Blood Lad Novel - Yuuki Kodama - E-Book

Blood Lad Novel E-Book

Yuuki Kodama

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Beschreibung

Fuyumi kommt in die Dämonenwelt, wird gefressen und zum Geist. Staz will sie wiederbeleben und sucht ein Buch, das ihm laut Raummagierin Hydrabell angeblich helfen soll. Er kämpft daraufhin gegen seinen Sandkastenfreund Wolf, auf dessen Territorium in der Westdämonenwelt es sich befinden soll und findet heraus, dass sein verhasster älterer Bruder Vlad es geschrieben hat. Als er ihn aufsucht, erhält er von diesem sine lange Zeit versiegelten Kräfte zurück und besiegt damit das Monster Akim, eine Schöpfung des irren Wissenschaftlers Franken. Staz schwört erneut, Fuyumi wiederzubeleben und nimmt seinen Bruder in die Pflicht.

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INHALT

PROLOG

KAPITEL 1

VAMPIR

KAPITEL 2

IN DIE MENSCHENWELT

KAPITEL 3

SANDKASTENFREUND

KAPITEL 4

BRUDER UND SCHWESTER

KAPITEL 5

DÄMONENMENSCH

KAPITEL 6

SPEZIALTECHNIK

EPILOG

NACHWORT

Farbseiten/Noveldesign: AFTERGLOW

Farbseite 1: Layout: Shigeyuki Miya, Zeichnung: Kenji Fujisaki, Koloration: Sakiko Ito, Hintergrund & Spezialeffekte: Shinichiro Kan

Farbseiten 2-3: Layout: Shigeyuki Miya, Zeichnung: Kenji Fujisaki, Szenografie: Masaki Mayuzumi, Koloration: Sakiko Ito, Aufnahme: Shinichiro Kan

Erstveröffentlichung in: Newtype, Juni 2013

Novelillustrationen: Kanata Yoshino

© 2013 Yuuki Kodama/Kadokawa Verlag/Blood Lad Komitee

Das Mädchen fand sich in einer Welt wieder, die fast alltäglich, aber doch entscheidend anders war.

Unzählige dicht nebeneinanderstehende Hochhäuser säumten eine Hauptstraße, auf der die verschiedensten Menschen hin und her eilten. Es wurde geschrien, um Kunden anzulocken, es ertönten verlockende Frauenstimmen. Straßenhändler sahen geschäftig auf ihre Handys.

Es war ein typisches Bild für dieses beliebte Stadtviertel. Doch irgendetwas war dennoch anders.

»…………«

Verzweifelt blickte das Mädchen auf. Zwischen den Gebäuden konnte es den düsteren Himmel sehen. Es war nicht sonnig, aber auch nicht bewölkt. Der Himmel war einfach trüb. Unter diesem deprimierenden Firmament eilten die Menschen die Straße entlang – wobei die Frage war, ob man sie überhaupt als Menschen bezeichnen konnte. Einer trug ein Horn auf dem Kopf, ein anderer hatte einen Mund, der bis zum Ohr aufgerissen war. Und es gab auch welche mit mehr als fünf Fingern oder Zehen. Das Mädchen fiel in dieser fremden Welt ziemlich auf. Oder besser gesagt, es hatte es selbst noch nicht bemerkt, aber seine Erscheinung – dass es aussah wie ein ganz gewöhnlicher Mensch – reichte völlig aus, um die Aufmerksamkeit der anderen auf sich zu ziehen. Neugierige, skeptische und auch niederträchtige Blicke trafen das Mädchen. Immer mehr Personen umzingelten es. Der Kreis wurde nach und nach kleiner, so als wollten sie ihrer Beute den Fluchtweg versperren.

Und genauso war es. Diese Welt hätte das Mädchen nicht besuchen dürfen. Dies war die Dämonenwelt. Und der Boss, der über diese Stadt, oder besser dieses Territorium der Dämonenwelt herrschte, war …

1

»Verflucht …«, grummelte Staz seinem alten Fernseher zu.

Auf dem flackernden Bildschirm war Folgendes zu lesen:

»Das Passwort ist falsch.«

Idiot, Idiot, das Passwort ist falsch. Deine fünfstündigen Bemühungen von gestern sind damit zunichtegemacht. Komm wieder, wenn du noch einmal Erfahrungspunkte gesammelt hast.

Seine Interpretation der Lage war etwas albern. Es handelte sich schlicht um den Eingabebildschirm für das Passwort eines uralten Rollenspiels. Uralt war das Rollenspiel allerdings nur in der Menschenwelt, vor allem in Japan. Staz lebte in der Dämonenwelt, und bis sich die Otaku-Kultur hier durchgesetzt hatte, war einige Zeit verstrichen Somit war das Spiel aus Sicht der Dämonenwelt nicht allzu alt.

»Oh Mann.«

Meckernd verglich Staz seine Notizen mit den Worten auf dem Fernseher. Sooft er es auch prüfte, es war kein Eingabefehler. Das bedeutete also, dass er beim letzten Spielen das Passwort falsch notiert hatte. Dann war alles verloren. Total demotiviert schaltete Staz die Spielkonsole unter dem Fernseher aus.

Ihn umgaben zahlreiche Gegenstände. An den Wänden standen Schränke voller DVDs, wie alle Staffeln von olmes. Auf einem Regal waren Figuren der wichtigeren Charaktere des Kult-Animes Cardaptor Sakura aufgereiht. Aus dem Bücherregal quollen Lösungsbücher für seine Spiele und Manga, und auf einem Poster war der Lieferservice eines Hexenmädchens zu sehen.

Natürlich gehörte das alles zu Staz’ Sammlung. Er war wie ein Otaku der alten Schule.

Doch gleichzeitig war er auch der Erbe einer Familie, die in der Dämonenwelt besonders einflussreich gewesen war – einer Vampirfamilie.

In der stereotypen Vorstellung der Menschenwelt trugen Vampire schicke Mäntel mit hochgeschlagenen Krägen und flogen durch die Nacht, um das Blut der Menschen zu saugen. Allerdings konnte Staz nicht fliegen. Und er hatte nicht die Angewohnheit, wie seine Ahnen extra die Menschenwelt zu besuchen, um Blut zu saugen. So etwas zählte nicht zu seinen Hobbys. Er respektierte die Menschen. Vor allem liebte er die japanische Otaku-Kultur. Er hätte die Menschenwelt gern als Tourist besucht, aber auf keinen Fall, um Blut zu saugen.

Darüber hinaus …

»BRRRR BRRRR«, ertönte plötzlich Staz’ Handy auf dem Tisch.

Er warf den Controller der Spielkonsole weg, setzte sich, da er auf dem Bett gelegen hatte, langsam auf und ging ans Telefon.

»Ja, Staz …?«

»Staz?«

Er hörte eine ihm unbekannte Stimme.

»Wer biste denn?«

»Ich hätte gern dreimal das Tsuchinoko-Menü. In die Wohnung in Bezirk drei…«

»Von wegen Tsuchinoko, du bist hier falsch!«

In letzter Zeit verwählten sich immer mehr Leute. Handys gewannen endlich auch in der Dämonenwelt an Beliebtheit. Handys waren eine sagenhafte Erfindung – mindestens genauso großartig wie Klimaanlagen. Aber eins war klar: Mehr Nutzer bedeuteten mehr Probleme.

Es klingelte ein weiteres Mal.

»Huh?!«

Ungehalten ging Staz erneut ans Telefon. Doch diesmal hatte sich der Anrufer nicht verwählt.

»Ah, Boss. Du bist ja wach. Das gibt’s auch?«

Es war übrigens Mittag nach Dämonenweltzeit.

»Ach, du bist es, Deku.«

Er setzte sich wieder aufs Bett und fuhr fort: »Haste die DVD und die Figur bekommen?«

»Ah, nein. Das dauert wohl noch eine Weile«, antwortete Staz’ Gesprächspartner etwas zögerlich.

»Nur, es ist etwas aufgetaucht, das ebenso interessant sein könnte.«

»Was denn?«

»Fall nicht vom Stuhl, Boss. Eine Frau, ein Mensch …«

Staz’ Augen wurden groß.

»Ein … Mensch …?«

»Keine Ahnung, wie, aber sie hat sich scheinbar verlaufen. Wir wissen auch nicht, was wir mit ihr machen sollen. Daher wollte ich erst mal dich fragen.«

»…………«

»Schließlich ist das hier die Dämonenwelt. Dürfen wir unsere Regeln anwenden? Wer fremdes Territorium betritt, hat eben Pech. So ist das doch in der Dämonenwelt.«

Er ließ seine Stimme gegen Ende immer tiefer werden, damit sie bedrohlicher klang. Allerdings zeigte sein Boss darauf keinerlei Reaktion.

Staz blickte vielmehr verblüfft ins Leere. Urplötzlich kam er wieder zu sich und antwortete in majestätischem Tonfall: »Bring sie sofort zu mir! Das ist ein Befehl vom Territorialboss!«

Staz war sein Name. Er war der Nachkomme einer Vampirfamilie, einer Familie aus der Welt des Ruhms. Gleichzeitig war er der Herrscher über dieses Territorium.

Regel Nr. 1 der Dämonenwelt: Die Stärke zählt.

In dieser Welt gab es viele Territorien und die Dämonen dort standen unter der Herrschaft der Territorialbosse. Die normalen Dämonen zahlten Miete und als Gegenleistung waren die Bosse verpflichtet, ihre Dämonen vor Fremden zu beschützen – so lautete jedenfalls die offizielle Version.

Allerdings waren Dämonen, genauso wie Menschen, individuell. Und natürlich galt das auch für diesen Boss.

Jemand war in sein Territorium eingedrungen. Auch wenn dieser Mensch, die Frau, nicht vorhatte, dem Territorium zu schaden, denn sie hatte sich verlaufen, war das eine Angelegenheit, die man dem Boss mitteilen musste.

Doch dieser Boss, also Staz, war, als er davon erfuhr, total aufgeregt: »Oh …! Ich träume doch nicht, oder …?«

»Endlich kann ich einen Menschen sehen! Und auch noch eine Frau! Worüber rede ich mit ihr?! Wenn sie aus Japan kommt, muss ich mich für die Entwicklung der Playstation bedanken! Und Handys …! Manga …! Was für Manga liest sie wohl gern …?«, murmelte er vor sich hin, während er mit dem Kopf gegen die Wand donnerte.

Wie bereits erwähnt, liebte der Vampir Staz die japanische Otaku-Kultur aus tiefstem Herzen. Außerdem war er zum Territorialboss gewählt worden, weil er in diesem Bezirk der mit Abstand mächtigste Dämon war. Er konnte sich sogar mit der typischen Bossmentalität – Meine Männer sind wie meine Familie! – anfreunden. Sein Herz war, positiv ausgedrückt, so unschuldig wie das eines 17-Jährigen, der einen großen Traum hat. Negativ betrachtet, war er so unreif wie ein Kind, dem nur seine eigenen Wünsche wichtig sind.

»Stimmt, Musik!«

Sein gieriges, Pardon, unschuldiges Herz wurde einiger Probleme gewahr. Eine Frau würde sein Zimmer betreten, eine Frau aus der Menschenwelt. Sicher ein süßes Mädchen, das als Vorlage für die niedlichen Charaktere dienen könnte, die in zahlreichen Manga und Videospielen auftauchten. Also musste auch er sich von seiner besten Seite zeigen. Sonst würde diese Frau ihm niemals sagen: »Ach, eigentlich bin ich überhaupt nicht in dich verliebt!«, und ihm ein Geschenk geben.*

Er hörte mit dem Kopf-gegen-die-Wand-Hämmern auf und streckte hastig seine Hand zum CD-Ständer neben dem Bücherregal aus. Doch schon bald wurde er von Hoffnungslosigkeit überwältigt.

Er besaß nur Titelsongs zu Animeserien, vorwiegend leidenschaftlichen Anime.

Das war nicht das Richtige. Seines Wissens nach, welches er durch Manga und Videospiele erworben hatte, waren das keine Songs, die man mit einer Menschenfrau zusammen hören sollte. Es blieb ihm keine andere Wahl. Er gab die Musik auf, aber …

»Shit, Klamotten!«

Würde er dort nicht punkten, wäre alles vorbei.

Das Wichtigste bei der ersten Begegnung ist die Optik. Ein Normalo-Outfit kommt nicht infrage. Eine Weisheit der Menschenwelt besagt, dass nur gut Aussehende es zu etwas bringen können.

Er nahm Abschied vom CD-Ständer und riss seine Klamotten aus dem Kleiderschrank. Doch hier offenbarten sich weitere Probleme.

»Nein, nein, nein! Die Sachen aus der Dämonenwelt sind Nachbildungen der Mode der Menschenwelt!«

Nichts besaß den Glanz der Originale.

Er hatte aber sonst nichts da.

Sprich, er musste sie irgendwie richtig kombinieren …

»…………«

So kam Staz’ neues Outfit zustande, das er im Spiegel betrachtete.

Er trug eine Sonnenbrille mit herzförmigen Gläsern. Auf seinem T-Shirt stand groß das Wort »SUSHI«. An den Schultern trug er eine riesige Schleife aus Seil, dazu niedliche, fluffige Ohrwärmer.

»Vielleicht hab ich etwas übertrieben …«

Das sieht nicht mal … gut aus.

Er begutachtete sich im Spiegel und legte die unnötigen Sachen wie die Ohrwärmer und die riesige Schleife ab.

In diesem Augenblick klopfte jemand laut an die Tür.

»Boss?«

»Schon?!«

»Wir sind da.«

Ohne auf Staz’ Antwort zu warten, öffnete der Besucher die Tür. Ein riesiger Mann mit Glatze trat ein. Das war Deku, Staz’ Untertan, ein Dämon und quasi Staz’ rechte Hand.

»Warte, ich bin noch nicht be…«

Ziemlich aufgeregt versuchte Staz, Deku zu stoppen, doch dann hielt er wie vom Donner gerührt inne, weil er jemanden sah.

Mit einem großen Schritt betrat Deku das Zimmer.

Neben ihm …

Neben ihm stand das Mädchen.

Das Mädchen hatte einen Knebel im Mund, beide Hände waren hinter seinem Rücken gefesselt. Es trug eine Schuluniform der Menschenwelt. Eigentlich war das keine Kleidung, welche die Brustpartie betonte, dennoch ragten seine Brüste hervor. Und seine Augen! Vermutlich völlig verängstigt von der plötzlichen Festnahme waren sie feucht von Tränen. Doch genau das sorgte für einen stärkeren Glanz. Zumindest kam es Staz so vor.

»…………«

»Boss?«

Staz kam wieder zu sich, als Deku ihn ansprach.

»Gut gemacht, Deku. Du kannst gehen.«

»Hä?«

»Jetzt geh schon raus! Und niemand darf hier rein, klar?!«

Mit diesen Worten schob Staz Dekus großen Körper aus dem Zimmer. Er ließ ihm keine Zeit für Gegenargumente, schloss die Tür und blickte erneut auf das Mädchen in Schuluniform, das im Zimmer zurückgeblieben war.

»…………«

Sie sagte nichts. Wie hätte sie auch mit dem Knebel? Noch verängstigter warf sie Staz einen Blick zu.

Er sah sein Spiegelbild in ihren Augen, und im selben Moment lief ihm eine Art Stromschlag den Rücken hinunter.

Was ist das für ein Gefühl?!

Ein Blick in ihre Augen und mir ist, als würde ich hineinfallen. Und dieser Schmerz, als würde jemand mein Herz zermalmen. Ist das etwa …?

2

Eigentlich hieß es: Ein Mensch, der sich in der Dämonenwelt verläuft, hat kein Recht, sich zu beschweren, egal wie er behandelt wird.

Denn dieses Territorium unterlag nicht dem Einfluss menschlicher Macht. Mal wurden die Menschen aufgefressen, mal ohne Zögern getötet.

Folglich wäre das Mädchen – Fuyumi Yanagi – schon bei der Festnahme getötet worden, wenn es sich in einen anderen Bezirk der Dämonenwelt verirrt hätte. Deswegen entbrannte auch unter Staz’ Untertanen eine heiße Diskussion, ob ihr Boss den Menschen allein auffressen würde.

Aber Staz war ein etwas anderer Territorialboss.

»Ist nicht wahr!! Von dem Spiel gibt es bereits so viele Teile?!«

»Ja, denke schon …«

Auf die Frage des total aufgeregten Staz hin gab das Mädchen, das am Rand des Bettes saß, zaghaft eine Antwort. Sie war längst nicht mehr gefesselt. Natürlich hatte Staz sie losgebunden.

»Das ist dann ja überhaupt nicht final!«

»Oh, ja.«

»Bin ich froh, dass ich so viel mit einem Menschen wie dir reden kann …«, bekannte Staz aus tiefstem Herzen.

Sie war eine Bewohnerin der Menschenwelt. Einer der Menschen, die jene Videogames und Anime erschaffen hatten, die Staz über alles liebte. Allein zu hören, was »gerade« in der anderen Welt passierte, erfreute Staz.

Doch das war anscheinend nicht der einzige Grund, weswegen Staz so glücklich war.

Und Fuyumi … war nicht mehr ganz so verstört wie zu Beginn, aber verständlicherweise noch etwas steif.

Vorsichtig schaute sie sich um.

»Ähm …«

»Ja?«

»Darf ich … jetzt eine Frage stellen?«

Da klingelte Staz’ Handy.

»Oh, sorry, warte.«

Freundlich unterbrach er das Gespräch und ging missgelaunt und schnalzend ans Telefon.

»Huh?!«

„Ah, Boss?«

Es war wieder Deku.

»Was?! Ein Eindringling im Territorium?«

Nun war seine Stimmung völlig am Boden.

»Aha. Nee, nee. Ich kann jetzt nicht. Was? Yamada ist halb tot? Ich kenne keinen Yamada! Aaaaah! Der Empfang ist hier viiiiel zu schlecht. Ich höre dich nicht, nee, nee, nee. Also, ciao.«

Er beendete das Gespräch und lächelte Fuyumi erneut freundlich an.

»Und, wo waren wir stehen geblieben?«

»Ähm … war der Anruf jetzt nicht wichtig …?«

»Och, das war nur eine Kleinigkeit. Darum muss ich mich nicht kümmern.«

»Wie?«

»Manchmal kommt einer, der den Kopf vom Territorialboss, also meinen Kopf will.«

In der Dämonenwelt war Macht alles. Somit gab es nur eins, was die Position des Bosses garantierte: seine Stärke. Zu diesem Zeitpunkt war Staz der Boss seines Territoriums, doch das bedeutete noch lange nicht, dass das auch für immer so bleiben würde. Würde ein Dämon auftauchen, der Staz überwältigte, würde dieser der neue Boss werden.

»So lautet eine Regel des Territoriums. Ist total albern, oder?«

»…………«

»Also, was ist?«, fragte Staz Fuyumi lächelnd, doch Fuyumi senkte ihren Blick.

»Mir …«

»Hm?«

»… ist nicht klar, wo ich bin. Auch nicht, weswegen ich hier gelandet bin.«

»Ja. Ja.«

»Es ist, als würde ich das alles nur träumen.«

»Ja, es ist echt traumhaft, dass ich einen Menschen treffen darf«, stimmte Staz ihr gut gelaunt zu, aber Fuyumi schüttelte den Kopf.

»So meinte ich das nicht.«

»?«

»Ich habe natürlich keine Ahnung …«, sagte sie und sah auf.

»Aber ich denke, dass du jetzt zu deinen Freunden gehen und ihnen helfen solltest.«

Sie versenkte ihren Blick direkt in Staz’ Augen.

In diesem Moment spürte Staz wieder dieses Kribbeln über seinen Rücken laufen.

Schon wieder.

Wenn sie mich mit ihren Augen so ansieht …

Urplötzlich plagten Staz Schmerzen im Mund.

Ein dumpfer, tiefer Schmerz pochte oberhalb seiner scharfen Zähnen, die für Vampire typisch waren.

Das war ganz sicher …

Im selben Moment hielt Staz reflexartig eine Hand vor den Mund und drehte Fuyumi den Rücken zu.

»?«

Er spürte Fuyumis Verwirrung, doch ein mächtiges Bild vereinnahmte seine Gedanken. Er sah sich selbst, aber völlig verändert.

Seine Muskeln waren am ganzen Körper aufgepumpt, sein weit aufgerissener Mund entblößte seine Zähne – so wie es sich für Vampire, die Menschenblut saugen, gehörte.

»Ähm, alles in Ordnung?«, fragte Fuyumi ihn besorgt. Staz nahm wahr, dass ihre unschuldige Stimme seine Begierde verstärkte, doch es gelang ihm, diese zu unterdrücken. Schlagartig wandte er sich zu Fuyumi um und ergriff ihre Schultern mit beiden Händen.

»?!«

»Du bist echt niedlich!«

»Waas?«

»Ich hab dich supergern!«

»Waaas?!«

Dieses plötzliche Geständnis verwirrte Fuyumi total.

Er ließ sich nicht aufhalten und sprach weiter: »Daher will ich dich nicht verletzen. Ich will dich eher beschützen! Ja, so richtig beschützen!!«

Er sprach, als wollte er sich selbst überzeugen.

»Ich möchte nicht mal in deinen weißen, bestimmt sehr weichen Hals beißen!«

»………«

»Und ich werde alles tun, was du verlangst. Ja, das werde ich!«

Kaum hatte er die Ansprache beendet, löste er seine Hände von Fuyumi und sprang auf.

Er rannte los.

»Also muss ich kurz weg! Denn meine lustigen Freunde sind in Gefaaaahr!«

»Warte, wieso zum Fenster …?!«

»Bis spääääääter!!«

Er ignorierte Fuyumis Einwand und sprang aus dem offenen Fenster aus der obersten Etage des Wohnhauses.

Irgendwie muss ich mich ablenken, sagte sich Staz während des freien Falls nach seinem Sprung aus dem Fenster.

Doch als er in Ruhe noch einmal darüber nachdachte, sah er keinen Grund, seinen Blutsaugedrang zu unterdrücken. Fuyumi war ein Mensch, der sich in Staz’ Territorium verirrt hatte. Also hatte Staz, der Territorialboss, das Recht zu entscheiden, was mit ihr geschehen würde.

Ich hätte ihr Blut saugen können.

Da fuhr ein schwerer Schock in Staz’ Körper.

Er war auf dem Boden aufgekommen. Trotz des Sprungs aus der obersten Etage eines Hochhauses blieb sein Körper unverletzt. Nichts war gebrochen, auch seine Organe waren unversehrt. Wobei – das war für einen Vampir nichts Ungewöhnliches.

»Boss!«, rief Deku in unmittelbarer Nähe.

Der Aufruhr war direkt vor Staz’ Wohnung. Mitten auf der Straße, auf der Deku und andere seiner Untertanen standen, tummelten sich mehrere riesige Lebewesen, die fleischfressenden Pflanzen ähnelten. Unzählige Tentakel erstreckten sich aus ihren Knospen. Ein widerlicher Gestank fuhr in Staz’ Nase.

»Mann, Mann, Mann!«

Auf einem der karnivorenähnlichen Wesen stand ein junger Mann. Er war ein ziemlicher Hänfling. Man hätte ihn auch als Jungen bezeichnen können.

»Endlich begegnen wir uns. Sie sind der berüchtigte Boss der Ostdämonenwelt: Meister Staz, der Vampir.«

Staz hob eine Augenbraue.

Vampir.

Oh ja.

So fand Staz eine Antwort auf die Frage, die er sich selbst vorhin gestellt hatte.

Ich hasse so was.

Ein Vampir muss Menschenblut saugen, Old-School-Mäntel für Narzissten tragen und wie ein Adliger leben …

»Ich hörte, Sie würden sich auf Ihre berühmte Familie wer weiß was einbilden. Daher bin ich hier, um mir Ihren Kopf zu holen«, schwafelte der Junge affektiert vor sich hin.

Allerdings hörte Staz ihm gar nicht mehr zu.

»Boss, pass auf die Pflanzen auf. Wenn du in ihre Reichweite gerätst, wirst du zerschnippelt.«

»Yo«, antwortete Staz, ging jedoch ganz entspannt auf sie zu.

»Äh, Boss? Hörst du mir überhaupt zu?«

»Ich kann nicht fliegen und mir wachsen keine Fledermausflügel.«

Staz ließ Deku stehen und ging noch einige Schritte weiter.

Genau in diesem Moment veränderten die sich tummelnden Pflanzen ihr Bewegungsmuster. Mit unglaublicher Geschwindigkeit streckten sich die Tentakel Staz entgegen. Wie Peitschen griffen sie ihn an, als er in ihre Reichweite geriet.

Der Junge schrie mit komplett veränderter Stimme: »Häh häh! Du greifst frontal an?! Du spinnst wohl?! Yeeeah!! Haaackfleisch!!«

Die Tentakel schossen auf Staz zu, um ihn zu zerstückeln. Die Luft vibrierte heftig und Fetzen seines T-Shirts flogen durch die Gegend. Das Wort »Sushi« auf Staz' T-Shirt wurde zerknittert.

Doch dann …

»Ups …? Ähm …?«

Anscheinend hatte Staz’ Gegner die Lage erfasst. Nur ein Teil des T-Shirts war zerfetzt worden. Staz reckte beide Arme vor dem Eindringling in die Luft, der mit verkrampftem Gesicht dastand.

»Ich bin ein Vampir. Aber ich esse Knoblauch und habe keine Angst vor Kreuzen.«

Als Staz seine Augen weit aufriss, wurden die Tentakel um ihn herum restlos pulverisiert.

»Ich bin zwar ein Vampir, doch darüber hinaus …«

Nachdem er die störenden Tentakel allein durch seinen Blick hatte verschwinden lassen, streckte er dem Eindringling seine rechte Hand entgegen.

»Gaah …!«

Ein qualvolles Stöhnen entwich dem Mund des Eindringlings.

»Mein … Her…z …!«

»… bin ich ICH, ein Individuum!«

Dann kam es zu einer Explosion.

Er hatte seinen Gegner nicht einmal berührt. Die Brust des Jungen … oder eher sein Herz schrumpfte in sich zusammen und als es dem Druck nicht mehr standhalten konnte, zerplatzte es wie ein Ballon. Blut spritzte.

Dies war die Herzkomprimierung: ZIP!

Staz’ Spezialtechnik, bei der er seine Vampir-Magiekraft nutzte und das Herz des Gegners zerquetschte. Kein Dämon konnte diese Technik überleben. Der Eindringling fiel wortlos rücklings zu Boden und starb.

Staz’ Untertanen schrien vor Begeisterung.

»Bist ganz schön heftig drauf heute, was?«, fragte Deku, der sich Staz leicht erschüttert näherte.

»Lass mich raten, du hast das Blut der Frau intus?«

»Nein. Hab ich nicht.«

Staz’ trockene Antwort stand in krassem Gegensatz zur beschwingten Atmosphäre.

Diesmal ging er ganz normal über die Treppe nach oben und kehrte in sein Zimmer zurück. Die Tür war noch verschlossen.

»Gut. Sie ist noch drin.«

»Irgendwie siehst du ziemlich glücklich aus, Boss.«

»Oh, so ein Unsinn«, wiegelte Staz ab, doch seine Antwort entsprach überhaupt nicht seinen wahren Gefühlen.

Genau.

Ich will nicht einfach nur als Vampir das Blut von Menschen saugen.

Als Individuum finde ich sie eben …

»Bin wieder da«, sagte Staz möglichst freundlich und öffnete die Tür.

Aber ihn empfing nicht das, was er erwartet hatte.

»…………«

In der Mitte des Zimmers spazierte eine Pflanze herum.

Eine Pflanze, wie sie jener Eindringling mitgebracht hatte.

»Ugh, wo kommt die denn her? Ah! Das Fenster ist a...!«

Noch bevor Deku den Satz zu Ende bringen konnte, krümmte sich die Pflanze und spie etwas aus ihren oberen Blütenblättern aus.

Klackernde Geräusche erfüllten den Raum.

Über den Boden rollte ein … menschlicher Schädel.

»!«

»Was …!!«

Man sagt, wie viel einem etwas bedeutet …

… merkt man erst, wenn man es verloren hat.

»Aaaaaah!!«

In Windeseile stürmte Staz auf die Pflanze zu und riss ihr mit voller Wucht den Bauch – oder zumindest die Stelle, die danach aussah – auf.

Doch es war zu spät.

In ihrem Körper fand er lediglich eine klebrige Flüssigkeit und eine Schuluniform. Die Schuluniform, die bis vor Kurzem Fuyumi getragen hatte.

»Das … ist nicht wahr.«

Staz brach zusammen und seine Knie knallten auf den Boden.

»Das darf doch nicht …«

In dieser Sekunde passierte es.

»IEEEEEEEEEEEEEK!«

Hinter Staz, der den Schädel in den Händen hielt, der ehemals Fuyumi gehört hatte, und trauerte, kreischte jemand auf.

Er drehte sich um.

»Wäh, was ist denn jetzt los? Warum bin ich plötzlich nackt?«

Da saß Fuyumi. Splitternackt. Mit einem dreieckigen Tuch vor der Stirn.

»…………«

Nach einem kurzen Moment der Stille tauschten Staz und Deku Blicke aus.

»Ähm, also, was geht denn hier ab?«

Staz hielt weiterhin den Schädel in der Hand und neigte seinen Kopf zur Seite.

»Die Knochen sind also von … jemand anderem …?«

»Hat das Ding nur ihre Klamotten gefressen?«, fragte Deku.

Dann hätte die Pflanze allerdings einen wirklich speziellen Geschmack gehabt. Da das Opfer Fuyumi war, gab es keinen Anlass zur Beschwerde, aber hätte die Pflanze stattdessen einen fetten älteren Herrn verschlungen …

»Bitte gib mir zuerst was zum Anziehen«, flehte Fuyumi leise, in einer Ecke des Zimmers kauernd. Doch Staz ignorierte ihren Wunsch und starrte sie weiter an. Ihre Wangen wurden knallrot.

Da flüsterte Staz: »Das ist seltsam.«

»Was?«

»Du reizt mich überhaupt nicht mehr.«

Fuyumi taumelte, als hätte sie jemand geschlagen. Vermutlich stand sie unter Schock.

Aber dann …

»Ah. Stimmt«, hob Deku an zu sprechen. »Ich hörte, dass ein Mensch nach dem Tod in unserer Welt zum Geist wird.«

»Aha?«

Staz wandte sich zu Deku um.

»Die Seele dieses Menschen materialisiert sich. Schau, da! Der dreieckige Wimpel am Kopf ist das Erkennungszeichen.«

Staz verstand. Auf Fuyumis Stirn klebte genau so ein Tüchlein.

»Ein Geist? Sie ist also auch ein Dämon?«

»Könnte man so sagen.«

»Hmm …«, nickte Staz.

Er senkte den Blick wieder auf den Schädel in seinen Händen.

»Das heißt also, ich werde sie nie wieder lebend sehen?«

Er konnte seine Enttäuschung nicht verbergen. Staz wurde von Fuyumis Leib und Blut angezogen. Nicht von diesem Geist in der äußersten Ecke seines Zimmers.

Doch kurz bevor ihn diese plötzliche Entwicklung völlig deprimierte, schüttelte er den Kopf.

»Quatsch …! Noch darf ich nicht aufgeben. Ihre Knochen und ihre Seele sind hier. Was fehlt, ist nur ihr Körper.«

»Boss?«

Er ignorierte die Frage des verwunderten Deku und starrte Fuyumis Schädel an.

»Ich hab mich entschieden. Ich werde sie wiederbeleben.«

Du wirst die Erste sein, deren Blut ich sauge.

Das ist meine persönliche blutige Entscheidung.

»Ähm …! Ich brauche immer noch Klamotten«, klagte Fuyumi im Geisterzustand, die auf Staz keinerlei Reiz mehr ausübte.

*