt den Reißverschluss. „Du willst das hier echt aufgeben?“

Ich werfe meine Spint-Tür zu und schlüpfe ebenfalls in meine Jacke. „Erst mal ist es ja nur eine Art Vorstellungsgespräch. Ich weiß ja gar nicht, ob ich den Job überhaupt bekomme.“

„Aber du hast doch gesagt, dass du nie wieder als Erzieherin arbeiten willst.“

„Weil ich bisher nur Pech mit den Einrichtungen hatte, in denen ich angestellt war. Besserwisserische Kollegen, die einen selbst mit 26 noch wie eine Anfängerin behandeln, brauche ich echt nicht wieder.“

„Und was ist bei diesem Job anders?“ Er setzt sich auf die Umkleidebank und schaut mich erwartungsvoll an.

„Na ja, es wäre ein Job als Nanny. Ich wäre praktisch auf mich allein gestellt.“ Ich setze mich neben ihn. „Keine nervigen Kollegen, keine festgelegten Strukturen. Also genau das Richtige für mich.“

„Aber dort wird es doch bestimmt auch Regeln geben.“

„Ja sicher. Aber es ist doch etwas anderes, wenn man allein verantwortlich für ein Kind ist.“

Mike setzt sich sein Basecap auf und drückt damit seine hellblonden Locken platt. Der Jacken-Basecap-Look kaschiert sein rundliches Gesicht und die eher breiten Hüften.

„Trotzdem.“ Mike seufzt. „Ich würde dich hier echt vermissen, Livy.“

„Ach komm schon, Mike.“ Ich lege den Arm um seine Schulter. „Du willst mir doch nicht allen Ernstes erzählen, dass du für den Rest deines Lebens Pizza ausliefern willst. Wenn sich für dich irgendwo eine andere Tür öffnen würde, würdest du doch sicher auch nicht Nein sagen.“

„Keine Ahnung.“ Er zuckt mit den Schultern. „Mir gefällt, was ich tue. Und ich dachte, dir geht es ähnlich.“

„Der Job ist okay.“ Ich lege die Hände in den Schoß. „Aber es ist nun mal nicht das, was ich gelernt habe. Ich liebe es eben, mit Kindern zu arbeiten. Mich um jemanden zu kümmern.“ Ich lege die Hand auf meine Brust. „Das ist meine Mission, verstehst du?“

„Mission“, wiederholt er leise, während er sich auf seine ausgebreiteten Hände stützt und tief durchatmet. „Ist es unanständig von mir, darauf zu hoffen, dass du diesen Job nicht bekommst?“

„Sogar sehr unanständig.“ Ich drücke ihm einen Kuss auf die Wange. „Aber es ist auch irgendwie süß von dir.“

„Wer soll mir denn in Zukunft Dating-Tipps geben?“

„Na, ich natürlich. Ich lasse mir doch nicht entgehen, wie du endlich deine Traumfrau findest. An unserer Freundschaft ändert sich doch deswegen nichts.“ Ich puffe ihm mit der Faust gegen den Oberarm. „Komm schon, Mike, du hältst mir doch die Daumen für morgen, oder?“

Er ringt sich ein kleines Lächeln ab. „Na, meinetwegen.“

„Das Gute ist, dass ich hier sofort aufhören könnte, wenn ich den anderen Job bekomme.“ Ich grinse. „Das ist der Vorteil, wenn man keinen festen Arbeitsvertrag hat. Übrigens ein weiteres Indiz dafür, dass du dir selbst schnell etwas anderes suchen solltest. Etwas Seriöseres.“

„Keine Chance.“ Er zwinkert mir zu. „Kein Job der Welt würde mir so ein heißes Outfit bieten wie dieser hier.“

Ich lache. „Auch wieder wahr.“

Kapitel 3

Olivia

Die Auffahrt führt kreisförmig um ein akkurat gepflegtes Rasenstück herum, in dessen Mitte ein prächtiger Rosen-Pavillon die Blicke auf sich zieht.

Unter einem breiten Carport, das für mehrere Autos Platz bietet, bringe ich meinen Wagen rückwärts zum Stehen.

Eine Weile bleibe ich noch sitzen und betrachte die mächtige Villa vor mir.

Eine blassgelbe Fassade mit unzähligen schneeweißen Fensterläden. Ein großzügiger Balkon, der sich über die ganze Front ausbreitet. Eine zweiflügelige Eingangstür im selben Weiß wie die Fenster.

Ich schlucke meine Überraschung herunter. Ich hatte viel erwartet, aber nicht, dass ich in einem Haus wie diesem landen würde. Nur wenige Kilometer außerhalb von Wismar gelegen wirkt es in seiner malerischen Schönheit beinahe wie ein Fremdkörper.

Ich versuche, mich zu erinnern, ob ich jemals an der Villa vorbeigefahren bin, doch die hohen Hecken, die das Anwesen säumen, hätten sicher ohnehin verhindert, dass es mir auffällt.

Zweifel überkommen mich.

Passe ich wirklich hierher? Will ich überhaupt hierher passen?

Ich atme tief durch und ziehe schließlich den Schlüssel ab. Zögernd steige ich aus, schlinge meine Handtasche über die Schulter und mache mich auf den Weg zum Haus, das mit jedem Schritt, den ich mich nähere, noch bedrohlicher wirkt.

Ruhig bleiben, Livy. Du hast bereits einen Job. Wenn es hier nicht klappt, dann soll es eben nicht sein. Vielleicht willst du ja auch gar nicht, dass es klappt.

Ich werfe mein Haar in den Nacken und drücke schließlich den Klingelknopf.

Ein paar Sekunden lang tut sich gar nichts. Kein Geräusch, kein Schritt ist zu hören.

Dann plötzlich, wie aus dem Nichts, öffnet sich die mächtige Tür – und vor mir steht ein junger Mann mit stahlblauen Augen. Augen, die für diesen kurzen Moment den Rest seines Aussehens ausblenden.

Sein Blick scheint so tief und durchdringend, dass ich kurzzeitig vergesse, warum ich überhaupt hier bin.

„Hallo.“ Er reicht mir die Hand. „Sie müssen Olivia sein. Ich bin Darrell.“

„Freut mich.“

Er hält mir die Tür auf, ohne dabei zu lächeln oder eine andere Regung zu zeigen.

Beim Eintreten komme ich nicht umhin, ihn erneut zu betrachten. Das dunkelblonde Haar, das sich leicht in seiner Stirn wellt, hat er dezent mit Gel fixiert. Das weiße Hemd trägt er locker im Gürtel seiner sicher maßgeschneiderten Stoffhose.

Er deutet mit dem ausgebreiteten Arm zu einer offenen Tür auf der anderen Seite des Foyers.

Während ich den Eingangsbereich durchschreite, nehme ich die hellen Farben wahr, die sich im Sinne der blassgelben und weißen Farbtöne der Außenfassade auch im Inneren des Hauses fortsetzen.

Ein weißes Bänkchen neben der Treppe mit honiggelben Kissen. Eine Kommode in zarten Cremetönen. Eine kniehohe, zitronenfarbene Vase daneben. Sofort fällt mir der breite Rollstuhllift an der Treppe auf.

Er bleibt in der offenen Tür stehen und wartet darauf, dass ich das Zimmer betrete.

Für den winzigen Moment, in dem ich an ihm vorübergehe, nehme ich erneut diesen intensiven Blick wahr, der mich auf eine Weise irritiert, die ich mir selbst nicht erklären kann.

„Bitte.“ Er schließt die Tür hinter sich und nickt zu der kleinen Sitzecke vor dem Bücherregal.

Nur flüchtig nehme ich den mächtigen Schreibtisch vor dem breiten Fenster wahr.

„Danke.“ Ich versuche, mir meine Unsicherheit nicht anmerken zu lassen, während ich mich setze. Doch als er auf dem Sessel direkt neben mir Platz nimmt, spüre ich eine seltsame Unruhe in mir wach werden.

*

Darrell

Ihre weichen Lippen und das schokobraune Haar, das ihr sanft auf den Rücken fällt, passen nicht zu der Stimme am Telefon. Erst recht nicht diese beinahe schwarzen Augen, die es schwermachen, ihr Innerstes zu durchschauen.

Laut ihrer ersten E-Mail ist sie 26 Jahre alt, ihr Blick wirkt jedoch wesentlich reifer, beinahe schon weise. Fast scheint es, als könne sie meine Gedanken direkt von meinen Augen ablesen.

Spinne ich oder werde ich gerade nervös?

Als sie jedoch ein leicht verlegenes Lächeln aufsetzt, ist mein altes Selbstbewusstsein zurück. Schließlich ist sie diejenige, die auf eine Anstellung hofft. Wie schwierig es uns bisher gefallen ist, die richtige Nanny zu finden, ahnt sie ja nicht.

„Also, Olivia“, ich lehne mich zurück und falte die Hände in einander, „einiges haben wir ja bereits am Telefon besprochen. Aber Sie sollten wissen, dass Sie bereits in der engeren Auswahl sind und dass ich es – sollte es wirklich zu einer Anstellung kommen – vorziehe, wenn wir uns in diesem Haus duzen.“

In ihrem Gesicht blitzt ein Hauch von Erleichterung auf. „Sehr gern, ich finde ein persönliches Arbeitsumfeld auch sehr wichtig.“

„Versteh mich nicht falsch“, entgegne ich schnell, „das ändert nichts an unserer Arbeitgeber-Arbeitnehmer-Beziehung. Das Duzen handhaben wir hier allein wegen Christie so. Sie soll sich in ihrem Zuhause wohlfühlen, wie in einer richtigen Familie, deshalb hat sich das irgendwie so eingebürgert.“

Ihr Lächeln weicht einem ernsten Blick. „Natürlich. Christies Wohl sollte an erster Stelle stehen.“

„Schön, dass wir uns da einig sind.“

Sie senkt den Blick auf ihre Hände, als müsste sie sich kurz sammeln. Als sie jedoch wieder aufschaut, scheint sie absolut mit sich im Reinen.

Selbstbewusst strafft sie die Schultern. „Du sagtest, dass ich Christie heute kennenlernen würde?“

Ich nicke flüchtig. „Vorher würde ich allerdings gern noch einiges mit dir besprechen.“

„Nur zu.“ Sie faltet die Hände ineinander. „Ich habe keine Geheimnisse. Frag mich, was immer du willst.“

„Wohnst du in Wismar?“

„Ich habe eine kleine Wohnung am Stadtrand. Warum?“

„Weil ... na ja, weil es manchmal wichtig ist, schnell vor Ort sein zu können. Du hast dein Zimmer direkt neben Christie. Du kannst es nutzen, wann immer du willst. Du wirst schnell merken, dass die Tage hier sehr individuell sind und wirst sicher froh sein, ab und zu darauf zurückgreifen zu können.“

„Das ist sicher sinnvoll“, antwortet sie ohne Zögern. Eine Tatsache, die ich erleichtert zur Kenntnis nehme.

„Bist du in einer Beziehung?“, frage ich. „Verheiratet? Mutter?“

Sie schluckt. Kurzzeitig flackert ein Hauch von Irritation in ihrem Blick auf.

„Warum ist das wichtig?“, fragt sie.

„Ich dachte, du hast keine Geheimnisse?“ Ich hebe eine Augenbraue.

„Nein.“ Sie räuspert sich. „Habe ich auch nicht. Ich frage mich nur, welche Rolle mein Familienstand für diesen Job spielt.“

*

Olivia

Die Art, wie er mich anschaut, lässt sich schwer deuten. Haben seine Fragen wirklich nur mit dem Job zu tun?

Doch schon im nächsten Augenblick möchte ich mich für meine eigenen Gedanken ohrfeigen. Natürlich ist sein Interesse nur jobbedingt! Welchen Grund hätte er sonst, mich diese Dinge zu fragen?

„Ich möchte nur wissen, ob es Menschen in deinem Leben gibt, die dich von einem Job in diesem Haus ablenken könnten“, sagt er schließlich.

„Natürlich habe ich Freunde und auch Familie“, sage ich etwas verwirrt. „Aber ich bin weder in einer Beziehung noch habe ich Kinder. Wenn ich mich also auf einen Job einlasse, dann mit Haut und Haaren.“

Ein fast unmerkliches Lächeln schleicht sich auf seine markanten Lippen, verschwindet aber schon wenige Sekunden später.

„Schön, das zu hören“, ist alles, was er antwortet.

Für einen winzigen Moment verliere ich mich in seinen Augen. Er scheint noch recht jung zu sein, auf keinen Fall älter als dreißig. Trotzdem wirkt sein Blick wie der eines alten Mannes. Als hätte er schon die ganze Welt gesehen und eine schwere Last zu tragen.

„Wie gesagt“, entgegne ich schließlich, „ich habe keine Geheimnisse. Aber ich frage mich, ob das auch auf dich zutrifft.“

Mein Selbstbewusstsein scheint ihn zu überraschen. Irritiert legt er den Kopf schräg. „Was meinst du?“

„Na ja, es gibt auch ein paar Dinge, die mich interessieren.“ Ich mache mich gerade, um den letzten Hauch von Unsicherheit abzuschütteln. „Immerhin geht es ja nicht nur darum, ob du mich einstellen möchtest, sondern auch darum, ob ich mich selbst in dieser Anstellung wohlfühlen würde.“

Für den Bruchteil von Sekunden erschrecke ich vor meinem eigenen Übermut, doch schon kurz darauf wird mir klar, dass es nur die Wahrheit ist. Je eher er begreift, dass es hier nicht nur um seine Vorstellungen geht, sondern auch um meine eigenen, desto besser.

Es gelingt ihm gut, seine Verwirrung zu verbergen.

„Aber sicher“, antwortet er mit fester Stimme. „Was genau ist es denn, das dich interessiert?“

„Na ja“, ich überlege kurz, „deine Schwester steht hierbei natürlich an erster Stelle, deshalb habe ich mich auch gefragt, warum sie mit 14 Jahren noch eine Nanny benötigt. Versteh mich nicht falsch, ich würde mich wahnsinnig freuen, ihr zur Seite stehen zu dürfen – aber gibt es etwas, das ich wissen müsste?“

„Christie sitzt seit ihrem neunten Lebensjahr im Rollstuhl“ antwortet er direkt und ohne Umschweife.

„Oh, das tut mir leid.“ Sofort fällt mir der Rollstuhllift ein, der mir wenige Minuten zuvor an der Treppe aufgefallen ist.

„Sie ist relativ selbstständig“, fährt er ohne Zögern fort. „Aber sie verbringt sehr viel Zeit zu Hause, da ist es mir vor allem wichtig, dass sie tagsüber“, sein Blick schweift in Richtung Fenster, „Gesellschaft hat.“

Etwas an seiner Antwort irritiert mich.

„Ich selbst bin die meiste Zeit über in der Firma.“ Nun richtet er seinen Blick wieder direkt auf mich. „Meine Eltern kamen vor fünf Jahren bei einem Autounfall ums Leben. So kam es, dass ich mit gerade mal 24 Jahren die Geschäftsführung eines Büromöbel-Imperiums übernahm, während ich parallel noch mitten im BWL-Studium steckte.“

Er erzählt dies ohne Stolz oder Wertung, lediglich die reinen Fakten scheinen ihm wichtig zu sein.

„Ist es derselbe Unfall, bei dem Christie ...“ Ich verstumme.

Er nickt. „Sie war stundenlang im Op. Man konnte sie zwar retten, aber die Tatsache, dass sie im Rollstuhl landen würde, war unabwendbar. Seitdem kümmere ich mich um sie.“

„Sie hat großes Glück, dass sie dich hat.“ Ich kämpfe mir ein kleines Lächeln ab.

Er erwidert meinen Blick nur kurz, doch die Unruhe, die mich bei unserer Begrüßung durchfahren hat, ist sofort wieder da. Ist es seine kühle Distanziertheit, die mich so nervös macht? Oder liegt es an den markanten Zügen seines ausdrucksstarken Gesichts?

Er sieht gut aus, keine Frage. Aber für gewöhnlich bringen mich attraktive Männer nicht alleine wegen ihres Aussehens aus dem Konzept. Irgendetwas an ihm bringt mich durcheinander – und nicht zu wissen, was es ist, macht mich fast wahnsinnig.

„Unsere Köchin Emma ist auch fast den ganzen Tag über im Haus, aber sie hat natürlich auch ihre Verpflichtungen“, erklärt Darrell. „Deshalb ist es ihr nicht möglich, auch dauerhaft ein Auge auf Christie zu haben. Und dann gibt es noch Xavier, ihren Privatlehrer, der von montags bis freitags kommt, um Christie zu unterrichten. Aber seine Aufgaben beschränken sich wie gesagt eher auf ihren Lernstoff, nicht darauf, ihr Gesellschaft zu leisten.“

Ich möchte ihn fragen, warum sie keine normale Schule besucht, behalte diesen Gedanken jedoch für mich. Zu weit sollte ich mich trotz allem nicht aus dem Fenster lehnen.

„Ihr habt einen ziemlich großen Altersunterschied“, höre ich mich plötzlich sagen und wundere mich über meine eigene Neugier.

„Meine Mutter war erst siebzehn, als sie mich bekam“, sagt er, ohne irgendeine Form von Emotion zu zeigen oder eine nähere Erklärung abzugeben.

Halt dich zurück, Livy. Du musst nicht alles wissen!

Ich atme tief durch.

„Wie genau stellst du dir denn meine Arbeit mit Christie vor?“, frage ich nach kurzem Schweigen.

„Na ja“, er denkt nach, „im Grunde gibt es nur die eine Regel: Christie soll sich dabei wohlfühlen. Das hat für mich oberste Priorität. Sie ist trotz allem ein sehr fröhliches Kind, und ich finde es wichtig, dass sie sich ihren Optimismus bewahrt.“ Er sucht erneut meinen Blick. „Leiste ihr Gesellschaft, sei da für sie. Mach mit ihr Spaziergänge in den Wald oder gehe mit ihr zu den Pferden auf den angrenzenden Koppeln. Sie liebt es, die Tiere zu beobachten. Aber davon abgesehen ist Christie sehr selbstbewusst. Sie wird dir sagen, was sie gern tun möchte. Wichtig dabei ist nur ...“ Er hält kurz inne.

„Ja?“ Ich schaue ihn erwartungsvoll an.

„Na ja, dass sie immer in“, er sucht nach dem richtigen Wort, „in Sicherheit ist.“

Diese Formulierung verwirrt mich, doch etwas hält mich davon ab, weiter nachzuhaken.

„Ihre Sicherheit steht ohnehin an erster Stelle für mich“, sage ich stattdessen. „Das versteht sich von selbst.“

„Schön.“ Er lehnt sich zurück und faltet die Hände ineinander. „Aber das alles ist ohnehin bedeutungslos, wenn ihr keinen Draht zueinander findet.“

„Gibt es einen Grund anzunehmen, dass es nicht funktionieren sollte?“

Er legt den Kopf schräg und betrachtet mich mit prüfendem Blick. „Sag du es mir.“

Wieder so eine Aussage, die mich irritiert. Ist diesem Mann seine eigene Rätselhaftigkeit eigentlich bewusst? Spielt er damit oder merkt er gar nicht, wie verwirrend sein Verhalten ist?

Ich atme geräuschvoll aus. „Ich weiß nur, dass ich sehr flexibel bin und kein Problem damit habe, mich auf immer neue Gegebenheiten und Menschen einzustellen.“

„Das ist sicher nicht die schlechteste Voraussetzung.“

Eine Weile sagt niemand von uns ein Wort. Schweigend sitzen wir einfach nur da und schauen einander an, als würde jeder auf eine Reaktion des anderen warten.

Wieder habe ich das Gefühl, von seinen Augen bis ins Innerste durchschaut zu werden. Eine Erkenntnis, die für einen seltsamen Stich in der Magengegend sorgt.

„Wann kann ich sie kennenlernen?“, frage ich, als ich die Stille nicht mehr aushalte.

„Im Grunde sofort.“ Er steht auf, geht zur Sprechanlage neben der Tür und drückt auf den Knopf. „Christie? Bist du da?“

Es ist nichts zu hören.

„Christie???“, wiederholt er.

„Jahaaaa!“, ertönt eine helle Mädchenstimme aus dem Lautsprecher. „Hier bin ich doch. Was ist los, Bruderherz?“

„Ich habe dir doch erzählt, dass heute eine Frau herkommt, um dich kennenzulernen.“

„Sie ist schon da?“

„Ja, Süße, und zwar wegen dir, wenn du dich recht erinnerst.“

Seine Stimme ist ungewohnt sanft und liebevoll. Eine Tatsache, die nicht so recht zu unserem bisherigen Gespräch passen will. Seine Liebe für sie klingt in jedem Wort durch.

„Kommst du runter?“, fragt er, als sie eine Weile nicht antwortet.

„Bin gleich da“, flötet sie in leicht genervtem Unterton in die Anlage.

Darrell tritt von der Tür weg und setzt sich zurück auf den Sessel. Gedankenverloren stützt er das Kinn auf den Handrücken, während sein Blick erneut ins Leere wandert.

„Sie klingt sehr lebensfroh“, sage ich.

„Ja.“ Er lächelt beim Gedanken an sie. „Christie geht erstaunlich gut mit ihrem Schicksal um. Manchmal habe ich den Eindruck, dass mir ihre Behinderung mehr an die Nieren geht als ihr selbst.“

Wieder legt sich eine seltsame Stille über uns. Dennoch ist seine Anwesenheit auf wundersame Weise spürbar.

Als ich meine Beine übereinanderschlage, stoße ich versehentlich meine Handtasche von der Ledercouch. Neben meinem Autoschlüssel fallen auch mein Handy und ein Spiegel zu Boden.

Intuitiv springt Darrell auf und hilft mir, alles einzusammeln. Als er die Tasche aufhält, damit ich die Sachen besser einräumen kann, berühren sich unsere Finger für den Bruchteil einer Sekunde. Dieser winzige Moment fühlt sich an wie ein Stromschlag. Wie ein Zusammentreffen von Blitz und Donner.

Unsere Blicke treffen sich dabei nur für einen winzigen Moment – und doch genügt dieser Augenblick, um eine warme Röte in mein Gesicht zu treiben.

Ich sende ein Stoßgebet in Richtung Himmel, dass das eher schummrige Licht des Arbeitszimmers meinen roten Kopf verbirgt und setze mich mit meiner Tasche zurück aufs Sofa.

In genau diesem Moment öffnet sich die Tür und ein junges Mädchen – eigentlich eher eine junge Frau – mit hüftlangem weizenfarbenem Haar, wasserblauen Augen und schmalen Lippen kommt in einem elektrischen Rollstuhl ins Zimmer gefahren.

„Hallo“, sie bleibt direkt vor dem Sofa stehen und schaut mich mit weit geöffneten Augen an, „du musst Olivia sein. Ich bin Christie.“

„Freut mich, dich kennenzulernen.“ Ich reiche ihr die Hand. „Du kannst mich auch Livy nennen.“

„Mal sehen.“ Christie zuckt mit den Schultern.

„Dein Bruder hat mir schon viel von dir erzählt“, sage ich. „Aber ich kann es kaum erwarten, mir ein eigenes Bild von dir zu machen. Ich meine, Darrell hat natürlich versucht, dich ein wenig zu beschreiben, aber ...“ Ich zwinkere ihr verschwörerisch zu. „Jeder weiß doch, dass große Brüder nicht unbedingt die geeignetsten Menschen sind, um uns Frauen richtig einzuschätzen, oder? In ihren Augen werden wir immer die kleinen Mädchen bleiben, die vor der großen bösen Welt beschützt werden müssen – inklusive aller Jungs und Männer darauf. Richtig?“

Ich bin erleichtert, als die Skepsis in ihrem Gesicht einem frechen Grinsen weicht. „Hast du auch einen großen Bruder?“, fragt sie.

„Oh ja“, ich mache eine wegwerfende Handbewegung, „das schlimmste Exemplar von allen. Als ich mit sechzehn meinen ersten Freund mit nach Hause brachte, hat er ihm das Leben zur Hölle gemacht. Und in der Schule hat er mich immer mit Adleraugen beobachtet, damit ich auf dem Schulhof ja keinen Mist baue. Dabei war ich so ein anständiges Mädchen.“ Ich lache.

„Brüder können sowas von nerven.“ Sie rollt mit den Augen.

Mein Blick wandert zu Darrell, der sich scheinbar nicht an unseren Lästereien zu stören scheint. Die Tatsache, dass wir sofort ein gemeinsames Thema gefunden haben, scheint ihn sogar eher zufrieden zu stimmen.

„Und heute?“, hakt Christie nach. „Verstehst du dich besser mit deinem Bruder?“

„Ach, er nervt noch genauso wie früher.“ Ich lasse mich grinsend gegen die Sofalehne fallen. „Aber was soll ich machen? Ich liebe ihn trotzdem mehr als alles andere auf der Welt. Ich glaube, das ist eine Art Naturgesetz – ob man nun will oder nicht.“

„Du hast recht.“ Christie wirft ihrem Bruder ein unschuldiges Lächeln zu. „Ich habe Darrell auch lieb – und das, obwohl er manchmal die größte Nervensäge ist.“

Darrell beobachtet uns eine Weile schweigend, während sich in seinem Gesicht mehr und mehr die Erleichterung ausbreitet. Scheinbar entnimmt er dieser kurzen Unterhaltung bereits alles, was er wissen muss.

„Schön, dass ihr euch schon mal bei einem so wichtigen Thema einig seid.“ Er steht auf und beugt sich für einen Wangenkuss zu Christie herunter. „Dann kann ich ja jetzt unbesorgt zurück ins Büro fahren.“

„Moment mal.“ Sie greift nach seinem Unterarm. „Du willst schon wieder zur Arbeit?“

„Ich muss, Süße.“ Er schaut zur Uhr über der Tür. „Es ist gerade mal zwei. Ich habe gestern schon früher Schluss gemacht, da ist einiges liegengeblieben, das ich heute aufarbeiten muss.“

„Ähm, heißt das, ich soll sofort anfangen?“, frage ich irritiert.

„Das Vertragliche klären wir später noch, okay?“ Er grinst. „Es sei denn, du vertraust mir nicht?“

„Doch ... ich ... ich bin nur etwas verwirrt. Damit hätte ich so schnell nicht gerechnet.“

„Ich treffe Entscheidungen immer recht schnell. Das Einzige, was unserer Zusammenarbeit noch im Wege stehen könnte, wäre die Tatsache, dass du selbst kein Interesse an dem Job hast.“

Ich schweige kurz, dann schaue ich wie wach geworden auf.

„Doch doch“, antworte ich schnell. „Ich will den Job.“

„Na dann wären die wichtigsten Fakten ja geklärt. Über alles andere werden wir uns sicher einig.“

„Und du willst wirklich ins Büro?“, fragt Christie erneut.

„Ich bin doch nicht ewig weg, Süße.“

„Wozu ist man sein eigener Chef, wenn man trotzdem ständig arbeitet?“, mault sie.

„Manche Dinge muss man eben selbst erledigen, wenn sie richtig laufen sollen“, antwortet er. „Das wirst du irgendwann auch noch lernen, mein Schatz.“

Sie lässt die Schultern sinken. „Du immer mit deinen doofen Sprüchen.“

„Sie mögen doof klingen, aber deswegen sind sie trotzdem nicht weniger wahr.“ Er streichelt ihr flüchtig übers Haar. „Olivia ist doch jetzt hier. Ihr werdet euch sicher prächtig verstehen. Und was macht größeren Spaß, als gemeinsam über Brüder abzulästern, hm?“

„Keine Sorge, wir kommen schon klar.“ Ich suche ihren Blick. „Oder, Christie?“

Sie schaut erst Darrell, dann mich an. Nach kurzem Schweigen lächelt sie schließlich. „Glaub schon.“

„Na also.“ Darrell schaut mich an. „Entscheide selbst, ob du heute über Nacht bleibst oder heimfährst. So oder so wäre es mir lieb, wenn du hier bist, bis ich wieder da bin.“ Er schaut erneut zur Uhr. „Ich denke mal, spätestens gegen sieben werde ich zurück sein.“

„Natürlich“, antworte ich. „Du kannst dich auf mich verlassen.“

Christie seufzt. „Sollen wir etwa schon wieder ohne dich essen?“

„Je nachdem, was euch lieber ist“, antwortet Darrell. „Wenn ihr Hunger habt, dann esst ihr. Wenn ihr warten wollt, dann wartet ihr.“ Er zwinkert ihr zu. „So oder so, ich werde schon nicht verhungern.“

Christie verdreht die Augen. „Du kommst ja doch wieder später als sieben.“

„Dieses Mal nicht. Versprochen.“

Christie zuckt ungläubig mit den Schultern. Darrell wirft ihr einen flüchtigen Luftkuss zu, dann verlässt er schließlich das Zimmer und lässt uns allein zurück.

Der Moment fühlt sich irgendwie surreal an. Einerseits hängt die seltsame Stimmung zwischen Darrell und mir noch immer wie ein Gefühlsecho in der Luft, andererseits beruhigt mich die Tatsache, dass Christie und ich tatsächlich so etwas wie einen Draht zueinander zu haben scheinen.

„Lass ihn ruhig gehen“, sage ich schließlich zu ihr, „zu zweit haben wir bestimmt sowieso viel mehr Spaß.“

„Meinst du?“ Sie verschiebt die Mundwinkel.

„Klar doch. Zuallererst hoffe ich, dass du mir dein Zimmer zeigst und mir alles erzählst, was es über dich zu wissen gibt.“

„Meinetwegen.“ Sie legt die Hände in den Schoß. „Aber nur, wenn du mir auch alles über dich sagst.“

„Ich habe keine Geheimnisse.“ Ich hebe die Hände. „Indianerehrenwort.“

Christie lächelt. Es ist ein Lächeln, das alles und nichts bedeuten kann. Doch irgendetwas sagt mir, dass dieses Lächeln für einen Neuanfang steht. Ein Neuanfang für uns beide.

Kapitel 4

Darrell

Ich nehme die vertrockneten Blumen aus der kleinen Plastikvase und stelle die frischen Rosen hinein. Auf dem kleinen Rasenstreifen am Straßenrand bleibe ich schließlich stehen und senke den Blick auf die untere Hälfte des Baumstamms.

Bis heute habe ich es nicht geschafft, mit Christie herzukommen. Sicher wäre sie viel stärker, als ich annehme – viel größere Angst habe ich davor, in ihrer Gegenwart die Tränen nicht zurückhalten zu können. Aus diesem Grund hat es sich im Laufe der Jahre eingebürgert, dass ich nur allein herfahre – auch und gerade um den Jahrestag herum.

Trotzdem fühlt sich heute irgendetwas anders an als sonst. Fangen die Erinnerungen nach fünf Jahren tatsächlich an, an Macht zu verlieren? Oder warum gelingt es dieser Olivia, sich an einem traurigen Ort wie diesem immer wieder in meinen Kopf zu stehlen?

Ihr Selbstbewusstsein beeindruckt mich noch immer. Mit ihrer übermütigen Art, in der sie über das Verhältnis zu großen Brüdern erzählte, scheint sie bei Christie genau den richtigen Nerv getroffen zu haben. Eine Tatsache, die mich mit tiefer Erleichterung erfüllt.

Vielleicht ist Olivia genau der Mensch, der uns gefehlt hat.

Doch da ist noch ein anderes Gefühl, das sich immer wieder in meine Sinne schleicht.

Diese tiefdunklen Augen, die jedem meiner Worte eine eigene Bedeutung zu geben scheinen. Dieses Lächeln, das auf seltsame Weise wissend und doch irgendwie unsicher scheint.

Was hat es mit dieser Frau nur auf sich? Und wieso muss ich selbst jetzt an sie denken, wo es doch für gewöhnlich keinem Menschen mehr als zwei Sekunden lang gelingt, meine Aufmerksamkeit auf sich zu ziehen?

Ich knicke die alten Blumen in meiner Hand und schiebe sie in die Papiertüte, die ich mitgebracht habe. Für einen kurzen Augenblick werden die Erinnerungen an Mutter und Vater wach. Es fühlt sich wie gestern an, als sie mich gebeten haben, mehr Zeit mit Christie zu verbringen und nicht nur über den Büchern fürs Studium zu hängen.

Vergiss nicht zu leben!

Das waren vor allem Mutters Worte, die sich immer wieder in meinem Kopf einnisten. Ob sie geahnt hat, welch tragische Ironie ebendiese Worte schon kurz darauf annehmen würden?

Ich versuche, die Erinnerungen zu verdrängen.

Alles, was zählt, ist das Heute. Die Firma läuft gut – und wer weiß, vielleicht kann ich in gar nicht allzu ferner Zukunft tatsächlich endlich ein paar mehr Aufgaben an meine Angestellten übergeben. Zumindest Henry gegenüber empfinde ich inzwischen etwas, das sich beinahe wie Vertrauen anfühlt. Wenn er sich nur noch ein paar Monate länger bewährt, dann ...

Ich reibe mir mit den Händen übers Gesicht.

Hör auf, schon wieder an den Job zu denken! Du wirst noch früh genug wieder im Büro sein, wo sich der Rest der Welt unweigerlich wie von selbst ausblenden wird.

Seufzend lasse ich die Arme sinken, während mein Blick erneut auf die Rosen fällt.

Was Olivia in diesem Moment wohl gerade mit Christie tut? Sind sie zu den Pferden auf der Koppel der Nachbarn gegangen? Zeigt Christie ihr gerade ihr überdimensionales Bücherregal, das sie jedes Mal mit Stolz erfüllt?

Instinktiv wende ich mich von dem Baum ab und gehe zurück zum Wagen.

Ich sollte nach vorn schauen. Im Grunde reicht es doch, wenn ich künftig nur noch den Friedhof besuche und nicht mehr die Unfallstelle. Brauche ich denn wirklich mehrere Orte, um mich von den schmerzlichen Erinnerungen quälen zu lassen?

Als ich gedankenverloren die Wagentür öffne, spüre ich, dass sich irgendetwas geändert hat. Nur was, das weiß ich noch nicht.

Kapitel 5

Olivia

„Und das hier?“ Ich ziehe ein besonders dickes Buch mit Schutzumschlag aus dem Regal. „Ist das auch ein Roman über Pferde?“

„Oh, da darfst du auf keinen Fall den Umschlag abmachen.“ Sie fährt mit dem Rollstuhl bis zu meinen Füßen und nimmt es mir aus den Händen. „Wenn Darrell wüsste, was da wirklich für ein Buch drin ist, würde er durchdrehen.“

„Nun hast du mich aber neugierig gemacht.“

„Der Roman heißt Olympia.“ Sie senkt den Blick auf das Buch und schlägt es mit geheimnisvollem Grinsen auf. „Darin geht es um ein fünfzehnjähriges Mädchen, das eine Affäre mit einem 41jährigen Arzt eingeht.“

„Oh ha.“ Ich verschränke die Arme vor der Brust. „Klingt ziemlich makaber.“

„Na ja, das ist es auch. Aber dieser Roman spielt in einem anderen Jahrhundert. Ein Skandal war es damals natürlich trotzdem, aber ...“ Sie schlägt das Buch wieder zu. „Du musst es selbst lesen, um es zu verstehen. Es ist einfach grandios geschrieben. Auch wenn ich manche Sätze öfter lesen musste, um sie zu verstehen.“

Ich seufze. „Ich kann schon verstehen, wenn es deinen Bruder verunsichern würde, wenn er wüsste, dass du so etwas liest.“

„Du wirst es ihm doch nicht sagen, oder?“ Sie beugt sich ein Stück in die Höhe und schiebt es zurück ins Regal.

Ich denke einen Moment nach, doch im Grunde kenne ich die Antwort bereits.

„Wir werden einfach so tun, als wüsste ich nichts davon, okay?“ Ich lege die Hand auf ihre Schulter. „Ich denke, das wäre für uns beide das Beste.“

Sie nickt mir mit dankbarem Lächeln zu, dann fährt sie zurück zum Fenster, das direkt neben ihrem Bett auf den großen Garten zeigt.

„Möchtest du noch ein bisschen rausgehen?“, frage ich. „Darrell hat etwas von Pferden erzählt, die du gern bei den Nachbarn besuchst.“

Eine leichte Wehmut breitet sich auf ihrem Gesicht aus.

„Manchmal macht es mich traurig, wenn ich die Pferde sehe, weil ich nicht selbst reiten kann.“ Sie schaut aus dem Fenster. „Ich glaube, heute ist so ein Tag.“

„Hast du denn irgendwelche Freunde, mit denen du dich manchmal triffst?“ Ich setze mich auf die Kante ihres Bettes.

Sie denkt kurz nach. „Laurie war meine Freundin.“

„Wer ist Laurie?“

„Sie wohnt ein paar Häuser weiter und ist zwei Jahre älter als ich.“

„Und warum seid ihr keine Freundinnen mehr?“

„Weil es auf Lauries Geburtstagsparty Bowle mit Alkohol gab. Einige Mädchen hatten einen sitzen. Darrell hat es natürlich mitbekommen und mir sofort den Umgang zu ihr verboten.“ Sie seufzt. „Dabei hatte ich keinen Schluck davon angerührt. Ich mag gar keinen Alkohol. Der schmeckt einfach ekelig.“

„Er hat sich sicher einfach nur Sorgen um dich gemacht.“

„Das mit Laurie ist ja nur ein Beispiel von vielen. Ich meine, wenn ich auf eine richtige Schule gehen würde, würde ich auch viel mehr Leute kennenlernen, aber Darrell hat ständig Angst, dass mir da etwas passiert. Dass ich mich mit Teenies anfreunden könnte, die einen schlechten Einfluss auf mich haben. Einfach ätzend, seine ständige Sorge um mich.“

Ich rücke ein Stück näher. „Ich kann dich verstehen. Aber vielleicht wird es sich ändern, wenn du etwas älter bist. Mit der Zeit wird er lernen, dir zu vertrauen.“

„Mir vertraut er ja. Aber allen anderen Menschen eben nicht. Er denkt, dass mir jeder etwas Böses will.“ Sie schaut mich an. „Deshalb ist es ja auch so merkwürdig, dass ...“ Sie gerät ins Stammeln.

„Was ist merkwürdig?“

„Na, dass er uns beide heute alleingelassen hat – und das, obwohl er dich gerade erst kennengelernt hat. Bei der letzten Nanny war er bei den ersten drei Treffen dabei. Und trotzdem hat sie sich am Ende als Fehlgriff herausgestellt.“

Instinktiv greife ich nach ihrer Hand. Dass sie die Berührung nicht abwehrt, nehme ich erleichtert zur Kenntnis.

„Vielleicht kann meine Anwesenheit hier ja irgendetwas ändern“, sage ich. „Kann ja sein, dass ich deinen Bruder dazu bewegen kann, das alles nicht mehr so ernst zu nehmen.“

Sie hebt skeptisch die Augenbrauen. „Das ist doch erst dein erster Tag.“

„Ich weiß. Aber wenn du dich nicht über mich beschwerst, werde ich auch weiterhin hier sein.“

Sie grinst. „Warum sollte ich mich über dich beschweren?“

„Keine Ahnung. Die Abgründe eines Teenie-Hirns sind manchmal unergründlich.“ Ich lache. „Das war zumindest bei mir damals so.“

„Ich glaube, du bist ganz okay.“ Sie sieht mich mit wachen Augen an. „Erst mal ist also keine Beschwerde in Sicht.“

„Das ist beruhigend zu hören.“

Wortlos fährt sie zur Tür und öffnet sie. Im Türrahmen dreht sie sich zu mir um. „Kommst du?“

„Wo wollen wir denn hin?“

„Runter zu den Pferden.“

„Ich dachte, heute ist ein Tag, an dem sie dich traurig machen?“

„Hab’s mir anders überlegt.“ Sie schaut mich an. „Ich glaube, heute ist doch ein guter Tag.“

Kapitel 6

Darrell

Als ich die Tür hinter mir ins Schloss fallen lasse, ist das Haus dunkel und totenstill.

Ich ziehe mein Handy aus der Hosentasche.

Kurz nach zehn.

Wieder überkommt mich das altvertraute schlechte Gewissen. Ich hätte anrufen sollen. Ja, das hätte ich wirklich.

Ich lege meine Autoschlüssel in die kleine Schale auf der Flurkommode und streife meine Schuhe ab. Gähnend öffne ich die obersten Knöpfe meines Hemdes, während ich ins dunkle Wohnzimmer trete.

Gerade als ich mich aufs Sofa setzen und nach der Fernbedienung greifen will, merke ich einen Widerstand unter mir. Erschrocken fahre ich in die Höhe, als mir klar wird, dass ich mich gerade auf jemanden gesetzt habe.

Irritiert laufe ich zur Tür und schalte das Licht ein.

Olivia.

Mit zerzaustem Haar und schmalen Augen streckt sie sich.

„Da bist du ja.“ Müde reibt sie sich übers Gesicht. „Ich dachte schon, du kommst gar nicht mehr.“

Die Art, wie sie mit mir redet, lässt mich für einen Moment vergessen, dass dies ihr erster Tag ist und wir uns im Grunde kaum kennen.

Woher nimmt diese Frau um Himmelswillen nur ihr Selbstbewusstsein?

„Was machst du hier auf der Couch?“, frage ich. „Ist etwas nicht in Ordnung mit deinem Zimmer?“

„Das Zimmer ist super, danke.“ Sie setzt sich aufrecht und streicht ihr wirres Haar glatt. „Aber ich wollte auf dich warten.“

„Auf mich?“

„Na ja, ich habe mir Sorgen gemacht, ob alles okay ist. Immerhin hattest du versprochen, spätestens um sieben hier zu sein.“

„War das ein Vorwurf oder eine Feststellung?“

„Eine Feststellung natürlich.“ Sie lacht leise. „Ich glaube nicht, dass ich in der Position bin, meinem neuen Boss Vorwürfe zu machen.“

„Ist Christie schon im Bett?“

Sie nickt. „Seit etwa einer Stunde. Sie wollte noch ein bisschen lesen.“

„Es hat im Büro leider länger gedauert als gedacht.“ Ich lasse mich auf den Sessel fallen. „Es gab Probleme in der Buchhaltung. Das Programm ist abgestürzt und wir mussten bis in den späten Abend hinein mit der Software-Firma aus Düsseldorf telefonieren.“

Sie mustert mich mit aufmerksamem Blick. Seltsam, wie normal sich ihre Gegenwart bereits jetzt anfühlt.

„Christie hat auf dich gewartet“, sagt sie. „Aber um acht haben wir dann gegessen.“

„Hat Emma euch etwas Schönes zubereitet?“

„Es gab Hackbraten mit frischem Gemüse.“ Sie lächelt. „Emma ist eine sehr herzliche Person. Sie erinnert mich vom Aussehen her ein bisschen an Mutter Weasley aus Harry Potter.“ Sie denkt kurz nach. „Und vom Charakter her auch irgendwie.“

„Ja, sie ist eine wirklich herzensgute Seele.“

Einen Moment sitzen wir beide einfach nur da, ohne uns zu unterhalten. Ihre Gegenwart fühlt sich ungewohnt und gleichzeitig selbstverständlich an. Ihr scheint es ähnlich zu gehen.

„Ich bin nicht nur wachgeblieben, weil ich mir Sorgen gemacht habe“, sagt sie schließlich.

Ich schaue sie fragend an. „Sondern?“

„Mir sind einige Fragen im Kopf herumgespukt. Das hat es mir schwergemacht, wirklich abzuschalten, geschweige denn, mich in mein Zimmer zurückzuziehen.“ Sie sieht mich direkt an. „Denn wenn ich etwas tue, tue ich es mit ganzem Herzen, weißt du?“

„Worauf willst du hinaus?“

„Na ja, dass ich meinen Job sehr ernstnehme. Und dass ich in Bezug auf Christie alles richtig machen will, und zwar von Anfang an.“

„Das ist schön zu hören. Sie ist ja nun mal auch der Grund, aus dem du hier bist.“

„Ja, aber ...“ Sie denkt kurz nach.

„Aber was?“, frage ich.

„Na ja, ich frage mich halt, inwiefern das, was für Christie das Beste ist, auch das ist, was man von mir erwartet.“

„Was soll das nun wieder bedeuten?“

Sie scheint nach den richtigen Worten zu suchen. Stille breitet sich aus und ich spüre, wie mich langsam die Ungeduld packt.

„Sag schon, Olivia. Was ist los? Ist heute irgendetwas passiert?“

„Nein, nicht direkt.“ Sie holt tief Luft. „Ich hatte nur den Eindruck, dass Christie ein sehr nachdenkliches Kind ist. Für ihr Alter fast ein bisschen zu nachdenklich. Na ja, und da habe ich mich gefragt, ob es vielleicht daran liegt, dass sie ...“ Wieder verstummt sie.

Langsam werde ich wütend. „Warum sagst du nicht einfach, worauf du hinauswillst?“

„Na schön.“ Sie presst die Lippen aufeinander. „Dann eben auf die direkte Weise: Sie hat mir von Laurie erzählt und davon, dass du ihr den Umgang mit ihr verboten hast.“

„Und?“ Ich falte die Hände ineinander und schaue sie erwartungsvoll an.

„Dass du nervös geworden bist, weil es bei Laurie Alkohol gab, kann ich verstehen. Aber mir ist halt aufgefallen, dass Christie auch sonst keine Freundinnen hat. Und die Tatsache, dass sie zu Hause unterrichtet wird, macht es für sie nicht gerade leichter, Anschluss zu finden.“

Ich versuche, meinen Unmut zu unterdrücken.

„Alles, was ich versuche, ist Christie zu schützen“, sage ich schmallippig. „Nicht mehr und nicht weniger.“

„Aber was soll ihr denn Schreckliches passieren, wenn sie zum Beispiel eine Schule besuchen würde?“

Für einen kurzen Moment betrachte ich sie fassungslos. Ist sie gerade ernsthaft dabei, mir in meine Erziehung reinzureden? An ihrem ersten Tag?

„Verstehe ich das richtig?“ Ich kneife die Augen zusammen und schaue sie ungläubig an. „Stellst du gerade allen Ernstes die Tatsache in Frage, dass Christie Privatunterricht von einem der kompetentesten Lehrer des Landes bekommt? Andere Eltern würden sonst was dafür tun, um ihren Kindern so eine Schulbildung zu ermöglichen.“

„Andere Eltern vielleicht.“ Sie seufzt. „Aber andere Kinder werden sie sicher kaum um diese Einsamkeit beneiden.“

„Christie ist nicht einsam.“ Ich werde lauter. „Und ehrlich gesagt finde ich es ziemlich unangebracht, dass du dir anmaßt, das schon nach deinem ersten Tag hier beurteilen zu können.“

Meine Wut scheint sie nicht ernsthaft aus dem Konzept zu bringen. Sie wirkt beinahe gelassen und nicht sehr beeindruckt von meiner Reaktion.

„Natürlich würde ich diesen Job gern behalten“, antwortet sie ruhig. „Aber wenn ich etwas tue, dann nur aus voller Überzeugung. Und dazu gehört nun mal, dass ich auch sage, was mir durch den Kopf geht. Das war schon immer so.“

„Dann hast du sicher oft den Arbeitgeber gewechselt, was?“ Ich hebe argwöhnisch die Augenbrauen.

„Das kam hin und wieder vor, ja.“ Sie zuckt mit den Schultern. „Aber darum geht es nicht, Darrell. Ich möchte meinen Job gut machen und nicht nur halbherzig. Auch wenn das für mich Risiken bedeutet.“

„Du möchtest deinen Job gut machen?“ Ich stehe auf und bleibe direkt vor dem Sofa stehen. „Dann konzentriere dich darauf, ihre Nanny zu sein. Das ist es, wofür ich dich bezahle. Alles andere geht dich nichts an, klar? Du bist nicht ihre Mutter.“ Ich lege die Hand auf meine Brust. „Ich bin für sie verantwortlich – und alles, was ich tue, tue ich aus der tiefen Überzeugung heraus, dass es das Beste für sie ist.“

Nun scheint sie doch ein wenig eingeschüchtert. Schweigend senkt sie den Blick auf ihre Hände, während sie nach einer passenden Antwort sucht.

„Ich wollte mich nicht einmischen“, sagt sie mit gedämpfter Stimme. „Aber ich dachte, dass es auch in deinem Sinne ist, wenn ich mir Gedanken um Christie mache.“

„Ach, und du denkst, dass ich mir keine Gedanken um sie mache?“

„Na ja, wenn ich das richtig sehe, bist du ziemlich viel im Büro. Ich war der Meinung, dass du jemanden an Christies Seite wissen willst, der für sie sorgt und darauf achtet, dass es ihr gutgeht.“

„Sicher möchte ich das.“ Ich schiebe die Hände in die Hosentaschen und sehe sie direkt an. „Ich suche aber niemanden, der sie für mich erzieht. Das ist meine Sache, klar? Und erst recht nicht brauche ich jemanden, der schon am ersten Tag glaubt, meine Schwester besser zu kennen als ich.“

*

Olivia

„Ich würde mir niemals anmaßen zu behaupten, dass ich sie besser kenne.“

„Nein?“ Er verschränkt die Arme vor der Brust. „Es fühlt sich aber verdammt danach an.“

Plötzlich kriecht mir die Panik in sämtliche Venen. Habe ich das alles gerade wirklich gesagt? Bin ich ernsthaft dabei, dieselben Fehler wie in der Vergangenheit zu machen?

„Ich tue es schon wieder.“ Seufzend senke ich den Blick. „Tut mir echt leid.“

„Was meinst du?“ Er setzt sich wieder auf den Sessel. Seine Wut weicht langsam einem Hauch von Neugier.

Als ich aufschaue, trifft mich sein Blick bis ins Innerste.

Da ist sie wieder, diese seltsame Unruhe in seiner Nähe.

„Früher habe ich wenigstens gewartet, bis ich einen Arbeitsvertrag hatte, bevor ich mich unbeliebt gemacht habe.“ Ich lächele schuldbewusst. „Aber wenn ich mit Kindern zusammen bin, blende ich den Rest der Welt irgendwie aus. Dann ist es mir egal, ob ich einen Schritt zu weit gehe. Für mich zählt dann nur das Wohl des Kindes.“ Ich lehne mich frustriert zurück. „Dass mich manche Dinge einfach nichts angehen, merke ich dann leider immer erst zu spät. Das hat mir in der Vergangenheit schon oft Ärger eingehandelt.“

Einen kurzen Moment sagt er gar nichts. Stattdessen betrachtet er mich auf eine Weise, die mir mein unangebrachtes Verhalten nur umso bewusster macht.

Ob er gerade darüber nachdenkt, wie er mich am schnellsten wieder loswerden kann?

„Du scheinst eine außergewöhnlich selbstbewusste Frau zu sein“, sagt er plötzlich, ohne sich jedoch anmerken zu lassen, was wirklich in ihm vorgeht.

„Das täuscht.“ Ich presse die Lippen aufeinander und denke kurz nach. „Im Grunde bin ich ständig im Kampf mit der Welt. Wenn mich etwas nervt, glaube ich sofort, etwas dagegen unternehmen zu müssen. Mit Selbstbewusstsein hat das nicht unbedingt etwas zu tun, vielmehr mit einer Allergie gegen Missstände und Ungerechtigkeit.“

„Ach, und diese Missstände sind dir auch in diesem Haus aufgefallen?“ Er runzelt die Stirn, grinst jedoch dabei.

„Missstände ist in diesem Fall das falsche Wort.“ Ich schaue ihn direkt an. „Ich habe mir nur ein paar Fragen gestellt, das ist alles. Aber inzwischen weiß ich ...“ Ich werde still.

„Was weißt du?“

„Na ja“, ich senke den Blick auf meine Hände, „dass ich mich nicht in alles einmischen sollte. Schon gar nicht an meinem ersten Tag. In der Hinsicht bin ich einfach viel zu zielstrebig. Das gefällt halt nicht jedem. Es hat seine Gründe, warum ich zuletzt in einer heruntergekommenen Pizzeria ohne richtigen Vertrag gearbeitet habe. Bei allen anderen Jobs bin ich einfach zu oft übers Ziel hinausgeschossen.“

„Dann hast du dich bei Christie also geirrt?“ Er legt die Hände auf die Armlehnen seines Sessels.

„Natürlich nicht.“ Ich lege den Kopf schräg. „Alles, was ich vorhin gesagt habe, habe ich auch so gemeint. Ich hätte es nur für mich behalten sollen, das ist alles.“

Er antwortet nichts, stattdessen schaut er mich schweigend an, als hätte ich soeben in einer Sprache gesprochen, die er erst entschlüsseln muss.

Wie gelingt es ihm bloß, einen derart rätselhaften Blick aufzusetzen und dabei so gelassen zu bleiben? Merkt er denn nicht, dass er damit die Lage nur noch komplizierter macht?

Die obersten Knöpfe seines Hemdes sind offen und geben einen kleinen Blick auf seinen sportlichen Oberkörper frei.

Hör auf, ihn anzustarren, du Idiotin! Er ist dein Boss – wenigstens heute ist er es noch. Reiß dich also gefälligst zusammen!

„Wir sollten uns morgen früh zuallererst um deinen Vertrag kümmern“, sagt er plötzlich wie aufs Stichwort.

Ich schaue ihn überrascht an. „Dein Ernst?“

„Das hatten wir doch so abgemacht“, antwortet er ruhig. „Oder spricht etwas dagegen?“

Ich versuche, in seinen Augen zu lesen und einen Blick hinter seine Fassade zu werfen, aber er scheint undurchschaubar.

Gerade eben habe ich ihn noch zur Weißglut getrieben und jetzt bietet er mir einen Vertrag an?

„Nein“, stammele ich schließlich. „Es spricht nichts dagegen. Zumindest nicht von meiner Seite. Wenn du immer noch Interesse daran hast, dass ich für dich arbeite, dann ...“

„Es wird natürlich eine Probezeit geben“, fällt er mir ins Wort. „Aber das kennst du ja sicher.“

„Ja.“ Ich streiche mir eine Strähne hinters Ohr. „Ja, natürlich. Ist ja so üblich.“

„Schön.“ Er steht auf. „Ich werde jetzt nach oben gehen. Der Tag war lang. Morgen fahre ich etwas später ins Büro, dann können wir alle noch in Ruhe zusammen frühstücken.“

„Klingt gut.“ Ich stehe ebenfalls auf.

Für einen kurzen Augenblick stehen wir uns direkt gegenüber, zwischen uns nur eine Handbreit Abstand.

In seinem Atem nehme ich einen Hauch von Rotwein wahr. Hat er auf der Arbeit noch einen Absacker getrunken, bevor er heimgekommen ist? Viel kann es nicht gewesen sein, dafür wirkt er zu nüchtern.

In diesen wenigen Sekunden, die wir uns nahe sind, ärgere ich mich umso mehr, dass ich mich gleich am ersten Abend so weit aus dem Fenster gelehnt habe und es mir beinahe mit ihm verscherzt habe.

Wieso zum Teufel habe ich mich nicht besser im Griff, wenn ich mich über irgendetwas wundere? Ist es denn wirklich nötig, dass ich alles, was mir durch den Kopf geht, immer sofort ausspreche?

„Also dann. Willkommen bei uns.“ Er hebt die Hand und reicht sie mir. Eine simple Geste, die mich trotzdem sofort aus dem Konzept bringt.

Seine Hand liegt warm in meiner, als hätte ich schon ewig auf genau diese Berührung gewartet.

Ich möchte ihn fragen, warum er trotz meines Dickkopfes noch immer daran interessiert ist, mich im Haus zu behalten. Stattdessen schaue ich ihn einfach nur schweigend an, während ich versuche, das Chaos in meinem Kopf zu verstehen.

Oder ist es nicht vielmehr das Chaos in meiner Magengegend? Was zum Teufel ist das für ein nervöses Flattern, das sich langsam in mir ausbreitet?

„Danke“, sage ich nach einer gefühlten Ewigkeit und ringe mir ein mechanisches Lächeln ab. „Ich bin gespannt auf unsere Zusammenarbeit.“

Einen Moment hält mich sein Blick noch fest. Durchdringend und gleichzeitig undurchschaubar. Warm und doch distanziert.

Warum tut er das? Warum schaut er mich auf diese Weise an? Ist ihm denn nicht klar, wie verwirrend das ist?

Ich möchte etwas sagen. Irgendetwas Vernünftiges, etwas Kluges – etwas, das ihm beweist, dass ich ihn trotz allem als Boss respektiere, selbst wenn ich in manchen Dingen anderer Meinung sein sollte.

Stattdessen sage ich gar nichts und starre ihn einfach nur an.

Schließlich wendet er sich ohne ein weiteres Wort von mir ab und verlässt das Wohnzimmer.

Regungslos bleibe ich stehen und schaue ihm hinterher, während mich die seltsame Ahnung überkommt, dass dieser Abend nicht ohne Folgen bleiben wird.

Kapitel 7

Olivia

„Mensch, Livy, du warst ja wie vom Erdboden verschluckt.“

„Hey Mike.“ Ich lasse mich mit dem Handy am Ohr auf mein Bett fallen. „Tut mir leid, dass ich erst jetzt zurückrufe. Ich hoffe, ich habe dich nicht geweckt. Aber ich dachte mir, dass du sicher noch wach bist, wenn du bis eben Schicht hattest.“

„Ich habe dich bestimmt dreimal angerufen.“ Er seufzt. „Ist alles okay bei dir?“

„Was den Job angeht, ja. Ich habe die Stelle. Morgen früh klären wir das Vertragliche.“

„Das ging ja schnell. Weiß Schmidt schon Bescheid?“

„Ich habe ihn heute Nachmittag schon angerufen und ihm gesagt, dass er jemand anderen für meine Schicht finden muss – und dass ich auch danach nicht wiederkommen werde.“

„Echt?“ Seine Überraschung ist selbst durchs Telefon zu hören. „Und hat er keinen Aufstand gemacht?“

„Das hat er sich nicht getraut. Immerhin weiß er ja, dass in seiner Firma selbst nicht alles mit rechten Dingen zugeht. Solange er uns keine vernünftigen Arbeitsverträge gibt, sollte er besser die Füße stillhalten. Und ganz ehrlich, Mike, du solltest dir selbst etwas anderes suchen. Irgendwann wird Schmidt Ärger bekommen – und das wird auch auf dich und die anderen zurückfallen.“

„Ich finde mein Leben gut so, wie es ist. Das Einzige, das mich stört, ist die Tatsache, dass sich meine beste Freundin einfach so aus dem Staub gemacht hat.“

„Ich habe mich nicht aus dem Staub gemacht, Mike. Zwischen uns wird sich nichts ändern. Ich arbeite jetzt einfach nur woanders.“ Ich hole tief Luft. „Na ja, zumindest vorerst. Wer weiß, wie lange es dieses Mal dauern wird, bis man mich feuert.“

Ich höre ihn leise seufzen. „Wieso? Ist irgendetwas passiert?“

„Na ja, ich habe mich heute glaube ich ein bisschen zu weit aus dem Fenster gelehnt und meinem neuen Boss in die Erziehung seiner kleinen Schwester reingeredet.“

„An deinem ersten Tag?“

Da ist es wieder, das schlechte Gewissen, das an meine Schläfen pocht.

„Ja.“ Ich lasse die Schultern sinken. „Jetzt weiß ich selbst, wie dämlich das war. Aber manchmal überkommt es mich einfach. Ich kann dann nicht aus meiner Haut. Ich halte es dann in dem Moment einfach für eine gute Idee. Wie dämlich der Gedanke in Wahrheit ist, merke ich dann immer erst an der Reaktion des anderen.“

Er lacht. „Na, ein Gutes hat dein Dickkopf ja. Mit etwas Glück bist du schneller wieder im Lieferservice, als ich dazu komme, dich überhaupt zu vermissen.“

Nun bin ich diejenige, die lacht. „Du glaubst doch wohl nicht allen Ernstes, dass Schmidt mich wieder einstellen würde.“

Ich höre, wie er den Fernseher anschaltet.

„Ich wäre jetzt gern bei dir“, sage ich. „Könnte dringend jemanden zum Quatschen gebrauchen.“

„Aber wir reden doch gerade, oder?“

Ich lasse mich rücklings aufs Bett fallen und starre an die holzgetäfelte Decke.

„Trotzdem fühle ich mich irgendwie allein.“ Ich lege die Hand auf den Bauch, während mein Blick ins Leere wandert. „Allein mit meinen Gedanken. Mit meinen Gefühlen. Alles ist so ... so verwirrend.“

„Deinen Gefühlen?“ Er wird neugierig. „Was soll das nun wieder heißen?“

„Gar nichts“, antworte ich schnell. „Ich meinte nur ... ach, vergiss es!“

„Komm schon, Livy, was ist los?“

Meine Gedanken wandern erneut zu Darrell. Wir kennen uns noch nicht einmal 24 Stunden – trotzdem ist es ihm bereits überaus erfolgreich gelungen, sich in meinem Kopf einzunisten. Und das, während ich mich gleichzeitig über seine merkwürdigen Ansichten über Christies Erziehung wundere.

Wie zum Teufel passt das zusammen?

„Es geht mir gut“, antworte ich schließlich. „Wirklich. Ich bin nur ein bisschen nervös.“

„Du und nervös? Das wäre ja mal was ganz Neues.“

„Traust du mir etwas nicht zu, nervös zu sein?“

„Dafür bist du viel zu selbstbewusst.“

„Wieso denkt alle Welt, dass ich selbstbewusst bin? Ich habe eine klare Meinung, kann schon sein. Aber deswegen bin ich doch noch lange nicht ...“ Ich gerate ins Stammeln.