Bitte nicht öffnen 7: Winzig! - Charlotte Habersack - E-Book

Bitte nicht öffnen 7: Winzig! E-Book

Charlotte Habersack

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Beschreibung

"Bitte nicht öffnen!" steht auf dem geheimnisvollen Päckchen, das Nemo bekommt. Also macht Nemo es auf ... BAND 7: "Winzig!" ist dick und fett auf dem neusten Paket zu lesen. Ein Glück, denkt Nemo, dann muss ja etwas ganz Harmloses drin sein, oder? Von wegen! 1. Die Maipupus sind zwar winzig, aber wieselflink ... und richtig viele! 2. Sofort haben sich die kleinen Wesen in der ganzen Stadt verteilt. 3. Hagelt es draußen wirklich Bonbons? Dabei findet doch am Ende der Woche der Actionlauf in Boring statt. Bei Unwetter unmöglich! Wie sollen Nemo, Oda und Fred nur in so kurzer Zeit alle Winzlinge einsammeln, um den Bonbon-Hagel zu stoppen? Band 7 der Kinderbuch-Bestsellerreihe: ein neues lustiges Abenteuer rund um Schule, Freundschaft und einen Haufen verlorener Wesen, die nach Hause wollen! Voller überraschender Wendungen, Sprachwitz und mit vielen Bildern vom unverwechselbaren Fréderic Bertrand. Das perfekte Buch für Jungs und Mädchen ab 8 – und ihre Eltern!

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Charlotte Habersack

Bitte nicht öffnen – Winzig!

Mit Bildern von Fréderic Bertrand

"Bitte nicht öffnen!" steht auf dem geheimnisvollen Päckchen, das Nemo bekommt. Also macht Nemo es auf ...

„Winzig!“ ist dick und fett auf dem neusten Paket zu lesen. Ein Glück, denkt Nemo, dann muss ja etwas ganz Harmloses drin sein, oder?

Von wegen!

1. Die Maipupus sind zwar winzig, aber wieselflink ... und richtig viele!

2. Sofort haben sich die kleinen Wesen in der ganzen Stadt verteilt.

3. Hagelt es draußen wirklich Bonbons?

Dabei findet doch am Ende der Woche der Actionlauf in Boring statt. Bei Unwetter unmöglich! Wie sollen Nemo, Oda und Fred nur in so kurzer Zeit alle Winzlinge einsammeln, um den Bonbon-Hagel zu stoppen?

Wohin soll es gehen?

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Viten

Zwei Tage bevor alles begann …

Sekis Magen knurrte, als er zu Bett ging. Er hatte nur wenig zu Abend gegessen, weil sich seine Unterlippe noch immer ganz taub anfühlte. Der Zahnarzt, Dr. Löcherl, hatte ihm eine Spritze verpasst und gebohrt.

Seki seufzte. Er hatte seinen Eltern versprechen müssen, nie wieder ein einziges dieser klebrigen Bonbons zu essen. Ein Versprechen, das er leider nicht halten konnte, denn ihm fehlte noch eine Figur. Ausgerechnet die Königin! Alle anderen hatte er freigelutscht.

Stolz blickte Seki zum Setzkasten über seinem Bett, in dem die Sammelfiguren endlich wieder ordentlich aufgereiht standen. Die blöde Schwerelosigkeit hatte alles durcheinandergebracht.

Müde schloss Seki die Augen.

Als er sie am nächsten Morgen wieder öffnete, erschrak er.

Der Setzkasten war leer.

Alle seine Maipupus … einfach weg

Der Dieb lachte zufrieden, während sich in ihm eine tiefe Traurigkeit breitmachte. Sekis Schmerz war sein Schmerz. Schadenfreude und Selbstmitleid trieben ihm Tränen in die Augen. Schwarz tropften sie auf die bunten Figuren in der Kiste. Bald würden sie zum Leben erwachen und für ordentlich Chaos in der Stadt sorgen!

Gackernd warf der Dieb den Deckel zu und kritzelte die immer gleiche Adresse darauf:

„Ich sehe aus wie eine Mischung aus Mini-Arzt und Maxi-Trottel!“, maulte Nemo, während seine Mutter ihm den schneeweißen Kittel zuknöpfte. Aber es half nichts. Sie bestand darauf, dass er im Supermarkt Arbeitskleidung trug, um seine Klamotten zu schonen. Zu allem Übel stand auch noch Es bedient Sie: Herr Pinkowski auf der Brusttasche. Hoffentlich sah ihn Oda so nicht!

Grummelnd machte sich Nemo an die Arbeit. Er fischte eine Packung Wattestäbchen aus der Käsetheke und stellte mehrere Flaschen Shampoo zurück ins Regal.

Seufzend sah er sich um. Der Boden war übersät mit Lebensmitteln, Drogerieartikeln und Schreibwaren. Gleich nach dem Mittagessen hatte er in den Supermarkt kommen müssen, um seinen Eltern zu helfen. Seit drei Tagen räumten sie die Waren ein, die bei der Schwerelosigkeit aus den Regalen geflogen waren. Seine Mutter sammelte alles ein, was auf dem Boden lag, und sortierte es in verschiedene Körbe. Sein Vater trug die Einkaufskörbe in die Gänge, Nemo räumte die Sachen ein. Eine stumpfsinnige und stinklangweilige Aufgabe. Dabei hatten er und Fred eigentlich vorgehabt, am Nachmittag ein paar Bälle hin und her zu kicken. Womöglich war heute der letzte schöne Herbsttag im Jahr.

Fieberhaft dachte Nemo über eine Ausrede nach, mit der er sich abseilen konnte, während er mehrere Tüten Nofties zurück in den Aufsteller stopfte:

Ich muss noch einen Aufsatz schreiben.

Ich habe Zahnschmerzen.

Ich hab was in der Schule vergessen …

Da plötzlich öffnete sich die große Schiebetür des Supermarkts und Hubsi Hubert betrat mit federnden Schritten den Laden. Nemos Laune hellte sich augenblicklich auf.

Der Moderator von TV Kabeljau war sein großes Vorbild. Nicht nur, dass Hubsi supergut aussah, er war auch ultrasportlich und hatte immer einen lockeren Spruch auf den Lippen.

„Hey, hey, hier siehts ja aus wie in meinem Kinderzimmer“, scherzte der Moderator und tänzelte auf Zehenspitzen um ein paar Beutel mit Puddingpulver herum. „Wer nicht aufräumt, geht aber ohne Nachtisch ins Bett!“ Mit suchendem Blick scannte er den Boden ab. „Wo ist denn hier die Schreibwarenabteilung?“

Nemo kicherte und half ihm, einen Radiergummi und eine Rolle Klebeband zu finden. Geschickt fing Hubsi die Sachen auf, ließ sie auf seine Fußspitze plumpsen und kickte sie in den Einkaufskorb. Lässig warf er aus fünf Metern Entfernung zwei Tafeln Schokolade und ein Tütchen Pfefferkörner dazu.

„Pfeffer – versenkt!“, rief er fröhlich.

Nemo lachte. So wie Hubsi wollte er auch einmal werden! Eilig lief er zur Kasse, um ihn selbst abzukassieren. Während er die Einkäufe über den Scanner zog, konnte er noch ein Weilchen mit seinem Idol plaudern.

„Wenn es Sie und Ihren lustigen Wetterbericht nicht gäbe, wäre mit dieser Stadt rein gar nichts anzufangen“, schmeichelte Nemo.

„Na ja, immerhin gibt es noch euren Supermarkt“, schmeichelte Hubsi zurück, „da, wo sich Borings bessere Gesellschaft trifft.“ Schmunzelnd nickte er rüber zu Frau Moscherosch, die an einem Deo schnüffelte, und weiter zu Peer Fekt, dem Friseur, der vergeblich versuchte, eine Sektflasche im Pfandautomaten abzugeben.

Nemo prustete los. „Also wenn der Supermarkt der spannendste Ort einer Stadt ist, dann ist in ihr aber nicht besonders viel los.“

„Und ob hier was los ist“, mischte sich auf einmal Freds Vater ein. Herr Koch war kurz in den Laden gekommen, um ein Plakat aufzuhängen. „Denk an den Actionlauf.“

„Den Actionlauf?“ Nemo runzelte die Stirn.

Herr Koch sah ihn verunsichert an. „Hat dir Fred denn noch gar nichts davon erzählt?“

„Nein. Was soll das sein?“

„Eine Art Parcourslauf mit verschiedenen Stationen“, erklärte Herr Koch und zählte diese so begeistert auf, als würde er von einem leckeren Menü sprechen: „Wir starten am Marktplatz mit einem lockeren Lauf zum Boringer Forst. Dort geht es den Trimm-dich-Pfad entlang über den Kletterpark durch die Sümpfe zur Burg. Wir krabbeln in die Tropfsteinhöhle und schlüpfen aus einem Felsspalt wieder heraus. Hinterher geht es bergab, am Ufer entlang bis zur Tankstelle und dann schwimmend über den See. Zum krönenden Abschluss treffen wir uns erneut auf dem Marktplatz. Dort wird es eine Kletterwand geben und brennende Holzscheite, über die man springen muss.“

„Klingt cool!“ In Nemo regte sich die Abenteuerlust. Allerdings wunderte es ihn nun nicht mehr, dass Fred ihm die Sache verschwiegen hatte. Sein bester Freund hasste Outdoor-Aktivitäten. Viel lieber blieb er zu Hause und backte mit seiner Großmutter Kuchen.

„Es gibt auch Aufgaben fürs Köpfchen“, verkündete Freds Vater und tippte sich mit dem Zeigefinger an die Stirn. „Man muss so viele Gemüsesorten wie möglich erkennen. Schließlich geht es um Fitness und Gesundheit.“

Nemo schielte auf die Tafel mit den Gemüsesorten, die neben der Kasse hing. Durch seine Arbeit im Supermarkt wusste er zwar, wie Gemüse aussah, aber von den meisten Sorten kannte er nur die Nummern, die man in die Kasse eintippen musste: Die hellgrüne Knolle war Nummer 17, die rötliche Kartoffel 32, die seltsame Wurzel 10 und der lange blasse Salat hatte die Nummer 2. Aber wie hieß das ganze Grünzeug noch mal? Da würde er wohl üben müssen!

Nemo versprach Freds Vater, auf jeden Fall teilzunehmen, erst recht, als Hubsi Hubert ankündigte, mit einem Fernsehteam vorbeischauen zu wollen. „Wenn das Wetter mitspielt“, schränkte der Moderator ein und verabschiedete sich.

Kaum waren die beiden Männer gegangen, lehnte sich Nemo zurück und träumte von seinem Pokal. Schon sah er sich schmutzig und abgekämpft auf dem Siegespodest stehen und Hubsi ein Interview für seinen sportlichen Wetterbericht geben.

Das würde alles ändern!

Denn seit dem Filmabend neulich brachte er Oda gegenüber kein intelligentes Wort mehr heraus. Und alles nur, weil Fred „Status: Verbiebt!“ gerufen hatte, als Oda sich neben Nemo auf das Sofa gekuschelt hatte. Jetzt lief Nemo ständig rot an und war auf einmal wieder so schüchtern und nervös wie am Anfang. Aber mit einem Pokal in den Händen würde er sicher sein Selbstbewusstsein zurückgewinnen. Oda würde ihn maßlos bewundern und ihm gratulierend um den Hals fallen.

„Ach, hier steckst du!“ Eine Stimme riss Nemo aus seinen Gedanken. Er blinzelte, als wenn er ein Staubkorn im Auge hätte. Oda stand vor ihm, die Hände in die Hüften gestützt. Sie trug einen grün karierten Schottenrock und eine passende Mütze mit flauschigem Bommel dazu. Trotzdem fragte ausgerechnet sie: „Wie siehst du denn aus?“

„Ich?“, krächzte Nemo wie ein Dinosaurierbaby. Es wurde ihm heiß und kalt zugleich. Doch bevor er irgendetwas erwidern konnte, war Oda schon beim nächsten Thema: „Stell dir vor, Fred und ich haben Frau Ücke getroffen. Sie war gerade auf dem Weg zu dir. Mit einem neuen Päckchen! Wir konnten sie überreden, es uns zu geben. Fred hat es mit nach Hause genommen.“

„Was?“ Verwundert stellte Nemo fest, dass sein Herz noch schneller schlagen konnte, als es das eh schon tat. Ein neues Päckchen? Eigentlich cool. Aber ein Monster, das den Actionlauf gefährdete? Nicht so cool!

Schon sah er seinen Traum von einem strahlenden Sieg wie Magics Seifenblasen zerplatzen. Nein! Diesmal musste das Päckchen noch ein paar Tage warten.

„Was ist?“ Oda wippte ungeduldig auf den Zehen. „Kommst du oder willst du, dass Fred das Päckchen allein aufmacht?“

Nemo wurde nervös. Nicht, weil er glaubte, dass Fred das Päckchen öffnete – das würde er niemals tun, schon gar nicht allein – , aber was, wenn es jemand anders aufmachte? Immerhin war das schon zweimal passiert: Franz Ach hatte Vampiranja, die Vampirpuppe, freigelassen und Ossi, der kleine Jack Russell, hatte das Päckchen mit Magic, dem Einhorn, zerfetzt. Nemo traute zwar Fred, aber nicht dessen Schwester über den Weg. Antonia bestellte ständig irgendetwas im Internet und liebte es, Päckchen zu öffnen und Videos davon zu machen. Keine Frage: Das musste verhindert werden, wenn er als Sieger des Actionlaufes von Oda umarmt werden wollte!

„Ich komme!“ Hastig sprang er von dem abgewetzten Bürostuhl hinter der Kasse auf und zerrte sich den blöden Kittel vom Leib. Er hüpfte über das Förderband und rief seinen Eltern zu: „Bin gleich wieder da!“

Verwundert sahen Herr und Frau Pinkowski ihrem Sohn nach.

„Äh … ich glaube, er hat den Herd angelassen“, murmelte Oda entschuldigend. Dann sauste sie Nemo hinterher.

Fred lümmelte auf dem Sofa und sah zu, wie ein gigantischer Mosasaurus einen weißen Hai verschlang. Seit zwei Stunden schon zappte er sich durch die Programme und war schließlich bei Giganten der Meere hängen geblieben. Seine Mutter wäre sicher nicht begeistert gewesen. Aber seine Großmutter, die auf ihn und Antonia aufpasste, solange seine Mutter arbeitete, nahm es mit den Fernsehzeiten und Inhalten nicht ganz so genau. Im Gegenzug verriet Fred seiner Mutter nicht, was Omi nachmittags so trieb. Meist saß sie, wie jetzt, mit einem Bier und einem riesigen Stück Sahnetorte in der Küche und las die Klatsch Royal. Zu sehen, dass es den Schönen und Reichen auch mal schlecht ging, hatte etwas Tröstliches für sie. Dabei ging es seiner Großmutter gar nicht schlecht, fand Fred. Oft genug häkelte, backte oder kochte er mit ihr. Und weil sie so viel Zeit miteinander verbrachten, sprach er auch manchmal wie sie.

„Hallöchen, meine Lieben!“, flötete er erfreut, als seine Freunde das Wohnzimmer betraten.

Antonia, die Oda und Nemo hereingelassen hatte, grummelte etwas von „wohl die Klingel nicht gehört“ und zog sich in ihr Zimmer zurück.

Nemo atmete auf. Offensichtlich war Freds Schwester das Päckchen noch nicht unter die lackierten Fingernägel gekommen. Erleichtert ließ er sich in einen Sessel plumpsen und sah sich um.

„Wo ist es?“

„He!“ Anstatt zu antworten, rief Fred Oda hinterher, die schnurstracks zum Wohnzimmerfenster marschierte und die Blumentöpfe mit den Orchideen auf den Teppichboden stellte. „Was machst du denn da?“

„Na, ich öffne das Fenster, damit der Qualm abziehen kann.“

„Welcher Qualm?“ Fred sah sie schockiert an. „Willst du rauchen?“

„Bist du irre? Nein!“ Oda riss das Fenster auf und machte es sich auf der Armlehne von Nemos Sessel bequem.

Nemo wurde sofort nervös. Bei so viel Nähe rauschte ihm das Blut durch die Ohren. Wie durch Watte hörte er Oda sagen: „Ich dachte, wir öffnen das Päckchen. Sicher explodiert es dabei wieder und dann qualmt es ganz fürchterlich. Besser, wir stellen auch den Fernseher lauter, damit er den Knall übertönen kann.“ Sie zog Fred die Fernbedienung aus den Händen und tippte auf den Tasten herum. Scheppernd erklang der Jingle zu Hubsi Huberts sportlichem Wetterbericht.

„Fernseher leiser!“, mahnte die Stimme von Freds Großmutter aus der Küche.

„Gegenvorschlag.“ Nemo wischte sich die schwitzigen Hände an der Hose ab, übernahm die Fernbedienung und drehte die Lautstärke wieder herunter. „Wie wäre es, wenn wir das Päckchen erst nach dem Wettkampf öffnen?“

„Oder gar nicht“, stimmte ihm Fred sofort zu, der noch nie ein Fan von explodierenden Päckchen, nervigen Monstern und extremen Wetterverhältnissen gewesen war. „Äh, Moment mal. Von welchem Wettkampf sprichst du?“

„Tu nicht so, als wenn du das nicht wüsstest.“ Nemo funkelte seinen Freund vorwurfsvoll an. „Dein Vater war gerade im Supermarkt und hat mir alles erzählt.“

„Sprichst du vom Actionlauf?“, fragte Fred ertappt.

„Was für ein Actionlauf?“, wollte Oda wissen.

„Ein cooler Parcourslauf mitten durch Boring“, sagte Nemo. „Von Freds Vater organsiert. Aber unser Freund hier hat sich entschlossen, ihn uns zu verschweigen.“

„Gar nichts habe ich verschwiegen!“ Trotzig umarmte Fred ein Sofakissen. „Ich hab das Thema verdrängt, weil ich auf keinen Fall mitmachen will.“

„Wieso nicht?“ Oda wunderte sich. „Du bist doch sportlich.“ Kichernd erinnerte sie Fred an das Sportfest vor ein paar Tagen. Die plötzlich nachlassende Schwerkraft hatte ihn zu Höchstleistungen angetrieben. „Immerhin bist du neulich acht Meter dreißig gesprungen. Und beim 800-Meter-Lauf warst du auch der Schnellste.“

Fred gab zu: „Ich sprinte vielleicht gerne, aber lieber geradeaus. Es ist doch dämlich, sich extra Hindernisse in den Weg zu legen.“ Er wedelte mit der flachen Hand vor seinem sommersprossigen Gesicht herum, um zu zeigen, für wie verrückt er die Aktion seines Vaters hielt. „Das ist doch balla-balla.“

„Im Gegenteil!“ Nemo fühlte sich persönlich angegriffen. „Es ist stinklangweilig, wenn es im Leben immer bloß geradeaus geht. Ich jedenfalls will am Actionlauf teilnehmen! Und der findet nur dann statt, wenn das Wetter gut ist. Also lasst uns das Päckchen einfach hinterher öffnen.“

„Ach so.“ Jetzt verstand Fred! Er legte das Kissen zur Seite und setzte sich kerzengerade auf. „Dann bin ich dafür, dass wir es aufmachen.“

Nemo schnaubte. „Ach, auf einmal! Du wolltest die Päckchen doch nie öffnen. Seit wann bist du denn so ein Held?“

„Und seit wann bist du so ein Schisser?“

Die beiden funkelten sich herausfordernd an.

„Das Wetter wird eh schlecht“, erstickte Oda den Streit im Keim. Sie deutete zum Fernseher, auf dessen Bildschirm Hubsi Hubert auftauchte. Der Wettermann trug eine dicke Winterjacke und hatte einen Helm auf dem Kopf. „Hey-ho, liebe Boringer. Ich begrüße Sie, während der Sommer sich langsam verabschiedet. Diese Woche erwarten wir Regen und womöglich sogar Hagel.“

Jemand warf ihm aus dem Off Eiswürfel auf den Helm, die klackernd daran abprasselten.

„Autschi!“ Hubsi zog den Hals ein und gluckste kindisch. „Am besten, Sie entscheiden sich für eine Sportart, bei der Sie sowieso Helm tragen. Fahren Sie Mountainbike oder Skateboard! Spielen Sie Eishockey oder Rugby! Gut geeignet sind auch Reiten und Fechten.“ Hubsi zog eine Stange Lauch aus dem Gürtel und fuchtelte damit herum.

23! Nemo dachte an die Nummer auf der Kasse und war froh, zumindest zu diesem Gemüse auch den Namen zu kennen.

Oda zuckte mit den Schultern. „Wenn das Wetter eh schlecht wird, können wir das Päckchen genauso gut jetzt öffnen. Vielleicht enthält es wertvolle Hinweise auf den Spielzeugdieb. Bisher wissen wir nur, dass er auf jeden Fall in der Gegend wohnt und wahrscheinlich sehr nett ist.“

„Nett!?“ Nemo traute seinen Ohren kaum. „Er klaut Kindern das Lieblingsspielzeug und schickt es an den Arsch der Welt. Außerdem hat er Herrn Siebzehnrübel entführt.“

„Ja, aber er hat den alten Spielwarenhändler wie einen Freund behandelt“, spielte Oda die Sache herunter. „Und sogar seinen Laden abgeschlossen, nur damit nichts geklaut wird, solange er weg ist.“

„Überredet!“ Fred beugte sich vor und zog eine Schachtel unter dem Sofa hervor.

Nemo und Oda staunten. Das Päckchen sah aus wie ein alter Schuhkarton, in dem man einen Haufen Krimskrams aufbewahrte.

Fred legte es auf den Couchtisch und strich andächtig darüber, als wenn es ein nigelnagelneuer Computer wäre. „Guckt mal, es steht Bitte nicht öffnen– Winzig! darauf“, gluckste er. „Wie gefährlich kann ein winzig kleines Spielzeug schon sein?“ Vorsichtig pulte er mit dem Finger ein paar Löcher in den Karton und kam dabei gefährlich nah an die schwarze Kruste heran, die den Deckelrand verklebte.

„Vorsicht!“, warnte Nemo, der wusste, wie leicht sich diese entzündete. Doch noch bevor er das Wort ganz ausgesprochen hatte, war es bereits passiert. Als hätte Fred ein Streichholz angerieben, fing die Kruste an, zu fauchen und zu schmauchen. Trotz des geöffneten Fensters begann es, im Zimmer erbärmlich nach Schwefel zu stinken. Im nächsten Moment sprühte die Kruste Funken und setzte in nur wenigen Sekunden den ganzen Deckel in Brand. Das Paket explodierte vor ihren Augen wie eine Tischbombe voller Konfetti.

„Mach endlich den Kasten leiser!“, brüllte Freds Großmutter über den Flur. Aber Nemo, Oda und Fred starrten nur perplex auf den Couchtisch.

„Oh!“, hauchte Fred überrascht.

Zwar kamen aus der Kiste tatsächlich nur sehr winzige Wesen – dafür waren es sehr, sehr viele.

Nemo schrie entsetzt auf. Die Winzlinge wuselten aus der Kiste wie die Kaulquappen aus dem Glas, das Fred und er einmal vor Antonia in den Badesee gekippt hatten.

Die bunten Wesen rempelten und schubsten, stolperten und rappelten sich wieder auf. Dabei plapperten sie fröhlich durcheinander, lachten und scherzten. Sie sahen aus wie bunte Radiergummis und hatten alle möglichen Muster. Manche waren einfarbig, andere mehrfarbig. Es gab gestreifte, gepunktete, karierte und wild gemusterte Exemplare. Ausnahmslos alle hatten einen schwarzen Fleck irgendwo, nur saß er bei jedem Wesen woanders. Bei dem einen am Bein, bei dem anderen am Bauch, mal am Kopf, Arm oder Po. Irgendwie kamen die Winzlinge Nemo bekannt vor, aber er konnte sich nicht erinnern, wo er sie schon einmal gesehen hatte.

In Windeseile verbreiteten sich die kleinen Spielzeuge über den Couchtisch und hüpften wie Flummis durchs Zimmer. Sie hopsten auf die Couch, gruben sich in die Polsterritzen und ritten auf den Sofakissen herum. Sie schnupperten an den Orchideen, knipsten die Blüten ab und steckten sie sich hinters Ohr (falls sie überhaupt Ohren hatten). Sie kletterten die Vorhänge hoch, kippten die Schüssel mit den Nüssen um und latschten über die Tasten der Fernbedienung, was dafür sorgte, dass jede Sekunde der Sender wechselte. Ein wilder Mix aus Jingles, Nachrichtenschnipseln und Stimmen ergoss sich ins Wohnzimmer.

Ende der Leseprobe