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Seasons of Magic: Blütenrausch E-Book

Ewa A.

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Beschreibung

**Erblühe wie der Frühling** Platinblond, gottesfürchtig und trotzdem der Hexerei angeklagt. 1692 in Salem Village muss sogar ein unschuldiges Mädchen wie Ira Connolly um ihr Leben fürchten. Als ihr zusammen mit ihrer Schwester Elisha und ihren Freundinnen Rainille und Flame der Prozess gemacht wird, wünscht sie sich mit ihrer letzten Kraft nur eins: dem Feuer lebend zu entkommen. In diesem Moment entfacht sie nicht nur zum ersten Mal ihre eigene Magie, sondern bringt sich auch weit weg, ins Jahr 2018. Mitten in das Herrenhaus einer Familie voller starker Frauen, tiefgehender Geheimnisse und einem Mann, bei dem ihr die Knie weich werden. Doch Ira weiß, dass sie trotz allem einen Weg zurückfinden muss, um nicht nur sich, sondern auch ihre Schwester und ihre Freundinnen zu retten. Aber für diesen besonderen Zauber muss sie erst den Spuren ihrer Magie folgen…   »Seasons of Magic« erzählt in vier atemberaubend schönen Romanen die Geschichte von vier starken Frauen, von der jede in einer anderen Epoche zu ihrer Magie findet. Jeder Roman wird aus der Perspektive einer der vier Frauen sowie ihres jeweiligen Love Interests erzählt. Damit steht jede Geschichte für sich und kann ganz und gar unabhängig von den anderen gelesen werden. //Dies ist ein Roman aus dem Carlsen-Imprint Dark Diamonds. Jeder Roman ein Juwel.// //Alle »Seasons of Magic«-Romane: -- Seasons of Magic. Blütenrausch -- Seasons of Magic. Kristallschimmer  -- Seasons of Magic. Blättertanz  -- Seasons of Magic. Sonnenfunkeln -- Seasons of Magic. Das magische Ende der Serie! -- Seasons of Magic: Die E-Box mit allen vier Bänden zur Reihe (Mit Bonuskapitel »Das magische Ende«)//

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Dark Diamonds

Jeder Roman ein Juwel.

Das digitale Imprint »Dark Diamonds« ist ein E-Book-Label des Carlsen Verlags und publiziert New Adult Fantasy.

Wer nach einer hochwertig geschliffenen Geschichte voller dunkler Romantik sucht, ist bei uns genau richtig. Im Mittelpunkt unserer Romane stehen starke weibliche Heldinnen, die ihre Teenagerjahre bereits hinter sich gelassen haben, aber noch nicht ganz in ihrer Zukunft angekommen sind. Mit viel Gefühl, einer Prise Gefahr und einem Hauch von Sinnlichkeit entführen sie uns in die grenzenlosen Weiten fantastischer Welten – genau dorthin, wo man die Realität vollkommen vergisst und sich selbst wiederfindet.

Das Dark-Diamonds-Programm wurde vom Lektorat des erfolgreichen Carlsen-Labels Impress handverlesen und enthält nur wahre Juwelen der romantischen Fantasyliteratur für junge Erwachsene.

Seasons of magic

»Seasons of Magic« erzählt in vier atemberaubend schönen Romanen die Geschichte von vier starken Frauen, von der jede in einer anderen Epoche zu ihrer Magie findet. Jeder Roman wird aus der Perspektive von einer der vier Frauen sowie ihres jeweiligen Love Interests erzählt. Damit steht jede Geschichte für sich und kann ganz und gar unabhängig von den anderen gelesen werden.

Ewa A.

Blütenrausch (Seasons of Magic 1)

**Erblühe wie der Frühling** Platinblond, gottesfürchtig und trotzdem der Hexerei angeklagt. 1692 in Salem Village muss sogar ein unschuldiges Mädchen wie Ira Connolly um ihr Leben fürchten. Als sie zusammen mit ihrer Schwester Elisha und ihren Freundinnen Rainille und Flame der Prozess gemacht wird, wünscht sie sich mit ihrer letzten Kraft nur eins: dem Feuer lebend zu entkommen. In diesem Moment entfacht sie nicht nur zum ersten Mal ihre eigene Magie, sondern bringt sich auch weit weg, ins Jahr 2018. Mitten in das Herrenhaus einer Familie voller starker Frauen, tiefgehender Geheimnisse und einem Mann, bei dem ihr die Knie weich werden. Doch Ira weiß, dass sie trotz allem einen Weg zurückfinden muss, um nicht nur sich, sondern auch ihre Schwester und ihre Freundinnen zu retten. Aber für diesen besonderen Zauber muss sie erst den Spuren ihrer Magie folgen …

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Vita

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© privat

Ewa A. erblickte 1970 als fünftes Kind eines Verlagsprokuristen und einer Modistin das Licht der Welt. Im Jahr 2014 erfüllte sie sich den Traum, das Schreiben von Geschichten zu ihrem Beruf zu machen und wurde selbständig freiberufliche Autorin. Nach wie vor lebt sie mit ihrem Ehemann und den zwei gemeinsamen Kindern in der Nähe ihres Geburtsortes, im Südwesten Deutschlands.

Diese Geschichte ist für all jene geschrieben,

die, von ihrer Fantasie getrieben,

Freundschaft mit Elfen und Gnomen schließen,

Tränen mit Meerjungfrauen um Prinzen vergießen,

auf schillernden Einhörnern durch Wälder reiten

und mit fauchenden Drachen auf Wolken gleiten.

Hütet diese Magie in euren Herzen gut,

denn sie schenkt euch viel mehr als Mut.

Sie wird euch mit ewiger Jugend küren

und an die wundersamsten Orte führen.

Prolog

Salem Village, Neuengland, Amerika

Sommer 1692

Ira

Elisha war weg! Meine Halbschwester hatte ihre Worte in die Tat umgesetzt. Nie hätte ich gedacht, dass ihre oft im Ärger dahingesagten Drohungen, irgendwann würde sie Salem verlassen, ernst gemeint waren. Mit zitternden Fingern legte ich die Schiefertafel auf den Holztisch zurück, wo Elisha sie liegen gelassen hatte. Im Zwielicht der letzten Sonnenstrahlen, die zum Fenster hereinfielen, hatte ich die wenigen Zeilen gelesen, in denen Elisha Vater und mir mitteilte, dass sie fortgegangen sei und nicht mehr wiederkehren würde.

Ängstlich schaute ich auf die Holztür zum Schlafzimmer meines Vaters. Nach seinem anstrengenden Tagwerk schlief er wie immer um diese Uhrzeit schon tief und fest. Sicherlich hatte er nichts von Elishas Verschwinden mitbekommen. Ich wollte mir gar nicht vorstellen, wie er reagieren würde, wenn ich ihn deswegen weckte. Bestimmt würde er vor Wut und Angst um Elisha so sehr brüllen, dass die Nachbarschaft aus den Betten fiel. Was ihm gerade recht käme, denn danach würde er sicherlich alle Männer Salems zusammentrommeln, um mit ihnen gemeinsam Elisha zu suchen. Und wehe, er würde sie finden. Und – oh Gott – wehe, er würde sie nicht finden. Was, wenn sie irgendwelchen Outlaws oder – noch schlimmer – feindseligen Indianern in die Hände fiel? Schließlich waren nicht alle Eingeborenen den Weißen gegenüber freundlich gesinnt und so hilfsbereit wie Flame, unsere Freundin.

Ach, Elisha, du wirst dich noch in Teufels Küche bringen, schimpfte ich im Geiste mit ihr. Mit einem tiefen Atemzug versuchte ich die Furcht zu vertreiben. Ich hatte keine Wahl, ich musste sofort los und sie suchen. Nach wenigen Schritten hatte ich unser Haus verlassen und stand auf der staubigen Hauptstraße. Die warme Abendluft erdrückte mich, bewegungslos stand sie zwischen den Häusern und besonders vor unserem, weil die Feuerstelle in der Schmiede meines Vaters noch sacht glühte. Ich hielt inne und überlegte, welche Richtung Elisha genommen haben könnte. Würde sie sich wohl von unseren Freundinnen Rainille und Flame verabschieden wollen? Rainille war die Tochter des Bürgermeisters und wohnte am Ortsrand. Flame jedoch außerhalb Salems, in einer Hütte im Wald. Da Rainille uns an diesem Abend wieder in Lesen und Schreiben unterrichten sollte, überlegte ich, ob sie schon unterwegs zu Flame sein könnte. Vielleicht würde es mir gelingen, sie auf dem Weg abzufangen und mit ihr gemeinsam nach Elisha zu suchen, wenn mir diese nicht vorher schon in die Arme lief.

So rannte ich die Straße hinunter, vorbei an dem Kolonialwarenladen und dem Marktplatz, in Richtung Rainilles Heim. Zu dieser späten Stunde waren nicht mehr viele Menschen auf der Straße. Ab und an holte noch jemand Wasser am Brunnen.

Außer Puste kam ich beim Haus des Bürgermeisters an. Leider hatte ich weder Elisha noch Rainille auf der Strecke entdecken können. Leise schlich ich um das imposante Gebäude der Familie Charlotte herum und achtete darauf, nicht entdeckt zu werden. Voller Hoffnung, eines von den Mädchen hier vorzufinden, spickte ich vorsichtig zu den Fenstern hinein. Unter keinen Umständen wollte ich anklopfen und mich den ungemütlichen Fragen stellen, mit denen mich Rainilles Eltern gewiss löchern würden, wenn ich sie nach dem Verbleib ihrer Tochter oder meiner Halbschwester fragen würde. Da auch im Haus der Charlottes keine Spur von den beiden auszumachen war, beschloss ich ohne weitere Umwege sofort Flame aufzusuchen. Entschlossen hob ich meinen Baumwollrock an und rannte los zum Whakan Lake, an dem ihre Hütte stand. Den Ruf meines Vaters aufs Spiel setzend, bewegte ich mich dicht an den Häusern entlang. Ich konnte jetzt einfach keine Rücksicht auf Schicklichkeit nehmen. Viel wichtiger als meine freigelegten Fesseln war es, Elisha zu finden, bevor ihr etwas zustieß.

Mir wurde ganz bang, als ich daran dachte, was ihr alles passieren konnte, wenn sie allein durch die Wildnis wanderte. Bären und Wölfe waren auch zu dieser Jahreszeit aggressiv. Gerade mal drei Jahre trennten mich von meiner jüngeren Halbschwester und nicht mal ich mit meinen dreiundzwanzig Jahren hätte mich bei Nacht in den Wald getraut. Es kostete mich schon Überwindung, im Halbdunkel das Wasser für unseren Garten aus dem halb vertrockneten Rinnsal hinter unserem Haus zu holen, das dort eines Tages wie aus dem Nichts entsprungen war. Das erledigte ich immer abends, nachdem ich unsere Gemüse- und Obstbeete gepflegt hatte, so wie auch heute.

Und genau damit hatte Elisha gerechnet, weshalb sie auch genau diese Zeitspanne genutzt hatte, um sich unbemerkt davonzuschleichen. Ich hätte nämlich versucht sie davon abzuhalten, wie immer, wenn sie solche Flausen im Kopf hatte, und auch das wusste sie. Unser Vater liebte uns, aber er war äußerst streng und wie die meisten Leute im Dorf sehr gottesfürchtig.

Mittlerweile hatte ich die letzten Häuser Salems hinter mir gelassen. Der See kam in Sicht und mit ihm der Weg zu Flames Hütte. Ich musste schmunzeln. Erinnerungen stiegen in mir auf. Ich sah uns vier, wie wir uns an dem Seeufer seit Kindesbeinen im Mondschein zum Spielen und Baden getroffen hatten. Uns war nichts anderes übrig geblieben, denn weder unser Vater noch Rainilles Eltern hätten es uns gestattet, mit Flame, der Wilden, wie sie sie nannten, zu spielen. So hatten wir unsere Treffen im Geheimen abgehalten – bis heute. Trotz meiner Befürchtungen und Ängste setzte ich mich über Vaters Verbot hinweg. Allerdings nur, weil Elisha mich jedes Mal überredete und es schaffte, dass ich über mich hinauswuchs und das tat, was ich tun wollte, was mir Freude bereitete. Abgesehen davon wollte ich meine kleine Schwester nie allein gehen lassen, denn ich liebte sie viel zu sehr und hätte alles getan, um sie zu beschützen. Und wenn wir vier Mädchen dann zusammen waren, fühlte ich mich sogar noch stärker. Ich konnte es mir nicht erklären, aber … es war, als konnte ich in der Gegenwart von Flame, Rainille und Elisha alles bewältigen.

Dieser Gedanke trieb mich an, immer schneller und schneller zu laufen. Doch als ich in den Waldweg einbog, hielt ich erschrocken inne, denn Männerstimmen schwirrten durch die Luft. Ich schlug mich ins Dickicht und schlich weiter, darauf bedacht, jedes verräterische Geräusch zu vermeiden.

»Seht ihr: Ich habe es euch doch gesagt, sie steht mit der roten Hexe im Bunde!«

Eisige Krallen griffen nach meinem Herzen. Das war der Prediger Parris. Was trieb er sich mit den anderen hier herum? Wen er als rote Hexe beschimpfte, war mir sofort klar, denn schon immer war Flame ihm ein Dorn im Auge gewesen. Aber wer war noch bei meiner Freundin in der Hütte? Elisha, Rainille oder jemand anderes? Ich befürchtete, dass etwas Schlimmes geschehen würde, und pirschte mich dichter heran, um herauszufinden, was Parris und seine Spießgesellen beabsichtigten.

Dank seiner ständigen Predigten, dass sie sich zum Kampf gegen Satan erheben und alles, was nur den Hauch von Unerklärbarem an sich habe, rigoros ausmerzen müssten, machte ich mich auf alles gefasst. Ebenso sah Parris in allem, was Vergnügen bereitete, eine Teufelei. Feiern und Tanzen, aber auch Dinge, die ihm unbekannt waren oder die er nicht verstand, gehörten seiner Meinung nach der Hexerei an. Nach wie vor schürte er in der Gemeinde eine ständige unterschwellige Angst vor einer dämonischen Bedrohung, was bereits zu mehreren Hinrichtungen geführt hatte. Die Frauen und Männer, die auf dem Hügel vorm Dorf am Galgen baumelten, genügten ihm wohl immer noch nicht. Mit fadenscheinigen Zeugenaussagen hatte man den armen Leuten den Prozess gemacht und sie als Hexen zum Tode durch den Strang verurteilt. Manche der Beschuldigten verstarben jedoch bereits im Gefängnis. Einem pressten sie sogar schon bei der peinlichen Befragung mit schweren Gesteinsbrocken das Leben aus dem Leib. Allein, es zu wagen, die Beschuldigungen als erfunden zu bezeichnen, reichte aus, um selbst angeklagt zu werden. Salem glich einem Pulverfass, dessen Lunte bereits lichterloh brannte. Wie viele von uns würden sie noch der Hexerei bezichtigen und töten?

Mir lief der Schweiß in Strömen die Stirn und den Nacken hinunter. Fieberhaft versuchte ich in der Dämmerung zu erkennen, wie viele Männer sich um Flames Hütte positioniert hatten und was sie trieben. Sie disputierten mit gesenkten Stimmen.

»Wenn wir sie nicht rausbekommen, machen wir ihnen eben gleich hier ein Feuer. Los, verbarrikadieren wir die Tür! Legen wir ihnen endgültig das Handwerk und verbrennen wir das Hexenpack!«

»Hey, da ist nicht nur die Jüngste vom Hufschmied drin, sondern auch die Tochter des Bürgermeisters! Willst du Rainille Charlotte wirklich ohne ein Gerichtsurteil verbrennen? Die Rothaut soll brennen, da bin ich der Erste, der die Fackel wirft. Und mit dem Hufschmied Connolly werden wir schon fertig, wegen dem mach ich mir keine Sorgen. Aber was, wenn der alte Charlotte uns wegen seiner Kleinen an den Kragen will?«

Vor Schrecken hielt ich die Luft an. Herr im Himmel, sie sprachen von allen dreien! Elisha und Rainille, sie beide waren bei Flame. Und alle wollten sie töten?

»Jeder, der mit der dreckigen roten Hexe verkehrt, macht sich der Hexerei schuldig – ganz gleich, welcher Sippschaft er angehört. Und du weißt, welche Strafe darauf steht.« Das war wieder Parris und ich biss mir vor Sorgen auf die Unterlippe. Denn wenn der Prediger die anderen von dieser wahnsinnigen Idee überzeugen würde, konnten weder mein Vater noch Rainilles Eltern etwas dagegen ausrichten. Selbst wenn ich jetzt zurück ins Dorf eilte, rechtzeitig würde keiner von ihnen hier eintreffen, die Hütte würde dann bereits lichterloh in Flammen stehen.

»Ja! Warum sollen wir auf ein Urteil des Richters warten, wenn wir eh alle wissen, wie es lauten wird? Jeder weiß, was die rote Hexe hier treibt. Sie sollen brennen!«

»Ich sag euch, wenn wir die aufsässigen Biester nicht allesamt abfackeln, stecken sie unsere Weiber auch noch mit ihren unsinnigen Gedanken an. Wir müssen ein für alle Mal für Ruhe sorgen.«

»Großer Gott«, entschlüpfte es mir.

Meine Schwester, meine Freundinnen! Parris hatte die Männer auf seine Seite gezogen. Es war ihnen ernst, sie würden Elisha und meine Freundinnen verbrennen. Jetzt. Hier. Einfach so. Ich musste die Mädchen da rausholen, sofort.

Sechs Angreifer zählte ich insgesamt. Drei verblieben nach ihrer Debatte vor der Hütte und die restlichen drei verzogen sich zur Rückseite und in den Wald, vermutlich wollten sie trockenes Holz für die Fackeln suchen. Kreuz und quer stießen die Männer Drohungen und Verwünschungen gegen die Mädchen in der Hütte aus, doch ich kümmerte mich nicht mehr darum, was die Hexenjäger in ihrem Wahn schrien.

Einer der Männer, die bei der Hütte verblieben waren, häufte an dem uralten Felsen, auf dem indianische Zeichen eingeritzt waren, Stroh und trockenes Laub zusammen und ging davor in die Hocke. Vermutlich wollte er ein Feuer machen, damit sie ihre Fackeln daran entzünden konnten. Während sich der zweite Mann an der Tür zu schaffen machte, spielte der dritte den Handlanger und schaffte ihm einen Holzpflock heran. Diesen rammten sie in die Erde und zugleich gegen die Hüttentür, die somit versperrt war. Ich musste etwas unternehmen – auf der Stelle –, bevor es zu spät war.

Am ganzen Leib zitternd griff ich nach einem dicken Ast und zwang mich mein Versteck zu verlassen. Auf leisen Sohlen pirschte ich mich an den Kerl heran, der den Laubhaufen in Brand setzte. Als ich hinter dessen Rücken stand und er sich nach getanem Werk aufrichtete, krampften sich meine schweißnassen Hände fester um die raue Rinde. Ich zögerte, denn ich hatte noch nie jemandem absichtlich ein Leid zugefügt und wollte den Mann eigentlich nicht niederschlagen. Doch er drehte sich um und instinktiv holte ich aus. Ich traf ihn an der Schläfe. Mit einem dumpfen Ton, der mir durch Mark und Bein ging, sackte er in die Knie und fiel vornüber. Mir wurde schlecht.

»Hey, was ist denn mit Bill los? Verflucht und zugenäht, ist das Ira?«, dröhnte es zu mir herüber.

Zu zweit stürzten die Männer auf mich zu. Ich versuchte mich mit dem Ast zur Wehr zu setzen. Doch dem einen gelang es, mich von hinten zu überwältigen und mir den Knüppel zu entwenden. Seine Arme hielten mich wie ein Schraubstock umschlungen.

»Los, stoßen wir sie zu den anderen Hexen in die Hütte«, rief er und wollte mich schon zu dem Häuschen schleifen. Wie wild begann ich um mich zu schlagen und zu treten. Ich schrie und kreischte. Im dunklen Nachthimmel sah ich, wie bereits die ersten Fackeln von der Rückseite auf dem Schindeldach landeten und es sofort in Flammen aufging.

Meine Angst steigerte sich zur Hysterie. Ich hatte nur einen Gedanken: Ich musste die Männer aufhalten, ich musste meine Schwester und meine Freundinnen befreien. Urplötzlich vernahm ich ein Rascheln und Grollen, spürte, wie der Boden unter meinen Füßen zu beben anfing. Erde, vertrocknetes Laub und Steine stoben vom Waldboden auf. Bleiche Wurzelenden brachen aus dem Grund hervor, peitschten und stachen auf die beiden Männer ein. Von allen Seiten schlängelten sich aus dem Wald armdicke Lianen heran, wanden sich in Windeseile um ihre Beine und brachten sie zu Fall. Meine Angreifer schrien und tobten, doch die Schlingpflanzen wickelten sie erbarmungslos vom Kopf bis zu den Zehen ein. Kreischend rannte ich, so schnell ich konnte, auf Flames Hütte zu.

Was war in dem Wald los? Welche Mächte waren hier am Werk? Ich war heilfroh von den Pflanzen nicht attackiert worden zu sein, und entfernte hastig den Pfahl, der den Ausgang verbarrikadierte.

»Sie zünden die Hütte an! Rennt um euer Leben«, rief ich und wollte die Tür öffnen, doch diese bewegte sich nicht, die Mädchen hatten sie von innen verriegelt. Nach meinen Freundinnen rufend rüttelte ich an ihr, stemmte mich dagegen, bis sie endlich aufging und Flame vor mir stand.

Aber sie konnten nicht mal einen Schritt auf mich zu machen, denn plötzlich standen Parris und die anderen Männer hinter mir. Unter hasserfülltem Gebrüll stießen sie mich zu den Mädchen in die Hütte. Ich landete hart auf den Knien, doch Elisha war sofort bei mir und zog mich in dem lautstarken Tumult wieder auf die Beine.

»Ich sage euch, sie hat die Pflanzen verhext und sie dazu gebracht, uns anzugreifen«, schrie einer von ihnen.

Eine Fackel landete zwischen uns und die Tür wurde voller Wucht zugeschlagen.

Rainille trat die Fackel aus, während ich zurück an die Tür eilte und wild an ihr rüttelte. »Nein, ich habe nichts dergleichen getan! Keine von uns, wir sind keine Hexen. Lasst uns raus! Bitte lasst uns hier raus!«, flehte ich drängend.

Auch Rainille versuchte die Tür zu öffnen. Doch es brachte nichts. Keiner der Männer erhörte uns. Ich schrie und klopfte weiter. Aber niemand zeigte Erbarmen, es gab keine Rettung. Das Knistern und Zischen des Feuers dröhnte über unseren Köpfen. Die Holzwände knackten und Flammen züngelten zu den Ritzen herein. Rauch füllte die Hütte und wir mussten husten.

Wir sahen uns an und wir alle wussten, wir saßen in der Falle. Es gab für uns kein Entkommen. Wir würden hier gemeinsam sterben. Die Endgültigkeit dieser Erkenntnis ließ uns schlagartig ruhig werden und ich nahm weinend Elishas Hand. Flame und Rainille gesellten sich zu uns.

»Schließe den Kreis«, rief Flame mir zu und nahm Elishas Hand, woraufhin ich auch Rainilles Hand ergriff und den Kreis vollendete. Und mit einem Mal kam es mir vor, als würde eine ungeheure Lebenskraft durch mich hindurchfließen. Eine kühle Frühlingsbrise wehte über meine Haut. Einzelne Strähnen meines blonden Haares wirbelten mir ins Gesicht. Das süße Aroma von Frühlingsblumen hing in der Luft. Zugleich glaubte ich an meinen Sohlen und Zehen den frischen Morgentau des Grases zu spüren, als würde ich barfuß über eine Wiese wandeln. Schmetterlinge schwebten plötzlich an mir vorüber und ich hörte das Summen von Bienen. Verwirrt blickte ich zu Elisha, die mich ebenso verwundert anschaute. Die Feuersbrunst tobte über und um uns herum, aber sie war lautlos, als wäre sie weit von uns entfernt. Und tief in mir bildete sich der unbändige Wunsch, irgendwo anders zu sein, weit weg, an einem anderen Ort, zu einer anderen Zeit …

Kapitel 1

Danvers, Massachusetts, USA

Herbst 2018

Lyle

»Abby? Bist du endlich so weit?«, rief ich und klappte das Notebook zu. Für einen Moment schloss ich die Augen und unterdrückte das Seufzen.

Ich liebte meine achtjährige Nichte von ganzem Herzen – wirklich. Tatsache blieb allerdings, dass es nie, niemals zu meinen liebsten Abendbeschäftigungen zählen würde, mich von ihr durch die Straßen schleifen zu lassen, um bei wildfremden Leuten zu klingeln und diese zur Herausgabe von Süßigkeiten zu nötigen. Herrgott, ich könnte ihr eine ganze Tonne von dem Zuckerkram ins Zimmer kippen, aber anscheinend war der von anderen viel interessanter oder leckerer. Was ich mir jedoch nicht vorstellen konnte. Keine Ahnung, was in den Kids vorging, dass sie so verrückt nach Halloween und dem Brimborium waren, das damit zusammenhing. Den ganzen Abend schon trieben mich die geschminkten und verkleideten Racker mit der verdammten Haustürklingel in den Wahnsinn. Dabei sollte ihnen doch bereits beim Anblick meines Anwesens klar sein, dass hier ein Halloween-Grinch wohnte. Nicht ein Kürbis oder Skelett, keine Hexen oder Flattermänner jeglicher Art zierten mein bescheidenes Domizil, zu Abbys Leidwesen. Es gab weder echte noch unechte Grabsteine in meinem Vorgarten und auch keine blutverschmierten Clowns, die mit einer Kettensäge hinter einem Busch lauerten. Obwohl … vielleicht würde Letzteres mir die penetranten Süßigkeiten-Erpresser vom Hals halten? Oder womöglich doch erst recht anlocken? Auf jeden Fall war mein Bedarf sowohl an unheimlichem als auch an scheinbar magischem Firlefanz mehr als gedeckt. Überladen bis zum Overkill traf die Umschreibung meines Gemütszustandes genauer.

Verdammt! Okay, das war jetzt nicht nett! Unwillkürlich schnaubte ich vor mich hin. Zur Hölle, denk nicht daran, Lyle, nicht heute!, ermahnte ich mich im Stillen weiter. Ich wollte Abby den Abend nicht versauen, auf den sie sich schon seit Wochen freute. Für ein paar Stunden sollte sie das Unglück vergessen, das vor knapp einem Jahr völlig aus dem Nichts über sie hereingebrochen war.

Mit diesem Vorsatz erhob ich mich von meinem Schreibtisch und hörte, wie Abby auf ihren kleinen Füßen und Madame Goose auf ihren Gänsepaddeln die Treppe heruntertapsten.

»Ja, Onkel Lyle, ich komme ja schon«, rief sie. »Ich habe nur versucht Mommys Gürtel anzuziehen. Aber er …«

Abrupt verloren sich ihre nächsten Worte im aufgeregten Schnattern von Madame Goose, das ziemlich aggressiv klang. Zugleich bemerkte ich das kurze Aufflackern eines grünlichen Lichts, das aus der Eingangshalle zu kommen schien. Noch während ich fieberhaft überlegte, was passiert sein konnte, eilte ich aus meinem Büro hinaus in die weitläufige Diele. Wie vom Donner gerührt blieb ich jedoch auf der Türschwelle stehen, denn mitten auf dem schwarz-weiß gefliesten Boden, wenige Schritte von mir entfernt, stand eine Unbekannte. Sie blickte entgeistert zu Abby empor, die in ihrer bunten Hexenverkleidung, mit grünem Gesicht und einem kurzen Strohbesen auf der Treppe stand. Samt ihrer weißen Hausgans wirkte sie genauso versteinert wie ich.

Mein Kopf leerte sich beim Anblick der altertümlich angezogenen Frau schlagartig. Ihr blaues Kleid aus grobem Leinen reichte weit über ihre Fesseln hinab. Lediglich die dunklen Spitzen ihrer Schuhe schauten unter dem Saum noch hervor. Über dem weiten Rock trug sie eine weiße Schürze, die wie ihre gebleichte Haube von vielen schmutzigen Flecken bedeckt war. Aschgraue Striemen zierten ebenso ihre Stirn, Wangen und das Kinn. Blonde Wellen hatten es unter der traditionellen Kopfbedeckung hervorgeschafft und wanden sich verspielt um ihr schmutziges und dennoch hübsches Gesicht. Dieses Halloweenkostüm wirkte täuschend echt. So wie die junge Frau dastand, hätte man sie wirklich für eine sogenannte Goodwife aus der Unterschicht eines längst vergangenen Jahrhunderts halten können.

Aber es war nicht ihr Aufzug, der meinen Verstand schachmatt setzte, sondern die Zartheit, fast schon Zerbrechlichkeit, die ihr gesamtes Wesen ausstrahlte. Mit dem makellosen Porzellanteint, ihren feinen Zügen und der zierlichen Statur erinnerte sie mich wahrhaftig an eine Elfe. Unwillkürlich kam mir die absurde Frage in den Sinn, ob sie unter der Haube womöglich nicht doch ihre spitzen Ohren versteckte. In ihren großen schräg stehenden Augen konnte ich jedoch eindeutig Furcht erkennen und ihr kleiner Mund schien vor Schreck leicht geöffnet stehen geblieben zu sein. Im letzten Moment beobachtete ich nebenher, wie ein weißes Blütenblatt auf den Fliesenboden segelte und sich zu den zig anderen gesellte, die sich dort bereits um sie herum verteilt hatten. Eine Note von Rauch und frischem Gras lag in der Luft.

Mit einem lauten, kritischen »Quaaaak« meldete sich Madame Goose zu Wort, bezog eine Stufe unterhalb von Abby Stellung und plusterte drohend ihr Gefieder auf.

»Wer … Wer bist du?«, fragte meine Nichte stammelnd.

Auch mir gelang es, den Schock zu überwinden, mich aus dem Bann der Unbekannten zu lösen und mein Gehirn wieder in Schwung zu bringen.

»Ja, das wollte ich auch gerade fragen«, stimmte ich grimmig meiner Nichte und unserer Hausgans zu. Ich baute mich vor der Fremden auf. Endlich schenkte sie mir die volle Aufmerksamkeit. »Was suchen Sie in meinem Haus? Und wie sind Sie hier überhaupt hereingekommen?« Mit der bedrohlichsten Miene, zu der ich fähig war, musterte ich sie. Zugleich hielt ich verstohlen Ausschau nach einem möglichen Gehilfen von ihr, der sich hinter ihr, in unserem Wohnzimmer oder im Gang neben der Treppe versteckt halten und jederzeit hervorspringen konnte, um mich zu überwältigen. Doch da war niemand. Die blonde Elfe schrumpfte förmlich unter meinem bösen Blick zusammen.

»Ira. Ira Connolly ist mein Name«, piepste sie ängstlich. »Ich … Ich weiß nicht, wie … oder was mich an diesen Ort führte, Sir.« Zu meinem Unwillen musste ich feststellen, dass sich ihr Dekolleté in schnellen Atemzügen verführerisch hob und senkte. »Es tut mir leid. Ich wollte Ihr Heim nicht unerlaubt betreten, Sir. Wirklich nicht«, entschuldigte sie sich aufgelöst.

Drohend beugte ich mich über sie. »Was haben Sie dann hier verloren, wenn Sie nicht mal wissen, wie Sie hierhergefunden haben oder was Sie von mir wollen?«

Das Gesicht des zarten Pflänzchens fing unkontrolliert zu beben an, ganz so … als ob …

»Fangen Sie jetzt bloß nicht an zu heulen! Sie sind doch unerlaubt in mein Haus eingedrungen.«

Prompt kullerte die erste Träne über ihre blasse Wange und sie wich schluchzend vor mir zurück. Panisch schaute sie sich um und wollte zur Haustür flüchten.

»Hey!«, brüllte ich jedoch ungehalten und schnappte flink ihren Arm. Sie taumelte wie ein Püppchen zu mir zurück, sodass es mir schon leidtat, sie so harsch angefasst zu haben. Ich ließ sie sofort los und zeigte vor ihre Füße. »Bevor Sie sich vom Acker machen, nehmen Sie mal schön den Müll mit, den Sie hier verteilt haben!«

»Quaak!«, pflichtete Madame Goose mir hinterrücks bei.

Schniefend blickte die Elfe aus ihren hellgrünen Kulleraugen zu mir auf. Unerwartet traf sie damit einen Nerv in mir. Es fühlte sich verdammt nach Mitleid an. Rigoros schob ich die Gefühlsduselei beiseite, die ich in dieser Situation ganz und gar nicht gebrauchen konnte. Diese Dame, so hübsch sie auch sein mochte, war eine gewiefte Einbrecherin, daran ließ sich nicht rütteln, und mit dieser Spezies hatte ich in letzter Zeit leider genug Ärger am Hals gehabt. Obwohl, so gewieft konnte sie offenbar doch nicht sein, wenn sie einbrach, während der Hausherr im Zimmer nebenan saß.

»Sie meinen die Blütenblätter?«, wimmerte sie indessen und zog ihr Stupsnäschen hoch. Nach meinem mürrischen Nicken kniete sie sich sogleich folgsam nieder, um mit tränennassem Gesicht das Grünzeug einzusammeln – brav wie ihr befohlen. »Es tut mir leid, Sir. Ich … Ich wollte keine Unordnung hinterlassen.«

»Sicher. Denn das würde ja zu Ihrer Rolle als puritanische Jungfer oder was immer Sie auch darstellen wollen nicht passen, nicht wahr?«, grummelte ich voller Hohn. »Tun Sie mir einen Gefallen und ersparen Sie mir das drittklassige Theater. Das bescheuerte Sir können Sie sich sonst wohin stecken! Mir ist schon klar, dass Sie mich bestehlen wollten.«

Sie errötete und ihre Bewegungen wurden immer fahriger. »Nein, ich wollte nichts stehlen. Das würde ich nie tun.«

Madame Goose wackelte mit empörtem Geschnatter die Treppe herab und auch ich unterdrückte ein wütendes Schnauben. Paradoxerweise konnte ich den Anblick der jungen Frau, wie sie auf Knien am Boden herumkroch und die Blätter zusammenklaubte, nicht länger ertragen, obwohl ich doch gerade selbst darauf bestanden hatte. Ich ärgerte mich über mich selbst. In ihrer Unterwürfigkeit schaffte sie es, mich in eine Art von Mann zu verwandeln, den ich nicht leiden konnte und der ich nicht sein wollte. Mit kühler Miene ging ich in die Knie und begann ihr zu helfen das Blumengebrösel einzusammeln. Die Gute sollte schließlich nicht glauben, dass ich das ihr zuliebe tat. Ich traute ihr nicht über den Weg und wollte sie bloß so schnell wie möglich aus dem Haus haben. Das war alles. Aus den Augenwinkeln nahm ich ihr überraschtes Blinzeln wahr, ignorierte es jedoch.

Nach Madame Goose, die bereits die ersten Blütenblätter schmatzend verspeist hatte, wagte sich auch Abby allmählich die Treppe herab. Ohne die Frau aus den Augen zu lassen, umrundete sie diese und kam an meine Seite. Als ich mich aufrichtete, tastete sie vorsichtig nach meiner Hand.

»Ich bin Abigail Scott«, stellte sich meine Nichte der Fremden vor, die daraufhin scheu zu ihr auf lächelte.

Mit einem fordernden »Quak« watschelte Madame Goose an Abigails Seite und reckte den Hals keck vor.

»Ist ja schon gut«, maulte Abby und deutete mit dem Kinn auf ihr Haustier. »Und das ist Madame Goose.«

Unbeholfen wischte die Frau die Nässe von ihren Wangen und erhob sich. »Schön, euch kennenzulernen, Abigail Scott und Madame Goose.« Ihre Stimme klang aufrichtig erfreut und dennoch beäugte sie Abby, als wäre sie ein Ungeheuer. Sie knetete die Blütenblätter in ihren Händen und ihr Blick wanderte stets aufs Neue zu mir, auch wenn sie zwischendurch schüchtern den Blick senkte. Sie schien mir damit andeuten zu wollen, dass sie auf eine Vorstellung meinerseits wartete. Doch darauf konnte die kleine diebische Elfe lange warten, von mir aus, bis ihr die spitzen Ohren zur Haube rauswuchsen.

»Ich … Ich gehe dann jetzt wohl besser meines Weges«, stammelte sie letztlich nach einer Schweigeminute, in der ich ihr immer noch nicht den Gefallen tat und mich vorstellte. »Wie bereits erwähnt lag es nicht in meiner Absicht, in Ihr Haus einzudringen und Sie zu bestehlen, S-«

Warnend hob ich eine Braue und sie schluckte brav den Rest des Sir hinunter.

»Verzeihung und … leben Sie wohl, Familie Scott«, nuschelte sie. Nach einem Nicken in Abbys Richtung ergriff sie die Flucht. Diesmal hielt ich sie jedoch nicht davon ab. Allerdings kam sie nicht weiter als bis zur Eingangstür. In vergnügtem Erstaunen beobachteten wir drei, wie die Frau sich an der Tür abmühte. Sie brauchte mehrere Versuche, bis sie begriff, dass es nichts nutzte, wie eine Irre die Klinke herunterzudrücken und an ihr herumzureißen.

»Onkel Lyle, ich glaube, sie bekommt die Tür nicht auf«, kombinierte Abby haarscharf.

»Ja, die Vermutung habe ich auch«, entgegnete ich lakonisch. Ich gab Abbys Hand frei und trat neben die scheinbar unfähigste Einbrecherin des Planeten, die sich schleunigst einen anderen Job suchen sollte. Wortlos tippte ich den Code in das Lesegerät ein, das an der Wand hing, woraufhin sich die elektronische Verriegelung mit einem Klacken aufhob. Selbstgefällig zog ich die Tür auf und schmunzelte auf die blonde Elfe herab. Allerdings verlor ich mich in ihren Augen, die wie frische Frühlingswiesen in der Morgensonne schimmerten. »Bitte schön«, raunte ich und bestaunte hingerissen die Fülle ihrer betörenden Lippen.

»Danke«, hauchte sie scheu und eilte dann aus dem Haus, die wenigen Stufen hinunter. Bald verschmolz sie mit der Dunkelheit.

Madame Goose und Abby standen plötzlich neben mir. »Schade, dass sie schon wieder geht. Ich fand sie ganz nett.«

»Quaak«, kam es von der Gans.

»Ganz nett?«, echote ich ungläubig. »Sie ist bei uns eingebrochen.«

»Weißt du, was ich mich frage, Onkel Lyle?«

Ich schüttelte kurz den Kopf und auch Madame Goose klackerte neugierig mit dem Schnabel.

»Wie sie in das Haus hereingekommen ist, wenn du doch alle Türen und Fenster verschlossen hast?«

»Keine Ahnung. Vielleicht habe ich eins vergessen und sie hat nur so getan, als wüsste sie nicht, wie sich das Schloss an der Eingangstür öffnen lässt, und ist in Wirklichkeit eine Meisterdiebin.«

Abbys Augenbrauen taten genau das Gleiche, was meine taten, wenn ich mich auf den Arm genommen fühlte: Sie hoben sich in unterschiedliche Höhen. »Das glaube ich nicht. Aber weißt du, was ich glaube?«

»Nein.«

»Dass du sie magst.«

»Blödsinn. Wie kommst du denn darauf?«

»Quak, quak«, meinte die Gans und Abby schüttelte tadelnd den Kopf.

»Blödsinn, Onkel Lyle. Sonst hättest du nämlich den Sheriff gerufen.«

Ich stutzte. Verdammt, war die Maus schlau! Aber bei dem Onkel, kein Wunder.

»Nun … Ich wusste eben, dass sie nichts geklaut hat. Ich war ja die ganze Zeit unten und hätte sie sofort gehört.«

»Hm«, grübelte Abby laut. »Aber das erklärt immer noch nicht, wie sie in unserer Diele landen konnte, und auch nicht die Schmetterlinge.«

Quakend schien Madame Goose ihr zuzustimmen.

»Welche Schmetterlinge?«, fragte ich überrascht.

»Na die, die um sie herumgeflattert und zu Boden gefallen sind.«

»Das waren doch keine Schmetterlinge, sondern Blütenblätter.«

»Quak, quak, quak.«

»Wenn du meinst«, murrten Gans und Abby im Chor.

Allerdings wirkte meine Nichte mit einem Mal traurig und ich benötigte einen Augenblick, um zu verstehen, weshalb. Langsam dämmerte mir, dass sie diese Fremde, die sich als Ira vorgestellt hatte, mochte, weil sie sie an ihre Mutter erinnerte. Denn Madison hatte mit ihren Ansichten zeitweise genauso abgehoben von dieser Welt gewirkt wie diese Elfe mit den Blütenblättern. Und nun war diese soeben auch aus ihrem Leben verschwunden – genauso wie ihre Mutter.

Kapitel 2

Ira

Ich floh in die Nacht. Dunkelheit und Kälte empfingen mich, die meine heißen Wangen kühlten und meine Aufregung ein wenig linderten. Noch immer galoppierte mein Herz wild in meiner Brust. Doch ich konnte nicht sagen, ob diese unsagbare Angst von der fremden Umgebung, in der ich mich plötzlich wiedergefunden hatte, oder von dem dunkelhaarigen Mann herrührte. Obwohl er im Grunde ziemlich stattlich in seiner seltsamen Kleidung gewirkt hatte, mit seinen breiten Schultern und dem hübschen Gesicht, hatte er jedoch stets grimmig auf mich herabgeblickt. Er hatte weder einen Herrenrock noch eine Weste und auch kein Hemd getragen. Nur etwas, das mehr einem Unterhemd glich. Drohend wie ein Wachturm hatte er mich überragt, während seine schmalen Haselnussaugen mich stechend verfolgt hatten. Seine buschigen Brauen, die dicht über seinen Augen lagen, hatte er fortwährend zusammengezogen, so als könne er nichts und niemanden leiden. Selbst die ausgeprägten Flügel seiner schmalen langen Nase verliehen ihm einen Ausdruck von stiller gärender Wut. Doch noch mehr als der Mann hatte mich das Mädchen mit der weißen Gans verwirrt. Denn ihr kleines Gesicht war komplett grün gewesen. Grün! Ob das eine Kräuterpaste verursacht hatte? Oder war das ihre Hautfarbe gewesen? Mit einem Reisigbesen, dem bunten Fransenrock und ihrem schwarzen Spitzhut hatte sie jedoch ausgesehen wie eine … Nein, ich wollte lieber nicht daran denken, denn genau diesem gemeinen Verdacht wäre auch ich beinahe zum Opfer gefallen, wenn nicht … Ja, wenn ich nicht urplötzlich in dem schwarz-weiß gekachelten Flur gestanden hätte. Wie war ich bloß aus der brennenden Hütte entkommen? Wo waren Elisha, Rainille und Flame abgeblieben? Ich hoffte von ganzem Herzen, dass sie ebenso auf diese Weise dem Feuer entkommen waren. Wer oder was auch immer mich von dort fortgebracht hatte, hoffentlich hatte er das Gleiche für meine Schwester und meine Freundinnen getan. Ich musste daran festhalten. Nichts anderes wollte ich glauben, denn nur das hielt mich im Moment aufrecht. Alles würde gut werden. Ich würde sie finden. Erst musste ich jedoch dahinterkommen, wo ich gelandet war.

Allmächtiger, wohin hast du mich geführt? Was war das hier nur für ein Ort?

Abrupt blieb ich auf dem breiten Kiesweg stehen, den ich entlanggeeilt war und der von dem Haus des dunkelhaarigen Mannes und des Mädchens fortführte. Nach der unerträglichen Hitze der Feuersbrunst fror ich nun umso mehr in der feuchten Nachtluft. Ich ließ die Blütenblätter aus meinen verkrampften Händen fallen und schlang die Arme um meinen Körper. Mein Atem bildete Nebelschwaden. Seltsam, wie konnte es auf einmal so kalt sein?

Zitternd sah ich mich nach allen Seiten um. Eine Laterne, in der eine winzige Flamme zu brennen schien, beleuchtete die Veranda des Hauses, einen danebenstehenden Schuppen und die Grasfläche, die mich von rechts und links umgab. In der Ferne konnte ich den Umriss eines unförmigen Felsbrockens ausmachen. Unzählige Bäume säumten das breite gepflegte Rasenstück ein. Verdutzt bemerkte ich, dass die Äste jedoch ihr Laub verloren hatten. Sie waren kahl. Wie konnte das sein? Als ich auf der Suche durch den Wald geeilt war, hatten die Zweige noch ihre Blätter getragen. Es war doch Sommer. Zwar ein trockener, aber noch nie hatte ich erlebt, dass die Pflanzen deshalb schlagartig ihr Blattkleid abwarfen. Eher kam es mir vor, als wäre auf einmal der Herbst über uns hereingebrochen.

Eisige Klauen griffen nach meinen Eingeweiden und ängstlich schlich ich weiter, bis sich ein schmiedeeisernes Tor vor mir erhob. Wie von Geisterhand teilte es sich und lautlos schwangen die beiden Flügel gemächlich auf, sodass ein Spalt entstand. Hastig durchschritt ich ihn und entdeckte zu meiner Verwunderung hohe Pfähle, die in regelmäßigen Abständen die Umgebung erhellten. Ihr Licht, das von darin gefangenen Leuchtkäfern stammen musste, fiel auf den Boden und ich staunte über den pechschwarzen Untergrund, der sich unfassbar eben unter meinen Füßen dahinzog. Wie ein glitzerndes Band lag der glatte Pfad vor mir und führte, wie ich feststellte, zur Linken zu einer Ansammlung von Lichtern, was ein Dorf sein musste, und zur Rechten an einen See. Dort verzweigte er sich und ich konnte Häuserfassaden ausmachen. Plötzlich ertönte ein tiefes Brummen. Ich wandte mich wieder dem Dorf zu und voller Schreck entdeckte ich in der Finsternis ein Ungetüm mit leuchtenden Augen auf mich zu jagen. Ängstlich schrie ich auf und presste mich an das Eisentor, welches sich hinter mir wieder verschlossen hatte.

Mit einem Dröhnen brauste das Monster an mir vorbei und ein noch größeres Entsetzen ließ mich erneut wie von Sinnen schreien. Eine kapuzentragende Schreckgestalt mit totenbleicher Fratze und düsteren Löchern an den Stellen, wo gewöhnlich Augen, Mund und Nase sein sollten, hing zur Seite aus dem Ungetüm heraus. Sie schwang ein langes blutiges Messer und kreischte in ohrenbetäubendem Lärm. So schnell meine Beine mich trugen, rannte ich davon, auf das Dorf zu. Erneut kam ein Donnern näher und ein weiteres Ungetüm rollte in hohem Tempo an mir vorbei. Diesmal jedoch ohne eine Höllengeburt mit Messer. Ungeschoren kam ich davon und allmählich verlangsamte ich meine Schritte. Trotz meiner Angst bemerkte ich, dass das Ungeheuer keine Beine hatte, sondern Räder wie bei einer Kutsche. Eine Kutsche, die sich ohne Pferde fortbewegte … Blanke Furcht ließ mich erbeben.

Herr im Himmel, was war hier los? Hatte sich mein Flehen in der brennenden Hütte erfüllt und ich war an einen anderen Ort geschleudert worden? Wo war das Salem hin, das ich kannte? Wo waren Elisha, meine Freundinnen und mein Vater?

Aus der Richtung vor mir hörte ich Stimmen und Schritte auf mich zukommen. Eine Schar Menschen lief mir entgegen. Bestimmt würden sie Auskunft geben können, wie dieser Ort hieß und wie ich wieder nach Hause gelangen könnte.

Doch als die Leute näher kamen und das Licht auf ihre Gesichter fiel, glaubte ich mich in einem Albtraum verfangen zu haben. Grässliche Leichen, blutbesudelte Bestien, Hexen und grausige Monster eilten auf mich zu. Schreiend rannte ich zurück, doch auch hinter mir standen auf einmal die Teufelsgestalten. Kopflos rannte ich über den schwarzen Pfad, aber selbst auf der anderen Seite standen die Dämonen bereit und warteten schon auf mich. Von jeder Richtung starrten sie mich an, von überallher strömten sie auf mich zu.

»Geht fort! Lasst mich in Ruhe!«, kreischte und brüllte ich nach allen Seiten. Zu Tode verängstigt suchte ich das Weite. Nur weg von diesem Ort, der nur die Hölle sein konnte.

Grundgütiger, welche Sünde hatte ich begangen? Womit hatte ich das Fegefeuer verdient?